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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 20.02.2006
Aktenzeichen: 4 W 100/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 407 a Abs. 3
ZPO § 413
1. Die Verpflichtung eines Sachverständigen nach § 407a Abs. 3 S. 3 ZPO, dem Gericht Mitteilung zu machen, wenn der angeforderte Kostenvorschuss erheblich überschritten zu werden droht, führt dazu, dass dieser beim Auftreten neuer, kostenträchtiger Umstände im Verlauf des Verfahrens eine erneute Vorschussanforderung veranlassen muss.

2. Unterlässt der Sachverständige dies und erbringt ohne ausdrückliche Zustimmung des Gerichts weitere, durch den Vorschuss nicht mehr gedeckte Leistungen, kann sein insoweit bestehender Gebührenanspruch gekürzt werden; er ist dann dafür beweisbelastet, dass die Parteien bei erfolgter Mitteilung seine weitere Tätigkeit veranlasst hätten.


4 W 100/06

Nürnberg, den 20.02.2006

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

Die Beschwerde des Sachverständigen J gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.12.2005 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth beauftragte den Sachverständigen mit Beweisbeschluß vom 22.4.2004, die Bewertung eines Grundstücks in B (R) vorzunehmen. Nachdem die Klagepartei den vom Gericht angeforderten Auslagenvorschuß in Höhe von 1.000 EUR einbezahlt hatte, wurden die Akten dem Sachverständigen mit einem Formschreiben übersandt, in welchem Hinweise auf die Pflichten nach § 407 a ZPO enthalten sind. Unter dem 23.6.2004 wies der Sachverständige das Gericht darauf hin, daß aufgrund seiner überschlägigen Berechnung ein weiterer Kostenvorschuß von 2.500 EUR erforderlich sei. Dieser wurde auf Anforderung durch die Klagepartei einbezahlt.

Der Sachverständige führte am 16.9.2004 eine Ortsbesichtigung des Objekts durch. Am 14.7.2005 teilte er telefonisch und per Fax gegenüber dem Landgericht Nürnberg-Fürth mit, daß das Gutachten mittlerweile erstellt sei und - unter Beifügung einer detaillierten Einzelaufrechnung - einen Kostenaufwand von 6.2 83,4 6 EUR verursacht hätte.

Trotz mehrfacher Aufforderungen war die Klagepartei nicht bereit, den Differenzbetrag als weiteren Auslagenvorschuß einzubezahlen. Mit Beschluß vom 21.12.2005 setzte das Landgericht Nürnberg-Fürth daraufhin die Vergütung für den Sachverständigen J auf 4.200 EUR (einbezahlter Auslagenvorschuß zuzüglich 20 %) fest.

Der Sachverständige legte am 30.12.2005 gegen diesen Beschluß Beschwerde ein. Er ist der Auffassung, seiner Verpflichtung nach § 407 a ZPO ausreichend genügt zu haben. Er bringt vor, daß die erhöhten Aufwendungen zunächst nicht absehbar gewesen seien, da insbesondere mehr Zeit als erwartet für die Besichtigung aufgewendet werden mußte und ein erhöhter Aufwand dadurch entstanden sei, daß noch Unterlagen vom Verwalter angefordert werden mußten, die erst später ausgewertet werden konnten. Mit Schreiben vom 14.7.2005 habe er den exakten Aufwand dargestellt und einen weiteren Kostenvorschuß als notwendig angezeigt. Das Landgericht habe zudem bei ihm einen Vertrauenstatbestand geschaffen, da es die Klagepartei zur Einzahlung von weiteren Auslagen aufgefordert habe.

II

Die Beschwerde des Sachverständigen J ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Das Landgericht hat die Gebühren zuteffend festgesetzt; ein weiterer Vergütungsanspruch steht ihm nicht zu.

1. Nach § 407 a Abs. 3 Satz 2 ZPO ist ein Sachverständiger gehalten, das Gericht darauf hinzuweisen, wenn voraussichtlich Kosten entstehen werden, die den angeforderten Vorschuß erheblich übersteigen. Dem Sachverständigen war diese Verpflichtung auch bewußt. Er hatte zum einen das Formschreiben, in welchem hierauf hingewiesen wird, erhalten; zum anderen hat er bereits unmittelbar nach dem Erhalt der Akten das Gericht darauf hingewiesen, daß der zunächst angeforderte Vorschuß von 1.000 EUR bei weitem nicht ausreichen würde.

Der Verstoß gegen diese Verpflichtung führt zu einer Kürzung des Entschädigungsanspruchs (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 413, Rn. 6).

2. Der Sachverständige hat es versäumt, dem Gericht die weitere Kostenentwicklung mitzuteilen, die dazu führte, daß auch der erhöhte Auslagenvorschuß von 3.500 EUR deutlich zu niedrig bemessen war; der tatsächliche Aufwand überstieg diesen Betrag um nahezu 80 %.

a) Zwar weist der Sachverständige in seinem Schreiben vom 1.2.2006 zutreffend darauf hin, daß es nicht seine vordringliche Aufgabe ist, "permanent Kostenvorschüsse abzufordern" und damit jederzeit den aktuellen Saldenstand im Auge zu behalten. Allerdings ergibt sich aus der gesetzlichen Formulierung, daß die "voraussichtlichen" Kosten abzuschätzen sind, sowohl eine Grobschätzung zu Beginn seiner Tätigkeit, als auch die Verpflichtung, beim Auftreten neuer und unerwarteter Gesichtspunkte, die auf die Kostenentwicklung erheblichen Einfluß haben könnten, eine erneute überschlägige Schätzung vorzunehmen. Nur dadurch kann die gesetzliche Intention dieser Vorschrift erfüllt werden. Es soll gewährleistet werden, daß die Parteien eine Risikoabschätzung durchführen können, inwieweit eine Beweisaufnahme tatsächlich durchgeführt werden soll (vgl. Zöller-Greger, § 407, Rn. 3). Dies setzt voraus, daß der Kostenaufwand für sie abschätzbar ist.

b) Der Sachverständige hat mit seinem Schreiben vom 17.11.2005 seine ursprüngliche Kostenschätzung vorgelegt, die einen Bruttobetrag von 2.623,3 7 EUR veranschlagte. Diese überschlägige Planung scheint bereits zweifelhaft, da als Fahr- und Wartezeiten lediglich eine Stunde veranschlagt war, was angesichts der räumlichen Entfernung des zu besichtigenden Objekts völlig unrealistisch war.

Spätestens nach der Durchführung des Ortstermins hätte es aber nahegelegen, den allein hierfür erforderlich gewordenen Zeitaufwand von 28,5 Stunden sowie die Auslagen für Fahrtkosten, Übernachtung und Verpflegung zu dem eingezahlten Kostenvorschuß ins Verhältnis zu setzen. Dabei hätte sich klar ergeben, daß dieser nahezu aufgebraucht war. Spätestens zu diesem Zeitpunkt - und daher vor der weiteren zeitintensiven Auswertung der durch die Ortsbesichtigung aufgenommenen Daten - hätte eine weitere Vorschußanforderung erfolgen müssen.

Dies geschah aber erstmals am 14.7.2005; zu diesem Zeitpunkt waren die weiteren Auslagen bereits angefallen, da der Sachverständige selbst dargelegt hat, das Gutachten zu diesem Zeitpunkt bereits erstellt zu haben. Eine Risikoentscheidung der Parteien, ob diese die weitere Gutachtensausarbeitung unter der Berücksichtigung der Kostensteigerung noch durchführen wollten, war damit nicht mehr möglich.

3. Der Sachverständige kann sich nicht darauf berufen, daß das Gericht aufgrund seiner Mitteilung vom 14.7.2005 die Klagepartei aufforderte, die Differenzsumme einzubezahlen. Dies wäre allenfalls dann entscheidungserheblich, wenn weitere Tätigkeiten erst danach angefallen und abgerechnet worden wären. Nur dann hätte er gegebenenfalls darauf vertrauen dürfen, daß er für weitere Leistungen zur endgültigen Gutachtenserstattung eine angemessene Vergütung erhalten würde, soweit ihm das Gericht nicht etwas Gegenteiliges mitteilt. Ein solcher Fall liegt nicht vor, so daß die vom Sachverständigen mehrfach zitierte Entscheidung (Meyer/Höver/Bach, Kommentar zum ZSEG/JVEG, 23. Aufl., Rn. 8.21) auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar ist.

4. Es kann auch nicht unterstellt werden, daß die Parteien bei pflichtgemäßer Anforderung des weiteren Kostenvorschusses die Durchführung der Beweisaufnahme weiter gewollt hätten. Der Kläger hat in seinen Stellungnahmen zu den gerichtlichen Aufforderungen, den weiteren Kostenvorschuß einzuzahlen, eindeutig erklärt, daß er die weiteren Kosten nicht tragen könne und wolle (Schreiben vom 19.9.2005 und 17.10.2005). Ein Sachverständiger hat grundsätzlich das Risiko der Unaufklärbarkeit dieser Frage zu tragen (BayObLG NJW-RR 98, 1294). Vorliegend ist es sogar wahrscheinlich, daß bei rechtzeitiger Mitteilung die Klagepartei eine weitere Gutachtenserstattung bereits im Oktober 2004 abgelehnt hätte. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Entscheidung der Klägerin sich damals anders dargestellt hätte, zumal ihr das Ergebnis des Gutachtens zum Zeitpunkt der Erklärungen im Herbst 2005 nicht bekannt war.

5. Durch die unterlassene Anzeige stehen dem Sachverständigen lediglich die Gebühren zu, die er bei pflichtgemäßem Verhalten ersetzt verlangen könnte. Der Gesetzgeber geht von einer Anzeigepflicht bei erheblicher Kostenüberschreitung aus, so daß die Vergütung dann nicht entfallen würde, wenn der einbezahlte Auslagenvorschuß maßvoll überschritten würde . In der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht Nürnberg-Fürth diesem Umstand Rechnung getragen und die auszuzahlenden Gebühren auf 120 % des Kostenvorschusses festgesetzt. Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden (vgl. Zöller-Greger, § 413 Rn. 6 m.w.N.).

6. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlaßt, da das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei ist und Auslagen nicht erstattet werden (§ 16 Abs. 5 ZSEG, welches für vorliegenden Fall noch Gültigkeit hat).

Ende der Entscheidung

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