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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 16.03.2005
Aktenzeichen: 7 U 2857/04
Rechtsgebiete: AktG, BSpkG 1990


Vorschriften:

AktG § 93 Abs. 2 Satz 1
BSpkG 1990 § 1 Abs. 3 Nr. 2
Die Finanzierung eines Kurhotels in Abano Terme stellt keine wohnungswirtschaftliche Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 2 BSpkG dar.

Veranlaßt der Vorstand einer im Bausparkassengeschäft tätigen deutschen Aktiengesellschaft gleichwohl die Zusage eines Bauspardarlehens zur Finanzierung eines solchen Vorhabens, so hat er den der Gesellschaft daraus entstehenden Schaden nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zu ersetzen.


Gründe:

I.

Der Beklagte veranlaßte im Jahre 1998 als Vorstandsvorsitzender der H. Bauspar AG die Zusage eines Bauspardarlehens in Höhe von insgesamt 16,5 Mio. DM zur Finanzierung des Ankaufs des Hotels "T. S." in Abano Terme durch eine Gesellschaft, bestehend aus dem Notar Dr. G und Mitgliedern der Familie Z. Das Darle-hensverhältnis wurde bereits kurze Zeit später notleidend und mit Schreiben der Klägerin vom 20.08.1999 gekündigt.

Nach Auszahlung des Darlehens am 30.09.1998 wurde das Dienstverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten mit Aufhebungsvertrag vom 05./06.10.1998, der eine Abgeltungsklausel enthielt, einvernehmlich beendet.

Das Landgericht hat mit Endurteil vom 18.03.2004 die Schadensersatzpflicht des Beklagten gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG festgestellt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der meint, daß die von ihm unterschriebene Zahlungsanweisung lediglich als vorbereitende Tätigkeit keine Verpflichtung zum Schadensersatz habe auslösen können. Zudem liege nach dem 1990 geänderten Bausparkassengesetz eine wohnungswirtschaftliche Maßnahme vor, da das finanzierte Hotel (auch) zur Versorgung der Wohnbevölkerung zu dienen bestimmt sei. Im übrigen stehe dem Anspruch die getroffene Abgeltungsvereinbarung entgegen. Außerdem sei die feststellende Urteilsformel des Landgerichts zu unbestimmt.

II.

Der Senat hat dem Beklagten folgenden Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erteilt:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Zu den Berufungsgründen ist folgendes anzumerken:

1. Der Feststellungsausspruch des Landgerichts ist hinreichend bestimmt. Das Landgericht war entgegen der Auffassung der Berufung nicht gehalten, das Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit dem Abschluß des Darlehensvertrags in eine Vielzahl von Einzelhandlungen aufzuspalten und diese isoliert zu bewerten. Das streitgegenständliche Rechtsverhältnis (Schadensersatzverpflichtung des Beklagten) ergibt sich aus dem Ersturteil in Klarheit.

2. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht eine Verpflichtung des Beklagten zum Schadensersatz gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG angenommen.

Der Beklagte hält die Feststellung eines Pflichtenverstoßes durch das Landgericht für fehlerhaft, da er die wirtschaftlichen Grundlagen vor der Kreditvergabe sorgfältig geprüft und die von ihm erstellte Zahlungsanweisung nur einen "internen Dispositionsvorgang" dargestellt habe. Grob fehlerhaft sei allein das Verhalten seines Nachfolgers im Vorstandsamt C. gewesen, trotz fehlender Unterlagen eine Auszahlungsmitteilung zu erstellen.

Diese - im übrigen eher fern liegende - Betrachtung des streitgegenständlichen Lebenssachverhalts verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Das Landgericht hat mit Recht das schadensstiftende Ereignis darin gesehen, daß der Beklagte unter Verstoß gegen die Vorschriften des Bausparkassengesetzes eine vertragliche Verpflichtung der Klägerin zur darlehensweisen Finanzierung des Erwerbs eines Hotels in Italien begründet hat. Dies geht nicht fehl. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 BSpkG sind wohnungswirtschaftliche Maßnahmen im Sinne dieses Gesetzes zwar auch "die Errichtung, Beschaffung, Erhaltung und Verbesserung von anderen Gebäuden, soweit sie Wohnzwecken dienen". Indes unterfällt das Finanzierungsobjekt "T. S." in Übereinstimmung mit dem Landgericht dieser Regelung nicht. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelt es sich dabei um ein Kurhotel, das durch Reservierungsverträge mit mehreren großen Reiseveranstaltern und Belegungsverträge mit Betriebskrankenkassen von deutschen Großunternehmen gebunden ist. Aus der als Anlage K 12 vorgelegten "Gutachterlichen Stellungnahme" vom 15.02.1999 ergibt sich, daß im Kurort Abano Terme zu dieser Zeit 77 Hotels betrieben wurden. Schon von daher liegt die Annahme fern, daß ausgerechnet das hier vorliegende Finanzierungsobjekt (zumindest auch) der Wohnbevölkerung des Kurorts zu dienen bestimmt wäre. Nichts anderes ergibt sich aus der Kommentierung bei Schäfer/Cirpka/Zehnder, Bausparkassengesetz und Bausparkassenverordnung, in Anm. 31 und 32 zu § 1 BSpkG, soweit dort ausgeführt wird, daß auch die Beschaffung eines gewerblich genutzten Gebäudes (wie z.B. eines Hotels) als wohnungswirtschaftliche Maßnahme gelten kann, wenn das Gebäude im Zusammenhang mit dem Bau von Wohnungen erforderlich ist bzw. einem Wohngebiet dient. Eine solche dienende Funktion wird indes weder vermutet, noch reicht es aus, daß sich in der Nachbarschaft des Hotels Wohnbebauung befindet. Vielmehr muß eine solche dienende Funktion nach den Umständen des Einzelfalles positiv feststellbar sein, woran es ersichtlich fehlt, wenn ein Kurort bereits Dutzende weiterer Hotelbetriebe aufweist.

3. Daß dem Beklagten auch zumindest Fahrlässigkeit zur Last fällt, ergibt sich nicht nur daraus, daß die Finanzierungszusage hinsichtlich des Hotels in dem als Anlage K 13 vorgelegten "H.-Weisungs-System" vom 01.10.1994 zu gewerblichen Finanzierungen keine Stütze findet, sondern auch aus dem Schreiben der Rechtsabteilung (verfaßt von K. U.) vom 23.12.1997 (Anl. K14), wonach ein Hotel (nur) dann durch ein außerkollektives Darlehen finanziert werden kann, "wenn es im Zusammenhang mit einem Wohngebiet steht und im wesentlichen von Besuchern dieses Wohngebiets genutzt wird".

4. Fern liegt die mit der Berufung vorgetragene Bewertung, die Kausalität eines etwaigen schadensstiftenden Verhaltens des Beklagten sei dadurch unterbrochen, dass vom Vorstandsmitglied C., dem der Beklagte den Streit verkündet hat, ohne die gebotene eingehende Überprüfung eine Auszahlungsmitteilung erstellt worden sei.

Vielmehr hat der Beklagte mit dem Eingehen der Darlehensverpflichtung und der von ihm unterschriebenen Zahlungsanweisung, die durchaus nicht als unwesentliches vorbereitendes Verwaltungsinternum angesehen werden kann, die wesentlichen Ursachen für den eingetretenen Schaden gesetzt. Auf der Grundlage dieses Verhaltens des Beklagten aufbauend war nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge naheliegend mit einer nachfolgenden Auszahlung der Darlehensvaluta zu rechnen.

5. Daß der eingetretene Schaden auch im Schutzbereich der verletzten Norm liegt, ergibt sich bereits aus der Amtlichen Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bausparkassen vom 09.10.1990 (BT-Drs. 11/8089), wo es unter A)III. wörtlich heißt:

"Die bestehenden Begrenzungen sind zur Wahrung des Spezialbankprinzips und zum Schutz der Bausparergemeinschaft vor den negativen Folgen risikohaltiger Geschäfte festgelegt worden".

6. Die in Ziffer 13 des Aufhebungsvertrags vom 05./06.10.1998 enthaltene salvatorische Klausel hindert die Rechtsfolge der Unwirksamkeit nach § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG nicht, da sowohl Verzicht als auch Vergleich hinsichtlich der Ersatzansprüche vor Ablauf der gesetzlichen Dreijahresfrist unwirksam sind (Hüffer, Rdnr. 28 zu 93 AktG). Auch insoweit erweist sich mithin das landgerichtliche Urteil als richtig.

III.

Auf den Hinweis des Senats hat der Beklagte an seinem Rechtsmittel festgehalten und die Ansicht vertreten, daß sich die bausparkassenrechtliche Unbedenklichkeit der Kreditvergabe bereits aus der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Hotels ergebe. Auf eine tatsächliche Inanspruchnahme der Hoteleinrichtungen durch die umliegende Wohnbevölkerung komme es nicht an.

IV.

Der Senat hat über die Berufung des Beklagten mit Beschluß vom 16.03.2005 wie folgt entschieden:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.03.2004 wird einstimmig zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten seiner Berufung und die durch die Nebenintervention des Dr. M. im Berufungsverfahren entstandenen Kosten.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.000.000 € festgesetzt.

Gründe:

Die Berufung des Beklagten war durch einstimmigen Beschluß gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern.

Auf den Hinweis des Senats vom 08.02.2005 wird Bezug genommen. Der Schriftsatz des Beklagten vom 11.03.2005 führt zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung:

Eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits ist weiterhin nicht zu erkennen. Die Rechtsauffassung des Beklagten, daß deutsche Bausparkassen nach der Änderung des Bausparkassengesetzes im Jahre 1990 Hotelbetriebe ohne weitere Voraussetzungen stets dann finanzieren dürfen, wenn das Hotel bauplanungsrechtlich zulässig ist, teilt der Senat nicht. Die wohnungswirtschaftliche Zielsetzung des Bauspargeschäfts (vgl. § 1 Abs. 1 BSpkG) würde damit weitgehend aufgegeben. Dies lag jedoch nicht in der Absicht des Gesetzgebers, wie sich nicht nur dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 2 BSpkG 1990, sondern auch der amtlichen Begründung zur Neufassung entnehmen läßt, wo es heißt:

"Zur Verbesserung der Wohnqualität im innerstädtischen Bereich gehört auch der Ausbau und die Verbesserung der Infrastruktur für die Bedarfsdeckung der Bewohner. Der neugefaßte Abs. 3 Satz 2 trägt dieser Entwicklung Rechnung".

Der Schluß von der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Hotelbetriebs auf die Finanzierungskompetenz der Bausparkassen greift mithin zu kurz.

Angesichts der deutlich gegenläufigen Stellungnahme der Rechtsabteilung der Klägerin (Anl. K14) kann von einem unvermeidlichen Rechtsirrtum des Beklagten keine Rede sein.

Der - größtenteils wiederholende - Vortrag zur Verantwortlichkeit des Vorstands C. kann nicht davon ablenken, daß der Beklagte die wesentlichen Ursachen für das Schadensereignis gesetzt hat.

Die Rechtsauffassung des Senats steht auch nicht in Widerspruch zur Richtlinie 89/646/EWG, die ein Tätigwerden der Bausparkassen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ermöglichen wollte. Entscheidungserheblich ist hier nicht der Umstand, daß ein Hotelbetrieb in Italien finanziert wurde, sondern der Umstand, daß dies unter Verstoß gegen die wohnungswirtschaftliche Zweckbindung geschah. Diese gilt für die Finanzierung von Gewerbebetrieben ohne Rücksicht darauf, ob diese im Inland oder innerhalb der Europäischen Union belegen sind.

Der von der Berufung insofern angeregten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bedarf es daher nicht.

Kosten: §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Streitwert: § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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