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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 24.06.2005
Aktenzeichen: 5 U 1046/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847 a. F.
I. Ein Augenarzt, der es übernommen hat, ein frühgeborenes Kind im Hinblick auf die Gefahr einer Frühgeborenen-Retinopathie zu überwachen, hat bei jeder Kontrolluntersuchung selbst dafür zu sorgen, dass er den Augenhintergrund immer ausreichend einsehen kann. Andernfalls muss er zumindest für eine zeitnahe anderweitige fachärztliche Untersuchung Sorge tragen.

II. Zur Bemessung des Schmerzensgeldes, wenn diese Befunderhebungspflicht verletzt wird und das betroffene Kind eine Netzhautablösung erleidet.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

5 U 1046/04

Verkündet am 24.06.2005

In Sachen

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Braun und die Richter am Oberlandesgericht Kimpel und Redel aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten zu 6) wird das Endurteil des Landgerichts Weiden vom 12. Februar 2004 dahin abgeändert, dass diese an die Klägerin 80.000,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.12.2002 zu zahlen hat.

II. Die Berufung der Klägerin und die weitergehende Berufung der Beklagten zu 6) werden zurückgewiesen.

III. Die Kosten des ersten Rechtszugs werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 76/90, die Beklagten zu 1) und 6) zu 6/90 als Gesamtschuldner und die Beklagte zu 6) zu 8/90 allein; die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1) und 6) als Gesamtschuldner zu 6/90 und die Beklagte zu 6) zu 8/90 allein; die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin zu 4/5; die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) bis 5) trägt die Klägerin ganz; die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 6) trägt die Klägerin zu 4/15; im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Kosten des zweiten Rechtszugs werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten trägt die Klägerin zu 76/87 und die Beklagte zu 6) zu 11/87; die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 6) zu 11/87; die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) bis 5) trägt die Klägerin allein; die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 6) trägt die Klägerin zu 4/15; im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 150.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens, den die Klägerin infolge einer Frühgeborenen-Retinopathie erlitten hat.

Die Klägerin kam am 18. November 1997 in der 24. Schwangerschaftswoche mit einem Geburtsgewicht von 570 g im Klinikum der Beklagten zu 1) zur Welt. In der Folgezeit wurde sie dort u. a. von den Beklagten zu 2) bis 5) (kinder-) ärztlich betreut. Die Beklagte zu 6), eine niedergelassene Augenärztin, wurde ab der 31. Schwangerschaftswoche hinzugezogen, um die bei derartigen Frühgeburten erforderliche engmaschige Kontrolle auf eine beginnende Frühgeborenen-Retinopathie durchzuführen und ggfls. einer solchen Entwicklung durch Veranlassung einer geeigneten Therapie zu begegnen. Das Klinikpersonal der Beklagten zu 1) bereitete die Klägerin auf diese Kontrolluntersuchungen jeweils durch die Gabe von Augentropfen vor, die zu einer Erweiterung der Pupillen führen und der Beklagten zu 6) eine Begutachtung des Augenhintergrundes ermöglichen sollten.

Gleichwohl waren die Pupillen bei den streitgegenständlichen Untersuchungen am 12., 19. und 27. Januar 1998 für eine völlig ausreichende Untersuchung zu eng. Am 12. und 27. Januar 1998 war ein Einblick überhaupt nicht, am 19. Januar 1998 nur eingeschränkt möglich, ohne dass die Beklagte zu 6) irgendetwas unternahm, um sich einen besseren Einblick zu verschaffen. Die etwas besseren Sichtverhältnisse am 19. Januar 1998 führten zur Entdeckung ausgedehnter avaskulärer Areale.

Im Klinikum der Beklagten zu 1) war es üblich, Frühgeborene einige Wochen vor dem errechneten Geburtstermin unabhängig von den Untersuchungen der Beklagten zu 6) sicherheitshalber in der Universitätsaugenklinik R vorzustellen. Der Zeuge Dr. A vereinbarte deshalb für die Klägerin Anfang Februar 1998 eine Untersuchung am 09. Februar 1998 in R. Die Mutter der Klägerin verweigerte jedoch am 08. Februar 1998 die Einwilligung zu dem Transport nach R weil die Klägerin unter einer beginnenden Infektionskrankheit litt und vermehrt Sauerstoff benötigte.

Als die Beklagte zu 6) am 23. Februar 1998 wieder im Klinikum der Beklagten zu 1) erschien, um die Klägerin nach Abklingen einer schweren Infektion zu untersuchen, stellte sie eine bereits eingetretene Netzhautablösung fest. Trotz einer sofortigen Verlegung in die Universitätsaugenklinik R konnte die vollständige Erblindung des rechten Auges nicht verhindert werden.

Auch am linken Auge leidet die Klägerin unter einer Frühgeborenen-Retinopathie, die hier allerdings nur zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Sehfähigkeit geführt hat und unstreitig als schicksalhaft zu betrachten ist.

Die Klägerin hat sämtlichen Beklagten vorgeworfen, ihre Erkrankung während der stationären Behandlung nicht rechtzeitig erkannt und insbesondere die Erblindung ihres rechten Auges nicht verhindert zu haben. Insbesondere die Beklagte zu 6) sei verpflichtet gewesen, rechtzeitig für eine bessere Einsehbarkeit des Augenhintergrundes zu sorgen. Die Klägerin hat sich insoweit u. a. auf ein vom Vorstand der Augenklinik der Universität E, Prof. Dr. N, für den Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1) bis 5) erstattetes Gutachten vom 15. Mai 2002 berufen. Die Beklagte zu 6) habe es zudem versäumt, die Klinikärzte von der Dringlichkeit einer genauen Abklärung ihrer Situation durch eine Vorstellung in der Universitätsaugenklinik R zu unterrichten. Nach Auffassung der Klägerin seien aber die Beklagten zu 2) bis 5) auch ohne einen solchen Hinweis in der Lage gewesen, die kritische Situation zu erkennen; sie hätten daher trotz der Untätigkeit der Beklagten zu 6) ihre Mutter am 08. Februar 1998 auf das bestehende Risiko einer Erblindung hinweisen und sie so von der Notwendigkeit einer raschen Untersuchung in R überzeugen müssen.

Die Beklagten zu 1) bis 5) haben die Auffassung vertreten, sie hätten ihre Pflichten gegenüber der Klägerin ausreichend durch die Hinzuziehung der Beklagten zu 6) als Fachärztin für Augenheilkunde erfüllt. Auf deren Empfehlungen und Untersuchungen hätten sie sich verlassen dürfen. Sie seien auch nicht verpflichtet gewesen, die Mutter der Klägerin noch eindringlicher auf die Bedeutung der Untersuchung in R und die bei deren Unterbleiben drohenden Gefahren hinzuweisen. Auch die Beklagte zu 6) ist der Meinung, ihr sei nichts vorzuwerfen.

Bei keiner ihrer Untersuchungen habe sich ein reaktionspflichtiger Befund ergeben. Das von ihr am 27. Januar 1998 auf zwei Wochen festgelegte Kontrollintervall sei nicht zu lange gewesen, da vorher die Untersuchung in R habe stattfinden sollen.

Im übrigen haben sich die Beklagten darauf berufen, dass nicht festgestellt werden könne, ob frühere oder gründlichere Untersuchungen das Augenlicht der Klägerin hätten retten können.

Das Erstgericht hat Beweis erhoben durch Erholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. S von der Universitätsaugenklinik W sowie durch uneidliche Vernehmung der Zeugin V. Wegen des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten vom 20. November 2003 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2004 Bezug genommen.

Mit Endurteil vom 12. Februar 2004, auf das wegen der näheren Einzelheiten der Sachdarstellung verwiesen wird, hat das Landgericht die Beklagte zu 6) verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 120.000,00 Euro zu bezahlen und festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 6) verpflichtet sind, der Klägerin als Gesamtschuldner sämtliche durch die Erblindung ihres rechten Auges verursachten materiellen Schäden zu ersetzen, soweit kein Anspruchsübergang auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte erfolgt ist oder noch erfolgt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Erstgericht im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte zu 6) hafte für sämtliche immateriellen und materiellen Schäden der Klägerin, weil sie diese nicht gründlich und sorgfältig genug untersucht habe. Sie habe sich nicht mit dem in Folge enger Pupille reduzierten Einblick begnügen dürfen. Da sie auch die vom Sachverständigen für angebracht gehaltene Untersuchungsmethode des "Eindellens" nicht angewandt habe, liege ein grober Behandlungsfehler vor mit der Folge, dass die Ungewissheit über die gesundheitliche Entwicklung der Klägerin bei optimaler Untersuchung und Behandlung zu ihren Lasten gehe. Diese Ungewissheit führe aber zur Abweisung der Klage gegen die Beklagten zu 2) bis 5), weil diesen kein grober Fehler vorgeworfen werden könne. Die Beklagte zu 1) hafte für den materiellen Schaden der Klägerin, weil sie sich das Fehlverhalten der Beklagten zu 6) zurechnen lassen müsse.

Gegen dieses der Klägerin am 02. März, der Beklagten zu 6) am 03. März 2004 zugestellte Urteil haben die Klägerin am 27. März und die Beklagte zu 6) am 01. April 2004 Berufung eingelegt. Die Klägerin hat ihr Rechtsmittel, nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, am 02. Juni 2004, die Beklagte zu 6) das ihre am 03. Mai 2004 begründet.

Die Klägerin behauptet unter Beweisantritt, es gehöre zum Standard und Grundwissen auch von Kinderärzten, dass um die 32. Lebenswoche die kritische Phase hinsichtlich einer Frühgeborenen-Retinopathie bestehe, weshalb es sich den Beklagten zu 2) bis 5) hätte aufdrängen müssen, dass nach dem 29. Januar 1998 eine augenärztliche Untersuchung in der 1. Februarwoche bzw. allerspätestens am 09. Februar 1998 hätte stattfinden müssen. Das Unterlassen derartiger Maßnahmen sei auch bei den Beklagten zu 2) bis 5) als nicht mehr verständliches grobes Fehlverhalten zu würdigen. Diese hätten erkennen müssen, dass die Untersuchungen der Beklagten zu 6) ungenügend waren. Weil sie trotzdem weitere augenärztliche Untersuchungen nicht veranlasst hätten, sei auch ihnen ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Klägerin wird auf die Berufungsbegründung vom 02. Juni 2004 und den weiteren Schriftsatz vom 02. August 2004 verwiesen.

Die Klägerin stellt folgenden Antrag:

1. Unter Abänderung des Endurteils des LG Weiden vom 12.02.2004, Az. 1 O 705/02, werden die Beklagten zu 1) bis 5) verurteilt, gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 6) an die Klägerin 120.000,00 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 23.12.2002 zu bezahlen und

2. wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) bis 5) gesamtschuldnerisch mit den Beklagten zu 1) und 6) verpflichtet sind, der Klägerin wegen der Erblindung des rechten Auges sämtliche materiellen zukünftigen Schäden zu ersetzen, soweit nicht Anspruchsübergang auf Sozialleistungsträger oder sonstige Dritte erfolgt ist oder erfolgt.

Die Beklagten zu 1) bis 5) beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagten zu 1) bis 5) vertreten die Auffassung, die Kinderärzte seien berechtigt gewesen, sich auf die Behandlung und Beobachtung der Klägerin durch die fachkundige Augenärztin, die Beklagte zu 6), zu verlassen. Da sich aus deren Befundberichten keinerlei Auffälligkeiten ergeben hätten, sei die geplante Vorstellung in der Universitätsaugenklinik R aus ihrer Sicht eine reine Routineuntersuchung gewesen. Eine noch intensivere Einwirkung auf die Mutter der Klägerin mit dem Ziel, diese zur Einwilligung in den Transport nach R zu veranlassen, sei für sie deswegen nicht angezeigt gewesen. Den Kinderärzten habe sich auch nicht aufdrängen müssen, dass die Beklagte zu 6) ihrer Aufgabe nicht gewachsen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten zu 1) bis 5) wird auf die Berufungserwiderung vom 06. Juli 2004 sowie die weiteren Schriftsätze vom 12. Juli und 11. Oktober 2004 sowie vom 16. Februar 2005 Bezug genommen.

Die Beklagte zu 6) macht geltend, das Erstgericht habe zu unrecht das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers bejaht.

Die Ausführungen des Sachverständigen böten für eine derartige Feststellung keine hinreichende Grundlage. Dieser habe ihr Verhalten bei seiner Anhörung am 12. Februar 2004 deutlich milder beurteilt als in seinem schriftlichen Gutachten. Ohne ausreichende tatsächliche Feststellungen durch den medizinischen Sachverständigen könne das ärztliche Vorgehen aber juristisch nicht als grob fehlerhaft gewertet werden. Sie habe sich am 27. Januar 1998 bei der letzten vor der Netzhautablösung von ihr durchgeführten Untersuchung darauf verlassen, dass die Klägerin rechtzeitig in der Universitätsaugenklinik R vorgestellt werde, und deshalb zunächst keine eigenen weiteren Untersuchungstermine vorgesehen. Sie habe sich nichts vorzuwerfen. Im übrigen sei das Schmerzensgeld auf jeden Fall zu hoch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten zu 6) wird auf die Berufungsbegründung vom 03. Mai 2004 sowie die weiteren Schriftsätze vom 16. Juni, 23. September 2004 und vom 14. Februar 2005 verwiesen.

Die Beklagte zu 6) stellt folgenden Antrag:

I. Das Endurteil des Landgerichts Weiden vom 12.02.04 wird aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin stellt den Antrag,

die Berufung der Beklagten zu 6) zurückzuweisen.

Die Klägerin weist darauf hin, dass die Beklagte zu 6) bei ihren sämtlichen Untersuchungen habe feststellen müssen, dass sie die Peripherie des Augenhintergrunds nicht beurteilen könne. Da gerade dort die Netzhautablösung beginne, sei die Beurteilung der Peripherie besonders wichtig. Wenn die Beklagte zu 6) darauf verzichtet habe, sich - etwa durch eigenes Tropfen -einen besseren Einblick zu verschaffen, so sei dies angesichts der damals für die Klägerin bestehenden Gefährlichkeit der Situation vom Erstgericht zu Recht als grob fehlerhaft bezeichnet worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 02. Juni und den weiteren Schriftsatz vom 19. Oktober 2004 verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Dr. A sowie durch nochmalige Anhörung des Sachverständigen Dr. S. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschriften vom 18. Februar und 13. Mai 2005 Bezug genommen.

II.

Sowohl die Berufung der Klägerin wie die Berufung der Beklagten zu 6) sind zulässig eingelegt und begründet. In der Sache hat aber nur die Berufung der Beklagten zu 6) teilweise Erfolg und führt zur Herabsetzung des vom Erstgericht zugesprochenen Schmerzensgeldes.

1. Der Senat ist mit dem Erstgericht der Überzeugung, dass die Beklagte zu 6) bei der Untersuchung der Klägerin ihre ärztlichen Pflichten grob verletzt hat. Zur Begründung kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zu den der Beklagten zu 6) vorzuwerfenden Unterlassungen Bezug genommen werden.

a) Dabei kommt es für die Haftung der Beklagten zu 6) dem Grunde nach noch nicht darauf an, ob ihr Verhalten schon als nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint, weil ein solcher Fehler einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf, und deshalb als schwerer Arztfehler anzusehen ist. Denn der Beklagten zu 6) ist ein Verstoß gegen die ärztliche Pflicht zur medizinisch gebotenen Erhebung und Sicherung eines Befundes vorzuwerfen.

Ein solcher Fehler führt auch dann, wenn er für sich betrachtet nicht als grob fehlerhaft zu bezeichnen ist, zu Beweiserleichterungen zu Gunsten des Patienten für die Feststellung der Kausalität. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und findet seine Rechtfertigung darin, dass der Arzt durch die Verletzung dieser Pflicht, die Beweisführung des Patienten erschwert und vereitelt, indem er ihm die sonst als Beweismittel zur Verfügung stehenden Untersuchungsergebnisse entzieht (BGH NJW 2004, 1871; NJW 1999, 3408).

b) Die Voraussetzungen, die an das Eingreifen dieser Beweiserleichterungen zu stellen sind, liegen vor.

aa) Die Beklagte zu 6) verletzte ihre Pflicht zur Erhebung medizinischer Befunde, weil sie es bei jeder ihrer Untersuchungen ohne ausreichende Reaktion hinnahm, dass sie wegen enger bzw. sehr enger Pupille nur einen reduzierten Einblick nehmen konnte und insbesondere die Peripherie des Augenhintergrundes am 19. Januar 1998 nur eingeschränkt und am 12. und vor allem 27. Januar 1998 überhaupt nicht beurteilen konnte.

Die Notwendigkeit einer augenärztlichen Kontrolle der Klägerin im Hinblick auf die Gefahr einer Frühgeborenen-Retinopathie, insbesondere in der Zeit zwischen der 31. und 37. Gestationswoche, ist zwischen den Parteien unstreitig. Dies war der Grund für die Hinzuziehung der Beklagten zu 6). Auch die ungenügende Einsehbarkeit als solche ist unstreitig und ergibt sich aus den von der Beklagten zu 6) selbst ausgefüllten Konsilscheinen. Ihre Ursache lag in einem unzureichenden Tropfen. Die Beklagte zu 6) selbst hat in der Klageerwiderung vom 10. Februar 2003 auf Seite 6 vorgetragen, dass nicht ausreichend getropft worden sei. In diesem Sinne ist auch der von ihr auf dem Konsilschein vom.29.01.1998 angebrachte Vermerk "bitte ausreichend tropfen" zu verstehen. Auch der Sachverständige Dr. S sieht keine andere Ursache für die schlechte Einsehbarkeit. Die als Alternative in Betracht kommende "tunica vasculosa lentis" schließt er aus, da sonst die etwas bessere Einsehbarkeit am 19. Januar 1998 nicht zu erklären sei.

Damit steht fest, dass die Beklagte zu 6) auch in der vom Sachverständigen als besonders kritisch bezeichneten 34. Gestationswoche - in diese fiel bei der Klägerin der Untersuchungstermin vom 27. Januar 1998 - keinen Befund darüber erhob, ob der Zustand der Klägerin eine sofortige Reaktion zur Bekämpfung einer drohenden Frühgeborenen-Retinopathie erforderte. Sie holte diese Befunderhebung auch in den folgenden Tagen nicht nach, obwohl ihr dies möglich gewesen wäre, da hierzu die Augen der Klägerin nur, nötigenfalls von ihr selbst, ausreichend getropft werden mussten. Da es sich, wie gesagt, um eine für die Augen der Klägerin besonders kritische Zeit handelte, hätte die Beklagte zu 6) sich umgehend darum kümmern müssen, dass sie oder ein anderer Augenarzt die erforderliche Untersuchung durchführt. Sie durfte den nächsten Kontrolltermin nicht, wie geschehen, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt um zwei Wochen hinausschieben. Der Sachverständige Dr. S schreibt auf den Seiten 11 und 15 seines schriftlichen Gutachtens vom 14. November 2003 dazu, dass der Befund vom 19. Januar 1998, wo die Beklagte zu 6) ausgedehnte avaskuläre Areale gesehen hatte, dazu gezwungen habe, spätestens 14 Tage danach - also bis zum 02. Februar 1998 - eine hinreichend detaillierte Beurteilung der äußeren Netzhaut durchzuführen. Diese Aussage wird durch die Feststellung auf Seite 16 des selben Gutachtens ergänzt, wonach die Beklagte zu 6) am 29. Januar 1998 (gemeint ist wohl der Untersuchungstermin 27. Januar 1998) darauf drängen hätte müssen, dass umgehend entweder für sie selbst ausreichende Untersuchungsbedingungen geschaffen werden oder ein auswärtiger Konsiliarius beigezogen wird.

In dem selben Sinn äußert sich auch Prof. Dr. N von der Universitätsaugenklinik E in seinem Gutachten vom 15.05.2002. Auch er vertritt die Auffassung, dass am 27.01.1998 eine ausreichende Beurteilung der Netzhaut zwingend notwendig gewesen sei und die Beklagte zu 6) daher entweder am 28.01.1998 die Klägerin erneut untersuchen oder ihre sofortige Vorstellung in R hätte empfehlen müssen.

Die Beklagte zu 6) unternahm aber weder am 27. Januar 1998 noch in den Tagen danach irgendetwas, um ihre Pflichten zu erfüllen.

Die Beklagte zu 6) versucht vergeblich, ihre Pflichtverletzung dadurch hinwegzudiskutieren, dass sie die von den Kinderärzten der Beklagten zu 1) unabhängig von ihrer konsiliarischen Tätigkeit vorgesehene Untersuchung in R ins Spiel bringt. Dieser Versuch scheitert schon daran, dass die Beklagte zu 6) nicht entscheiden kann, ob sie behaupten will, der Termin in R sei der von ihr auf dem Konsilschein vom 29. Januar 1998 für einen Zeitpunkt zwei Wochen nach der Untersuchung vom 27. Januar 1998 vorgesehene, nächste Kontrolltermin - der Termin in R hätte dann etwa am 10.02.1998 stattfinden müssen -, oder ob sie behaupten will, sie selbst habe zwei Wochen nach dem 27. Januar 1998 wieder nach der Klägerin sehen wollen und habe angenommen, der Termin in R finde bereits in der Woche nach dem 27. Januar 1998 statt. Die letztgenannte Version - Untersuchung in R etwa am 02.02.1998 - findet sich in den Schriftsätzen vom 13. Januar 2004, wo die Beklagte zu 6) vortragen lässt, sie habe am 27. Januar 1998 die Verantwortung nicht mehr alleine tragen wollen und deshalb gegenüber den Kinderärzten von einer Vorstellung in R spätestens nächste Woche gesprochen, und vom 23.09.2004, wo es heißt, am 27.01.1998 seien alle Beteiligten als selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Klägerin in jedem Fall umgehend auch in R untersucht wird. Dazu passt auch die Aussage der Zeugin V die vor dem Landgericht bekundete, die Beklagte zu 6) habe nach der Untersuchung am 27. Januar 1998 zu ihr gesagt, die Klägerin solle nach der an diesem Tag stattgefundenen Untersuchung nach R verbracht werden.

Die erstgenannte Version - Untersuchung in R erst um 09. Februar 1998 - wird in der Berufungsbegründung sowie in den Schriftsätzen vom 16. Juni 2004 und 23. September 2004 verwendet. Der Beklagten zu 6) gelingt es mithin in ein und demselben Schriftsatz, beide Varianten unterzubringen.

Der Senat hält es letztlich für unerheblich, welche inneren Vorstellungen die Beklagte zu 6) über den Termin der Untersuchung in R hatte, oder was sie ihrer Arzthelferin V diesbezüglich mitgeteilt hat. Wichtig ist allein, was die Beklagte zu 6) an oder um den 27. Januar 1998 herum unternahm, um eine "umgehende" Untersuchung der Klägerin zu veranlassen. Zu dieser Frage hat die Vernehmung des Zeugen Dr. A in Verbindung mit den Krankenunterlagen zur Überzeugung des Senats ergeben, dass die Beklagte zu 6) weder ihn noch andere Kinderärzte über die Problematik informierte und keinen Verantwortlichen des Klinikums bat, die Klägerin sehr zeitnah zur Abklärung eines Befundes nach Regensburg zu bringen. Der Zeuge Dr. A bekundete nämlich glaubhaft, er könne sich zwar nicht mehr an ein spezielles Gespräch mit der Beklagten zu 6), etwa am 27. Januar 1998 erinnern, meine aber, dass er sich erinnern würde, wenn er dabei auf einen unklaren Befund hingewiesen oder gar um eine zeitnahe Vorstellung des Kindes in R gebeten worden wäre. So etwas werde im übrigen auch in der Patientenkartei vermerkt. Da es einen derartigen Eintrag in den dem Senat vorliegenden Unterlagen unstreitig nicht gibt, hält der Senat die Behauptung der Beklagten zu 6), sie habe eine umgehende Vorstellung der Klägerin in R erbeten, für widerlegt.

Der Beklagten zu 6) ist daher vorzuwerfen, dass sie eine hinreichende Untersuchung der Klägerin in der ganzen Zeit vom 12. bis 27. Januar 1998 weder selbst durchführte noch anderweitig, etwa in der Universitätsaugenklinik R, veranlasste. Die von der Beklagten zu 6) ausführlich erörterte Frage, ob eine Untersuchung der Klägerin erst am 09. Februar 1998 auch noch rechtzeitig gewesen wäre, ist für die Entscheidung letztlich ohne besondere Bedeutung, da die Beklagte zu 6) im entscheidenden Zeitpunkt auch für eine Untersuchung an diesem Tag nichts unternahm, insbesondere auch die Kinderärzte nicht auf die besondere Lage aufmerksam machte. Ein eindeutiger Hinweis an die Kinderärzte wäre am 27. Januar 1998 geboten gewesen und hätte etwa die Information enthalten müssen, dass bisher eine ordnungsgemäße Untersuchung des Augenhintergrundes mangels ausreichender Tropfung nicht möglich gewesen sei und nun in der 34. Gestationswoche eine im Hinblick auf die befürchtete Netzhautablösung besonders kritische Zeit begonnen habe. Ein solcher Hinweis hätte die Kinderärzte in die Lage versetzt, die Mutter der Klägerin entsprechend zu informieren. Diese hätte sich im Zweifel aufklärungsrichtig verhalten und der Verlegung zugestimmt. Der Senat ist sich im Hinblick auf die vom Zeugen Dr. A als besonders vorsichtig geschilderte Verfahrensweise des zuständigen Oberarztes der Beklagten zu 1) im übrigen sicher, dass dieser und seine Ärzte nicht bis zum 09. Februar 1998 gewartet hätten, wenn sie von der Brisanz der Situation erfahren hätten, sondern eine umgehende Vorstellung der Klägerin in R veranlasst hätten.

bb) Auch die zweite Voraussetzung für die Gewährung von Beweiserleichterungen ist erfüllt. Bei pflichtgemäßer Abklärung hätte sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiger Befund gezeigt, dessen Verkennung sich als fundamentaler Fehler bzw. die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde (BGH a. a. O.).

Der Sachverständige Dr. S führt bereits in seinem schriftlichen Gutachten vom 20. November 2003 aus, dass man bei einer genauen Untersuchung im Zeitraum zwischen dem 29. Januar und 09. Februar 1998 wahrscheinlich ein behandlungsbedürftiges Stadium der Retinopathie am rechten Auge hätte entdecken können. In der vorangegangen Zeit seit dem 12. Januar 1998 sei eine Entdeckung u. U. auch schon möglich gewesen, die höchste Wahrscheinlichkeit habe aber Anfang Februar 1998 bestanden. Diese auch von der Beklagten zu 6) nicht in Zweifel gezogenen, ausführlich anhand der wissenschaftlichen Literatur belegten Feststellungen des Sachverständigen genügen, um die Kausalität zwischen dem Unterlassen der Befunderhebung einerseits und der Nichtentdeckung des behandlungsbedürftigen Stadiums der Netzhautablösung zu bejahen. Schon hier greift nach der Rechtsprechung die durch die Verletzung der Befunderhebungspflicht ausgelöste Beweiserleichterung zugunsten der Klägerin ein (BGHZ 132, 47/50).

Hätte sich aber bei ordnungsgemäßer Befunderhebung ein behandlungsbedürftiges Stadium der Netzhautablösung ergeben, wovon nach dem zuvor Gesagten auszugehen ist, so wäre alles andere als die sofortige Einleitung einer Kryokoagulation oder einer Diodenlaserbehandlung als grob fehlerhaft zu bewerten gewesen. Eine andere Reaktion wäre angesichts der im Sachverständigengutachten beschriebenen, für den Fall der Behandlung bzw. Nichtbehandlung zu erwartenden Krankheitsverläufe schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar.

Damit muss der Senat zugunsten der Klägerin davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung der Beklagten zu 6) die streitgegenständlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin verursacht hat.

cc) Der in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat von der Beklagten zu 6) gegenbeweislich gestellte Antrag auf Erholung eines Sachverständigengutachtens ist als neues Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zuzulassen.

Die Beklagte zu 6) hat die Erholung dieses Sachverständigengutachtens zum Beweis für die Behauptung beantragt, die Klägerin sei zum entscheidenden Zeitpunkt gar nicht behandlungsfähig gewesen, auch eine rechtzeitige Befunderhebung hätte daher nicht zu einer das Augenlicht der Klägerin rettenden Behandlung führen können. Ein solcher Beweisantrag ist im ersten Rechtszug nicht gestellt, eine entsprechende Tatsachenbehauptung nicht vorgetragen worden.

Im zweiten Rechtszug können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur unter den in § 531 Abs. 2 ZPO aufgeführten Voraussetzungen in das Verfahren eingeführt werden. Diese liegen ersichtlich nicht vor. Die insoweit darlegungspflichtige Beklagte zu 6) behauptet nicht einmal, dass sie infolge irgendeines Verhaltens des Erstgerichts oder sonst ohne Nachlässigkeit gehindert gewesen wäre, ihren Einwand bereits im ersten Rechtzug zu bringen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin daher die ihr entstandenen materiellen - insoweit bedarf es keiner weiteren Ausführungen - und immateriellen Schäden zu ersetzen. Dies ergibt sich aus § 823 Abs. 1, § 847 a. F. i. V. m. den §§ 249 ff. BGB.

Der Senat hält ein Schmerzensgeld in Höhe von 80.000,00 Euro für angemessen. Der vom Landgericht zugesprochene Betrag von 120.000,00 Euro liegt dagegen außerhalb des vertretbaren Rahmens. Die Berufung der Beklagten zu 6) hat daher insoweit teilweise Erfolg.

a) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 18, 149; 128, 117), der auch der Senat folgt, zwei Funktionen zu berücksichtigen. Der Verletzte soll in erster Linie einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden erhalten; das Schmerzensgeld soll ihn in die Lage versetzen, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, die die erlittenen Beeinträchtigungen jedenfalls teilweise ausgleichen. Daneben soll das Schmerzensgeld dem Verletzten auch Genugtuung für das verschaffen, was ihm der Schädiger angetan hat.

Es kann offen bleiben, ob und welche Bedeutung der Genugtuungsfunktion nach der Reform des Schadensersatzrechts von 2002 noch zukommt. Denn der Streitfall ereignete sich im Jahre 1998 und ist daher nach altem Recht zu beurteilen. Insoweit wird auch in Arzthaftungsfällen die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes von der obergerichtlichen Rechtsprechung bis in die jüngste Zeit berücksichtigt, mag ihre Bedeutung hier auch geringer sein als sonst (OLG Braunschweig VersR 2004, 924; OLG Schleswig OLGR 2003, 430).

b) Für die Höhe des Schmerzensgeldes sind daher vor allem folgende, bereits vom Landgericht festgestellte Folgen der Untätigkeit der Beklagten zu 6) von Bedeutung:

Die Klägerin ist auf dem rechten Auge vollständig erblindet, auf dem linken besteht nur eine Sehschärfe von 20 % und es sind Gesichtsfeldausfälle von bis zu 30 Grad zu beklagen. Auch wenn der Zustand des linken Auges der Beklagten zu 6) für sich betrachtet nicht zuzurechnen ist, verschlimmert er doch die von ihr zu verantwortenden Folgen der Nichtbehandlung des rechten Auges. Gerade deshalb, weil das linke Auge geschädigt ist, wäre es umso wichtiger gewesen, das rechte Auge wenigstens teilweise zu erhalten.

Die gravierende Beeinträchtigung ihres Sehvermögens behindert die Klägerin, wie ihre Eltern bei ihrer Anhörung durch den Senat glaubhaft geschildert haben, in ihrer gesamten Lebensgestaltung. Da ihr jegliches räumliches Sehvermögen fehlt, gehen zum Beispiel immer wieder Gläser zu Bruch, was sie zusätzlich psychisch belastet. Sie ist sehr unausgeglichen und kommt sich minderwertig vor. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass sie wegen des geschrumpften rechten Auges auch kosmetisch erheblich beeinträchtigt ist. Die Klägerin glaubt, wegen ihres Aussehens keine Freunde und später keinen Mann zu finden.

In der Schule wird sie einen speziellen Arbeitsplatz in der ersten Reihe mit besonderer Beleuchtung und einem Bildschirm zur Verfügung gestellt bekommen müssen, wenn sie überhaupt in eine Regelklasse eingeschult werden kann. Auch hierdurch wird ihr Selbstwertgefühl weiter beeinträchtigt werden.

Schließlich führt ihr sehr eingeschränktes Gesichtsfeld des öfteren dazu, dass sie ihre Eltern aus den Augen verliert, was zu großer Verunsicherung und in der Folge zu aggressivem Verhalten führt.

Die Klägerin steht in ständiger ergotherapeutischer Behandlung.

Mögen auch die psychischen Probleme, zu denen auch Essstörungen zählen, irgendwann behoben werden, so wird die Klägerin unter ihrer starken Sehbehinderung ein Leben lang leiden müssen. Insoweit ist nach der Aussage des Sachverständigen Dr. S keine Besserung zu erwarten. Es besteht im Gegenteil ein erhöhtes Risiko, dass sich auf dem linken Auge eine noch höhergradige Kurzsichtigkeit entwickelt, eventuell sogar eine Netzhautablösung.

Schmerzensgeldmindernd ist allerdings zu berücksichtigen, dass das rechte Auge auch bei regelgerechter Behandlung in nicht unerheblichem Maße beeinträchtigt geblieben wäre.

c) Neben den Folgen des Fehlverhaltens der Beklagten zu 6) für die Gesundheit der Klägerin kann aber bei der Schmerzensgeldbemessung auch nicht gänzlich ausgeblendet werden, dass die Beklagte zu 6) ein außergewöhnliches Maß an Gleichgültigkeit angesichts der wiederholt nur eingeschränkt oder gar nicht möglichen Untersuchung der Klägerin an den Tag gelegt hat.

Der Sachverständige bescheinigte der Beklagten zu 6) in seinem Gutachten immerhin grobe Fehler, die ihr schlechterdings nicht unterlaufen dürften. Er rückte von dieser Bewertung auch bei seiner mündlichen Anhörung durch das Erstgericht nicht ab. Die insoweit gemachten Einschränkungen standen unter der, wie oben ausgeführt, unzutreffenden Voraussetzung, dass die Beklagte zu 6) gegenüber den Klinikärzten die Notwendigkeit einer alsbaldigen Untersuchung in der Universitätsaugenklinik R angesprochen haben soll, sind also gegenstandslos. Der Sachverständige stellte ausdrücklich klar (Seite 8 der Sitzungsniederschrift), dass der Fehler der Beklagten als grob bewertet werden muss, wenn die weitergehende Untersuchung in R in zwei Wochen (vom 27.01.1998 aus gerechnet) empfohlen worden sein soll. Das Verhalten der Beklagten zu 6) war aber noch nachlässiger als vom Sachverständigen vorgestellt. Denn diese empfahl die Vorstellung in R nicht nur erst für den 09.02.1998, sondern sie sprach eine solche Vorstellung nicht einmal an. Ohne irgendeine Sicherheit zu haben, verließ sie sich möglicherweise auf eine im Klinikum der Beklagten zu 1) übliche Routinevorstellung in R, wobei ihr klar sein musste, dass solche nicht zwingend indizierten Vorstellungen aus den verschiedensten Gründen unterbleiben können. Letztlich überließ die Beklagte zu 6) die Klägerin durch ihre nicht mehr verständliche Untätigkeit ihrem Schicksal.

Bei seiner Anhörung vor dem Senat hat der Sachverständige seine Einschätzung noch einmal klargestellt und betont, dass die Beklagte zu 6) sich zu keinem Zeitpunkt hätte damit abfinden dürfen, dass sie den Augenhintergrund nicht ausreichend beurteilen kann.

Die vom Sachverständigen bei dieser Anhörung nachfolgend angestellten Überlegungen zu der Frage, ob auch eine Vorstellung der Klägerin in R am 09. Februar 1998 noch vertretbar gewesen wäre, sind für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil die Beklagte zu 6) eine Untersuchung der Klägerin in R zu keinem Zeitpunkt herbeigeführt hat, weder am 09. Februar 1998 noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt.

Auch aus dem bereits erwähnten Privatgutachten von Prof. Dr. N lässt sich entnehmen, dass die am 27.01.1998 gegebene Lage unbedingt ein sofortiges Handeln erforderte, das Nichtstun der Beklagten zu 6) also als völlig unverständlich und nicht mehr hinnehmbar zu bewerten ist.

Diese Untätigkeit, dieses sich Abfinden mit der schlechten bis gar nicht gegebenen Einsehbarkeit und damit der bezogen auf die Gefahr einer Retinopathie vorhandenen Nutzlosigkeit des eigenen Tuns stellt aus der Sicht des Senats ein Verhalten dar, das völlig unverständlich ist und bei einem Arzt schlechterdings nicht vorkommen darf. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es wie hier, nicht nur einmal, sondern mehrmals gezeigt wird. Ein derartiges gegenüber den Interessen des Patienten völlig gleichgültiges Verhalten muss sich in gewissem Umfang bei der Schmerzensgeldhöhe bemerkbar machen.

d) Der vom Senat für angemessen gehaltene Betrag von 80.000,00 Euro hält sich auch im Rahmen der von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Summen.

Der Senat orientiert sich dabei zum einen an einer Entscheidung des Kammergerichts vom 16. April 1991, in der ein Schmerzensgeld von 100.000,00 DM einem 4-jährigen Kind zugesprochen wurde, das infolge des Verhaltens eines Spielkameraden auf einem Auge fast völlig erblindet war und durch eine Hornhautnarbe und eine Pupillenverziehung kosmetisch beeinträchtigt war (r + s 1992, 92). Der der Klägerin zuzusprechende Schmerzensgeldbetrag muss deutlich höher ausfallen, weil die Klägerin stärker beeinträchtigt ist, da sie auf dem rechten Auge völlig erblindet ist und sich dadurch die Beeinträchtigungen des Sehvermögens auf dem anderen Auge noch gravierender auswirken. Zudem wiegt das Verschulden der Beklagten zu 6) schwerer als das der aufsichtspflichtigen Eltern in dem vom Kammergericht entschiedenen Fall.

Zum anderen weist der Senat auf ein Urteil des OLG Hamm vom 15. Mai 1995 hin (VersR 1996, 756), welches in dem Fall einer zur völligen Erblindung führenden Frühgeborenen-Retinopathie ein Schmerzensgeld von 60.000,00 DM zzgl. einer Rente von 600,00 DM pro Monat zusprach. Die Klägerin ist noch nicht ganz so stark geschädigt. Das vom Senat für angemessen gehaltene Schmerzensgeld von 80.000,00 Euro bleibt daher - bei Berücksichtigung der seitherigen Geldwertentwicklung und insbesondere der vom OLG Hamm ausgeurteilten lebenslangen Rente - auch unterhalb des dortigen Gesamtschmerzensgeldes.

3. Die Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg, da das Erstgericht zu Recht ihre Klage gegen die Beklagten zu 2) bis 5) vollständig und gegen die Beklagte zu 1) wegen des Schmerzensgeldes abgewiesen hat.

Der Senat nimmt zur Begründung zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug.

Das Erstgericht konnte die Klage insbesondere auch abweisen, ohne zuvor ein kinderärztliches bzw. neonatologisches Gutachten zu der Frage einholen zu müssen, ob es sich in der konkreten Situation für die Beklagten zu 2) bis 5) hätte aufdrängen müssen, nach dem 29.01.1998, jedenfalls in der ersten Februarwoche und allerletztens am 09.02.1998 eine augenärztliche Untersuchung der Klägerin in einer Klinik oder sonstwo sicherstellen und kontrollieren zu müssen.

Der Klägerin ist insoweit zwar zuzugeben, dass es wohl auch hier um einen Befunderhebungsfehler geht. Den Kinderärzten der Beklagten zu 1) ist aber keine schuldhafte Verletzung ihrer Pflicht zur Erhebung und Sicherung medizinisch gebotener Befunde vorzuwerfen.

Die Klägerin beruft sich für ihre gegenteilige Behauptung zu Unrecht auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 26. August 2003 (NJW-RR 2004, 106). Anders als in dem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall hatten die beklagten Klinikärzte keine Hinweise auf einen unklaren Befund.

Dort waren Internisten einem vom zugezogenen Urologen geäußerten Verdacht, eine Blasenentleerungsstörung beruhe auf einer neurogenen Erkrankung zwar zunächst nachgegangen und hatten einen Neurologen eingeschaltet. Nachdem dieser eine zerebrale Störung ausgeschlossen hatte, nahmen die Internisten aber hin, dass die Ursache der Störung ungeklärt blieb. Im vorliegenden Fall hatten die Beklagten zu 2) bis 5) keinerlei Hinweise auf eine Störung der Augenentwicklung bei der Klägerin. Sie konnten den Konsilscheinen der Beklagten zu 6) zwar entnehmen, dass diese infolge zu enger Pupillen nur eine eingeschränkte Sicht hatte, mussten sich aber hierüber keine weiteren Gedanken machen.

Sie hatten nicht die Aufgabe, die Beklagte zu 6) daraufhin zu kontrollieren, ob diese zur rechten Zeit ausreichend gründlich tätig wurde. Ohne besondere Hinweise auf Sorgfaltspflichtverletzungen der Beklagten zu 6) durften sie darauf vertrauen, dass diese ihre Aufgabe gewissenhaft erfüllte und dass deswegen der Umstand, dass die Sicht auf den Augenhintergrund nur eingeschränkt möglich war, keine besondere Bedeutung hatte. Die Klinikärzte durften darauf vertrauen, dass die erforderlichen augenärztlichen Befunde von der Beklagten zu 6) entweder selbst erhoben werden oder dass diese nötigenfalls andere Ärzte hinzuzieht. Im Hinblick auf das eventuell noch verbleibende Restrisiko durften sie darauf vertrauen, das Erforderliche mit der unabhängig von der Tätigkeit der Beklagten zu 6) geplanten Vorstellung der Klägerin in R getan zu haben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 und § 100 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat wendet lediglich die seit Jahren feststehende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Folgen der Nichterhebung medizinisch gebotener Befunde auf den Einzelfall an.

Ende der Entscheidung

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