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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 03.09.2009
Aktenzeichen: 1 U 57/08
Rechtsgebiete: ZPO, EStG, AO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 313 a Abs. 1 S. 1
ZPO § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
ZPO § 540 Abs. 2
EStG § 2 Abs. 7
EStG § 15a Abs. 1 Satz 1
EStG § 15a Abs. 4 Satz 1
EStG § 15a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1
AO § 179 Abs. 1
AO § 179 Abs. 2
AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 lit. a)
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
1. Der Hinweis des Steuerberaters auf eine Einkommenssteuer mindernde Verrechnungsmöglichkeit von Gewinnen aus Aktienveräußerungen mit - gezielt realisierten - Verlusten aus anderen Aktienverkäufen ist unvollständig, wenn die Verrechnungsmöglichkeit nur unter bestimmten, von ihm nicht genannten Bedingungen besteht (hier: sog. Spekulationsfrist).

2. Wenn ein Steuerberater eine schriftliche Fixierung des Gesprächsinhaltes für seinen Mandanten für erforderlich hält, dann muss diese Niederschrift ebenso vollständig sein, wie der mündlich gegebene Rat, insbesondere dann, wenn dem Rat in Schriftform der Charakter einer Handlungsanweisung an den Mandanten zukommt.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 57/08 OLG Naumburg

Verkündet am 3. September 2009

In dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm und den Richter am Amtsgericht Alvermann auf die mündliche Verhandlung vom 27. August 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7. Mai 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal, 23 O 267/04, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 730,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. März 2003 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz hat der Kläger zu tragen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt 20.000,00 € nicht.

Gründe:

I.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat in der Sache überwiegend Erfolg, allerdings auf der Grundlage neuen tatsächlichen Vorbringens.

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 730,37 € im Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Beratung im August 2001 über Gewinne und Verluste aus Aktienverkäufen hat.

Ein Schadenersatzanspruch wegen der fehlerhaften Behandlung von Unternehmensbeteiligungen in der Jahresbilanz des Einzelunternehmens des Klägers für das Jahr 1999 ist hingegen nicht begründet. Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz nachgewiesen, dass dem Kläger aus dem Beratungsfehler der Beklagten im Zusammenhang mit der Unternehmensbeteiligung an der "H. " GmbH & Co. KG der geltend gemachte Vermögensschaden nicht entstanden ist. Einen anderen Schaden hat der Kläger nicht dargelegt.

1. Die Berufung der Beklagten ist im Ergebnis unbegründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung des hier tenorierten Betrages wendet.

Der Hinweis der Beklagten an den Kläger im Schreiben vom 7. August 2001 (vgl. GA Bd. I Bl. 141 f.), dass Gewinne aus Aktienveräußerungen mit - gezielt realisierten - Verlusten aus anderen Aktienverkäufen einkommenssteuermindernd verrechnet werden könnten, war unvollständig. Die Verrechnungsmöglichkeit bestand nach der damals geltenden Gesetzeslage nur dann, wenn zwischen dem Ankauf der Aktien und dem - verlustreichen - Verkauf dieser Papiere höchstens ein Jahr lag (sog. Spekulationsfrist). Diesen Hinweis erteilte die Beklagte schriftlich erst mit Schreiben vom 31. Mai 2002 (GA Bd. I Bl. 143 f.).

In Folge der unvollständigen Beratung im August 2001 veräußerte der Kläger am 20. September 2001 die im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Aktien (siehe LGU S. 5 f.), obwohl er die Aktien in seinem Bestand halten wollte, und erwarb gleiche Aktien am 24. September 2001 zu einem geringfügig gestiegenen Kurswert. Sowohl der Differenzbetrag zwischen Erlösen am 20. September 2001 und Kaufpreisen am 24. September 2001 in Höhe von insgesamt 285,69 € als auch die Transaktionskosten (Maklerprovision, sonstige Auslagen) in Höhe von insgesamt 444,68 € wären nicht angefallen, wenn der Kläger den Zwischenverkauf nicht durchgeführt hätte. Der Zwischenverkauf wiederum ging auf den Rat der Beklagten zurück, dass diese Transaktionen geeignet seien, das Gesamteinkommen des Klägers aus Aktiengeschäften im Jahre 2001 zu vermindern.

Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegen halten, dass ihre Mitarbeiterin Dr. B. dem Kläger in einem dem Schreiben vom 7. August 2001 vorausgegangenen Gespräch einen Hinweis auf die sog. Spekulationsfrist erteilt habe. Zwar geht der Senat - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht davon aus, dass die beiden oben angeführten Schreiben bereits den Vollbeweis dafür bieten, dass der behauptete mündliche Hinweis nicht erfolgt sei. Eine solche Beweiswürdigung setzte auch die Vernehmung der benannten Zeugin und die informatorische Anhörung des Klägers bzw. sogar dessen Parteivernehmung voraus. Eine weitere Sachaufklärung kann jedoch unterbleiben. Selbst wenn der Senat das Vorbringen der Beklagten als wahr unterstellt, verbleibt es doch dabei, dass der schriftlich wiederholte Hinweis für sich genommen unvollständig und daher irreführend war. Dies zeigt auch der weitere Geschehensablauf. Wenn ein Steuerberater eine schriftliche Fixierung des Gesprächsinhaltes für seinen Mandanten für erforderlich hält, dann muss diese Niederschrift ebenso vollständig sein, wie der mündlich gegebene Rat, insbesondere dann, wenn - wie hier - dem Rat in Schriftform der Charakter einer Handlungsanweisung an den Mandanten zukommt.

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen der fehlerhaften Behandlung der stillen Unternehmensbeteiligung des Klägers an der "H. " GmbH & Co. KG.

Allerdings hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass die Beklagte ihr obliegende vertragliche Pflichten als Steuerberaterin fahrlässig verletzt hat, indem sie im Rahmen der von ihr erstellten Einkommenssteuererklärung des Klägers für das Jahr 1999 einen Betrag von 49.999 DM als Abschreibung einer Unternehmensbeteiligung eingestellt hat. Eine solche Abschreibung war steuerrechtlich nicht zulässig, weil die Beteiligung an einer fremden Unternehmung kein Wirtschaftsgut darstellt. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang auch zu Recht darauf abgestellt, dass die Beklagte unabhängig davon, ob sie einen gesonderten Auftrag zur Prüfung der steuerlichen Vorteile dieser Unternehmensbeteiligung hatte, jedenfalls dann gehalten war, etwaige einkommensmindernde Wirkungen der Unternehmensbeteiligung in steuerrechtlich zulässiger Art und Weise geltend zu machen, wenn sie sich - wie hier - im Rahmen des allgemeinen Mandates mit dieser Beteiligung befasst. Den Worten des Landgerichts: "Wenn sie insoweit schon tätig wird, muss sie es auch richtig machen." ist nichts hinzuzufügen. Hiergegen wendet sich die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr.

Der Kläger hat jedoch nicht nachgewiesen, dass ihm aus dieser Pflichtverletzung ein Vermögensschaden erwachsen ist.

Er geht selbst zutreffend davon aus, dass eine wirksame Abschreibung rechtlich nicht möglich gewesen wäre. In Betracht kommen allenfalls Verlustzuweisungen. Bei haftungsbeschränkten Personengesellschaften unterliegen die Verluste jedoch bestimmten Verrechnungsbeschränkungen. Dies hat der Kläger bei seiner Schadensberechnung nicht hinreichend berücksichtigt.

Dem Kläger ist kein Schaden daraus entstanden, dass die Beklagte für das Jahr 1999 nicht den dem Kläger zuzurechnenden Anteil an den Verlusten der o.g. Kommanditgesellschaft im Jahre 1998, der unstreitig 30.514,39 DM betrug, einkommensmindernd in Ansatz gebracht hat. Die Zuordnung der Verlustzuweisungen für 1998 zur Einkommenssteuererklärung 1998, wie sie im Rahmen der Betriebsprüfung vom Finanzamt Stendal vorgenommen worden war, war vielmehr zutreffend.

Der Kläger war allerdings an den Verlusten der Kommanditgesellschaft im Jahre 1998 schon zu beteiligen. Er hatte, wie die Sachaufklärung durch den Senat ergeben hat, seine Einlage, die er nach § 1 Abs. 3 des Unterbeteiligungsvertrages vom 21. Dezember 198 (vgl. Anlage K 2, GA Bd. I Bl. 65 ff.) spätestens im April 1999 zu leisten hatte, bereits am Tage des Vertragsschlusses, d.h. im Jahre 1998, geleistet.

Die Schadensbetrachtungen des Klägers und - ihm folgend - des Landgerichts gehen jedoch zu Unrecht von einer Übertragbarkeit der Verluste aus 1998 in spätere Wirtschaftsjahre mit u.U. höheren Steuersätzen aus. Denn die Einkommenssteuer ist eine Jahressteuer; die Grundlagen ihrer Festsetzung sind nach § 2 Abs. 7 EStG jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln. Hinsichtlich der Verluste aus einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft ergibt sich dies auch aus § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG, der eine kalenderjährliche gesonderte Feststellung durch das für die Kommanditgesellschaft zuständige Finanzamt, hier das Finanzamt C. , vorsieht.

Dem Kläger ist auch kein Vermögensschaden dadurch entstanden, dass die Beklagte für das Jahr 1999 keine Verlustzuweisungen mehr in Ansatz gebracht hat.

Die Verluste der o.g. Kommanditgesellschaft im Jahre 1999 waren zwar in der vom Landgericht angenommenen Höhe von 929.000,00 DM festgestellt worden. Auch die rechnerische Ermittlung des theoretisch maximalen Verlustanteils des Klägers in Höhe von 24.804,30 DM (=2,67 %) ist nicht zu beanstanden. Die Beschränkung der Verrechnungsmöglichkeiten dieser Verluste auf die Höhe der Einlage durch § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1997 ist jedoch nicht nur isoliert im Hinblick auf die Einlage des Klägers zu betrachten; hieraus ergibt sich bereits eine maximale Verlustverrechnung in Höhe von 19.485,61 DM, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (50.000,00 DM Einlage abzgl. Verluste 1998 in Höhe von 30.514,39 DM). Für die Verlustbeteiligung ist vorrangig der Verlustanteil der Hauptbeteiligten maßgeblich, wie in § 5 Abs. 2 des Unterbeteiligungsvertrages auch angeführt. Die Hauptbeteiligte konnte an den Kläger als Unterbeteiligten nur diejenigen Verluste "weitergeben", die sie selbst im Jahre 1999 noch realisieren konnte. Ausweislich der erstmals mit der Berufungsbegründung vorgelegten Bescheide des Finanzamtes C. (Anlagen 2 und 3, GA Bd. III Bl. 32 bis 37) hatte die Hauptbeteiligte bereits in den Jahren 1997 und 1998 Verluste der Kommanditgesellschaft in Höhe ihrer Einlage verrechnet, so dass durch eine weitere Verrechnung von Verlusten im Jahre 1999 bei ihr ein negatives Kapitalkonto entstanden wäre. Mit anderen Worten: Der Kläger konnte das im Jahre 1999 noch offene Verlustpotenzial seiner Kapitalunterbeteiligung an der Kommanditgesellschaft nicht mehr realisieren, weil die Hauptbeteiligte ihr Potenzial bereits im Jahre 1998 ausgeschöpft hatte.

Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass und aus welchen Gründen die o.a. Bescheide des Finanzamtes C. , die als Grundlagenfeststellungen für alle Hauptbeteiligten der Kommanditgesellschaft und damit auch für alle (stillen) Unterbeteiligten nach §§ 179 Abs. 1 und 2, 180 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) AO 1977 bindend sind, fehlerhaft sein sollten. Das Bestreiten der darin enthaltenen Angaben mit Nichtwissen genügt hierfür nicht. Dem Kläger war ein detaillierterer Vortrag auch nicht unzumutbar, denn unter Berufung auf vertragliche Nebenansprüche aus dem Unterbeteiligungsvertrag hätte er auf entsprechende Auskünfte der Hauptbeteiligten dringen können, um seine Schadensberechnungen zu untersetzen. Dies ist auch auf die Erörterung der Thematik in der Sitzung vom 4. Dezember 2008 nicht erfolgt.

Einen anderen Vermögensschaden hat der Kläger nicht dargelegt.

3. Die Nebenforderung ist aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB begründet.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Der Anteil der Klageforderung, mit dem der Kläger letztlich obsiegt, ist unwesentlich und liegt unter 3 % der Gesamtforderung.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO. Zwar obsiegt die Beklagte überwiegend. Ihr Obsiegen beruht jedoch, wie ausgeführt, auf ergänzendem Vorbringen sowie auf der Einführung neuer Unterlagen in den Rechtsstreit. Das neue Vorbringen war zwar nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil das Landgericht auf eine entsprechende Ergänzung des Vorbringens nicht hingewirkt hat. Die Beklagte hätte jedoch bei sorgfältiger Prozessführung und insbesondere bei eingehender Auseinandersetzung mit dem Privatgutachten des Klägers erkennen können, dass die Ausführungen des Privatsachverständigen z.T. auf unvollständiger tatsächlicher Grundlage und z.T. unter Verkennung der Rechtslage erfolgten. Dem hätte sie bereits mit der Klageerwiderung entgegen treten müssen.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr.8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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