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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 14.10.2003
Aktenzeichen: 10 WF 3007/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 323 Abs. 4
ZPO § 323 Abs. 1
ZPO § 594 Nr. 1
ZPO § 594 Nr. 5
Ist der Kindesunterhalt in einer Jugendamtsurkunde tituliert, kann die Abänderung aufgrund der nun gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse begehrt werden, wenn der titulierte Unterhalt materiellrechtlich nicht mehr geschuldet ist, und zwar auch dann, wenn sich die tatsächlichen Umstände nicht wesentlich verändert haben. Dies gilt jedenfalls, wenn die Jugendamtsurkunde keine tatsächlichen Grundlagen enthält.
10 WF 3007/03

Nürnberg, den 14.10.2003

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 10. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwandorf vom 14.07.2003 aufgehoben.

II. Dem Antragsteller wird für seine Abänderungsklage vom 06.05.2003 Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Ihm wird zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Gründe:

Der Antragsteller begehrt Prozeßkostenhilfe für die Abänderung einer Jugendamtsurkunde über 128% des Regelbetrages infolge fehlender Leistungsfähigkeit für die Bezahlung des titulierten Unterhalts.

Das Amtsgericht hat Prozeßkostenhilfe maßgebend deswegen versagt, weil sich die Grundlagen seit der Erstellung der Jugendamtsurkunden im Januar 2001 nicht erheblich verändert hätten. Die zulässige Beschwerde gegen diese Entscheidung ist auch sachlich begründet. Die Abänderung des mit Jugendamtsurkunde titulierten Unterhalts ist jedoch bei dem Abänderungsbegehren gemäß § 323 Abs. 4, 1 ZPO, § 594 Abs. 1 Nr. 5 ZPO schon dann eröffnet, wenn der titulierte Unterhalt materiellrechtlich nicht mehr geschuldet ist. Auf die Veränderung der früheren Verhältnisse kommt es demgegenüber jedenfalls dann nicht an, wenn diese Verhältnisse nicht in der Jugendamtsurkunde festgehalten wurden. § 323 Abs. 4 ZPO bestimmt nur die entsprechende Anwendung der vorstehenden Vorschriften. Die Rechtskraftwirkung eines Urteils kommt einer Jugendamtsurkunde nicht zu. Daher ist für die Abänderung von Jugendamtsurkunden auf die materielle Rechtslage abzustellen (vgl. OLG München, FamRZ, 2002, S. 1371). Der Senat hat in einem Beschluß vom 17.10.2002, Az: 10 WF 3541/02, OLG-Report 2003, S. 175 ausgeführt, daß die Schutzwirkung des Absatz 3 Jugendamtsurkunden nicht zukommt. Für die Voraussetzungen der Abänderbarkeit ist daher - jedenfalls bei fehlenden tatsächlichen Grundlagen in der Jugendamtsurkunde - nicht der Gedanke der Veränderung der Geschäftsgrundlage, sondern die materielle Rechtslage maßgebend (so wohl auch Vollkommer bei Zöller, ZPO, 21. Auflage, § 323 Rdnr. 43).

Der Kläger hat schlüssig vorgetragen, aus welchen Gründen er eine Herabsetzung des Unterhalts begehrt. Das Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren dient nicht dem Zweck, über zweifelhafte Rechts- und Sachfragen abschließend vorweg zu entscheiden. Der Umzug nach Regensburg und die dadurch erhöhten Fahrtkosten können jedenfalls nicht von vornherein als Obliegenheitsverstoß gegenüber den unterhaltsberechtigten Kindern unberücksichtigt bleiben. Dafür spricht schon die nicht allzu hohe Fahrtstrecke von 27 Kilometern einfach. Eine Nebentätigkeit dürfte bei dem momentanen zeitlichen Umfang der ausgeübten Tätigkeit und dem Nebenbeschäftigungsverbot durch den Arbeitgeber nicht anzunehmen sein (vgl. auch BGH vom 9.7.03, XII ZR 83/00 und BVerfG, FamRZ 2003, S. 661).

Prozeßkostenhilfe war daher unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... zu bewilligen. Ratenzahlung war aufgrund der Unterhaltslasten und Belastungen nicht anzuordnen.

Ende der Entscheidung

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