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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 14.02.2008
Aktenzeichen: 1 U 66/07
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

1. Keine Beanstandung der Therapiewahl allein wegen der Kompliziertheit des Eingriffs (hier: Beseitigung einer festgestellten knöchernen Enge in der Halswirbelsäule)

2. Tatrichterliche Würdigung der Hilfstatsachen zu einer behaupteten schmerzbedingt unzureichenden Aufnahmefähigkeit eines Patienten während des ärztlichen Aufklärungsgesprächs.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 66/07 OLG Naumburg

Verkündet am 14. Februar 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung

vom 31. Januar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 20. Juni 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg, 9 O 1736/05, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt 20.000 EUR.

und beschlossen:

Der Kostenwert des Berufungsverfahrens wird auf 44.942,61 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt vom Beklagten als Träger u.a. auch der Klinik für Neurochirurgie materiellen Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen angeblicher fehlerhafter und vermeintlich rechtswidriger Behandlung im Jahre 2001.

Der Kläger ist gelernter Kfz.-Schlosser und hat in diesem Beruf körperlich schwer gearbeitet; z.Zt. der hier gegenständlichen Behandlung war er 52 Jahre alt. Er ist verheiratet.

Der Kläger war seit 1988 wegen zunehmender Rückenschmerzen in ambulanter Behandlung. Im Jahre 1998 wurde aus Anlass der Untersuchung einer erheblichen Schmerzverstärkung und insbesondere wegen erheblicher Schmerzen im Bereich des Halses eine MRT-Untersuchung vorgenommen, bei der Bandscheibenvorfälle noch ohne Destruktion der Bandscheiben, aber zwischen dem 6. und 7. Halswirbelkörper (künftig: C 6/7) in Form einer Protrusio der Bandscheibe (Höhenverlust des Zwischenwirbelraumes und Lockerung des Bandapparates) und zwischen dem 5. und 6. Halswirbelkörper (künftig: C 5/6) in Form eines ProlapsŽ der Bandscheibe (2. Stufe der Bandscheibendegeneration, Heraushängen von Gewebe des Gallertkerns der Bandscheibe - sog. Nucleus pulposus) diagnostiziert wurden. Die konservative Behandlung führte allenfalls zu vorübergehenden Verbesserungen. Im Januar 2000 trat beim Patienten kurzzeitig eine Lähmung des rechten Armes ein, eine sog. Monoparese. In der darauf folgenden Untersuchung wurden klinische Symptome eines chronischen Zervikobrachialsyndroms festgestellt, d.h. durch Nervenreizungen und Durchblutungsstörungen im Halswirbelsäulenbereich auftretende Lähmungserscheinungen im Hals-Schulter-Arm-Bereich, die auch zu dumpfen Schmerzzuständen in der unteren Körperhälfte führen können und beim Kläger zu vorübergehenden Taubheitsgefühlen in beiden Armen geführt hatten. Durch eine Magnetresonanztomographie (MRT) im Juni 2000 wurde eine zervikale spinale, d.h. die Halswirbelsäule und dort das Rückenmark betreffende knöchern bedingte Enge zwischen dem 3. und dem 7. Halswirbelkörper bestätigt. Als die Schmerzen weiter zunahmen, stellten die niedergelassenen Neurochirurgen dem Kläger im Oktober 2000 eine Überweisung zur weiteren Behandlung im Krankenhaus der Beklagten aus. Nach einer ambulanten eigenen Untersuchung vereinbarten die Ärzte des Beklagten mit dem Kläger im November 2000 eine stationäre Aufnahme zur Durchführung zunächst einer CT-Untersuchung des Rückenmarks im Bereich der Halswirbelsäule (Myelographie); auf Wunsch des Klägers wurde als Aufnahmetermin der 16. Januar 2001 festgelegt.

Der Kläger wurde am 16. Januar 2001 stationär aufgenommen. Es erfolgte eine klinische Aufnahmeuntersuchung sowie am 17. Januar 2001 die geplante Myelographie. Die Aufnahmen bestätigten Bandscheibenvorfälle in den Bereichen C 5/6 und C 6/7 in Form sog. dorsaler Retrospondylophytenbildung, d.h. Bandscheibendegenerationen auf der Rückseite der Halswirbelkörper, wobei in C 5/6 der das Hirnwasser, den sog. Liquor, enthaltende Raum (sog. ventraler - d.h. bauchwärts befindlicher - Subarachnoidalraum) völlig aufgebraucht war, während in C 6/7 die Einengung etwas weniger stark fortgeschritten war. Es erfolgte eine Empfehlung zum operativen Eingriff zur Beseitigung der Verengung der Halswirbelsäule. Die Einzelheiten der Aufklärung vor der Operation sind umstritten. Der Kläger willigte am 22. Januar 2001 nach einem zweitägigen Urlaub zu Hause und jedenfalls am Ende eines Gespräches mit dem Stationsarzt Dr. med. U. B. , schriftlich in die geplante Operation ein.

Am Nachmittag des 23. Januar 2001 wurden dem Kläger nach Aufspreizung des Zwischenwirbelraumes die beiden Bandscheiben in C 5/6 und C 6/7 in offener Operation entnommen und statt dessen jeweils ein Titanring als Platzhalter eingesetzt. Nach der Operation entwickelte sich beim Kläger eine fast komplette Lähmung aller vier Gliedmaßen, eine sog. Tetraparese, die sich unter sofortiger Kortison-Behandlung teilweise zurückbildete. Nachdem in der begonnenen Rehabilitationsbehandlung ein Liquorpolster am Hals festgestellt worden war, erfolgte Wiederaufnahme und - nach Aufklärung und Einwilligung - am 4. Februar 2001 eine zweite Operation. In der harten Hirnhaut, der sog. Dura, wurde ein 5x5 mm großes Leck gefunden, welches verklebt wurde. Zur Erreichung des Operationsgebietes war ein Anteil des hinteren Längsbandes von der harten Hirnhaut gelöst worden. Beschrieben wird auch eine Nachresektion von verbliebenem Bandscheibengewebe im Bereich C 5/6. Der Titanring in diesem Bereich wurde endgültig entfernt; hier wurde bewusst kein neuer Platzhalter eingesetzt.

Der Kläger kann heute seinem Beruf wie auch einer anderen Tätigkeit, die mit starker körperlicher Beanspruchung verbunden ist, nicht mehr nachgehen. Er leidet an Sensibilitätsstörungen an Armen und Beinen, kann zwar mit Krücken laufen, muss aber zur Schonung häufig einen Rollstuhl in Anspruch nehmen. Es treten Funktionsstörungen bei der Harn- und Stuhlgangsentleerung auf, so dass der Kläger mehrere Stunden täglich auf Toilette verbringen muss. Er erlitt völligen Potenzverlust. Psychisch ist er in einem anhaltend depressiven Zustand. Er gibt an, dass sich deswegen inzwischen seine Ehefrau von ihm getrennt habe.

Das Landgericht hat zur Sachaufklärung insgesamt vier Gutachen bzw. ergänzende gut-achterliche Stellungnahmen des neurochirurgischen Sachverständigen Prof. Dr. W. Bt. , Direktor der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums der M. - Universität , eingeholt; es hat den Zeugen Dr. med. U. B. zum Inhalt der Eingriffsaufklärung vor der ersten Operation vernommen.

Die Kammer hat im Ergebnis ihrer Beweiswürdigung die Klage abgewiesen und die Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass weder ein Behandlungsfehler noch eine Aufklärungspflichtverletzung bewiesen seien.

Der Kläger hat gegen das ihm am 22. Juni 2007 zugestellte Urteil mit einem am 19. Juli 2007 beim Oberlandesgericht Naumburg vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der ihm bis zum 22. September 2007 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

Der Kläger greift die Beweiswürdigung der Kammer hinsichtlich der Feststellung an, dass bei der ersten Operation ein Behandlungsfehler nicht nachweisbar sei. Er erachtet die Beweisaufnahme als unvollständig, insbesondere sei noch nicht hinreichend geklärt, ob es sich bei der gewählten Operationsmethode u.U. um einen medizinisch noch nicht ausgereiften Eingriff gehandelt habe.

Der Kläger hält an seiner erstmals im Schriftsatz vom 19. März 2007, also etwa eineinhalb Jahre nach Klageerhebung geäußerten Auffassung fest, dass die durchgeführte Eingriffsaufklärung durch Dr. med. B. vor dem ersten Eingriff nicht ausreichend gewesen sei. Er kritisiert, dass die Dauer des Gesprächs nicht dokumentiert sei und durch den Zeugen nicht mehr erinnert werden konnte; dass sie unvollständig erfolgt sei, weil über das Risiko der Nichtbehandlung zu wenig gesagt worden sei, dass keine konkreten Zahlen zu den Komplikationshäufigkeiten benannt worden seien, sowie, dass die Methode zu neu gewesen sei, ohne dass ihm dies gesagt worden sei. Er meint weiter, dass die Eingriffsaufklärung nicht rechtzeitig erfolgt sei und jedenfalls in der falschen Situation, nämlich nach dem Absetzen der Schmerzmittel.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 11.339,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2005 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das aber mindestens 20.000,00 EUR betragen sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2005 zu zahlen;

3. den Beklagten zu verurteilen, an ihn rückwirkend ab dem 1. Februar 2001 bis zum 31. Dezember 2014 eine monatliche Rente in Höhe von 193,39 EUR zu zahlen, und zwar jeweils vierteljährlich im Voraus zum 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober eines jeden Jahres;

4. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche weitere Schäden, die ihm künftig aus den Behandlungsfehlern vom 23. Januar 2001 und 4. Februar 2001 in der Klinik für Neurochirurgie der Beklagten entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verteidigt im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil und tritt vor allem dem Vorbringen zur unvollständigen Aufklärung entgegen.

Der Senat hat am 31. Januar 2008 mündlich zur Sache verhandelt. Im Termin wurde die Ehefrau des Klägers als Zeugin zur körperlichen und geistigen Verfassung des Klägers während seiner stationären Behandlung im Januar 2001 und insbesondere zur behaupteten Absetzung von Schmerzmitteln sowie zur Aufnahmefähigkeit ihres Ehemannes am 22. Januar 2001 vernommen. Zu denselben Beweisfragen wurde die Vernehmung des Zeugen Dr. med. U. B. teilweise wiederholt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom 31. Januar 2008 Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass der Kläger gegen den Beklagten schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Ersatz der von ihm als materielle oder immaterielle Schäden geltend gemachten Forderungen hat. Der Kläger hat weder einen Behandlungsfehler noch eine Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit seinem Recht auf Selbstbestimmung nachzuweisen vermocht.

1. Die Kammer hat im Ergebnis ihrer umfangreichen Beweisaufnahme hierzu zutreffend festgestellt, dass die medizinische Versorgung des Klägers in der Klinik für Neurochirurgie des Beklagten im Januar und Februar 2001 dem fachärztlichen Standard entsprach und insbesondere die Operation vom 23. Januar 2001 keine Abweichungen vom neurochirurgischen Facharztstandard aufwies. Die hiergegen mit der Berufung vorgebrachten Angriffe, die sich allein auf die Operation vom 23. Januar 2001 beziehen, vermögen Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellungen nicht zu begründen.

Die Rechtsprechung zur Arzthaftung hat die Aufgabe, die Grenze zu ziehen zwischen dem schicksalhaften, auf der Unberechenbarkeit der menschlichen Natur oder auf einem Unfall beruhenden Gesundheitsschaden und demjenigen, der eingetreten ist, weil der behandelnde Arzt den von ihm geschuldeten hohen Qualitätsstandard bei der medizinischen Behandlung nicht gewahrt hat. Der Arzt schuldet dem Patienten keinen Heilerfolg, und die Risiken der Grunderkrankung des Patienten werden nicht zum Arztrisiko, wenn der Arzt die Behandlung übernimmt. Der Arzt haftet nur, wenn er den von ihm zu fordernden Qualitätsstandard unterschreitet und dies ursächlich für eine Schädigung des Patienten ist. Nach diesen Maßstäben ist ein Haftungsgrund hier nicht ersichtlich.

1.1. Die medizinische Entscheidung für den am 23. Januar 2001 auch durchgeführten operativen Eingriff war richtig. Eine solche Operation war medizinisch angezeigt, denn die im Januar 2001 schon seit drei Jahren bekannte Grunderkrankung mit sich verstärkenden Schmerzen im Halsbereich und kurzzeitigen neurologischen Ausfällen hatte ein bedrohliches, reaktionspflichtiges Ausmaß erreicht (vgl. Gutachten v. 2. Februar 2006 GA Bd. I Bl. 90 ff., 101). Die konservative Behandlung hatte bereits seit mehr als einem Jahr kein befriedigendes Ergebnis mehr hervorgebracht. Bei der Aufnahmeuntersuchung am 17. Januar 2001 wurden erhebliche Deformationen von zwei Bandscheiben festgestellt und eine dadurch bedingte Verengung des Subarachnoidalraumes bestätigt. Die Beseitigung dieser knöchernen Enge war ohne Operation nicht zu erreichen. Ohne Eingriff stand zu besorgen, dass sich die Situation weiter verschlechtern, d.h. die Deformation der Bandscheiben fortschreiten würde, so dass sie ihre Funktion als Platzhalter immer weniger erfüllen konnten. Letztlich war eine Entwicklung angelegt, die ohne behandelnde Eingriffe in eine Querschnittslähmung hätte münden können (vgl. Ergänzungsgutachten v. 17. Mai 2006, GA Bd. I Bl. 125 ff., 131 und Ergänzungsgutachten v. 25. August 2006, GA Bd. I Bl. 155 ff, 164 f.). Unter Einbeziehung der aktuellen klinischen, insbesondere der Schmerzsituation des Klägers und der hierzu passenden radiologisch sichtbaren anatomischen Veränderungen war ein operativer Eingriff zur Vermeidung neurologischer Ausfälle und zur Beseitigung der Schmerzen geboten. Hierfür gab es zwar noch keine sog. vitale Indikation, d.h. es war noch keine zur Lebenserhaltung notwendige Operation, aber sie war notwendig, um überhaupt eine Verbesserung des Gesundheitszustandes und des Wohlbefindens des Klägers erreichen zu können, natürlich ohne Garantie dieses Erfolges. Ein weiteres Zuwarten wäre möglich, aber nicht sinnvoll gewesen, weil sich die Heilungschancen verringern und die Operationsrisiken erhöhen, je verengter sich der Subarachnoidalraum und damit das künftige Operationsgebiet den Ärzten präsentiert. Den behandelnden Neurochirurgen war schließlich auch bewusst, dass bei dem Eingriff höchste Präzision und Genauigkeit bei der Führung der Operationsinstrumente auf engstem Raum über eine längere Operationsdauer hinweg erforderlich sein würde. Diese Präzision ist jedoch möglich und wird ganz überwiegend gewährleistet. Die angewandte Operationsmethode war mithin weder neuartig, wie die sog. "Robodoc"-Behandlung, auf die sich der Kläger argumentativ bezieht, noch war sie etwa unausgereift. Der Kompliziertheit des Eingriffs ist "lediglich" das Risiko immanent, dass trotz höchster Sorgfalt des Operateurs ein Touchieren der gefährdeten Gewebestrukturen nicht auszuschließen ist, welches - insbesondere wegen der Vorschädigungen des Rückenmarks durch die Grunderkrankung - leicht zu Duradefekten führen kann (vgl. Ergänzungsgutachten v. 25. August 2006, a.a.O., 159 f.).

1.2. Die Kammer hat unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen auch zutreffend festgestellt, dass das Vorgehen des Operateurs am 23. Januar 2001 dem fachärztlichen Standard entsprach und nicht etwa zu einer Erhöhung der Beschädigungsgefahren geführt hätte. Die Absetzung von Gewebsstrukturen erfolgte offensichtlich zurückhaltend und schonend, um die Belastungen u.a. für die Dura möglichst gering zu halten. Soweit erstinstanzlich noch über eine u.U. unvollständige Entfernung von Bandscheibengewebe diskutiert wurde, die schon nicht erweislich ist (vgl. Ergänzungsgutachten v. 17. Mai 2006, a.a.O., 126), hat sie den erneuten Eingriff am 4. Februar 2001 jedenfalls auch nicht notwendig gemacht. Die Notwendigkeit des Folgeeingriffs ergab sich aus dem Verdacht intramedullarer Blutungen und des Liquorausflusses, der sich in der Operation durch Auffinden des Lecks in der Dura bestätigt hat (vgl. Ergänzungsgutachten v. 17. Mai 2006, a.a.O., 128).

1.3. Die Beweiswürdigung der Kammer beruht entgegen dem Berufungsvorbringen des Klägers auch auf ausreichender tatsächlicher Grundlage. Eine weitere ergänzende oder wiederholende Einbeziehung eines neurochirurgischen Sachverständigen war nicht erforderlich, weil alle entscheidungserheblichen Beweisfragen umfangreich erörtert und beantwortet sind. Die von der Kammer nicht an den Sachverständigen weitergeleiteten Fragen des Prozessbevollmächtigten des Klägers beruhten auf einem Missverständnis des Klägers, der die Operationsmethode für neuartig und unausgereift erachtete, was, wie dargestellt, nicht der Fall war.

2. Der Senat ist - auch auf der Grundlage eigener ergänzender Beweisaufnahme - davon überzeugt, dass die Aufklärung des Klägers vor der Operation vom 23. Januar 2001 nicht zu beanstanden ist und ihm eine selbstbestimmte Entscheidung über die Zustimmung zur Operation ermöglichte.

Die Aufklärung soll dem Patienten ein allgemeines Bild von der Schwere des Eingriffs, von den Heilungschancen und den Operationsrisiken vermitteln. Dabei steht nicht die Erörterung fachmedizinischer Einzelfragen im Vordergrund, sondern eine allgemeinverständliche Darstellung der Auswirkungen einerseits der Nichtbehandlung und andererseits der beabsichtigten Behandlung, auch im Falle des Auftretens typischer Komplikationen, auf die persönliche Lebensführung. Dem Patienten soll eine eigene Abwägung ermöglicht werden, welche Risiken er in Relation zu den bestehenden Heilungschancen bereit ist einzugehen.

2.1. Der gerichtliche Sachverständige hat die dokumentierte Aufklärung als "ohne Tadel" bewertet (vgl. Gutachten v. 2. Februar 2006, a.a.O., 100). Er hat aus dem zu weiten Teilen handschriftlich ergänzten Protokoll über das Aufklärungsgespräch entnommen, dass sowohl über die Art des Eingriffs und die Komplikationsmöglichkeiten vollständig aufgeklärt wurde als auch über die knöcherne Enge. Diese sei auf den beiden Skizzen auf der Rückseite des Protokolls, die das Rückenmark in seitlicher Ansicht und vom Rücken her darstellen, deutlich erkennbar (vgl. Ergänzungsgutachten v. 17. Dezember 2006, GA Bd. II Bl. 1 ff., 5). Dem schließt sich der Senat an. Der Kläger hat den dokumentierten Inhalt der Aufklärung nicht in Abrede gestellt.

2.2. Die Einwendungen des Klägers gegen den Inhalt der Aufklärung sind unbegründet.

Es war nicht erforderlich, ihm die Risikohäufigkeiten im Einzelnen nach statistischen Größen zu beziffern. Eine Benennung ist grundsätzlich ausreichend. Je nach Gesprächssituation, z. Bsp. auf Nachfrage oder bei erkennbarem Interesse des Patienten an weiterer Information, kann eine verbale Einordnung als relativ häufiges, seltenes oder sehr seltenes Risiko erforderlich, aber auch ausreichend sein. Dass hier eine solche Gesprächssituation vorgelegen hätte, ist nicht ersichtlich.

Es kann auch offen bleiben, ob über das Risiko der Nichtbehandlung ausreichend aufgeklärt wurde, denn dieses hat sich hier nicht verwirklicht. Der Kläger hat sich jedenfalls für die fachärztlich empfohlene Operation entschieden. Angesichts seines persönlichen Leidensdrucks bedurfte der Patient offensichtlich keiner näheren Darlegung, dass ein operativer Eingriff sinnvoll ist.

Es ist schließlich nicht ersichtlich, dass alternative, weniger risikobelastete Operationsmethoden in Betracht gekommen wären. Weder der Kläger noch der danach befragte gerichtliche Sachverständige haben solche Alternativen benannt. Bei der gewählten Operation handelt es sich auch nicht um eine neue, noch nicht ausgereifte Behandlungsmethode, sondern um einen komplizierten Eingriff, der seit langem ausgeführt wird, aber seine Kompliziertheit nicht verloren hat.

2.3. Die Einwendungen des Klägers gegen den Aufklärungszeitpunkt sind unbegründet. Die Aufklärung erfolgte rechtzeitig.

Der Kläger hatte bereits spätestens seit Oktober 2000 Gelegenheit, sich mit dem Gedanken des operativen Eingriffs zu befassen. Bereits seit seiner Überweisung an die Klinik des Beklagten und nochmals nach der dort ambulant durchgeführten Untersuchung im November 2000 war klar, dass eine Operation in Betracht kommt. Mit dem Kläger wurde nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bereits am 19. Januar 2001 ein Gespräch über die Indikation zur Operation geführt. Auch wenn darin u.U. noch nicht alle den Kläger interessierenden Fragen angesprochen sein mögen, bestand Gelegenheit, sich auf die Operation einzustimmen, sich mit dem Operationsgedanken auseinanderzusetzen und zumindest eine grundsätzliche Haltung zu entwickeln. Der Kläger hatte danach zwei Tage außerhalb des Krankenhauses in vertrauter familiärer Umgebung Zeit, das Für und Wider einer Operation zu überdenken, abzuwägen und ggfs. mit Angehörigen zu erörtern.

Das dokumentierte Aufklärungsgespräch fand einen Tag vor der Operation und ohne äußeren Druck, etwa von bereits laufenden Operationsvorbereitungen, statt, d.h. es wäre dem Kläger ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen, bei Zweifeln nachzufragen, sich mehr Bedenkzeit zu erbitten oder die Operation abzulehnen.

2.4. Soweit der Kläger eine unzureichende Aufnahmefähigkeit am 22. Januar 2001 im Hinblick auf seine Schmerzen behauptet hat, folgt der Senat dieser Darstellung vor allem auch im Ergebnis seiner eigenen ergänzenden Beweisaufnahme nicht.

Der Sachvortrag des Klägers hierzu ist bereits äußerst karg und ungenau und steht im Widerspruch zur Behandlungsdokumentation. Der Kläger hat in erster Instanz erstmals im Schriftsatz vom 19. März 2007, mithin mehr als eineinhalb Jahre nach Einreichung der Klageschrift vom 20. Juli 2005, überhaupt vorgetragen, dass er "... in Vorbereitung der Operation ... sämtliche Schmerzmittel absetzen musste ..." (GA Bd. II Bl. 26) und dass die stationäre (Wieder-)Aufnahme am 22. Januar 2001 "... unter einem Mangel an Schmerzmitteln ..." erfolgt sei, weil ihm "... im Vorfeld der geplanten Operation bedeutet worden sei ...", diese Schmerzmittel abzusetzen. Er habe sich in einem Zustand des Entzuges befunden (Beweis: Zeugnis Ehefrau). Nach dem Inhalt der Patientenakte bei der Beklagten ist eine ärztliche Anweisung zur Absetzung von Schmerzmitteln nicht erkennbar. Vielmehr wurde dem Kläger lt. Dokumentation in der Zeit vom 17. Januar 2001 bis zum 22. Januar 2001 jeweils morgens und abends und am 23. Januar 2001 morgens durchgängig Ibuprofen 800 verabreicht; am 22. Januar 2001 - dem Tag der Wiederaufnahme und des Aufklärungsgespräches - bekam der Kläger zusätzlich dreimal Voltaren 25 (beides nichtopiode Analgetika) sowie zur Lösung von Schmerz ausstrahlenden Muskelverspannungen zweimal Musaril.

Auch der späte Zeitpunkt dieses Vortrags spricht gegen seine Richtigkeit, weil der Kläger vorher mehrfach Veranlassung gehabt hätte, diesen Einwand vorzubringen, und zwar nach der Klageerwiderung vom 10. Oktober 2005, in der auf S. 2 f. (vgl. GA Bd. I Bl. 64 ff., 65 f.) ausführlich zur Aufklärung vorgetragen worden war, nach dem Gutachten vom 2. Februar 2006, in dem die Aufklärung als "ohne Tadel" bewertet worden war (vgl. S. 11, a.a.O., Bl. 101), worauf der Kläger lediglich mit Nachfragen zur tatsächlichen Grundlage dieser Bewertung reagierte (vgl. Schriftsatz vom 27. März 2006, S. 3 - GA Bd. I Bl. 111 ff., 113), sowie nach dem 1. Ergänzungsgutachten vom 17. Mai 2006, welches auf S. 7 nochmals auf die Aufklärung eingeht (vgl. GA Bd. I Bl. 125 ff, 132). Dass die "Erinnerung" an eine mangelnde Aufnahmefähigkeit während des dokumentierten Aufklärungsgespräches erstmals nach mehr als sechs Jahren nach dem Gespräch und in einer Prozess-Situation aufkommt, in der alle anderen Ansätze der Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg mehr hatten, ist zumindest auffällig.

Die vom Senat gleichwohl durchgeführte Beweisaufnahme hat die Angaben des Klägers nicht bestätigt.

Die Ehefrau des Klägers, die Zeugin R. H. , konnte zwar erhebliche Rücken- und Migräneschmerzen des Klägers in dieser Zeit bekunden und angegeben, dass der Kläger während seines Wochenendaufenthaltes zu Hause keinerlei Schmerzmittel eingenommen habe. Ihre Aussage war aber unergiebig im Hinblick darauf, ob dies auf einer ärztlichen Anweisung in der Klinik der Beklagten beruhte, ob sich eine etwaige Anordnung der Nichteinnahme von Medikamenten allein auf Arzneimittel bezogen haben könnte, die die Blutgerinnung reduzieren, oder ob es für die Ärzte der Beklagten erkennbar gewesen wäre, dass der Kläger keine Schmerzmittel eingenommen habe. Die Zeugin hat das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme über Vorgespräche mit dem Kläger über die Indikation zur Operation bestätigt, indem sie ausgeführt hat, dass sich ihr Ehemann am Wochenende gedanklich bereits ständig mit der Operation beschäftigt habe. Letztlich sprechen die weiteren Angaben der Zeugin über die Befindlichkeit ihres Ehemannes am Tage des dokumentierten Aufklärungsgespräches auch eher dafür, dass jedenfalls die Aufnahmefähigkeit des Klägers durch seine Schmerzen nicht entscheidend beeinträchtigt war. Denn die Zeugin schilderte, dass der Kläger zuversichtlich gewirkt habe, u.a. deshalb, weil andere Patienten in der Station erfolgreich operiert worden seien und zumindest ein Patient schon nach wenigen Tagen entlassen worden sei. Er habe auch ihrem eigenen Gespräch folgen können und den Aufklärungsbogen vorgezeigt.

Der erneut vernommene Zeuge Dr. med. U. B. , der das dokumentierte Aufklärungsgespräch durchgeführt hatte, wiederholte im Wesentlichen seine erstinstanzliche Aussage, wonach er zwar keine konkrete Erinnerung an das Aufklärungsgespräch vom 22. Januar 2001 und an den Kläger als Patienten habe, er aber ausschließen könne, dass er ein Aufklärungsgespräch fortgesetzt und als vollständig durchgeführt protokolliert hätte, wenn er Anzeichen für eine verminderte Aufnahmefähigkeit des Patienten gehabt habe. Der Zeuge bestätigte den wesentlichen Inhalt der Patientenunterlagen zur Medikation des Klägers vor der Operation vom 23. Januar 2001, auch wenn offen blieb, ob die täglichen, mit wechselnden Schreibmitteln vorgenommenen Eintragungen eine Soll- oder eine Ist-Medikation dokumentierten.

Schließlich spricht für eine ausreichende Aufnahmefähigkeit des Klägers am 22. Januar 2001 auch, dass an diesem Tage zudem eine Aufklärung durch den Anästhesisten Dr. He. erfolgte, die ausweislich der umfangreichen handschriftlichen Eintragungen eine gewisse Zeit in Anspruch nahm. Auch insoweit ist darauf zu schließen, dass ein Abschluss dieses Gespräches mit Unterzeichnung der Einwilligungserklärung nicht geschehen wäre, wenn sich diesem Arzt Anzeichen für eine verminderte oder aufgehobene Aufnahmefähigkeit geboten hätten.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Die Festsetzung des Streitwerts für die Gebührenberechnung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 und 39 Abs. 1 GKG. Der Senat hat die Einzelwerte der vier Anträge zusammengerechnet. Für den Antrag zu Ziffer 1) hat der Senat entsprechend seiner Bezifferung 11.339,21 EUR angesetzt, für den Antrag zu Ziffer 2) die angegebene Mindestsumme von 20.000,00 EUR. Den Antrag zu Ziffer 3) hat der Senat nach § 42 Abs. 2 GKG mit dem fünffachen Betrag des einjährigen Bezugs (d.h. 5x <193,39 EUR / Monat x 12 Monate = 2.320,68 EUR > = 11.603,40 EUR). Einen Antrag, wie den Antrag zu Ziffer 4), bewertet der Senat bei Fehlen von Anhaltspunkten für eine abweichende Bewertung, wie hier, in ständiger Rechtsprechung mit 2.000,00 EUR.

Ende der Entscheidung

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