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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 26.06.2008
Aktenzeichen: 1 U 9/08
Rechtsgebiete: BOÄ LSA, GOÄ, BGB


Vorschriften:

BOÄ LSA § 3 Abs. 2
GOÄ § 10
GOÄ § 6 Abs. 2
BGB § 138 Abs. 1
1. Ein Arzt, der sich zugleich als gewerblicher Händler für diejenigen Medizinprodukte betätigt, die notwendiger Bestandteil seiner ärztlichen Therapie sind und über deren Verwendung überhaupt sowie auch zahlenmäßig er im Rahmen seiner ärztlichen Berufsausübung entscheidet, verstößt gegen das berufsrechtliche Verbot des § 3 Abs. 2 BOÄ LSA.

Ein Behandlungsvertrag, welcher u.a. die Abgabe dieser Medizinprodukte (hier: Implantat-Akupunktur-Nadeln) an einen Patienten beinhaltet, ist nach § 134 BGB nichtig.

2. Ein Arzt verstößt auch dann gegen das berufsrechtliche Verbot der isolierten Abrechnung von Medizinprodukten zu höheren als seinen Selbstkostenpreisen nach § 10 GOÄ, wenn er die für seine Therapie notwendigen Medizinprodukte zu einem gegenüber ihrem Verkehrswert erheblich überhöhten Preis einkauft und selbst auf andere Weise, als durch einen Aufschlag auf seine Selbstkosten, wirtschaftlichen Vorteil aus diesem Bezugsweg zieht (hier: durch persönliche Teilhabe an den Gewinnen der Zwischenhändler).

3. Ein besonders grobes Missverhältnis i.S. von § 138 Abs. 1 BGB zwischen Preis und Leistung eines medizinischen Behandlungsvertrages liegt vor, wenn der Behandlungsvertrag in seinem wirtschaftlichen Schwerpunkt die Abgabe von Medizinprodukten umfasst und der Abgabepreis dieser Produkte um 375 % über deren Verkehrswert liegt.

4. Zur Analogbewertung nach § 6 Abs. 2 GOÄ für eine Implantat-Ohr-Akupunktur zur Verminderung des Arzneimittelbedarfs von Patienten mit Parkinson-Syndrom im Jahre 2006.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

1 U 9/08

Oberlandesgericht Naumburg

verkündet am: 26. Juni 2008

In dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Prof. Dr. Gruber auf die mündliche Verhandlung

vom 5. Juni 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 19. Dezember 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg, 9 O 1011/07, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt 20.000 EUR nicht.

und beschlossen:

Der Kostenwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.591,98 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil der Beklagte durch das angefochtene Urteil nicht materiell beschwert ist.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung des von ihm gezahlten Arzthonorars einschließlich ärztlicher Auslagen nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB. Die Zahlung auf die Rechnung Nr. 183/06 vom 2. August 2006 erfolgte ohne Rechtsgrund. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der medizinische Behandlungsvertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten über die ambulante Behandlung am 2. August 2006 in M. gegen gesetzliche Verbote i.S. von § 134 BGB verstößt; er ist darüber hinaus auch sittenwidrig i.S. von § 138 Abs. 1 BGB. Entgegen der Auffassung der Kammer beschränkt sich die Nichtigkeitsfolge nicht auf Teile der Honorarvereinbarung, sondern betrifft sie insgesamt. Darüber hinaus wäre der Beklagte selbst dann nicht materiell beschwert, wenn der Behandlungsvertrag wirksam gewesen wäre, denn bei ordnungsgemäßer, d.h. den Vorschriften der GOÄ entsprechender Abrechnung wäre das zu zahlende Honorar niedriger als derjenige Betrag, den sich der Kläger freiwillig als Arzthonorar und Aufwendungen des Beklagten hat anrechnen lassen.

1. Der medizinische Behandlungsvertrag zwischen den Parteien des Rechtsstreits verstößt gegen das berufsrechtliche Verbot der gewerblichen Tätigkeit im Zusammenhang mit der ärztlichen Berufsausübung in § 3 Abs. 2 Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt (BOÄ LSA).

1.1. In Rechtsprechung und Literatur ist ganz überwiegend anerkannt, dass berufsrechtliche Verbote, auch solche in öffentlich-rechtlichen Berufsordnungsvorschriften der Kammern, Verbotsgesetze i.S. von § 134 BGB sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Januar 1986, VIII ZR 10/85 - NJW 1986, 2360 zu § 18 der Berufsordnung der nordrheinischen Ärzte 1977; BGH, Urteil v. 20. März 2003, III ZR 135/02 - VersR 2003, 1446 m.w.N. zu § 31 der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe; Heinrichs in: Palandt, 67. Aufl. 2008, § 134 Rn. 2 Stichwort "berufsständische Satzungen" und Rn. 16 Stichwort "Ärzte"; a.A. Taupitz JZ 1994, 221). Dem schließt sich auch der erkennende Senat an.

1.2. Für den Beklagten galt im Jahre 2006 die Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, deren Mitglied er war.

Nach § 1 Abs. 1 der genannten Berufsordnung ist ein Arzt verpflichtet, mit seiner beruflichen Tätigkeit der Gesundheit des einzelnen Menschen und der gesamten Bevölkerung zu dienen; er übt kein Gewerbe aus. Mit der ärztlichen Berufsausübung sind daher gewerbliche Tätigkeiten unvereinbar, wie in § 3 BOÄ LSA ausdrücklich klar gestellt wird.

§ 3 Abs. 2 dieser Berufsordnung lautet:

"Dem Arzt ist untersagt,

im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter seiner Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind."

Dieses Verbot bezieht sich auf den Vertrieb von ärztlichen Hilfsmitteln und Medizinprodukten. Zwar wird - wie der Beklagte noch zutreffend angeführt hat - nicht von vornherein jegliche Abgabe von ärztlichen Hilfsmitteln an Patienten untersagt. Dies zeigt bereits die im Wortlaut der Vorschrift enthaltene Einschränkung am Ende (vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 28. Juni 1996, 2 U 146/95 - zitiert nach beck-online, zur Abgabe von Kontaktlinsen durch Augenärzte). Ebenso ist die Reichweite der in Art. 12 Abs. 1 GG verbürgten Berufsausübungsfreiheit zu berücksichtigen. Deren Beschränkung durch ein berufsrechtliches Verbot ist jedoch gerechtfertigt, soweit es im Kern nicht mehr um ärztliche Behandlung, sondern um Vertriebstätigkeiten aus anderen als individualtherapeutischen Interessen geht. Das konkrete Verbot des § 3 Abs. 2 BOÄ LSA zielt darauf, das Ansehen des ärztlichen Berufsstandes und das Vertrauensvolle im Arzt-Patienten-Verhältnis dadurch zu bewahren, dass jeder Arzt schon den bloßen Anschein eines Sich-leiten-lassens von anderen Interessen als ausschließlich von medizinischen Aspekten zu vermeiden hat. Es ist mithin auf eine strikte Trennung zwischen der Berufsausübung des Arztes und der Berufsausübung eines Apothekers oder Medizinproduktehändlers gerichtet (vgl. auch BGH, Urteile jeweils vom 2. Juni 2005, I ZR 215/02 - u.a. NJW 2005, 3422, zu § 3 Abs. 2 BOÄ LSA; und I ZR 317/02 - GesR 2005, 456, zu § 3 Abs. 2 BOÄ NR, jeweils m.w.N., jeweils zur Abgabe von Diabetes-Teststreifen).

1.3. Dieses berufsrechtliche Verbot hat der Beklagte mit der Behandlung des Klägers am 2. August 2006 objektiv verletzt. Er war in Personalunion sowohl als Arzt als auch als gewerblicher Medizinproduktehändler tätig und hob so die von der Berufsordnung gewollte Trennung beider Tätigkeitsbereiche auf.

Der Beklagte hat sich als alleiniger Gesellschafter seines unmittelbaren Medizinproduktelieferanten, der Institut für G. GmbH mit Sitz in M. , sowie als Aktionär der Vorlieferantin, der P. AG mit Sitz in Z. (Schweiz), gewerblich als Kaufmann betätigt. Beide Unternehmen wurden unstreitig mit Gewinnerzielungsabsicht geführt; die weitere Verwendung der Gewinne ist entgegen der Auffassung des Beklagten für die Einordnung der Unternehmenstätigkeit als gewerblich unerheblich.

Der Beklagte betätigte sich auch bei der Abgabe der über beide vorgenannte Unternehmen beschafften Titannadeln an seine Patienten, darunter den Kläger, gewerblich. Indem er wissentlich die Nadeln bei diesen Unternehmen zu einem gegenüber dem Verkehrswert der Nadeln deutlich überhöhten Preis einkaufte und an die Patienten weitergab, sicherte er einen Einnahmen-Ausgaben-Überschuss seiner eigenen vorgeschalteten Unternehmungen, von dem er selbst wirtschaftlich partizipierte. Es ist unstreitig, dass die P. AG die beim Kläger eingesetzten Titannadeln zu einem Stückpreis von höchstens 20 EUR bezog. Die Abgabe an den Kläger erfolgte zu einem Stückpreis von 95 EUR.

Der Beklagte kann sich gegen diese Bewertung nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Abgabe der Titannadeln unmittelbarer Bestandteil seines Therapiekonzepts war. Die personale Identität des Arztes, der über die Auswahl und die Anzahl der als Dauerimplantat einzusetzenden Nadeln maßgeblich entscheidet, und des wirtschaftlichen Nutznießers der Lieferungen dieser Nadeln an den Arzt ruft objektiv erhebliche, hier nicht widerlegbare Zweifel daran hervor, ob die angewandte Therapie allein medizinischen Aspekten folgt und sich nicht etwa auch an wirtschaftlichen Kriterien orientiert. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von den vom Beklagten im Rahmen einer Parallelbewertung angeführten Fällen der Finanzierung der Erforschung, Vermarktung und Verbreitung von Medizinprodukten der Industrie. Auch wenn die industriellen Verkaufspreise über deren Selbstkosten liegen, wird das Vertrauen des Patienten zu seinem Arzt, der ihm die Nutzung dieser Medizinprodukte empfiehlt, nicht beeinträchtigt, solange der Arzt hieraus wirtschaftlich keinen Vorteil zieht. Gerade dieses Vertrauen sollen die o.g. berufsrechtlichen Regelungen schützen.

2. Der Behandlungsvertrag vom 2. August 2006 verstößt zudem gegen das weitere berufsrechtliche Verbot der isolierten Abrechnung von Medizinprodukten zu höheren als den Selbstkostenpreisen des Arztes, welches in § 10 GOÄ geregelt ist.

2.1. Die Gebührenordnung für Ärzte ist auf das Behandlungsgeschehen anwendbar.

Sie findet stets dann Anwendung, wenn ein Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung ärztliche Leistungen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erbringt. Soweit § 1 Abs. 2 GOÄ die Geltung auf "medizinisch notwendige Leistungen" beschränkt, dient diese Formulierung der Abgrenzung zu den nicht medizinischen Leistungen, für die eine Preisregelung im Verordnungsrang nicht zu rechtfertigen ist. Der Eingriff des beklagten Facharztes für Neurologie beim Kläger war unzweifelhaft medizinischer Natur, weil er auf eine medizinisch begründete Aussicht auf einen Heilerfolg gestützt wurde. Hierfür ist es nicht maßgeblich, ob die angewandte Methode bereits wissentliche Anerkennung erlangt hat oder nicht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 12. Juni 1996, 20 U 220/95 - VersR 1997, 1342). Im Ergebnis herrscht auch Einvernehmen zwischen den Prozessparteien über die Anwendbarkeit der GOÄ.

2.2. Die Vorschrift des § 10 GOÄ beinhaltet das berufsrechtliche Verbot der isolierten Abrechnung von Medizinprodukten zu höheren als den Selbstkostenpreisen des Arztes bzw. Krankenhausträgers.

§ 10 GOÄ lautet auszugsweise:

"(1) Neben den für die einzelnen ärztlichen Leistungen vorgesehenen Gebühren können als Auslagen nur berechnet werden

1. die Kosten für diejenigen Arzneimittel, Verbandmittel und sonstigen Materialien, die der Patient zur weiteren Verwendung behält oder die mit der einmaligen Anwendung verbraucht sind, soweit in Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist ...

(2) Nicht berechnet werden können die Kosten für

1. Kleinmaterialien ...

5. folgende Einmalartikel: Einmalspritzen, -kanülen, -handschuhe, -blasen-katheter, -skalpelle, -proktoskope, -darmrohre, -spekula."

(Unterstreichung durch den Senat)

Dieses Verbot dient letztlich demselben Zweck, wie das vorgenannte berufsrechtliche Verbot der Ausübung gewerblicher Vertriebstätigkeit im Rahmen der ärztlichen Berufsausübung: Es soll das Vertrauensverhältnis des Patienten in den Arzt als objektiver Sachwalter allein seiner, des Patienten Gesundheitsinteressen schützen.

2.3. Der Beklagte verletzt mit der von ihm vorgegebenen Gestaltung des medizinischen Behandlungsvertrages sowie der Rahmenmodalitäten des Behandlungsverhältnisses dieses Verbot.

Allerdings hat der Beklagte sowohl im Vertrag als auch in der nachfolgenden Abrechnung der Behandlung formal lediglich seine eigenen Auslagen in Höhe von 95 EUR pro eingesetzte Titannadel berücksichtigt. Denn zu diesem Stückpreis hat er die Titannadeln von der G. GmbH bezogen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung hat er seine Auslagen als Arzt jedoch künstlich dadurch erhöht, dass er zuvor mit seinen gewerblichen Unternehmungen als Medizinproduktehändler zweimal in die Vertriebskette eingeschaltet war. Soll das berufsrechtliche Verbot seine Wirkung, wie gewollt, entfalten, dann kann die rechtliche Bewertung nicht davon abhängig sein, ob der Arzt aus der Abgabe von Medizinprodukten an seine Patienten geldwerte Vorteile zieht, indem er auf seinen Selbstkostenpreis einen Aufschlag kalkuliert und einzieht, was § 10 GOÄ unmittelbar untersagt, oder indem er zugleich als Zwischenhändler in Erscheinung tritt und dadurch einen Aufschlag erwirtschaftet. In beiden Fällen zieht der Arzt aus den eingesetzten Medizinprodukten einen zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteil neben dem Honorar, das er nach der GOÄ verlangen darf.

3. Die zwischen den Parteien des Rechtsstreits am 2. August 2006 getroffene Honorarvereinbarung ist zudem sittenwidrig i.S. von § 138 Abs. 1 BGB.

Ein medizinischer Behandlungsvertrag verstößt gegen die guten Sitten, wenn objektiv zwischen der angebotenen ärztlichen Leistung und der vereinbarten Vergütung ein grobes Missverhältnis vorliegt. Hier liegt jedenfalls im Hinblick auf den Stückpreis der eingesetzten Titannadeln ein solches grobes Missverhältnis vor. Denn die Nadeln, die pro Stück zu 95 EUR vergütet werden sollen, besitzen nur einen Marktwert von etwa 20 EUR. Dies ergibt sich nicht nur aus dem unstreitigen Einkaufspreis der P. AG, sondern auch aus den Preisen der Konkurrenzprodukte, z. Bsp. der Fa. L. lt. Auskunft vom 20. August 2006. Der Stückpreis ist damit um 375 % überhöht. Angesichts ihres relativ geringen absoluten Betrages sind die daneben vereinbarten und abgerechneten Gebühren für die ärztliche Tätigkeit nicht geeignet, das grobe Missverhältnis zu nivellieren. Dieses grobe Missverhältnis indiziert einen verwerflichen Charakter der Vereinbarung aus Sicht des Beklagten. Hinzu kommt, dass sich im Verhalten des Beklagten zugleich eine Ausnutzung des Vertrauens, der Marktunkenntnis, Leichtgläubigkeit und Hilflosigkeit des Klägers zur Verfolgung standeswidriger, kommerzieller Interessen widerspiegelt, die den verwerflichen Charakter des Rechtsgeschäfts verstärkt.

4. Entgegen der Auffassung der Kammer führen sowohl die Verstöße gegen berufsrechtliche Verbote als auch daneben die Sittenwidrigkeit nach §§ 134 bzw. 138 Abs. 1 i.V.m. 139 BGB grundsätzlich und so auch hier zur Nichtigkeit des gesamten Behandlungsvertrages.

Das Gesetz sieht eine Teilnichtigkeit als Rechtsfolge des Gesetzesverstoßes bzw. der Sittenwidrigkeit nur ausnahmsweise dann vor, wenn anzunehmen wäre, dass die Vereinbarung auch ohne den nichtigen Teil getroffen worden wäre. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die medizinische Behandlung auch für ein Drittel bis ein Viertel des hier vereinbarten Honorars vorgenommen hätte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Darlegungslast obliegt insoweit dem Beklagten, der sich konkludent auf eine Teilnichtigkeit berufen hat. Hierauf hat der Senat den Beklagten im Termin der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen, ohne dass hierauf weiterer Sachvortrag erfolgt ist.

5. Selbst wenn der medizinische Behandlungsvertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten vom 2. August 2006 wirksam gewesen wäre, überstiege die nach der Gebührenordnung für Ärzte erstattungsfähige Vergütung den vom Kläger dem Beklagten zugebilligten Betrag von 3.000,00 EUR nicht.

5.1. Als Vergütung stehen einem Arzt Gebühren und ggf. der Ersatz von Auslagen zu (§ 3 GOÄ). Dabei sind Gebühren die Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis (GV) genannten ärztlichen Leistungen (§ 4 Abs. 1 GOÄ). Für andere ärztliche Leistungen, die nicht in das Gebührenverzeichnis aufgenommen worden sind, bestimmt § 6 Abs. 2 GOÄ eine Berechnung analog zu denjenigen Leistungen des Gebührenverzeichnisses, die nach Art, Kostenaufwand und Zeitaufwand gleichwertig sind. Diese letztgenannte Vorschrift ist hier anzuwenden.

In dem im Jahre 2006 geltenden Gebührenverzeichnis sind als Akupunkturbehandlungen lediglich Schmerzbehandlungen, jeweils unabhängig von der Akupunkturmethode, aufgeführt, und zwar unter Ziffer 269 eine Kurzzeittherapie unter Stechen einiger weniger Reaktionspunkte und unter Ziffer 269a eine mindestens 20 Minuten andauernde Therapie mit zwischenzeitlichen Entspannungsphasen. Der Beklagte hat beim Kläger hingegen eine nicht auf kurzzeitige Schmerzlinderung abzielende, also palliative Therapie durchgeführt, sondern spezielle Akupunkturnadeln subkutan, d.h. unter der Haut, in beide Ohren implantiert, um eine zur Verminderung des Arzneimittelbedarfs und damit zur Leidensminderung führende, d.h. kurative Wirkung zu erreichen. Dies ist ihrem Charakter und ihrer Art nach eine andere ärztliche Leistung. Darüber hinaus unterscheidet sich ganz wesentlich der zeitliche Aufwand der Implantat-Ohr-Akupunktur gegenüber der klassischen Akupunktur. Insoweit ist nicht das konkrete Behandlungsgeschehen zugrunde zu legen, welches sich hier auf lediglich eine ambulante Sitzung ohne Vorgespräche und Nachkontrollen beschränkte. Vielmehr ist bei der Bestimmung eines analogen Bewertungsansatzes der allgemeine, nach dem Facharztstandard gebotene Behandlungsablauf einer Implantat-Ohr-Akupunktur zu berücksichtigen. Der Senat hat seiner Bewertung zugrunde gelegt, dass regelmäßig zunächst ein Termin zur Anamnese, körperlichen Untersuchung und Auswertung bisheriger Behandlungsunterlagen sowie zur eingehenden Aufklärung und Beratung des Patienten erforderlich ist. Erst in einer zweiten Sitzung findet die Implantation von Nadeln statt, wobei u.U. eine Höchstgrenze für die Erstimplantation zu beachten sein könnte. Regelmäßig sind weiter mindestens zwei ärztliche Nachkontrollen zu berücksichtigen, so dass insgesamt vier Behandlungstermine zu einer durchschnittlichen Implantat-Ohr-Akupunktur gehören.

5.2. Der Senat erachtet eine Abrechnung dieser ärztlichen Leistungen analog zu Ziffer 269a, dort allerdings von vornherein regelmäßig zum vorgesehenen Höchstsatz von 3,5-fachen Punkten, für geboten.

Nach dem o.a. zeitlichen Aufwand scheidet eine Analogbewertung zur Ziffer 269 ohne Weiteres aus. Diese Behandlung ist nicht gleich-, sondern geringerwertig i.S. von § 6 Abs. 2 GOÄ.

Der Senat erachtet im Ergebnis auch eine Analogbewertung zu Ziffer 2421 nicht für gerechtfertigt. Diese Gebühr ist als Vergütung der Implantation eines unter der Haut liegenden, wieder auffüllbaren Arzneimittelreservoirs vorgesehen. Eine solche Implantation ist schon hinsichtlich der Art des Eingriffs höherwertiger i.S. von § 6 Abs. 2 GOÄ, denn sie erfordert einen chirurgischen Eingriff durch Eröffnung eines Zugangs zu derjenigen Körperregion, in die das Reservoir eingesetzt werden soll, sodann die Implantation und ggf. Befestigung des Reservoirs sowie abschließend einen chirurgischen Wundverschluss. Da das Implantat zur regelmäßigen Wiederbefüllung zugänglich bleiben muss, ist von einer erhöhten Infektionsgefahr und mithin einem erhöhten Risiko von Wundheilungsstörungen auszugehen, was auch bei der Bemessung der ärztlichen Gebühren zu berücksichtigen ist. Dem gegenüber werden bei der Implantat-Ohr-Akupunktur die kleinen, speziellen Nadeln durch einen Einstich ins Ohr unter die Haut versenkt; es ist lediglich eine vorherige Desinfektion erforderlich. Eine Arretierung der Nadeln ist nicht erforderlich; die Einstichstelle verheilt regelmäßig ohne weiteres ärztliches Zutun.

Für eine Analogbewertung zu Ziffer 269a spricht zunächst, ohne schon entscheidend zu sein, dass nach der Vorstellung des Normgebers bei Einführung der Ziffern 269 und 269a im Jahre 1996 beabsichtigt war, hiermit alle komplementär-medizinischen Leistungen im Bereich der Akupunktur zu erfassen. Die Abrechnung sollte unabhängig von der angewandten Akupunkturmethode sowie der Anzahl der Nadeln und der betroffenen Körperregionen sein. Letzteres hatte der Senat zwar bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin der mündlichen Verhandlung noch tendenziell abweichend bewertet, ohne sich schon festgelegt zu haben. Dieser Aspekt allein ist jedoch ohne Einfluss auf das Ergebnis des Rechtsstreits, weshalb insoweit ein nochmaliger gerichtlicher Hinweis entbehrlich war.

Jedenfalls sind weite Teile der ärztlichen Durchführung der Behandlung einander gleichwertig; dies betrifft insbesondere die Erforschung der konkreten Beschwerden und ihrer möglichen Ursachen sowie der anatomischen Besonderheiten des Patienten zum Aufspüren der Erfolg versprechenden Reaktionspunkte sowie das Setzen der Nadeln. Auch in der Nachsorge treten keine qualitativen Unterschiede auf. Die Dokumentation ist u.U. arbeitsaufwändiger, insbesondere wegen der angestrebten dauerhaften Wirkung der Behandlung. Insgesamt ist jedenfalls der erforderliche Zeitaufwand nicht gleichwertig. Dies kann jedoch bei Unzulänglichkeit der vorgesehenen Steigerungssätze durch eine Honorarvereinbarung nach § 2 Abs. 1 GOÄ korrigiert werden. Im vorliegenden Falle ist eine solche Honorarvereinbarung nicht wirksam getroffen worden, weil ein erhöhter Steigerungssatz entgegen den Anforderungen der GOÄ nicht ausdrücklich ausgewiesen ist.

Bei der Gebührenberechnung für den Beklagten ist der sog. Ostabschlag von 10 % im Jahre 2006 nach der 5. Gebührenanpassungsverordnung zu berücksichtigen.

5.3. Neben den vorgenannten Gebühren ist die isolierte Abrechnung der Selbstkosten der Implantatnadeln zulässig.

Nach § 4 Abs. 3 GOÄ sind allerdings mit den Gebühren auch die Kosten u.a. für die Anwendung von Instrumenten und Apparaten abgegolten, soweit § 10 GOÄ nichts Anderes bestimmt. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 GOÄ kommt jedoch eine isolierte Abrechnung von Auslagen grundsätzlich für diejenigen Medizinprodukte in Betracht, die beim Patienten verbleiben. Die in Abs. 2 der Vorschrift genannten Ausnahmen sind hier nicht einschlägig. Die Einmalartikel des § 10 Abs. 2 Nr. 5 GOÄ beziehen sich nur auf die zweite Alternative des § 10 Abs. 1 Nr. 1 GOÄ, d.h. auf die dort genannten Verbrauchsmaterialien. Die Im-plantatnadeln stellen auch keine "Kleinmaterialien" i.S. von § 10 Abs. 2 Nr. 1 GOÄ dar. Der Senat legt diesen Begriff dahin aus, dass es auf die Relation zwischen den konkreten Materialkosten und der Gebühr für die ärztliche Tätigkeit ankommt. Kommt, wie hier, bei einer höheren Anzahl verwendeter Implantatnadeln in Betracht, dass deren Kosten im Falle der unzulässigen isolierten Abrechnung einen erheblichen Anteil der ärztlichen Gebühr ausmachten bzw. diese sogar überstiegen, so muss eine isolierte Abrechnung zulässig sein, um noch eine angemessene Vergütung der ärztlichen Leistung zu gewährleisten. Eine andere Auslegung steht nicht im Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG.

5.4. Als Kosten der Implantatnadeln sind die Selbstkosten des Arztes, seine tatsächlichen Auslagen anzusetzen. Im vorliegenden Falle ist auf die Auslagen desjenigen Unternehmens des Beklagten abzustellen, welches die Erstbeschaffung vornimmt. Diese Kosten betragen 20,00 EUR pro Stück.

5.5. Unter Berücksichtigung des Vorausgeführten ergibt sich folgende Berechnung der fiktiven Vergütung des Beklagten im Falle eines wirksamen Behandlungsvertrages:

 Gebühren nach § 6 Abs. 2 GOÄ:A 269a 
Steigerungssatz: lt. GV3,5-fach= 71,40 EUR
 abzüglich 10 %- 7,14 EUR
Gebühren gesamt: 64,26 EUR
Auslagen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GOÄ:  
100 Implantatnadeln á 20,00 EUR 2.000,00 EUR
insgesamt: 2.064,26 EUR.

Dieser Betrag unterschreitet den vom Kläger bereits gezahlten und nicht mehr zurückgeforderten Betrag.

III.

1. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.



Ende der Entscheidung

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