Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 08.07.2008
Aktenzeichen: 1 U 33/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
Im Rahmen der Eingrifssaufklärung vor einer chirurgischen Operation (hier: Brusterweiterung aus ästhetischen Gründen) ist ein Arzt nicht verpflichtet, ungefragt darüber aufzuklären, dass Wundheilungsstörungen bei Rauchern im statistischen Durchschnitt häufiger auftreten als bei Nichtrauchern.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG

BESCHLUSS

1 U 33/08

In dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel, den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und den Richter am Oberlandesgericht Grimm am 8. Juli 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.02.2008 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen (§ 522 Abs. 2 ZPO).

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Der Streitwert für die Gebührenberechnung im Berufungsverfahren wird auf bis zu 32.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Klägerin begehrt restliches Arzthonorar, die Beklagte macht widerklagend Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen ärztlicher Behandlungsfehler geltend.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 27.02.2008 stattgegeben und die Widerklage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die frist- und formgerecht eingelegt und begründet wurde.

Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 05.06.2008 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannte Verfügung Bezug genommen. Der Senat hat den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Hiervon hat die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.06.2008 fristgerecht Gebrauch gemacht.

Der Senat hat unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme die Sache erneut beraten und ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert.

Die Ausführungen der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 26.06.2008 vertiefen zwar die bisher bereits vertretenen Argumente, sind im Ergebnis jedoch gleichwohl nicht geeignet, eine andere Beurteilung herbeizuführen.

1) Insbesondere bleibt der Senat bei seiner Auffassung, dass die Beklagte nicht unaufgefordert darüber hätte aufgeklärt werden müssen, dass Wundheilungsstörungen bei Rauchern im Durchschnitt häufiger auftreten als bei Nichtrauchern. Dies gilt auch im Rahmen der gesteigerten Aufklärungspflichten bei Schönheitsoperationen, die medizinisch nicht notwendig sind. Denn maßgebend ist auch hier zunächst, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet (vgl. BGH, VersR 1994, 104, 105; BGHZ 90, 103, 107; 144, 1, 5 f.). Diese Voraussetzung kann z.B. erfüllt sein, wenn ein Eingriff oder die Gabe eines verordneten Medikamentes als ärztlicher Eingriff im weiteren Sinne bei Rauchern spezielle oder besondere Risiken zur Folge hat (vgl. BGH, NJW 2005, 1716 ff.), die über die allgemeinen medizinischen Risiken des Rauchens hinausgehen. Das ist hier aber nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich bei dem allgemeinen Risiko schlechterer Wundheilung durch das Rauchen nicht um ein spezifisches Risiko der gewählten Operation, sondern um eines der zahlreichen allgemeinen Risiken des Rauchens, über die der Arzt nicht ungefragt aufklären muss.

2) Der Anregung der Beklagten, über die hier streitige Frage der Aufklärungspflicht bei Rauchern eine Entscheidung des BGH zu ermöglichen, folgt der Senat nicht. Denn wie bereits in dem Hinweis des Gerichts vom 05.06.2008 dargestellt, fehlt im vorliegenden Fall jedenfalls der notwendige Kausalitätsnachweis. Der Sachverständige Dr. S. hat in seiner mündlichen Anhörung vom 16.01.2008 klar gestellt, dass es sich bei Wundheilungsstörungen um ein multifaktorielles Geschehen handele, an dem das Rauchen nur einen kleinen Anteil habe. Wenn die Beklagte hieraus schließt, dass das Rauchen nachweislich mitursächlich war, verkennt sie den Inhalt der sachverständigen Feststellungen. Mitursächlichkeit liegt nicht schon dann vor, wenn ein Einfluss des Rauchens auf die konkrete Wundheilungsstörung nicht ausgeschlossen werden kann, sondern nur, wenn feststeht, dass die Komplikation zumindest teilweise auf dem Rauchen beruht, das Rauchen also nicht hinweggedacht werden könnte, ohne dass die Komplikation in der aufgetretenen Form entfiele.

Ein solcher Nachweis der Mitursächlichkeit liegt gerade nicht vor. Der Sachverständige hat nur darauf hingewiesen, dass das Rauchen - neben vielen anderen Faktoren - generell Wundheilungsstörungen begünstigen kann. Dass die Komplikation im Fall der Beklagten tatsächlich ganz oder teilweise auf das Rauchen zurückzuführen sei, hat er hingegen nicht feststellen können.

3) Das Vorbringen der Beklagten zur Ursache der Asymmetrie der Brüste hat die Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 26.06.2008 dahingehend konkretisiert, ihr sei "von einer Gynäkologin gesagt worden", es könne daran liegen, dass eines der Implantate oberhalb und eines unterhalb des muskulus pectoralis implantiert worden sei.

Dieser Vortrag bietet keine Veranlassung, die Beweisaufnahme hierzu zu wiederholen. Abgesehen davon, dass sich aus der Darstellung der Beklagten bis heute nicht ergibt, ob die zitierte Gynäkologin nur eine theoretische Ursache für eine Asymmetrie genannt hat, oder ob sie die Beklagte selbst untersucht und die unterschiedliche Positionierung der Implantate tatsächlich diagnostiziert hat, hat die Beklagte jedenfalls den gerichtlichen Sachverständigen nicht auf etwaige Feststellung dieser Gynäkologin (die bis heute nicht namentlich oder gar als Zeugin benannt wird) hingewiesen, obwohl der Gutachter ausdrücklich danach gefragt hat, auf welchen Erkenntnissen die Vermutung der Beklagten beruhe. Denn die Frage der unterschiedlichen Positionierung der Implantate war sehr wohl Gegenstand der erstinstanzlichen Beweisaufnahme. Auf Seite 6 seines zweiten Ergänzungsgutachtens vom 29.08.2007 hat der Sachverständige ausdrücklich festgestellt, dass die Implantate jedenfalls nach allen vorliegenden Krankenunterlagen richtig positioniert worden waren, so dass er keine Veranlassung hatte, hieran zu zweifeln.

Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Beklagte nur mitgeteilt, ihr sei "erst jetzt bekannt geworden" (S. 2 des Schriftsatzes vom 29.03.2007), dass die Implantate unterschiedlich positioniert worden seien. Zu Recht hat der Sachverständige angesichts dieser unkonkreten Bemerkung darauf hingewiesen, dass eine weitere gutachterliche Stellungnahme erst möglich und sinnvoll sei, wenn die Beklagte mitteile, woher diese Information stamme und ob sie verifiziert sei. Dieser schriftlichen Bitte des Sachverständigen um nähere Angaben zum Hintergrund der Behauptung ist die Beklagte nicht nachgekommen. Sie hat insbesondere die nachfolgende Anhörung des Sachverständigen am 16.01.2008 nicht genutzt, um ihm mitzuteilen, dass die Feststellung von einer Gynäkologin getroffen worden sei.

Vor diesem Hintergrund war eine weitere Untersuchung oder Begutachtung in erster Instanz zu Recht unterblieben, so dass sie auch in zweiter Instanz nicht mehr nachgeholt werden kann (§ 531 Abs. 1 ZPO).

4) Für die Behauptung der Beklagten, sie sei am Tag nach der Revisions-OP "aus der Klinik geworfen worden", hat sie zwar nun anstelle des zunächst im Berufungsverfahren genannten Sachverständigengutachtens wiederum Zeugenbeweis angeboten. Sie hat aber trotz der Hinweise des Senats nach wie vor nicht erläutert, inwieweit ihr allein durch eine frühe Entlassung nach der zweiten Operation ein ersatzpflichtiger Nachteil erwachsen sein soll, da dieser Umstand offenbar nicht zu Komplikationen oder zusätzlichen Beschwerden geführt hat. Im Allgemeinen kann allenfalls ein unnötig langer Krankenhausaufenthalt Schmerzensgeldansprüche begründen, nicht aber ein besonders kurzer.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den Berufungsanträgen der Beklagten, § 3 ZPO, §§ 48 Abs. 1, 61 GKG.



Ende der Entscheidung

Zurück