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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 27.07.2006
Aktenzeichen: 7 U 2287/06
Rechtsgebiete: LugÜBK, ZPO, InsO, GmbHG


Vorschriften:

LugÜBK Art. 1 Abs. 2 Nr. 2
LugÜBK Art. 5 Nr. 1
LugÜBK Art. 5 Nr. 3
ZPO § 22
InsO § 135 Nr. 2
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 131
GmbHG § 30
GmbHG § 31 Abs. 1
GmbHG § 32 a)
GmbHG § 32 b)
1. Macht der Insolvenzverwalter gegen eine Gesellschafterin, die ihren Firmensitz in der Schweiz hat, Ansprüche auf Rückgewähr eigenkapitalersetzender Darlehen aus §§ 135 Nr. 2 InsO i.V.m. 32 a), b) GmbHG geltend, so findet das Luganer Übereinkommen (LugÜbK) gem. Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 LugÜbK keine Anwendung, da es sich hierbei um Streitigkeiten handelt, die in engem und unmittelbaren Zusammenhang mit einem Konkursverfahren stehen.

2. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich für die geltend gemachten Ansprüche aus § 22 ZPO, dem besonderen Gerichtsstand der Mitgliedschaft an der Gesellschaft, die ihren Sitz in Deutschland hat, da maßgebliche Grundlage der Ansprüche die aus der Mitgliedschaft abzuleitende Kapitalaufbringungs- und -erhaltungspflicht des Gesellschafters ist.

3. Ansprüche, die der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes aus §§ 30, 31 GmbHG geltend macht, sind wegen ihrer Unabhängigkeit vom Insolvenzverfahren nicht als Konkurssachen i.S.d. Art. 1 Abs. 2 Nr.2 LugÜbK anzusehen, mit der Folge, dass die Normen des Luganer Übereinkommens anzuwenden sind. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für derartige Ansprüche leitet sich aus Art. 5 Nr. 1 LugÜbK ab, da es sich um vertragliche Ansprüche handelt, für deren Entstehen ein Gesellschaftsvertrag zwingende Voraussetzung ist.


Aktenzeichen: 7 U 2287/06

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO

Tenor:

Der Senat beabsichtigt die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Hierzu wird bis 28.06.2006 Gelegenheit zur Äußerung gegeben:

Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Auf die im Ergebnis zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Zwischenurteils wird Bezug genommen.

Ohne Rechtsfehler und unter zutreffender Würdigung der vorgelegten Unterlagen hat das Erstgericht die internationale örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I bejaht. Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten.

Zu den Berufungsangriffen ist folgendes im Einzelnen anzumerken:

1. Die internationale - und damit auch örtliche - Zuständigkeit ist im Berufungsverfahren zu prüfen, da § 513 Abs. 2 ZPO, der die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Überprüfung durch das Berufungsgericht entzieht, insoweit nicht gilt. Der Kläger als Insolvenzverwalter der M....1. ....GmbH mit Sitz in I... stützt seine Ansprüche gegen die in der Schweiz ansässige Beklagte auf verschiedene Anspruchsgrundlagen. Da die umfassende Prüfungs- und Entscheidungskompetenz des Gerichts des besonderen Gerichtsstands nicht für die internationale Zuständigkeit gilt (vgl. BGH NJW 2003, 828, 830; NJW 1996, 1411, 1413 f.), ist die Zuständigkeit deutscher Gerichte für jeden einzelnen der geltend gemachten Klagegründe gesondert zu prüfen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I für alle vom Kläger vorgetragenen Ansprüche gegeben.

2. Soweit der Kläger seinen Anspruch auf § 135 Nr. 2 InsO i.V.m. §§ 32 a, b GmbHG stützt, ergibt sich die internationale Zuständigkeit - wie das Landgericht zutreffend ausführt - aus § 22 ZPO.

Das Lugano-Übereinkommen (LugÜbK) ist auf Rechtsgebiete der Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren wegen der Bereichsausnahme nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 LugÜbK nicht anwendbar. Die Insolvenzanfechtung, fällt nach vorherrschender Meinung unter die ausgeschlossenen Rechtsgebiete der Konkurse, Vergleiche oder ähnliche Verfahren (vgl. BGH 1990, 990 zum gleich lautenden Artikel 1 EuUGVÜ). Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche aus §§ 135 Nr. 2 InsO i.V.m. 32 a, b GmbHG, die ein Insolvenzverfahren voraussetzen, fallen hierunter. Es handelt sich insofern um Streitigkeiten, die sich auf ein Insolvenzverfahren beziehen, die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang mit einem Konkursverfahren zu sehen sind. Dies ist zwischen den Parteien unstrittig.

Soweit Ansprüche nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der europäischen Zuständigkeitsvorschriften fallen, kommen diese nicht zur Anwendung und werden die nationalen Zuständigkeitsvorschriften nicht verdrängt. Damit verbleibt es bei den autonomen Zuständigkeitsregelungen der deutschen Zivilprozessordnung, deren Auslegung sich insoweit nach deutschem Recht als der lex fori richtet. Nach innerstaatlichem deutschen Recht leitet sich die internationale Zuständigkeit aus der örtlichen Zuständigkeit nach §§ 12 ff. ZPO ab. Deutsche Gerichtsstandsvorschriften sind insofern doppelfunktional.

Zutreffend hat das Landgericht seine Zuständigkeit auf § 22 ZPO gestützt. Der besondere Gerichtsstand der Mitgliedschaft des § 22 ZPO gilt entsprechend auch für Klagen des Insolvenzverwalters gegen einen Gesellschafter auf Rückerstattung gem. §§ 32 a, b GmbHG, 135 Nr. 2 InsO. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich vorliegend um eine Streitigkeit, die die inneren Rechtsbeziehungen einer Gesellschaft betreffen, da der Kläger als Insolvenzverwalter der GmbH gegen einen Gesellschafter Ansprüche auf Rückgewähr eigenkapitalersetzender Darlehen geltend macht. Diese gesellschaftsrechtlichen Ansprüche leiten sich unmittelbar aus der Mitgliedschaft an der Gesellschaft ab. Sie finden ihre maßgebliche Grundlage in der Kapitalaufbringungs- und -erhaltungspflicht des Gesellschafters, der er sich mit Beteiligung an der Gesellschaft unterworfen hat. Auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgericht hierzu kann verwiesen werden. Es kann dahingestellt bleiben, welcher Rechtsnatur die Anfechtung und der Rückgewährungsanspruch sind, denn § 22 ZPO ist zumindest entsprechend anwendbar, wenn der Insolvenzverwalter einen auf §§ 32 a, b GmbHG gestützten Anspruch aus § 135 Nr. 2 InsO gegen einen Gesellschafter geltend macht (vgl. OLG Karlsruhe, NZG 1998, 349, 350; OLG Koblenz, NZG 2001, 759, 760). Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Konzernstruktur der Beklagten, die ausweislich Anlage BB 1 eine 100 % mittelbare Gesellschafterstellung an der Gemeinschuldnerin durch Zwischenholdings innehat.

3. Soweit der Kläger seine Rückzahlungsansprüche auf §§ 30, 31 Abs. 1 GmbHG stützt ergibt sich die internationale örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I aus Art. 5 Nr. 1 LugÜbK.

Der Beklagten ist insofern nicht zu folgen, als diese die mangelnde Substantiiertheit des klägerischen Vortrags hierzu behauptet hat. Der Sachvortrag des Klägers ist für die Beurteilung der Frage der internationalen örtlichen Zuständigkeit als ausreichend schlüssig anzusehen.

Zunächst ist festzuhalten, dass für diesen Anspruch die Anwendung des Lugano-Übereinkommens nicht wegen Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 LugÜbK ausgeschlossen ist. Wie oben dargelegt, fallen Streitigkeiten, die sich auf ein Insolvenzverfahren beziehen nur dann unter Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 LugÜbK, wenn sie unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren zu sehen sind. Maßgeblich ist dabei nicht, ob im konkreten Einzelfall die Geltendmachung eines Anspruchs in einem zeitlichen, wirtschaftlichen oder persönlichen Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren erfolgt, sondern ob der geltend gemachte Anspruch nach seiner Rechtsnatur in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Konkurs, Vergleich oder ähnlichem Verfahren steht. Dies ist hier nicht der Fall. Der Anspruch aus §§ 30, 31 GmbHG ist grundsätzlich unabhängig von einem Insolvenzverfahren, er hätte schon vor Eröffnung bzw. vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden können (vgl. BGH NJW 1992,1166 f). Die Eigenkapitalersatzklage gem. §§ 30, 31 GmbHG ist daher keine Konkurssache i.S.d. Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 LugÜbK, so dass die Regelungen des LugÜbK grundsätzlich anwendbar sind.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die geltend gemachten Ansprüche (§§ 30, 31 GmbHG) aus Art. 5 Nr. 1 LugÜbK, da es sich um vertragliche Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten handelt. Danach kann eine Gesellschaft, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in Abweichung von der allgemeinen Zuständigkeitsbestimmung des Art. 2 Abs. 2 LugÜbK in einem anderen Vertragsstaat vor dem Gericht, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre (hier München), verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Ob vertragliche Ansprüche i.S.d. Art. 5 Nr. 1 LugÜbK vorliegen, ist autonom, aus dem Sinnzusammenhang des Übereinkommens zu bestimmen. Dabei ist allgemein anerkannt, dass Art. 5 Nr. 1 LugÜbK weit auszulegen ist. Der Annahme einer vertraglichen Anspruchsgrundlage steht nicht entgegen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten keine vertraglichen Beziehungen bestehen. Da der Kläger als Insolvenzverwalter eine Forderung der Gemeinschuldnerin lediglich im eigenen Namen kraft Amtes geltend macht, ist entscheidend, dass zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten vertragliche Beziehungen vorliegen. Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Erstattungsanspruch aus §§ 30, 31 GmbHG geltend. Der Qualifizierung dieses Anspruchs als eines solchen aus Vertrag steht nicht entgegen, dass dieser Anspruch sich direkt aus dem Gesetz ergibt und nicht vertraglich vereinbart worden ist. Entscheidend ist nämlich, dass das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrages zwingende Voraussetzung für die Entstehung dieses Anspruchs ist. Der Erstattungsanspruch aus § 31 GmbHG ist ein eigenständiger gesellschaftsrechtlicher Anspruch der funktional dem Einlageanspruch nahe steht und als Wiederaufleben der Einlagepflicht gesehen wird (vgl. Baumbach/Hueck GmbHG, 18. Auflage, § 31 Rdnr. 3). Erfüllungsort dieses gesellschaftsrechtlichen Anspruchs ist der Sitz der Gemeinschuldnerin in Deutschland. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt dem Anspruch auch nicht primär ein Darlehensverhältnis zu Grunde, bei dessen Rückabwicklung die Geldforderung am Sitz der Beklagten zu erfüllen wäre. Auch wenn die Beklagte selbst nicht unmittelbar Partei des Gesellschaftsvertrags sein sollte, sondern an der Gemeinschuldnerin über Zwischenholdings jeweils zu 100 % mittelbar beteiligt gewesen ist, genügt es für die Frage der Zuständigkeit, dass sich der Kläger in nicht völlig unvertretbarer Weise auf diesen Anspruch gegen die Beklagte stützt (vgl. OLG Jena NZG 1999, 34).

4. Auch soweit sich der Kläger auf Ansprüche aus § 433 Abs. 2 BGB beruft und vorträgt, die Aufrechnung der Beklagten gegen den Kaufpreisanspruch der Klägerin sei gem. §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 131 InsO unzulässig und damit unwirksam gewesen, mit der Folge, dass der Kaufpreisanspruch nicht erfüllt sei, ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 1 LugÜbK. Unstreitig verkaufte die Gemeinschuldnerin im Oktober/November 2002 Anlagevermögen zum Preis von 181.975,51 Euro an die M...1 D... Der Kaufpreisanspruch der Gemeinschuldnerin wurde mit Darlehensforderungen der Beklagten verrechnet. Der Kläger trägt vor, dass mangels wirksamer Aufrechnung der Kaufpreisanspruch weiter bestehe, Erfüllungsort sei gem. § 270 Abs. 1 BGB der Sitz der Gemeinschuldnerin. Dem ist zuzustimmen. Eine bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärte Aufrechnung wird mit Eröffnung ex tunc unwirksam, einer gesonderten Anfechtung der Aufrechnung bedarf es nicht (vgl. Eickmann/Flessner, Insolvenzordnung, 4. Auflage, § 96 Rdnr. 12). Damit ist nach dem für die Frage der Zuständigkeit maßgeblichen Sachvortrag des Klägers davon auszugehen, dass der Kaufpreisanspruch nicht durch Aufrechnung erloschen ist und Erfüllungsort für die Kaufpreisforderung München ist. Die internationale örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich somit aus Art. 5 Nr. 1 LugÜbK.

5. Schließlich ist das Landgericht München I auch für Ansprüche des Klägers aus existenzvernichtendem Eingriff bzw. §§ 823, 826 BGB international örtlich zuständig, Art. 5 Nr. 3 LugÜbK. Der Sachvortrag des Klägers hierzu ist insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen, die im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung zu Grunde zu legen sind, - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht unsubstantiiert. Nach Art. 5 Nr. 3 LugÜbK kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes , an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Mit dem Begriff "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" ist der Ort gemeint, an dem das haftungsauslösende Ereignis den unmittelbar Betroffenen direkt geschädigt hat (vgl. EuGH NJW 1991,631 zum gleich lautenden Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ). Dies ist vorliegend am Sitz der Gemeinschuldnerin. Soweit die Beklagte weitere Rechtsprechung des EuGH zitiert und meint hieraus ableiten zu können, dass eine Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 LugÜbK nicht begründet sei, ist dem nicht zu folgen. Der EuGH nimmt in den zitierten Entscheidungen vor allem eine Abgrenzung zwischen den Orten, an denen lediglich mittelbar Betroffene einen (Vermögens-) Schaden erlitten haben, und dem Sitz der unmittelbar aufgrund der unerlaubten Handlung Geschädigten vor. Um eine solche Problematik handelt es sich im vorliegenden Fall nicht. Die Gemeinschuldnerin ist nach dem Vortrag des Klägers unmittelbar Geschädigte, so dass auch nach der Rechtsprechung des EuGH Art. 5 Nr. 3 LugÜbK einschlägig ist.

Der Senat regt daher an, die Berufung zur Meidung weiterer Kosten zurückzunehmen.

Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO

erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter ohne mündliche Verhandlung am 27.7.2006

folgenden Beschluss:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Zwischenurteil des Landgerichts München I vom 26.01.2006, Az: 34 O 21520/04 wird einstimmig zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.139.660,41 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten war durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern.

Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden vom 06.06.2006 wird Bezug genommen. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27.06.2006 hierzu Stellung genommen.

1. Sie trägt insbesondere erneut vor, für eine entsprechende Anwendung des § 22 ZPO hinsichtlich der durch den Kläger geltend gemachten Ansprüche aus § 135 Nr. 2 InsO i.V.m. §§ 32 a, b GmbHG sei kein Raum, der Kläger könne die Anfechtungsklage am Sitz der Beklagten in der Schweiz erheben. Dem Anspruch des Klägers lägen nicht mitgliedschaftliche Ansprüche, sondern Darlehensverhältnisse zu Grunde. Dem ist nicht zuzustimmen. Besonderer Gerichtsstand für Klagen auch des Insolvenzverwalters aus § 135 Nr. 2 InsO gegen einen Gesellschafter auf Rückerstattung nach § 32 a, b GmBHG ist der Gerichtsstand der Mitgliedschaft gemäß § 22 ZPO. Auf die Ausführungen des Senatsvorsitzenden im Hinweis vom 06.06.2006 wird verwiesen. Die geltend gemachten Ansprüche leiten sich unmittelbar aus der Mitgliedschaft an der Gesellschaft ab, da sie ihre maßgebliche Grundlage in der Kapitalaufbringungs- und -erhaltungspflicht des Gesellschafters finden, der er sich mit Beteiligung an der Gesellschaft unterworfen hat. Hierauf stützt sich der Kläger, wenn er als Partei kraft Amtes einen Anspruch aus § 135 Nr. 2 InsO erhebt. Es ist sachgerecht hierauf die Zuständigkeit nach § 22 ZPO zu gründen, insbesondere da die Regelung ihren Grund darin hat, Rechtsstreitigkeiten, die die inneren Rechtsbeziehungen der Personenvereinigung betreffen beim Gericht des Gesellschaftssitzes zu konzentrieren (vgl. BGHZ 76, 235). Es handelt sich nicht um eine analoge Anwendung des § 22 ZPO, wie im Hinweis möglicherweise missverständlich formuliert, sondern um eine direkte.

Dass Darlehensverhältnisse bzw. deren Rückzahlungen im Hintergrund stehen, ändert an der rechtlichen Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche und der sich hieraus ableitenden internationalen Zuständigkeit nichts.

2. Die Beklagte lässt desweiteren vortragen, die unterschiedliche Behandlung der Ansprüche aus §§ 30, 31 GmbHG und 32 a, b GmbHG im Hinblick auf die Beurteilung der Frage, ob sie als Konkurssachen i.S.d. Artikel 1 Abs. 2 Nr. 2 LugÜbK einzuordnen seien, sei nicht gerechtfertigt. Beide Ansprüche hätten ihren Grund im materiellen Eigenkapitalersatzrecht, damit müssten sie bei der Frage der Zuständigkeit einheitlich beurteilt werden. Auch bei grundsätzlicher Anwendbarkeit des Luganer Übereinkommens sei die Zuständigkeit des Landgerichts München für Ansprüche aus §§ 30, 31 GmbHG nicht nach Art. 5 Ziffer 1 LugÜbK begründet. Dem ist nicht zu folgen. Auf die ausführlichen Darlegungen im Hinweis des Senatsvorsitzenden kann Bezug genommen werden.

Ergänzend ist anzumerken, dass Ansprüche aus §§ 30, 31 GmbHG nicht aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen, sondern unabhängig von diesem bestehen und daher - in Abweichung zu dem vom Kläger ebenfalls geltend gemachten Anspruch aus §§ 135 Nr. 2 InsO, 32 a, b GmbHG - nicht als Konkurssache i.S.d. Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 LugÜbK zu werten sind. Dies stellt auch keine widersprüchliche Bewertung der Ansprüche aus §§ 30 ff. GmbHG dar. Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 LugÜbK ist nicht so zu verstehen, dass die Anwendung des Luganer Übereinkommens für alle Ansprüche ausgeschlossen ist, die ein Insolvenzverwalter geltend macht. Es fallen vielmehr nur solche Ansprüche unter die Norm, die in engem und unmittelbarem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren zu sehen sind. Bei den hier geltend gemachten Ansprüchen aus §§ 30,31 GmbHG handelt es sich um Ansprüche, die ein Insolvenzverfahren gerade nicht voraussetzen, so dass es an einer erforderlichen engen Verbindung zu einem Insolvenzverfahren fehlt.

Der Senat hält des weiteren an seiner Auffassung fest, dass es sich bei den Ansprüchen aus §§ 30, 31 GmbHG um vertragliche i.S.d. Art. 5 Nr. 1 LugÜbK handelt. Aufgrund der gebotenen weiten Auslegung dieser Vorschrift, ist es sachgerecht den Anspruch aus §§ 30, 31 GmbHG, der einen Gesellschaftsvertrag zwingend voraussetzt und der funktional dem sich hieraus ergebenden Einlageanspruch nahe steht und als Wiederaufleben der Einlagepflicht gesehen wird, als vertraglichen Anspruch zu qualifizieren. Nicht erforderlich ist, dass das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrags alleinige Voraussetzung für den Anspruch sein muss.

3. Soweit die Beklagte vorträgt, der Verkauf des Anlagevermögens an die M.....1.... D.... im Oktober/November 2002 sei nicht unstreitig, ist dies für die Frage der Beurteilung der internationalen Zuständigkeit unerheblich. Maßgeblich ist hierfür der Klägervortrag. Dies gilt auch für den geltend gemachten Kaufpreisanspruch. Hinzuweisen ist darauf, dass der Senat davon ausgeht, dass kein Kaufvertrag zwischen dem Kläger als Insolvenzverwalter der Gemeinschuldnerin und der Beklagten geschlossen wurde. Soweit der Kläger jedoch Ansprüche auf § 433 Abs. 2 BGB stützt, weil gem. §§ 96 Abs. 1 Nr. 3 , 131 InsO vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärte Aufrechnungen mit Eröffnung ex tunc unwirksam werden, ohne dass es einer gesonderten Anfechtung im Insolvenzverfahren bedarf, ist es sachgerecht und von der weiten Auslegung des Art. 5 Nr. 1 LugÜbK gedeckt, diese Ansprüche als vertragliche zu qualifizieren. Selbst wenn es sich um nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 LugÜbK ausgeschlossene Ansprüche aus Konkurs handeln sollte, ergibt sich die internationale örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München aus § 29 Abs. 1 ZPO, dem Erfüllungsort des Kaufpreisanspruchs am Sitz der Gemeinschuldnerin.

Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, des Streitwerts aus § 3 ZPO, wobei der Senat für die durch Zwischenurteil entschiedene Frage der internationalen Zuständigkeit von der Klageforderung in Höhe von 1.424.575,51 Euro einen Abschlag von 20 % vornimmt (vgl. Zöller, ZPO 25. Auflage, § 3 Rdnr. 16 "Zwischenstreit").

Ende der Entscheidung

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