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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 02.07.2009
Aktenzeichen: 1 Verg 2/09
Rechtsgebiete: VOL/A


Vorschriften:

VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d)
VOL/A § 21 Nr. 1 Abs. 4
1. Die Obliegenheit zur Rüge eines vermeintlich vergaberechtswidrigen Ausschlusses des eigenen Angebotes wegen fehlender Eignungsnachweise wird durch ein bloßes Aufklärungsersuchen der Vergabestelle, welches auf einen beabsichtigten künftigen Ausschluss schließen lässt, noch nicht begründet.

2. Der Ausschluss eines Angebotes wegen Unvollständigkeit der Eignungsnachweise setzt voraus, dass diejenigen Unterlagen, deren Vorlage vom Auftraggeber für die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers oder Bieters verlangt wird, bereits in der Vergabebekanntmachung benannt worden sind.

3. Eine nach §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A zwingend zum Ausschluss des Angebotes als Hauptangebot führende Änderung an den Verdingungsunterlagen liegt vor, wenn ein Angebot inhaltlich von verbindlichen Vorgaben der Vergabestelle in den Verdingungsunterlagen abweicht.

Geben die Verdingungsunterlagen konkrete Vertragsbedingungen für die Leistungserbringung zwingend und ausnahmslos vor, so stellt die beabsichtigte teilweise Inanspruchnahme von Leistungen der Deutschen Post AG nach deren allgemeinen Postbeförderungsbedingungen eine inhaltliche Abweichung hierzu dar.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG

Beschluss

1 Verg 2/09

verkündet am: 2. Juli 2009

VK 2 LVwA 2/09 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt LSA

In dem Vergabenachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren)

betreffend die u.a. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 4. September 2008 (S171-228689) ausgeschriebene Vergabe des Dienstleistungsauftrages "Abholung, Beförderung und Zustellung von Briefsendungen für die Justizbehörden des Landes Sachsen-Anhalt",

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und Wiedemann auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2009 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. März 2009, VK 2 LVwA - 02/09, wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu tragen.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 200.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Zentrale Beschaffungsstelle der Justizbehörden des Landes Sachsen-Anhalt, eine nicht rechtsfähige Einrichtung des Landes Sachsen-Anhalt bei der Antragsgegnerin, schrieb Anfang September 2008 den oben genannten Auftrag über Briefpostdienstleistungen als Rahmenvereinbarung mit einer Laufzeit von drei Jahren mit zwei jeweils einjährigen Verlängerungsoptionen EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) - Ausgabe 2006 - zur Vergabe aus. Die Antragsgegnerin schätzte den Wert des Auftrages, der für das Land als Rechtsträgerin mehrerer, im Einzelnen aufgeführter Justizbehörden erteilt werden soll, auf einen Umfang von ca. sechs Millionen Euro netto.

In der Bekanntmachung der Ausschreibung sind zu den Teilnahmebedingungen, insbesondere zu den geforderten Nachweisen und Unterlagen sowie Erklärungen, keine konkreten Angaben gemacht worden. Unter Ziffer III.2.1) heißt es lediglich, dass sich die Bedingungen "... aus Ziffer I. der Leistungsbeschreibung ..." ergeben. Als Mindesteignungsanforderung ist angeführt, dass die Leistungserbringung Lizenznehmern für Postdienstleistungen (Lizenz D) vorbehalten sei.

Aus den Verdingungsunterlagen ergibt sich, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot nach den Kriterien Preis zu 55 % (ohne die abgefragten Preise zu zwei Unterkriterien), Serviceleistungen zu 40 % (u.a. mit drei Ausschluss-Unterkriterien) und Sendungsverfolgung zu 5 % erteilt werden soll.

In Abschnitt I der Leistungsbeschreibung ist aufgeführt, dass mit der Abgabe des Angebots u.a. eine Kopie der aktuellen eigenen Lizenz des Bieters von der Bundesnetzagentur sowie - im Falle einer beabsichtigten Weitergabe von Teilleistungen "an Dritte (Subunternehmer / Subsubunternehmer)" - auch deren Lizenzen in Kopie vollständig vorzulegen seien (Ziffer 4. lit. b)).

Nach dem Inhalt der Leistungsbeschreibung soll sich die Auftragnehmerin verpflichten, die im Einzelnen aufgeführten Leistungsarten (Abholung, Beförderung, Zustellung von Briefsendungen, optional: Leerung von Postfächern und Beförderung der Postfachsendungen) unabhängig von der anfallenden Menge zu den einheitlich vereinbarten Bedingungen zu leisten.

Zu den Verdingungsunterlagen gehört ein Entwurf des Dienstleistungsvertrages, der die Konditionen der Leistungserbringung durch die Auftragnehmerin näher definiert. Zunächst heißt es in dessen § 1 Satz 3 erneut, dass die Auftragnehmerin sich verpflichtet, "... die vertraglich vereinbarte Leistung zu den Konditionen dieses Vertrages zu erbringen ... ." Es folgen nähere Bestimmungen u.a. zur Abholung der Briefsendungen (§ 2), zu Brieflauf- und Zustellzeiten bzw. zu Pflichten bei Unzustellbarkeit bzw. fehlerhafter Zustellung (§ 3) sowie zur Sendungsverfolgung und Nachforschung über den Verbleib verschollener Briefsendungen (§ 8). In § 6 dieses Entwurfes ist unter dem Titel "Zuverlässigkeit" bestimmt, dass sich die Auftragnehmerin verpflichtet, mit der Durchführung der Briefbeförderung nur zuverlässiges Personal zu beauftragen und zu gewährleisten, dass alle von ihr mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten beauftragten Personen die gesetzlichen Bestimmungen über das Briefbeförderungswesen und den Datenschutz beachten. Sodann heißt es:

"Soweit die Auftragnehmerin beabsichtigt, Leistungen an Dritte weiter zu geben, verpflichtet sie sich(,) nur lizenzierte Subunternehmer für die Erbringung dieser Leistungen einzusetzen. Gleiches gilt auch für die Weitergabe der Leistung an sog. Subsubunternehmer."

Der vorerwähnte § 8 enthält ebenfalls eine Bestimmung für den Fall des Einsatzes Dritter, die, wie folgt, lautet:

"Soweit die Auftragnehmerin andere lizenzierte Dienstleister (Unterauftragnehmer) oder Erfüllungs- / Verrichtungsgehilfen mit der Beförderung und Zustellung beauftragt, wird hiermit klargestellt, dass die Verpflichtungen aus den vorstehenden Absätzen des § 8 dieses Vertrages dennoch die Auftragnehmerin treffen. Sie ist alleiniger Ansprechpartner für die Versandstellen."

Innerhalb der Angebotsfrist gingen insgesamt sieben Angebote ein.

Die Vergabestelle schloss am 23. Oktober 2008 drei Angebote aus wegen fehlender Bewerbererklärungen für Subunternehmer bzw. wegen fehlender Kopien der Lizenzen von Subunternehmern, die jeweils in den Angebotsunterlagen angegeben worden waren.

An drei weitere Bieter, darunter die Antragstellerin, richtete sie unter dem 4. November 2008 zur Angebotsaufklärung die Anfrage, ob die Postdienstleistungen in all denjenigen Postzustellungsbezirken, für die keine Subunternehmer angegeben worden seien, als Eigenleistung ausgeführt werden sollen. Die Antragstellerin antwortete am 5. November 2008, dass in allen PLZ-Regionen, die sie nicht ausdrücklich entweder als eigene Zustellbezirke oder als Zustellbezirke ihrer Subunternehmer aufgeführt habe, eine Versendung über die Deutsche Post AG beabsichtigt sei, sie diese jedoch nicht als Subunternehmerin ansähe, sondern als einen Servicepartner, der durch gesetzliche Bestimmung zur Erbringung der Dienstleistungen, allerdings jeweils im direkten Vertragsverhältnis mit dem Absender verpflichtet sei. Die beiden anderen angefragten Bieter beantworteten die Anfrage sinngemäß damit übereinstimmend. Die Vergabestelle schloss am 10. November 2008 die Angebote dieser drei Bieter ebenfalls aus. Den Ausschluss begründete sie mit der Unvollständigkeit der Nachunternehmererklärung und mit dem Fehlen jeweils der Bewerbererklärung und der Kopie der Postlizenz der Deutschen Post AG. Sie meinte, dass eine Unterscheidung zwischen Nachunternehmer und "Servicepartner" nicht möglich und die Deutsche Post AG im Verhältnis zu diesen Bietern als Nachunternehmerin zu bewerten sei. Die Vergabestelle beabsichtigt eine Auftragserteilung an die Beigeladene.

Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 10. November 2008 vorab über die beabsichtigte Zuschlagerteilung an die o.g. Mitbewerberin und darüber informiert, dass ihr Angebot ausgeschlossen worden sei, weil die Bewerbererklärung und die Postlizenz für eine Subunternehmerin fehle. Mit Fax-Schreiben vom 12. November 2008 bat die Antragstellerin um Benennung des hiervon betroffenen Subunternehmers. Sie erklärte, sofern es sich bei dem Unternehmen um die Deutsche Post AG handeln solle, sie diese nicht als Subunternehmerin ansehe. Im Übrigen müsse bei einer bundesweiten Briefzustellung ein privater Briefzustelldienst für bestimmte Gebiete immer auf die Dienstleistung der Deutschen Post AG zurückgreifen. Diese werde allerdings nie eine Bewerbererklärung als Subunternehmer eines Mitbewerbers unterzeichnen. Vorsorglich rüge sie im Hinblick hierauf den Ausschluss ihres Angebotes. Die Vergabestelle half dieser Rüge nicht ab.

Mit weiterem Schriftsatz vom 3. Februar 2009 rügte die Antragstellerin die Absicht der Zuschlagserteilung an die Beigeladene als vergaberechtswidrig im Hinblick darauf, dass auch die Beigeladene einen Subunternehmer nicht angegeben und für diesen die geforderten Unterlagen nicht vorgelegt habe, obwohl sie dessen Einsatz beabsichtige. Zu einer Reaktion hierauf sah sich die Vergabestelle innerhalb der kurzen Stellungnahmefrist, die ihr die Antragstellerin gesetzt hatte, nicht im Stande.

Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2009 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit dem Ziel beantragt, dass die Vergabestelle verpflichtet werden möge, die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung ihres eigenen Angebotes zu wiederholen. Der Nachprüfungsantrag wurde der Vergabestelle am selben Tage zugestellt.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss vom 10. März 2009 als unbegründet zurückgewiesen. Sie stützt ihre Entscheidung darauf, dass das Angebot der Antragstellerin jedenfalls keine Aussicht auf Zuschlagserteilung habe, weil die Antragstellerin im Hinblick auf den beabsichtigten Einsatz der Deutsche Post AG für umfangreiche Teilleistungen des Auftrages als Servicepartnerin eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen vorgenommen habe.

Gegen diese ihr am 12. März 2009 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Schriftsatz vom 26. März 2009 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin.

Die Antragstellerin ist u.a. der Meinung, dass eine inhaltliche Abweichung vom Vertragsentwurf der Vergabestelle und dem Inhalt der Leistungsbeschreibung nicht vorliege. Gegenüber der Antragsgegnerin trete sie auch nach dem Inhalt ihres Angebotes als alleinige Auftragnehmerin auf und habe für alle übernommenen vertraglichen Verpflichtungen einzustehen. Die Auftraggeberin träfen keine zusätzlichen oder andersartigen Risiken.

Ebenso sei der Ausschluss ihres Angebotes wegen Unvollständigkeit der Eignungsnachweise nicht gerechtfertigt. Die Deutsche Post AG sei schon nicht Nachunternehmerin, weil sie die Eingehung einer vertraglichen Leistungsbeziehung zur Antragstellerin gerade ablehne und nach ihren eigenen AGB BRIEF NATIONAL der Postbeförderungsvertrag nicht mit dem Einlieferer, sondern stets mit dem Absender des Briefes zustande komme. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 26. März 2009 und den Inhalt des Schriftsatzes vom 25. Mai 2009 Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 12. März 2009, VK 2 LVwA 02/09, aufzuheben und der Antragsgegnerin aufzugeben, die Wertung unter Berücksichtigung des Angebots der Antragstellerin und unter Beachtung der Rechtsauffassungen des Senats zu wiederholen;

hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Ausschreibung aufzuheben und bei Fortbestehen der Vergabeabsicht die Leistung erneut und unter Beachtung der Rechtsauffassungen des Senats auszuschreiben.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen übereinstimmend,

die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Beide verteidigen im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung.

Die Antragsgegnerin vertieft u.a. die Ansicht, dass das Angebot der Antragstellerin alternativ entweder wegen Unvollständigkeit im Hinblick auf eine Nachunternehmerstellung der Deutsche Post AG oder wegen Änderung der Verdingungsunterlagen auszuschließen sei und beruft sich nunmehr hilfsweise auch auf den letztgenannten Ausschlussgrund. Die Deutsche Post AG sei bei gebotener funktionaler Betrachtung als Nachunternehmer der Antragstellerin anzusehen. Insoweit verweist sie auch auf die Argumentation im Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 13. Dezember 2007, 13 Verg 10/07, und regt im Falle einer abweichenden Rechtsansicht des erkennenden Senats eine Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof an. Die Antragsgegnerin meint, dass die Verdingungsunterlagen eine Leistungserbringung einer Auftragnehmerin durch Einlieferung der Briefsendungen bei der Deutschen Post AG nicht vorsähen. Das Leitbild der Verdingungsunterlagen sei vielmehr die Eigenleistung bzw. die Erbringung der Leistungen durch (u.U. auch mehrstufige) Subunternehmer. Betrachtete man die Postbeförderung durch Inanspruchnahme der Deutschen Post AG ohne einen besonderen Nachunternehmervertrag als zulässig, so käme es zum Abschluss von Postbeförderungsverträgen auf der Grundlage der AGB BRIEF NATIONAL und damit teilweise zu einer Leistungserbringung unter geänderten Vertragsbedingungen gegenüber den Vorgaben der Antragsgegnerin in den Verdingungsunterlagen. Die Antragsgegnerin hat im Einzelnen aufgeführt, worin sie Abweichungen dieser AGB zum Leistungsverzeichnis sieht. Der Bewertung des Leistungserbringungsmodells der Antragstellerin als unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen stehe nicht entgegen, dass hierdurch der Wettbewerbsvorteil der Deutsche Post AG in Gestalt eines bundesweiten Beförderungs- und Zustellsystems zur Geltung komme. Es bestehe keine vergaberechtliche Verpflichtung, im Rahmen der Erstellung der Verdingungsunterlagen auf bestehende tatsächliche Wettbewerbsnachteile einiger Bieter Rücksicht zu nehmen.

Die Beigeladene wiederholt und vertieft ihren Sachvortrag, aus dem sich eine frühere Kenntnis der Antragstellerin vom beabsichtigten Einsatz des vermeintlichen Subunternehmers der Beigeladenen ergeben soll. Sie meint daher, dass die Rüge der Antragstellerin bezüglich der formellen Unvollständigkeit ihres Angebots nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert sei. Ebenso sei die Rüge der Antragstellerin hinsichtlich einer vermeintlich vergaberechtswidrigen Bewertung der Deutsche Post AG als Subunternehmerin nicht unverzüglich erhoben worden. Eine entsprechende Kenntnis habe bereits am 4. November 2008 bestanden.

Hilfsweise sei der Nachprüfungsantrag unbegründet, weil in der von der Antragstellerin teilweise angebotenen Leistungserbringung durch bloße Vermittlung eines Postbeförderungsvertrages ein aliud gegenüber der verlangten Eigenleistung bzw. Leistung durch Beauftragung eines Subunternehmers zu sehen sei. Dem Vermittler fehle regelmäßig die erforderliche Möglichkeit zur eigenen Kontrolle und Steuerung der Einzelvorgänge. Zudem bestehe für die Antragsgegnerin das Risiko einer doppelten Bezahlung der Postdienstleistungen.

Ein Ausschluss ihres eigenen Angebotes komme nicht in Betracht. Selbst wenn die Nachunternehmererklärung der Beigeladenen unvollständig gewesen sei, wäre ein Ausschluss ihres Angebotes unverhältnismäßig i.S. der Rechtsprechung des OLG Celle (Beschluss vom 2. Oktober 2008, 13 Verg 4/08) bzw. des OLG München (Beschluss vom 22. Januar 2009, Verg 26/08).

Schließlich verweist die Beigeladene darauf, dass die Antragstellerin mit einer weiteren Bieterin eine wettbewerbsbeschränkende Abrede getroffen habe.

Wegen der Einzelheiten wird insbesondere auf den Inhalt des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 24. April 2009 sowie auf den Inhalt der Schriftsätze der Beigeladenen vom 2. und 14. April 2009 Bezug genommen.

Der Senat hat am 8. Juni 2009 einen Termin der mündlichen Verhandlung durchgeführt; wegen des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom selben Tage Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Vergabekammer ist zu Recht von der Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages der Antragstellerin ausgegangen. Das Wertungsergebnis der Antragsgegnerin ist letztlich nicht zu beanstanden. Das Angebot der Antragstellerin weicht inhaltlich von den Vorgaben der Verdingungsunterlagen ab, so dass es selbst nicht zuschlagsfähig ist.

Auf das Nachprüfungsverfahren ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in seiner bis zum 23. April 2009 geltenden Fassung weiter anzuwenden, weil das geprüfte Vergabeverfahren vor dem 24. April 2009 begonnen hat (§ 131 Abs. 8 GWB n.F.).

1. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist zulässig. Es wurde frist- und formgerecht (§ 117 Abs. 1 bis 3 GWB) beim zuständigen Gericht (§ 116 Abs. 3 S. 1 GWB) eingelegt. Die auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfenden allgemeinen Voraussetzungen für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens (§§ 98 bis 100, 102, 107 Abs. 1, 108 GWB) liegen vor und stehen hier nicht im Streit.

2. Allerdings ist der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zulässig.

Die Antragstellerin ist antragsbefugt i.S. von § 107 Abs. 2 GWB. Sie hat durch ihr Angebot sowie durch die nachfolgenden Bemühungen um eine Abänderung der beabsichtigten Entscheidung der Antragsgegnerin zur Zuschlagserteilung ihr Interesse am Auftrag bekundet. Die hier gerügten Vergabeverstöße sind geeignet, zu einer Verschlechterung der Chancen der Antragstellerin auf Zuschlagserteilung zu führen. Der - hier zunächst unterstellt rechtswidrige - Ausschluss des eigenen Angebotes wegen Unvollständigkeit vereitelt jegliche Zuschlagschance im laufenden Vergabeverfahren. Der - trotz hier zunächst unterstellten vergaberechtlichen Gebotes unterlassene - Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen nimmt der Antragstellerin eine sog. "zweite Chance" auf den Zuschlag, die in einer erneuten Angebotsabgabe läge, soweit keines der im Verfahren eingereichten Angebote zuschlagfähig gewesen wäre.

Die Rüge der Vergaberechtswidrigkeit des Ausschlusses des eigenen Angebotes wegen angeblicher Unvollständigkeit ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen unverzüglich ab Kenntnis von den maßgeblichen tatsächlichen Umständen i.S.v. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB erhoben worden. Das Aufklärungsersuchen der Antragsgegnerin vom 4. November 2008 konnte eine Rügeobliegenheit schon deshalb nicht auslösen, weil es keine (Zwischen-) Entscheidung der Antragsgegnerin enthielt, sondern eine bloße Anfrage zur Klarstellung. Dem Angebot der Antragstellerin ließ sich bereits entnehmen, dass alle Briefsendungen an solche der Antragstellerin "nicht zugänglichen Anschriften" per Deutsche Post AG zur Zustellung gebracht werden (vgl. Anschreiben vom 14. Oktober 2008, v.a. Ziffer I. 4. e)). Jedenfalls war eine Ausschlussentscheidung der Antragsgegnerin am 4. November 2008 noch nicht getroffen worden, so dass ein zu rügender Vergabeverstoß noch nicht vorlag. Der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin wurde erst am 10. November 2008 vorgenommen; die Rüge dieses Ausschlusses als vergaberechtswidrig am 12. November 2008 ist unverzüglich.

Hinsichtlich der Rüge der Vergaberechtswidrigkeit des Unterlassens eines Ausschlusses des Angebotes der Beigeladenen kommt es angesichts der Unbegründetheit dieser Rüge (dazu nachfolgend) auf deren Rechtzeitigkeit nicht an. Eine weitere Sachaufklärung durch den Senat ist deshalb entbehrlich. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben allerdings zutreffend darauf verwiesen, dass eine Reihe gewichtiger Hilfstatsachen dafür vorliegen, dass der Antragstellerin die näheren tatsächlichen Umstände der am 3. Februar 2009 gerügten beabsichtigten Einschaltung eines nicht angegebenen Nachunternehmers durch die Beigeladene bereits mehrere Wochen zuvor bekannt geworden sein könnten.

Soweit die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zusätzlich gerügt hat, dass die Verdingungsunterlagen bei dem vom Senat angenommenen Erklärungsgehalt diskriminierend formuliert und gestaltet seien, so dass nach den derzeitigen tatsächlichen Marktbedingungen nur ein LV-konformes Angebot zu erwarten war, ist sie mit dieser Rüge nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert. Zwar dürfen Rügen im laufenden Nachprüfungsverfahren auch "nachgeschoben" werden. Sie können dann im laufenden Nachprüfungsverfahren direkt geltend gemacht werden; eine gesonderte Rüge gegenüber der Vergabestelle ist nicht erforderlich. Gleichwohl ist die Einhaltung der Rügefristen zu beachten. Die Antragstellerin hatte ausweislich ihres Schreibens vom 12. November 2008 spätestens zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom vorgenannten, jetzt gerügten Erklärungsgehalt der Verdingungsunterlagen. Die Antragsgegnerin hat sich für ihre Ausschlussentscheidung eben auf jenen Erklärungsgehalt gestützt. Das Schreiben vom 12. November 2008 enthält keine entsprechende Rüge der Verdingungsunterlagen, insbesondere genügt hierfür die von der Antragstellerin angeführte Formulierung "... rügen wir hiermit unseren Ausschluss und ihre diesbezügliche Argumentation ..." nicht. Die vergaberechtliche Rüge muss sich stets auf ein bestimmtes Verhalten der Vergabestelle beziehen; der Rügende muss ultimativ die Änderung dieses Verhaltens verlangen. Die Rüge der Antragstellerin vom 12. November 2008 bezieht sich auf die Ausschlussentscheidung der Antragsgegnerin; mit ihr wird die Rückgängigmachung dieses Angebotsausschlusses verlangt. Ein anderes Verhalten wird nicht als vergaberechtswidrig angesprochen, auch nicht der konkrete Inhalt der Verdingungsunterlagen. In diesem vorgenannten Sinne hat übrigens die Antragsgegnerin die Rüge auch verstanden und beschieden. Eine Rüge der Vergaberechtswidrigkeit der Verdingungsunterlagen hätte dem gegenüber die Aufforderung zur Änderung der Verdingungsunterlagen unter Berücksichtigung des Diskriminierungsverbotes oder Vergleichbares beinhalten müssen. Einen solchen Inhalt kann der Senat dem Schreiben vom 12. November 2008 nicht ansatzweise entnehmen. Für die Auffassung des Senats spricht auch, ohne entscheidend zu sein, dass die Antragstellerin noch im Nachprüfungsverfahren in beiden Instanzen allein eine Wiederholung der Wertung ihres vorliegenden Angebotes in der derzeit laufenden Ausschreibung angestrebt und lediglich zur Vermeidung des Ausschusses dieses Angebotes auf eine diskriminierungsfreie Auslegung der Verdingungsunterlagen gedrängt hat. Eine Zurückversetzung der Ausschreibung in den Stand vor Beginn der Angebotsphase wurde lediglich im Zusammenhang mit dem Vorliegen von Ausschlussgründen für alle eingereichten Angebote erwogen.

3. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist jedoch im Ergebnis unbegründet.

3.1. Zwar hat die Vergabestelle im vorbezeichneten Vergabeverfahren die subjektiven Rechte der Antragstellerin nach § 97 Abs. 7 GWB insoweit verletzt, als sie das Angebot der Antragstellerin wegen fehlender Eignungsnachweise - Bewerbererklärung einer vermeintlichen Subunternehmerin sowie Kopie der Postlizenz - ausgeschlossen hat.

Der Ausschluss eines Angebotes wegen Unvollständigkeit setzt voraus, dass die als fehlend bewerteten Unterlagen in der vergaberechtlich gebotenen Form und Eindeutigkeit von den Bietern gefordert worden waren. Das ist hier im Hinblick auf Eignungsnachweise nicht der Fall. Nach § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. l) VOL/A sind die mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen, die ggf. vom Auftraggeber für die Beurteilung der Eignung des Bewerbers verlangt werden, zwingend bereits in der Vergabebekanntmachung zu benennen (vgl. OLG Düsseldorf, seit Beschluss v. 25.11.2002, Verg 56/02 "Stromlieferungen"; Beschluss v. 18.01.2006, VII-Verg 83/05; Beschluss v. 12.03.2008, VII-Verg 56/07 "Basis-Software" - VergabeR 2008, 671; OLG Naumburg seit Beschluss v. 09.09.2003, 1 Verg 5/03 "Thermische Abfallbehandlung III" - VergabeR 2004, 80; Saarländisches OLG, Beschluss v. 12.05.2005, 1 Verg 4/04 "Kühlschrank-Entsorgung"; Schleswig-Hosteinisches OLG, Beschluss v. 08.05.2007, 1 Verg 2/07 "Bohrkernentnahme" ; OLG Frankfurt, Beschluss v. 15.07.2008, 11 Verg 4/08 - ZfBR 2009, 86). Ein öffentlicher Auftraggeber kann sich die Auswahl und Bekanntgabe der geforderten Eignungsnachweise nicht für die Zeit der Versendung der Verdingungsunterlagen vorbehalten. Der Interessent für einen bekannt gemachten Auftrag soll bereits aus der Vergabebekanntmachung und "auf den ersten Blick" das formelle Anforderungsprofil der Bewerbungsbedingungen erkennen können, um eine Entscheidung über die - oft sogar, hier jedoch nicht kostenträchtige - Anforderung der Vergabeunterlagen treffen zu können. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass ein Unternehmen u.U. eine Vielzahl von Vergabebekanntmachungen durchsieht und zunächst "grob sortiert", auf welche Bekanntmachungen hin es sich meldet, und bei welchen Ausschreibungen es bereit ist, einen sukzessiv zunehmenden Aufwand zur Auftragserlangung zu betreiben. Eine Entscheidung auf den "ersten Blick" ist nicht gewährleistet, wenn - wie hier - die Angabe der vorzulegenden Unterlagen erst in den noch anzufordernden Verdingungsunterlagen vorbehalten wird. Dem steht nicht entgegen, dass hier die Abgabe der Verdingungsunterlagen unentgeltlich erfolgte. Die Erhebung eines Unkostenbeitrages für die Versendung der Verdingungsunterlagen ist zwar eine besonders augenfällige Ausprägung einer zusätzlichen Hürde zur Informationserlangung. Gleichwohl wird für die Entscheidung über eine Bewerbung auch schon dadurch ein zusätzliches, nach der Intension des geltenden nationalen Vergaberechts zu vermeidendes Hindernis geschaffen, wenn - wie hier - zunächst eine Kontaktaufnahme mit der Vergabestelle und eine Anforderung der Unterlagen erforderlich ist, um die Informationen zu bekommen, die bereits aus der Vergabebekanntmachung ersichtlich sein sollen.

Da eine rechtzeitige Bekanntgabe der geforderten Eignungsnachweise nicht gelungen ist, kann ungeachtet des Umstandes, dass keiner der Bieter den Inhalt der Vergabebekanntmachung insoweit als unvollständig gerügt hat, im Rahmen der Wertung der Angebote nur dadurch eine vergaberechtmäßige (Teil-)Entscheidung getroffen werden, dass alle Angebote, im Übrigen auch dasjenige der Beigeladenen, als vollständig behandelt werden. Damit geht aber auch die Rüge der Antragstellerin bezüglich des unterlassenen Ausschlusses des Angebotes der Beigeladenen, ins Leere.

3.2. Der vorgenannte Vergabeverstoß der Antragsgegnerin hat aber nicht zu einer Verschlechterung der Zuschlagschancen der Antragstellerin geführt, weil deren Angebot aus einem anderen Grund zumindest ausgeschlossen werden durfte und die Antragsgegnerin sich auf diesen Ausschlussgrund im Beschwerdeverfahren auch ausdrücklich berufen hat.

a) Ein Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin wegen wettbewerbswidriger Absprachen, wie ihn Beigeladene geltend macht, ist allerdings nicht gerechtfertigt. Der Vergabestelle obliegt im Rahmen des Vergabeverfahrens auch die Bekämpfung wettbewerbswidriger Verhaltensweisen (§ 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A - vgl. Roth in: Müller-Wrede, Komm. z. VOL/A, 2./2007, § 2 Rn. 23 ff. und Vavra in: Kulartz/ Marx/ Portz/ Prieß, Komm. z. VOL/A, § 2 Rn. 23 ff.). Allerdings ist der Ausschluss aus diesem Grunde nur dann möglich, wenn ein gesicherter Nachweis einer unzulässigen wettbewerbsbeschränkenden Abrede vorliegt. Selbst erhebliche Verdachtsmomente reichen noch nicht aus (vgl. Vavra a.a.O. Rn. 24 m. Verweis auf OLG Frankfurt, Beschluss v. 27. Juni 2003, 11 Verg 2/03 - VergabeR 2003, 581). Eine solche gesicherte Erkenntnis liegt hier für die Beziehungen zwischen der B. GmbH und der Antragstellerin nicht vor. Insbesondere fehlen gesicherte Erkenntnisse darüber, dass der Antragstellerin etwa die vollständige Kalkulation des Angebots der B. GmbH bekannt war. Urkundliche Belege gibt es dafür nicht, auch keine entsprechende Zeugenaussage, sondern allenfalls eine Hilfstatsache in Gestalt der verwandtschaftlichen Beziehungen der beiden Sachbearbeiter. Das genügt nicht.

b) Der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin wegen einer unzulässigen Änderung der Verdingungsunterlagen im Hinblick auf die beabsichtigte Einschaltung der Deutsche Post AG zur Leistungserbringung ist hingegen nicht zu beanstanden.

aa) Eine nach §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A zwingend zum Ausschluss des Angebotes als Hauptangebot führende Änderung an den Verdingungsunterlagen liegt vor, wenn ein Angebot inhaltlich von verbindlichen Vorgaben der Vergabestelle abweicht. Welche Vorgaben der Leistungsbeschreibung verbindlich sein sollen, ist durch Auslegung insbesondere der allgemeinen Leistungsbeschreibung und des beigelegten Vertragsentwurfes zu ermitteln.

Der Senat geht davon aus, dass allein der Umstand der beabsichtigten Einschaltung der Deutsche Post AG durch die Antragstellerin als "Servicepartnerin" den Ausschluss noch nicht rechtfertigt. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 9. April 2009 im Rahmen seiner Entscheidung im Eilrechtsschutz ausgeführt hat, ist weder aus der Leistungsbeschreibung noch aus dem Vertragsentwurf in den Verdingungsunterlagen ein eindeutiges Verlangen von Eigenleistungen zu erkennen. Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Erörterungen im Termin der mündlichen Verhandlung fest. Beide Bestandteile der Verdingungsunterlagen lassen die Weitergabe von Teilleistungen "an Dritte" zu. Dies schließt zunächst grundsätzlich die Weitergabe von Teilleistungen an die Deutsche Post AG ein.

Es ist auch zumindest zweifelhaft, ob sich allein aus dem Umstand, dass Leistungsbeschreibung und Vertragsentwurf diesen "Dritten" stets im Klammerzusatz als Subunternehmer bzw. Subsubunternehmer konkretisieren, hinreichend eindeutig ergibt, dass die rechtliche Beziehung zwischen Bieter und Drittem immer eine eigene Vertragsbeziehung i.S. eines Nachunternehmervertrages sein muss, d.h. ob dem Klammerzusatz der Charakter einer abschließenden Definition des Begriffes "Dritter" i.S. des Vertrages zukommen sollte.

Diesem Umstand käme u.U. Bedeutung für den Ausgang des Nachprüfungsverfahrens zu, weil die D.P. AG nach dem Inhalt des Angebots der Antragstellerin nicht deren Nachunternehmerin ist. Die Antragstellerin beruft sich zu Recht darauf, dass Nachunternehmer nur derjenige ist, der in einem direkten vertraglichen Verhältnis zum Auftragnehmer steht und für diesen Teilleistungen aus dem Vertrag erbringt. Im Falle einer Einlieferung von Postsendungen bei der D.P. AG kommt nach deren AGB der konkrete Postlieferungsvertrag durch sog. Realofferte zwischen dem Absender (nicht dem Einlieferer) und der D.P. AG zustande. Die Antragstellerin fungiert in solchen Fällen also als Bote, Vermittler oder als Vertreter des Absenders, nicht als (Nach-)Auftraggeber der D.P. AG.

Gegen eine abschließende Definition des Begriffs des "Dritten" i.S. eines Nachunternehmerverhältnisses spricht aber, dass der öffentliche Auftraggeber regelmäßig dem Bieter die Art und Weise der Sicherung der für die Leistungserbringung notwendigen Kapazitäten gerade nicht vorschreiben will und diese bei EU-weiter Ausschreibungspflicht auch gar nicht beschränken darf. Dem Bieter soll z. Bsp. grundsätzlich auch ein Rückgriff auf Kapazitäten konzernverbundener Unternehmen oder z. Bsp. bei Zustellungsdienstleistungen auf allgemein zugängliche gerichtliche Hinterlegungsstellen möglich bleiben. Funktional ausreichend aus Sicht der Vergabestelle ist jeweils die Erfüllung der verbindlichen Leistungsanforderungen des Vertrages durch einen geeigneten Leistungserbringer. In diese Richtung weist auch die Auffassung der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren, dass nach dem objektiven Empfängerhorizont der von ihr verwendete Begriff des "Subunternehmers" funktional auszulegen sei, was wohl bedeuten soll, dass jede Form der Weitergabe von Teilleistungen an Dritte unter den "Nachunternehmerbegriff" fallen solle.

Eindeutig hat die Antragsgegnerin lediglich festgelegt, dass eine Weitergabe an Dritte nur erfolgen darf, wenn es sich bei den Dritten um ein Unternehmen handelt, welches über eine gültige Postlizenz verfügt. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin versäumt hat, die notwendigen Nachweise zur Kontrolle der Einhaltung dieser Vorgabe wirksam zu verlangen, unterliegt es jedenfalls keinem Zweifel, dass die D.P. AG über eine solche Lizenz verfügt, weil sie in ihrem eigenen Angebot an die Antragsgegnerin eine solche Lizenz vorgelegt hat.

Für die Auslegung der Anforderungen der Leistungsbeschreibung und des Vertragsentwurfes an den rechtlichen Charakter der Einbeziehung eines Dritten in die Leistungserbringung geht der Verweis der Beigeladenen auf eine Entscheidung des BayObLG (Beschluss v. 29.10.2004, Verg 22/04 - VergabeR 2005, 74) fehl: Dort wollte der Bieter überhaupt nicht Vertragspartner der Vergabestelle werden, sondern bewarb sich in gewillkürter Verfahrensstandschaft für ein anderes Unternehmen; dieses andere Unternehmen wäre im Übrigen auch - anders als hier die D.P. AG nach dem Inhalt des Angebotes der Antragstellerin - darin frei gewesen, den vermittelten Vertrag zu schließen oder auch nicht. Aus der Unzulässigkeit eines Angebotes in gewillkürter Verfahrensstandschaft kann nicht auf die Unzulässigkeit eines Angebotes unter Einschaltung eines Dritten geschlossen werden.

Letztlich kann die vorstehende Auslegungsfrage aber offen bleiben, weil sich hinsichtlich derjenigen Leistungen, die die Antragstellerin in den durch Realofferte geschlossenen Leistungsverhältnissen durch die D.P. AG erbringen lassen will, konkrete inhaltliche Abweichungen des Angebotes der Antragstellerin von den Vorgaben der Verdingungsunterlagen ergeben.

Soweit die Verdingungsunterlagen ein Einstehen für die Zuverlässigkeit der mit der Leistungserbringung betrauten Personen erfordern einschließlich der Mitarbeiter Dritter, an die Teilleistungen weitergegeben werden (vgl. § 6 Vertragsentwurf), ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin das Risiko übernimmt, gegenüber der Antragsgegnerin auch für die Fehler der D.P. AG einzustehen. Gleiches gilt auch, soweit die Verdingungsunterlagen ein Einstehen für vorgegebene Postlaufzeiten (§ 3 Abs. 1 Vertragsentwurf) fordern und konkrete Einzelleistungen im Falle von Unzustellbarkeit bzw. fehlerhafter Zustellung vorsehen (§ 3 Abs. 2 und 3 Vertragsentwurf) sowie zur Sendungsverfolgung und Nachforschung über den Verbleib verschollener Postsendungen verpflichten (§ 8 Vertragsentwurf). Die Antragstellerin kann sich auch insoweit der D.P. AG bedienen und der Antragsgegnerin diese Ergebnisse vermitteln, indem sie gegenüber der D.P. AG als Vertreterin der Antragsgegnerin auftritt. Die D.P. AG ist zu einer entsprechenden Leistungserbringung nach ihren eigenen AGB verpflichtet. Ein Verstoß gegen zwingende Leistungsvorgaben der Verdingungsunterlagen besteht jedoch darin, dass für alle diejenigen Teilleistungen, die die Antragstellerin an die D.P. AG "vermittelt", nicht mehr die Vertragsbedingungen der Antragsgegnerin gelten, sondern die AGB der D.P. AG und mithin andere Vertragsbedingungen. Schon bei abstrakter Betrachtung ist hierdurch die Vergleichbarkeit des Angebots der Antragstellerin mit demjenigen z. Bsp. der Beigeladenen erschwert. Im Falle von Abweichungen zum Nachteil der Antragsgegnerin wäre diese von vornherein stets auf Sekundäransprüche gegen die Antragstellerin beschränkt. Hierin liegt eine Abweichung von verbindlichen Vorgaben der Leistungsbeschreibung und des Vertragsentwurfes der Antragsgegnerin.

Zwar hatte die Antragsgegnerin den vorgenannten Ausschlussgrund bis zur Einschaltung ihres Prozessbevollmächtigten im Beschwerdeverfahren nicht geprüft und nicht bewertet. Im Schriftsatz vom 24. April 2009 ist nunmehr eine solche Bewertung enthalten (vgl. GA Bd. II Bl. 24 ff, 31 bis 33) und ist im Nachprüfungsverfahren auch zu berücksichtigen.

bb) Eine Wertung dieses Angebotes als Nebenangebot kommt wegen fehlender Bestimmung von Mindestbedingungen für Nebenangebote nicht in Betracht.

Zwar können grundsätzlich Hauptangebote, die Änderungen an den Verdingungsunterlagen enthalten, als Nebenangebot gewertet werden, wenn dies zugelassen ist (vgl. zuletzt OLG Koblenz, Beschluss v. 15. Juli 2008, 1 Verg 2/08). Hier sind Nebenangebote ausdrücklich zugelassen (vgl. Vergabebekanntmachung, Ziffer II.1.9). Eine Wertung als Nebenangebot scheitert in der vorliegenden Ausschreibung aber daran, dass die Vergabestelle keine Mindestbedingungen für Nebenangebote festgelegt hat, so dass für einen Bieter gar nicht deutlich ist, welche Art von Nebenangeboten nach welchen Kriterien überhaupt eine Chance auf Zuschlagserteilung hat.

4. Für die Entscheidung des Senats ist es unerheblich, dass der hier festgestellte, aber folgenlos gebliebene Verstoß der Antragsgegnerin gegen subjektive Rechte der Antragstellerin im Vergabeverfahren auch für die weiteren Angebotsausschlüsse vorliegt. Das Nachprüfungsverfahren ist ein Individualrechtsschutzverfahren; die anderen Beteiligten der Ausschreibung haben Rechtsschutz gegen den Ausschluss ihrer Angebote ganz überwiegend nicht in Anspruch genommen, der Nachprüfungsantrag einer weiteren Bieterin neben der Antragstellerin ist bestandskräftig zurückgewiesen.

III.

Die Entscheidung über die Kostentragung im Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO. Die Voraussetzungen des § 97 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Zwar hat sich die Antragsgegnerin auf denjenigen Ausschlussgrund für das Angebot der Antragstellerin, der letztlich zu ihrem Obsiegen im Nachprüfungsverfahren geführt hat, erst im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens als eigene Entscheidung berufen. Dem kommt trotz des Charakters der Regelung in §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A als zwingende Vorschrift insoweit Bedeutung zu, als hier auch eine Ermessensentscheidung über eine Aufhebung der Ausschreibung in Betracht kam. Die "späte" Entscheidung der Antragsgegnerin beruht jedoch darauf, dass eine solche Entscheidung erst infolge der Hinweise des Senats im Beschluss vom 9. April 2009 erforderlich geworden ist.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Der Senat legt dabei die geprüfte Angebotssumme des Angebotes der Antragstellerin für eine insgesamt fünfjährige Vertragslaufzeit auf der Grundlage der Mengengerüste der Postmengenerhebung des Jahres 2008 zugrunde.



Ende der Entscheidung

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