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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 27.02.2002
Aktenzeichen: 1 U 85/01
Rechtsgebiete: WasserG-DDR 1982, ZGB-DDR, BGB, EV


Vorschriften:

WasserG-DDR 1982 § 38 Abs. 2
ZGB-DDR § 316
BGB § 906 Abs. 2
EV Art. 9
1. Weder aus § 38 Abs. 2 WasserG-DDR 1982 bzw. § 316 ZGB-DDR, jeweils i. V. m. Art. 9 EV, noch aus § 906 Abs. 2 BGB ergibt sich eine rechtliche Pflicht eines Grundstückseigentümers, den oberirdischen Abfluss von wild abfließenden Regenwasser auf das Nachbargrundstück generell zu verhindern.Hieran hat sich im übrigen auch durch das Inkrafttreten des Nachbarrechtsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt nichts geändert.

2. Dies gilt auch dann, wenn der Grundstückseigentümer den Abfluss von Regenwasser innerhalb seines Grundstücks durch die Errichtung einer bauordnungsrechtswidrigen Garage verändert.

3. Rechtswidrig verhält sich ein Grundstückseigentümer allenfalls dann, wenn er den Zufluss von Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück verstärkt.

4. Nimmt eine Grundstücksnachbar das Privileg einer Grenzbebauung in Anspruch, so hat er grundsätzlich dieses Bauwerk selbst vor dem Risiko einer Einwirkung von wild abfließenden Regenwasser des angrenzenden Grundstücks zu sichern. Im Schadensfall kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass z. Zt. der Errichtung des Grenzbauwerkes Sicherungsmaßnahmen gegen aufsteigende Feuchtigkeit noch unüblich waren.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 85/01 Oberlandesgericht Naumburg

verkündet am: 27.02.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richter am Oberlandesgericht Geib und Wiedemann und die Richterin am Amtsgericht Rubner auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14. Juni 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg, 6 (8) O 111/00, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 3.210,11 EUR nebst jeweils 4 % Zinsen aus 2.480,19 EUR seit dem 29. Februar 2000 sowie aus weiteren 729,92 EUR seit dem 19. Juli 2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Kläger zu 91,4 % und der Beklagte zu 8,6 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer der Kläger übersteigt 20.000,00 EUR, diejenige des Beklagten übersteigt 20.000,00 EUR nicht.

Tatbestand:

Die Kläger begehren vom Beklagten Schadenersatz wegen schuldhafter Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten.

Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F.; abändernd bzw. ergänzend hierzu ist lediglich Folgendes auszuführen:

Die 6. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg hat mit seinem auf die mündliche Verhandlung vom 03.05.2001 ergangenen und am 14.06.2000 verkündeten Urteil der Klage in der Hauptsache im vollen Umfange stattgegeben. Sie hat ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Beklagte gegen seine anwaltlichen Sorgfaltspflichten verstoßen habe, indem er die hinreichende Prüfung der Aktivlegitimation der Kläger zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus §§ 823 Abs. 2 i.V.m. 906 Abs. 2 S. 2 BGB gegen die Stadt A. sowie die Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Abwendung einer drohenden Verjährung dieser Ansprüche jeweils unterlassen habe. Die Kammer meint, dass die Kläger bei pflichtgemäßer Beratung und Vertretung durch den Beklagten gegen die Stadt A. erfolgreich Schadenersatzansprüche aus abgetretenem Recht hätten geltend machen können. Insbesondere erachtet es die Kammer für bewiesen, dass der Einsturz des Seitenhauses auf dem von den Klägern erworbenen Grundstück in A. (künftig: Grundstück der Eheleute L. ) auf eine Durchfeuchtung der an der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Stadt A. (künftig: Nachbargrundstück) stehenden Lehmziegelmauer zurückzuführen sei. Diese gehe darauf zurück, dass sich die Lehmziegelmauer mit Niederschlagswasser vollgesogen habe, welches wiederum dadurch übermäßig vorhanden gewesen sei, dass auf dem Nachbargrundstück in nur 40 bis 50 Zentimeter Entfernung von der Grundstücksgrenze eine Wellblechgarage ohne Dachentwässerung gestanden habe. Die Kammer hat hierin - unausgesprochen - eine rechtswidrige wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks der Eheleute L. gesehen. Das erstinstanzliche Gericht hat den Sachvortrag der Kläger zur Höhe der geltend gemachten Schäden als nicht wirksam bestritten bewertet und daher alle Schadenspositionen (mit Ausnahme eines Teils der Verzugszinsen) ohne weitere inhaltliche Prüfung zugesprochen.

Gegen dieses, ihm am 28.06.2001 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 23.07.2001 beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm bis zum 13.09.2001 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte vor allem gegen die Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts, dass die Kläger im Falle einer ordnungsgemäßen Beratung und Vertretung durch ihn im Rechtsstreit gegen die Stadt A. hätten obsiegen können. Er behauptet, dass den Klägern der Nachweis der Einsturzursache misslungen wäre, und meint hilfsweise, dass die Stadt A. jedenfalls nicht bzw. nicht schuldhaft gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen habe bzw. dass den Eheleuten L. ein so erhebliches Mitverschulden am Schadenseintritt zukomme, dass daneben eine Haftung der Stadt A. nicht in Betracht gekommen wäre. Zudem bestreitet der Beklagte die Höhe der vermeintlich durch seine Pflichtverletzungen vereitelten Schadenersatzansprüche der Kläger aus abgetretenem Recht gegen die Stadt A. . Die Stadt A. sei im Übrigen erst seit dem 28.03.1996 als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Inhalt der Schriftsätze des Beklagten vom 03.09.2001 und vom 26.10.2001 Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat auch in der Sache überwiegend Erfolg; die Verurteilung des Beklagten hat lediglich insoweit Bestand, als er den Klägern zum Ersatz der unnötig aufgewandten Kosten und Auslagen des Vorprozesses 4 O 350/99 Landgericht Magdeburg verpflichtet ist.

1. Das Landgericht hat allerdings zu Recht festgestellt, dass die Kläger gegen den Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadenersatz wegen so genannter positiver Vertragsverletzung des Rechtsbesorgungsvertrages haben.

Der Beklagte wendet sich in seinem Berufungsvorbringen schon selbst nicht mehr dagegen, dass er das streitgegenständliche Mandat fahrlässig unzureichend rechtlich bearbeitet hat.

Der Beklagte hat sowohl bei der außergerichtlichen Geltendmachung der vermeintlichen Ansprüche der Kläger gegen die Stadt A. (bzw. deren Versicherer, den Kommunalen Schadenausgleich) als auch bei ersten gerichtlichen Geltendmachung (Vorprozess 8 O 2613/97 Landgericht Magdeburg) verkannt, dass die Kläger keine Schadenersatzansprüche aus eigenem Recht haben. Das Prozesskostenhilfegesuch der Kläger vom 14.08.1997 und die zu dessen Weiterverfolgung eingelegte Beschwerde vom 25.03.1998 im Vorprozess 8 O 2613/97 Landgericht Magdeburg sind daher vorhersehbar mangels Erfolgsaussicht abgelehnt worden. Denn den Klägern fehlte es zwar nicht, wie sie nunmehr meinen, an einer Prozessvoraussetzung, der von ihnen erhobene Anspruch war jedoch von Anfang an unbegründet. Dies hätte dem Beklagten im Rahmen der Prüfung der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen von Anfang an zwingend auffallen müssen. Die Pflichtverletzung wiegt hier umso schwerer, als der o.g. Versicherer der Stadt A. seinen eine Leistungspflicht ablehnenden Bescheid vom 30.08.1995 bereits u.a. auf die fehlende Aktivlegitimation der Kläger gestützt hatte, so dass schon im Jahre 1995 Veranlassung zu einer erneuten rechtlichen Prüfung und zur Herbeiführung eines Abtretungsvertrages zwischen den Veräußerern des Grundstücks, den Eheleuten L. , und den Kläger bestanden hätte, wie dann (erst) im Frühjahr 1999 geschehen.

Der Beklagte hat zudem die Gefahr einer Verjährung der vermeintlichen Schadenersatzansprüche der Eheleute L. gegen die Stadt A. verkannt und es versäumt, rechtzeitig geeignete Maßnahmen zur Unterbrechung bzw. Hemmung des Laufs der Verjährung dieser Ansprüche zu ergreifen. Auch auf dieses pflichtwidrige Versäumnis war der Beklagte noch zu einem Zeitpunkt aufmerkam gemacht worden, zu dem eine Abwendung der sich später realisiert habenden Gefahr des Verjährungseintritts möglich gewesen wäre, nämlich durch die Stellungnahme der Stadt A. im ersten Vorprozess 8 O 2613/97 Landgericht Magdeburg vom 19.09.1997, mit der bereits die Einrede der Verjährung erhoben worden war.

Folge dieser letztgenannten Pflichtverletzung war, dass der Beklagte es weiter versäumt hat, den Klägern im Jahre 1999 von der Durchführung eines (zweiten) Rechtsstreits gegen die Stadt A. wegen fehlender Erfolgsaussichten abzuraten. Der zweite Vorprozess 4 O 350/99 Landgericht Magdeburg konnte schon deshalb nur mit einem Unterliegen der Kläger enden, weil inzwischen jedenfalls die Verjährung der streitgegenständlichen Forderungen der Eheleute L. eingetreten war und weil von Anfang an zu erwarten war, dass sich die Stadt A. gemäß ihrem bisherigen Verteidigungsverhalten hierauf auch berufen würde, wie dann auch geschehen. Im Rahmen der Beurteilung des hypothetischen Kausalverlaufs ist von einem beratungsgerechten Verhalten der Kläger und mithin davon auszugehen, dass die Kläger bei pflichtgemäßer Aufklärung über die fehlenden Obsiegens-Chancen diesen Rechtsstreit nicht aufgenommen hätten. Diesen Falls wären weder gerichtliche Kosten und Auslagen noch Auslagen der Stadt A. für einen Prozessbevollmächtigten noch Kosten der Landeskasse für die Beiordnung des Beklagten entstanden.

2. Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe der vorgenannten Kosten und Auslagen des zweiten Vorprozesses (4 O 350/99 Landgericht Magdeburg); diesen haben die Kläger unwidersprochen und durch entsprechende Urkunden belegt auf 6.278,43 DM beziffert. Denn die Kläger sind mit diesen Kosten und Auslagen belastet worden, nachdem sie ihre - von Anfang an aussichtslose - Klage im Termin der mündlichen Verhandlung am 17.06.1999 zurückgenommen hatten. Der begehrte Betrag entspricht 3.210,11 EUR.

Der Zinsanspruch beruht auf § 308 ZPO sowie auf §§ 291, 288 BGB i.V.m. § 261 Abs. 2 ZPO. Die Kläger haben die vorgenannten Schadenspositionen jeweils klageerweiternd mit Schriftsätzen vom 19.01.2000 und vom 21.06.2000 geltend gemacht, wobei sie jeweils "nur" eine Verzinsung ab Rechtshängigkeit begehrt haben. Die Rechtshängigkeit dieser Schadenspositionen ist in Höhe von 4.850,83 DM (= 2.480,19 EUR) durch Zustellung des Schriftsatzes vom 19.01.2000 an den Beklagten am 29.02.2000 sowie in Höhe weiterer 1.427,60 DM (= 729,92 EUR) durch entsprechende Antragstellung im Termin der mündlichen Verhandlung am 19.07.2000 rechtshängig geworden.

3. Die Berufung des Beklagten hat jedoch Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass die Kläger im Falle einer pflichtgemäßen Beratung und Vertretung durch den Beklagten in einem Rechtsstreit gegen die Stadt A. wegen Schadenersatzes aus §§ 823 Abs. 2, 906 Abs. 2 S. 2 BGB aus abgetretenem Recht obsiegt hätten.

3.1. Hinsichtlich des hypothetischen Verlaufs des Vorprozesses ist - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht darauf abzustellen, wie die 4. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg seinerzeit wohl entschieden hätte, sondern darauf, wie das zuständige Gericht richtig hätte entscheiden müssen (vgl. BGH NJW-RR 1990, 1241, 1244; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, 4. Aufl. 1992, Rn. I 224, Rn. I 243 ff). Richtigerweise war die Klage der Kläger gegen die Stadt A. auch aus abgetretenem Recht und ungeachtet des Eintritts der Verjährung unbegründet.

3.2. Die Kläger können einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht der Grundstückseigentümer z.Zt. des Schadensereignisses, also der Eheleute L. , nur entweder aus § 823 Abs. 1 BGB - Verletzung des Eigentumsrechts durch rechtswidrigen Eingriff - oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 38 Abs. 2 WasserG-DDR (GBl. DDR 1982, Teil I, S. 467) - schädigende Veränderung des natürlichen oberirdischen Abflusses von Wasser - oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 316 ff. ZGB-DDR (GBl. DDR 1975, Teil I, S. 465) - Verletzung der Pflicht zur gegenseitigen nachbarlichen Rücksichtnahme -, letztere jeweils i.V.m. Art.9 EV, ableiten. Die Vorschrift des § 906 Abs. 2 BGB ist zwar Schutznorm i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB, sie ist aber unmittelbar nicht einschlägig bei dem bloßen Zufluss von Niederschlagswasser (kein unwägbarer Stoff, vgl. Bassenge in: Palandt, Komm. z. BGB, 61. Aufl. 2002, § 906 Rn. 4). Ihr kommt neben den wasser- bzw. nachbarrechtlichen Vorschriften auch in entsprechender Anwendung keine eigenständige Bedeutung zu.

Nach allen vorgenannten Anspruchsgrundlagen kommt es darauf an, ob die Stadt A. entgegen einer gesetzlichen Verpflichtung, also rechtswidrig, den Zufluss von Niederschlagswasser auf das Grundstück der Eheleute L. verstärkt hat. Nach den vorgenannten Rechtsvorschriften war die Stadt A. nämlich nicht verpflichtet, die Nachbarn ihres Grundstücks generell vor wild abfließendem Wasser zu schützen. Ihr war und ist es auch nicht verwehrt, den oberirdischen Abfluss von Wasser außerhalb von Gewässern nur innerhalb des eigenen Grundstücks zu verändern. An dieser Gesetzeslage hat sich im Übrigen auch durch das - zeitlich nach dem hier streitgegenständlichen Schadensfall in Kraft getretene - Nachbarrechtsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 13.11.1997 nichts geändert (vgl. §§ 30, 33 NbG LSA; so auch für den nahezu gleichlautenden § 39 NbG Niedersachsen: OLG Celle OLGR 2000, 275-277). Eine rechtswidrige Verstärkung des Wasserzuflusses auf das Grundstück der Eheleute L. vom Nachbargrundstück, die dann kausal für den Einsturz des Seitenhauses geworden sein soll, ist bislang weder nachgewiesen noch überhaupt schlüssig vorgetragen.

3.3. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts haben die Kläger (jedenfalls bisher) nicht nachgewiesen, dass der Einsturz des Seitenhauses letztlich durch die fehlende Entwässerung des Garagendachs auf dem Nachbargrundstück verursacht worden ist.

Sowohl das schriftliche (vorgerichtliche) Gutachten des Sachverständigen K. vom 08.03.1995 als auch dessen Angaben in der gerichtlichen Vernehmung als sachverständiger Zeuge enthalten keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die vom Landgericht gezogene Schlussfolgerung. Für die Beantwortung der Frage, welche Auswirkungen die Errichtung einer Garage ohne Dachentwässerung auf dem Nachbargrundstück für den Zufluss von wild abfließendem Niederschlagswasser auf das Grundstück der Eheleute L. gehabt haben soll, ist zwingend ein Vergleich der Zufluss-Situation vor Errichtung der Garage mit derjenigen nach Errichtung der Garage erforderlich. Die tatsächlichen Anhaltspunkte für diesen Vergleich waren ein Jahr nach dem Einsturz des Seitengebäudes, nämlich während der erstmaligen Inaugenscheinnahme des Grundstücks durch den Zeugen K. am 01. und 08.03.1995 nicht durch einfache Wahrnehmung zu erlangen. Folgerichtig fehlen entsprechende Angaben auch in den zeugenschaftlichen Bekundungen des Sachverständigen K. .

Dem Landgericht hätte es zur weiteren Aufklärung zumindest oblegen, einen gerichtlich bestimmten Sachverständigen hinzuziehen, weil wohl nur der Sachverständigenbeweis zum Nachweis der Einsturzursache geeignet ist. Dies hat das Landgericht versäumt.

3.4. Gemessen an den o.g. Tatbestandsvoraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch ist ein solcher aber auch nicht schlüssig dargelegt.

Allein die - vom Beklagten unter Hinweis auf das Vorhandensein eines Prüfberichts der Staatlichen Bauaufsicht bestrittene - Behauptung der Kläger, dass die Garage auf dem Nachbargrundstück baurechtswidrig errichtet worden sein soll, genügt für die Darlegung eines rechtswidrigen und für den Gebäudeeinsturz kausalen Eingriffs in das Eigentumsrecht der Eheleute L. nicht. Maßgeblich ist zunächst, ob durch diese Maßnahme der Abfluss von Niederschlagswasser in Richtung des Grundstücks der Eheleute L. überhaupt verstärkt worden ist. Dies ist keineswegs vorgetragen. Denn das Traufwasser des Garagendachs ist auch nach dem Vortrag der Kläger, wonach das Traufwasser wegen der Neigung der Dachfläche gänzlich auf einen 40 bis 50 Zentimeter breiten Geländestreifen zwischen der Garage und der gemeinsamen Grundstücksgrenze geflossen sei, zumindest zunächst allein auf das Nachbargrundstück selbst abgelaufen. Auf das Grundstück der Eheleute L. soll dieses Traufwasser nach dem streitigen Vorbringen der Kläger nur dadurch gelangt sein, dass die Lehmziegel der Grenzmauer das Wasser "aufgesogen" haben.

Für das Vorhandensein oder gar eine Verstärkung eines Gefälles zwischen beiden Grundstücken mit der Folge eines durch die Stadt A. verstärkten Abflusses von Niederschlagswasser auf das Grundstück der Eheleute L. bestehen - auch unter Berücksichtigung der Beweisaufnahme vor dem Landgericht - keine Anhaltspunkte.

3.5. Selbst wenn eine rechtswidrige Einwirkung der Stadt A. nachweisbar wäre, wofür derzeit - wie ausgeführt - keine Anhaltspunkte bestehen, wären Schadenersatzansprüche der Kläger aus abgetretenem Recht der Eheleute L. ausgeschlossen gewesen. Denn im Rahmen einer Abgrenzung der vorhandenen Risikobereiche (bzw. im Rahmen der Prüfung eines evtl. Mitverschuldens i.S.v. § 254 BGB) ist der Einsturz des Seitenhauses letztlich ganz überwiegend und jegliche Mithaftung der Stadt A. verdrängend von den Eheleuten L. selbst zu vertreten. Mit dem Gebäudeeinsturz hat sich auf dem Grundstück der Eheleute L. letztlich ein selbst geschaffenes Risiko realisiert, nämlich das Risiko der Grenzbebauung. Dadurch, dass auf dem Grundstück der Eheleute L. in der Vergangenheit das Privileg einer Grenzbebauung durch Errichtung des Seitenhauses an der Grundstücksgrenze in Anspruch genommen worden war und sich diese Inanspruchnahme zumindest bis 1994 fortsetzte, hatten sich die jeweiligen Eigentümer dieses Grundstücks, zuletzt die Eheleute L. , zugleich den - rechtmäßigen - Einwirkungen des Nachbargrundstückes über das normale Maß hinaus ausgesetzt. Die Sicherung hiervor hat der Grenzbebauer selbst in dem Maße vorzunehmen, wie es dem daraus entstehenden Risiko entspricht. Es ist hier auch nicht dargelegt oder ersichtlich, dass zugunsten der Eheleute L. eine Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des Nachbargrundstücks bestand. Hieraus folgt, dass die Sicherung der Grenzbebauung ggfs. auch veränderten Anforderungen unterliegt. Jedenfalls aber können billigerweise Schäden, die aus diesem eigenständigen, selbst geschaffenen Gefahrenkreis resultieren und wie sie sich hier durch die Durchfeuchtung der Lehmziegelmauer des Seitenhauses verwirklicht haben, nicht dem Nachbarn aufgebürdet werden (vgl. OLG Nürnberg OLGR 2000, 105 m.w.N.).

4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nrn. 7 und 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO n.F.. Da die mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren nach dem 01.01.2002 erfolgte, richtet sich die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen diese Entscheidung nach der nunmehr geltenden Fassung der ZPO, was bereits bei Abfassung des Berufungsurteils zu berücksichtigen war.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n.F. war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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