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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 05.09.2007
Aktenzeichen: 1 Ss (B) 293/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 41
StPO § 275 Abs. 1
1. Hat der Amtsrichter das als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommene Urteil (ohne Gründe) unterschrieben und die Akten der Staatsanwaltschaft "gem. § 41 StPO zur Zustellung des Urteils ..." übersandt, ist eine Ergänzung der Urteilsgründe nicht zulässig. Grundsätzlich ist eine nachträgliche Ergänzung eines Urteils weder im Straf- noch im Bußgeldverfahren zulässig, wenn es - wie hier - bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist (BGHSt 43, 22, 26 m. w. N.; BayObLG NStZ 1991, 342). Darauf, dass der Tatrichter das Urteil innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 StPO begründet hat, kommt es dabei nicht an. Etwas anderes gilt im Bußgeldverfahren lediglich dann, wenn ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf schriftliche Begründung des Urteils irrtümlich übersehen worden ist (BGH a. a. O.; ständige Rechsprechung des Senats, zuletzt Beschluss vom 27. Juni 2007 - 1 Ss (B) 212/07 - m. w. N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.

2. Unschädlich ist in solchen Fällen, wenn das Amtsgericht der Staatsanwaltschaft die Akten mit dem Hauptverhandlungsprotokoll oder einem noch nicht wirksamen, z. B. nicht unterschriebenen Urteil formlos übersendet, um deren Entscheidung über einen Rechtsmittelverzicht herbeizuführen (vgl. OLG Celle NStZ-RR 2000, 180; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2007, 212, 213 m. w. N.).


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

1 Ss (B) 293/07 OLG Naumburg

In der Bußgeldsache

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Naumburg am 05. September 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Sternberg als Einzelrichter

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Weißenfels vom 14. Mai 2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die bisher zuständige Abteilung des Amtsgerichts Weißenfels zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 14. Mai 2007 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 100,00 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Die dagegen gerichtete zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit am selben Tage bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz der Verteidigerin vom 18. Mai 2007 hat mit der erhobenen Sachrüge - vorläufig - Erfolg.

Der Amtsrichter hat das als Anlage III zum Hauptverhandlungsprotokoll genommene Urteil (ohne Gründe) unterschrieben und die Akten mit Verfügung vom 15. Mai 2007 der Staatsanwaltschaft Halle - Zweigstelle Naumburg - "Gem. § 41 StPO zur Zustellung des Urteils v. 14.5.07" übersandt. Auf diesem Urteil befindet sich der Zustellungsvermerk der Staatsanwaltschaft vom 23. Mai 2007.

Damit hat das Amtsgericht rechtsfehlerhaft entgegen § 267 Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG das Urteil vor der Zustellung an die Staatsanwaltschaft nicht mit Gründen versehen. Das Amtsgericht durfte nicht von einer Begründung des Urteils absehen, weil die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 1 OWiG ersichtlich nicht vorlagen. Der Betroffene hatte nicht auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtet und die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels war zum Zeitpunkt der richterlichen Verfügung vom 15. Mai 2007 noch nicht abgelaufen.

Bei dieser Sachlage unterliegt das zunächst der Staatsanwaltschaft zugestellte, keine Gründe enthaltende Urteil der Prüfung durch den Senat.

Die vorgenommene Ergänzung des Urteils war nicht zulässig. Grundsätzlich ist eine nachträgliche Ergänzung eines Urteils weder im Straf- noch im Bußgeldverfahren zulässig, wenn es - wie hier - bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist (BGHSt 43, 22, 26 m. w. N.; BayObLG NStZ 1991, 342). Darauf, dass der Tatrichter das Urteil innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 StPO begründet hat, kommt es dabei nicht an.

Etwas anderes gilt im Bußgeldverfahren lediglich dann, wenn ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf schriftliche Begründung des Urteils irrtümlich übersehen worden ist (BGH a. a. O.; ständige Rechsprechung des Senats, zuletzt Beschluss vom 27. Juni 2007 - 1 Ss (B) 212/07 - m. w. N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.

Das angefochtene Urteil ist deshalb auf die Sachrüge aufzuheben, weil es in unzulässiger Weise keine Gründe enthält, sodass dem Senat eine Überprüfung des Urteils auf materiell-rechtliche Fehler nicht möglich ist. Zugleich ist die Sache gemäß § 79 Abs. 6 OWiG an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, zurückzuverweisen. Die Sache einer anderen als der bisher zuständigen Abteilung des Amtsgerichts zu übertragen, § 79 Abs. 6 OWiG, besteht kein Anlass.

Für das weitere Verfahren in dieser Sache und im Hinblick auf die dem Senat vermehrt vorgelegten Rechtsbeschwerden in gleichgelagerten Fällen weist der Senat darauf hin, dass es unschädlich gewesen wäre, wenn das Amtsgericht der Staatsanwaltschaft die Akten mit dem Hauptverhandlungsprotokoll oder einem noch nicht wirksamen, z. B. nicht unterschriebenen Urteil formlos übersandt hätte, um deren Entscheidung über einen Rechtsmittelverzicht herbeizuführen (vgl. OLG Celle NStZ-RR 2000, 180). Insoweit wird zudem auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. Juni 2006 (NStZ-RR 2007, 212, 213) Bezug genommen. Dort ist ausgeführt:

"Der Senat übersieht nicht, dass die Verfahrensweise des AG, der StA das im Protokoll enthaltene Urteil gemäß § 41 StPO zuzustellen, in Einklang mit Kommentierungen zum OWiG zu stehen scheint. Nach der im Kommentar von Göhler (Göhler, OWiG, 14. Auflage, § 77 b Rdnr. 3) vertretenen Auffassung ist es zweckmäßig, bei Fehlen eines Rechtsmittelverzichts des Betr. nicht darauf zu warten, ob er ein Rechtsmittel einlegt, sondern das Urteil nach der Hauptverhandlung der StA durch Übersendung der Akten zuzustellen mit der Anfrage, ob sie auf Rechtsmittel verzichtet, weil dieser Weg schneller und eine spätere Absetzung der Urteilsgründe (bei einer eventuellen Rechtsbeschwerde der StA nach Zustellung des Urteils ohne Gründe) erfahrungsgemäß aufwendiger ist. Diese Auffassung wird auch im KK-OWiG (3. Aufl., § 77 b Rdnr.5) vertreten. Allerdings lassen beide Kommentare in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit entgegenstehenden Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte vermissen, die für den Fall einer Zustellung des nicht mit Gründen versehenen Urteils an die StA gemäß § 41 StPO davon ausgehen, dass das Urteil nicht mehr ergänzt werden kann (OLG Celle NStR-RR 2000, 180; Brandenburg NStZ-RR 2004, 121; und Rostock Beschl. vom 6.10.2004, bei juris). Möglicherweise beruht dies darauf, dass in beiden Kommentaren der Begriff "Zustellung" nicht im strengen Sinne der förmlichen Zustellung gemäß § 41 StPO, sondern im Sinne einer formlosen Mitteilung verstanden werden soll. Dafür sprechen die Ausführungen bei Göhler (aaO, Rdnr. 9). Mit Recht weisen auch die OLGe Celle und Rostock darauf hin, dass es zur Herbeiführung einer Entscheidung der StA über einen Rechtsmittelverzicht ausreicht, die Akten mit dem Hauptverhandlungsprotokoll und einer entsprechenden Anfrage formlos zu übersenden."

Ende der Entscheidung

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