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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 01.02.2008
Aktenzeichen: 1 U 99/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
1. Die Ausschreibung von Leistungspositionen als Grund- und Alternativpositionen ist unzulässig, wenn bei ordnungsgemäßer Vorbereitung der Ausschreibung eine Festlegung auf eine der beiden Alternativen möglich und zumutbar gewesen wäre. 2. Wird für die Vergabestelle vor Ablauf der Angebotsfrist erkennbar, welche der ausgeschriebenen Leistungsalternativen benötigt und demzufolge beauftragt werden wird, so ist sie verpflichtet, alle Bieter unverzüglich hierüber zu informieren, damit diese ihr Angebot hierauf einrichten können.

3. Ergibt sich aus den Verdingungsunterlagen eindeutig, dass - je nach tatsächlichem Bedarf - entweder nur die Grund- oder nur die Alternativpositionen beauftragt werden und dass die Entscheidung über den tatsächlichen Bedarf vor der Zuschlagserteilung erfolgen soll, dann stellt es keine - vergaberechtswidrige - Abweichung von den bekannt gemachten Zuschlagskriterien dar, wenn bei der preislichen Bewertung der Angebote lediglich die Einzelpreise der Alternativ-, nicht diejenigen der Grundpositionen berücksichtigt werden. Dies gilt jedenfalls für Bauaufträge unterhalb des Schwellenwertes.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

1 U 99/07 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm

am 1. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. Oktober 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen, § 522 Abs. 2 ZPO.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Der Streitwert für die Gebührenberechnung im Berufungsverfahren wird auf 13.253,66 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Klägerin begehrt vom beklagten Land Schadenersatz wegen einer angeblichen Verletzung ihrer Rechte in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags.

Das Land hatte im Jahre 2005 einen Bauauftrag zum nicht konstruktiven Abbruch von Gebäudeteilen einer Landesschule in H. öffentlich ausgeschrieben. Dabei waren mehrere Leistungspositionen alternativ als Abriss von Ziegelmauerwerk oder Stahlbetonwänden ausgeschrieben. Nach Versendung der Verdingungsunterlagen wurde festgestellt, dass die alternativ ausgeschriebenen Wände aus Stahlbeton bestanden. Die Klägerin reichte unter Berücksichtigung der Grundpositionen zum Abriss von Ziegelmauerwerk das preisgünstigste Angebot ein, unter Berücksichtigung der Alternativpositionen Stahlbetonwände war sie preislich die Drittplatzierte. Der Zuschlag wurde auf das preisgünstigste Angebot unter Berücksichtigung der Alternativpositionen erteilt. Die Klägerin macht nunmehr entgangenen Gewinn geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen auf die tatsächliche Feststellung gestützt, dass für die Klägerin bei Angebotsabgabe erkennbar gewesen sei, dass eine Prüfung der Materialbeschaffenheit der abzureißenden Wände vor der Zuschlagserteilung erfolgen und eine Beauftragung je nach diesen Erkenntnissen für eine der beiden Vertragsalternativen erfolgen werde. Mit anderen Worten: Die tatsächliche Vorgehensweise der Vergabestelle habe der angekündigten Vorgehensweise entsprochen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die frist- und formgerecht eingelegt und begründet wurde. Die Klägerin bestreitet nunmehr, dass das letztlich beauftragte Unternehmen der Bestbieter gewesen sei. Sie ist der Ansicht, dass die Vergabestelle andere als die zuvor bekannt gemachten Zuschlagskriterien für die Wertung verwendet habe, und meint weiter, dass Alternativpositionen bei der preislichen Bewertung nicht hätten berücksichtigt werden dürfen.

Der Senat hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 3. Januar 2008 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Hinweises wird auf die vorgenannte Verfügung (GA Bl. 115 ff) verwiesen. Der Senat hat der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Hiervon hat diese mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25. Januar 2008 fristgerecht Gebrauch gemacht.

Der Senat hat unter Berücksichtigung der Stellungnahme die Sache erneut beraten und ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern.

Die Ausführungen der Klägerin in der Stellungnahme vertiefen zwar die bisher bereits vertretenen Argumente, sind im Endergebnis jedoch gleichwohl nicht geeignet, eine andere Beurteilung als in dem Hinweis des Senats vom 3. Januar 2008 herbeizuführen.

Wie der Senat bereits ausgeführt hat, hat die Vergabestelle des beklagten Landes in den drei von der Klägerin angeführten Leistungspositionen vergaberechtswidrig jeweils Alternativpositionen aufgeführt, für die es ihr an einem sachlichen Grund fehlte. Denn die aus der alternativen Ausschreibung entstehende Unklarheit des Leistungs-Solls wäre bei ordnungsgemäßer Vorbereitung der Ausschreibung vermeidbar gewesen. Die Aufklärung der Frage, ob die abzureißenden Bestandsmauern aus Ziegelmauerwerk oder Stahlbeton bestehen, war ohne Weiteres vor Fertigstellung der Verdingungsunterlagen möglich und der Vergabestelle auch zumutbar. Im Übrigen hätte selbst beim hier gegebenen Geschehensablauf noch die Möglichkeit bestanden, den Bietern rechtzeitig vor Ablauf der Angebotsfrist mitzuteilen, dass jeweils die Alternativpositionen Stahlbetonwand gewertet und beauftragt werden sollen.

Es bleibt aber auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Klägerin vom 25. Januar 2008 dabei, dass diese Vergaberechtsverletzung nicht zugleich zu einer Verletzung subjektiver Rechte der Klägerin geführt hat. Denn die Klägerin hat erkannt, dass sie die Alternativpositionen jeweils mit anbieten muss, sie hat für diese auch Preisangaben eingesetzt und es war für sie, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, schließlich erkennbar, dass die Wertung und Beauftragung der Alternativpositionen in Betracht kommt, je nach der Beschaffenheit der Bestandsmauern. Sie hat nicht schützenswert darauf vertrauen dürfen, dass ohnehin nur die Grundpositionen gewertet und beauftragt werden.

Soweit die Klägerin eine Abweichung der tatsächlich verwendeten Zuschlagskriterien von den zuvor bekannt gemachten Zuschlagskriterien rügt, hat sie eine solche Abweichung schon nicht vorgetragen. Sie hat nämlich nach wie vor nicht vorgetragen, welche Zuschlagskriterien überhaupt vorab bekannt gemacht worden sind. Zwar liegt inzwischen die Vergabebekanntmachung vor; hierin sind jedoch keine Zuschlagskriterien aufgeführt. Die Zuschlagskriterien können sich jedoch auch aus den Verdingungsunterlagen ergeben, wobei bei sog. nur nationalen Ausschreibungen, wie hier, keine strengen formalen Vorgaben für diese Bekanntmachung existieren (wie in § 10a lit. a VOB/A für EU-weite Ausschreibungen). Der Senat kann aus dem vorgelegten Leistungsverzeichnis und aus dem Vortrag der Klägerin jedoch entnehmen, dass jedenfalls der Preis ein Zuschlagskriterium gewesen ist, das sowohl angekündigt als auch verwendet worden ist. Es stellt entgegen der Auffassung der Klägerin hier keine Veränderung dieses Zuschlagskriteriums dar, wenn in drei Leistungspositionen jeweils statt der Preise der Grund- diejenigen der Alternativposition gewertet wurden. Es bleibt eine rein preisliche Bewertung. Der Umstand der alternativen Einbeziehung entweder der Preise der Grundpositionen oder der Preise der Alternativpositionen war für die Bieter transparent. Es war auch ersichtlich, wovon die Auswahl abhängt; dieses Kriterium - die Beschaffenheit der Bestandsmauern - eröffnete der Vergabestelle auch nicht etwa einen Spielraum für willkürliche oder manipulative Eingriffe in das Vergabeverfahren.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es auf die Frage der Einbeziehung von Bedarfspositionen in die Wertung für die Auslegung der Verdingungsunterlagen hinsichtlich der Berücksichtigung der Alternativpositionen nicht an. Die Vergabestelle hat zwischen beiden Begriffen ausdrücklich und in zutreffender Weise unterschieden, weshalb aus der Behandlung der Bedarfspositionen in der Wertung keine Rückschlüsse auf die Bewertung der Alternativpositionen gezogen werden können.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die Festsetzung des Gebührenstreitwertes beruht auf §§ 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

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