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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 10.07.2007
Aktenzeichen: 1 U 14/07
Rechtsgebiete: GG, BRAO


Vorschriften:

GG Art. 12
BRAO § 43b
1. Bei einer verfassungskonformen, insbesondere auch mit dem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG zu vereinbarenden Auslegung des § 43b BRAO ist das Verbot der Einzelfallmandatswerbung einschränkend auszulegen (vgl. BVerfG NJW 1988, 191 sowie NJW 2000, 1035; BGH NJW 2001, 2087; OLG Naumburg NJW 2003, 3566). Es ist nicht gleichzusetzen mit der - zulässigen - Werbung um einzelne Mandanten und nicht immer schon dann verletzt, wenn ein Rechtsanwalt sein Ziel, in einer konkreten Angelegenheit mandatiert zu werden, zu erkennen gibt.

2. Abzustellen ist auf eine Bewertung der Relation zwischen der Intensität des konkreten Beratungsbedarfes (i. S. einer Notsituation) und der Intensität der anwaltlichen mandatsbezogenen Werbung (z. Bsp. i. S. von Bedrängung, Nötigung, Überrumplung).


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 14/07 OLG Naumburg

verkündet am: 10. Juli 2007

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm und die Richterin am Landgericht Barth im schriftlichen Verfahren mit Schlusstermin

am 25. Juni 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 10. Januar 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Halle, 11 O 48/06, abgeändert und, wie folgt, neu gefasst:

Der Antrag des Verfügungsklägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen hat der Verfügungskläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt 20.000 EUR nicht.

und beschlossen:

Der Kostenwert des Berufungsverfahrens wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Verfügungskläger hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt, mit der den Verfügungsbeklagten untersagt werden sollte, an Nichtmandanten Schreiben, wie den Schriftsatz vom 28. Juni 2006 an H. Sch. in M. , zu versenden. Er hat sein Begehren auf wettbewerbsrechtliche Grundlagen gestützt und die Auffassung vertreten, dass der vorgenannte Schriftsatz eine unzulässige Werbung um ein Einzelmandat enthalte.

Die Verfügungsbeklagten haben nach Rechtshängigkeit des Antrags am 20. Juli 2006 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, wonach sie künftig keine Schreiben an Gesellschafter eines Fonds unaufgefordert versenden wollen, in denen auf eine Kostenübernahme durch Rechtsschutzversicherungen sowie auf die Internetpräsenz einer Interessengemeinschaft von anderen Gesellschaftern dieses Fonds und die Möglichkeit des (kostenlosen) Erwerbs der Mitgliedschaft in dieser Gemeinschaft hingewiesen wird. Darauf hin hat der Verfügungskläger den Rechtsstreit einseitig in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat mit seinem am 10. Januar 2007 verkündeten Urteil die Erledigung des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in der Hauptsache festgestellt und die Kosten des Verfahrens den Verfügungsbeklagten auferlegt.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Verfügungsbeklagten, die geltend machen, dass der Antrag von Anfang an wegen seines nicht vollstreckungsfähigen Inhalts sowie mangels Verfügungsanspruchs aussichtslos gewesen sei, und hilfsweise, dass ihre Unterlassungserklärung vom 20. Juli 2006 kein erledigendes Ereignis darstelle.

Mit Zustimmung der Prozessparteien hat der Senat mit Beschluss vom 13. Juni 2007 die Durchführung eines schriftlichen Verfahrens angeordnet und den 25. Juni 2007 als Schlusstermin bestimmt.

Von einer weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Das Landgericht ist zu Unrecht von einem Verstoß der Verfügungsbeklagten gegen § 43b BRAO ausgegangen.

Bei einer verfassungskonformen, insbesondere auch mit dem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG zu vereinbarenden Auslegung des § 43b BRAO ist das Verbot der Einzelfallmandatswerbung einschränkend auszulegen (vgl. BVerfG NJW 1988, 191 sowie NJW 2000, 1035; BGH NJW 2001, 2087; OLG Naumburg NJW 2003, 3566). Es ist nicht gleichzusetzen mit der - zulässigen - Werbung um einzelne Mandanten, die hier jedenfalls vorliegt, und nicht immer schon dann verletzt ist, wenn ein Rechtsanwalt sein Ziel, in einer konkreten Angelegenheit mandatiert zu werden, zu erkennen gibt, was hier schon nur eingeschränkt festzustellen ist. Abzustellen ist auf eine Bewertung der Relation zwischen der Intensität des konkreten Beratungsbedarfes (i.S. einer Notsituation) und der Intensität der anwaltlichen mandatsbezogenen Werbung (z. Bsp. i.S. von Bedrängung, Nötigung, Überrumplung - vgl. hierzu auch Hartung MDR 2003, 485, 489).

Das Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 28. Juni 2006 überschreitet als Werbemaßnahme die Grenzen des Zulässigen gerade unter dem Aspekt des Schutzes der freien und unbedrängten Entscheidung eines Recht suchenden Bürgers über die Beauftragung eines Rechtsanwalts noch nicht. Es zielt zwar mit den in ihm enthaltenen Informationen deutlich auf ein Wecken und Steigern des konkreten Beratungsbedarfs, ist aber nicht unmittelbar auf die Anbahnung eines Mandatsverhältnisses gerichtet. Insbesondere die Ausführungen zur Rechtsschutzversicherung sowie zur Mitgliedschaft in der Interessengemeinschaft sind, wie die Kammer zutreffend festgestellt hat, mittelbar auf eine Mandatsanbahnung gerichtet. Die Entscheidungsfreiheit der Umworbenen bleibt gleichwohl gewährleistet. Hierfür ist auch zu berücksichtigen, dass eine erhebliche räumliche Entfernung zwischen werbenden Anwälten und umworbener Nichtmandantin besteht und dass, anders als bei anderen Werbemaßnahmen, die Verfügungsbeklagten während der Kontaktaufnahme durch ein Rundschreiben auch nicht physisch präsent sind.

III.

1. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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