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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 18.07.2006
Aktenzeichen: 1 Verg 4/06
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 107 Abs. 3 Satz 1
GWB § 114 Abs. 2
1. Im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren sind Feststellungsanträge nur eingeschränkt zulässig unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 GWB und soweit sie sich auf die Feststellung einer Verletzung von Bieter schützenden vergaberechtlichen Vorschriften beziehen.

2. Zur tatrichterlichen Feststellung des Zeitpunkts der Entstehung der Rügeobliegenheit i.S.v. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB (hier: kein Nachweis einer vor Zugang der Vorabinformation bestehenden positiven Kenntnis vom Wiederaufgreifen der Auftragsverhandlungen).

3. Beabsichtigt ein öffentlicher Auftraggeber, ein formell bereits abgeschlossenes Vergabeverfahren wieder aufzugreifen, so ist er gehalten, diese Absicht in unmissverständlicher Art und Weise zumindest den Bietern dieses Verfahrens bekannt zu geben. Dies gilt umso mehr, als ein Wiederaufgreifen des beendeten Vergabeverfahrens allenfalls ausnahmsweise in Betracht kommen kann, etwa bei vergaberechtswidriger Aufhebung der Ausschreibung.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG Beschluss

1 Verg 4/06 OLG Naumburg

verkündet am: 18. Juli 2006

In dem Vergabenachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren)

betreffend den u.a. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 4. März 2005 (S-45) ausgeschriebenen Wettbewerb "Vorentwurf als Bauwerksplanung für den Neubau eines Laborgebäudes für Verfahrens- und Systemtechnik der ... Universität M." und die Vergabe eines Dienstleistungsauftrags über Architektenleistungen,

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink, den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und den Richter am Landgericht Nolte auf die mündliche Verhandlung vom

17. Mai 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 22. März 2006, 2 VK LVwA 4/06, aufgehoben.

Dem Antragsgegner wird untersagt, einen oder mehrere Verträge über die Erbringung von Architektenleistungen zur Bauwerksplanung für den Neubau eines Laborgebäudes für Verfahrens- und Systemtechnik der ... - Universität M. mit einem Dritten ohne erneute Durchführung eines Wettbewerbs bzw. eines Verhandlungsverfahrens zumindest ab Bekanntmachung der Auftragskriterien, jeweils auf der Grundlage der VOF, abzuschließen, es sei denn, der Antragsgegner beauftragt die Antragstellerin mit der Fertigstellung der Arbeiten aus den Verträgen A 77/05 vom 13./19. Dezember 2005, A 78/05 und S 85/05 jeweils vom 13./16. Dezember 2005.

Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin teilweise verworfen und teilweise zurückgewiesen.

Die Gebühren und Auslagen des Verfahrens vor der Vergabekammer haben die Antragstellerin und der Antragsgegner je zur Hälfte zu tragen. Sie betragen insgesamt 2.800,00 EUR. Der Antragsgegner hat die zur Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin zur Hälfte zu tragen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Antragstellerin zu 50 % sowie dem Antragsgegner und der Beigeladenen jeweils zu 25 % zur Last. Die außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten werden gegeneinander aufgehoben.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 6.500 EUR.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner leitete am 25. Februar 2005 einen Offenen Realisierungswettbewerb "Vorentwurf als Bauwerksplanung für den Neubau eines Laborgebäudes für Verfahrens- und Systemtechnik der ... - Universität M. " auf der Grundlage der VOF 2002 durch die Absendung der Wettbewerbsbekanntmachung an das Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ein.

In der Bekanntmachung der Wettbewerbs sind als Kriterien für die Bewertung der Vorhaben das Raumprogramm und funktionale Anforderungen; qualitative Bedarfsanforderungen (baulicher Standard); gestalterische und räumliche Qualität; Investitions- und Folgekosten, Investitionskostenrahmen; Wirtschaftlichkeit (anhand von Orientierungs-, Kenn- und Planungsdaten, z.Bsp. BGF/HNF, BRI/BGF) sowie ökologische, insbesondere energetische Anforderungen und Umweltverträglichkeit aufgeführt. Eine Gewichtung dieser Kriterien ist nicht angegeben. In der Wettbewerbsbekanntmachung sind fünf Preise in absteigendem Wert sowie Ankäufe ausgelobt; eine Kostenerstattung war nicht vorgesehen. Unter Ziffer IV.4.3. der Wettbewerbsbekanntmachung heißt es, dass der im Anschluss an diesen Wettbewerb vergebene Dienstleistungsauftrag "dem Gewinner oder den Gewinnern des Wettbewerbs erteilt werden (muss)", und unter Ziffer VI.4.4. weiter, dass die Entscheidung des Preisgerichts für den Auftraggeber verbindlich sei. Als Sonstige Information ist unter Ziffer VI.3. zu den vorzitierten Bekanntmachungen angegeben, dass der Antragsgegner beabsichtige, soweit und sobald eine Realisierung der Aufgabe erfolge, "unter Würdigung der Empfehlung des Preisgerichts einem oder mehreren Preisträgern weitere Grundleistungen nach § 15 HOAI zu übertragen. Die Beauftragung sei vom Einverständnis mit der Vereinbarung diverser Vertragsklauseln abhängig.

In den Auslobungsunterlagen, dort Teil A - Wettbewerbsbedingungen -, ist unter Ziffer 14 ausgeführt, dass der Auslober beabsichtige, im Falle und im Umfang der Realisierung "unter Würdigung der Empfehlung des Preisgerichts einem oder mehreren Preisträgern weitere Grundleistungen nach § 15 HOAI für Gebäude, zunächst die Leistungsphasen 2 bis 4 für Gebäude in Auftrag zu geben". Es sei nicht ausgeschlossen, dass weitere Leistungsphasen in Auftrag gegeben werden.

Es gingen sechsundzwanzig Wettbewerbsbeiträge ein. Das Preisgericht vergab am 12. Juli 2005 den 1. Preis an die Antragstellerin und den 2. Preis an die Beigeladene. Es sprach die Empfehlung aus, die mit dem 1. Preis ausgezeichnete Arbeit zur Grundlage der weiteren Planung zu machen. Dem Protokoll der Preisgerichtssitzung ist zu entnehmen, dass der Wettbewerbsbeitrag der Antragstellerin vor allem wegen seiner städtebaulichen Situierung und einer so bewerteten "Solitärfunktion" des Baukörpers trotz offener Fragen zur technischen Grundinstallation sowie zur Wärmeschutzfunktion, den Investitions- und Folgekosten der Fassadengestaltung den Vorzug vor der Arbeit der Beigeladenen erhalten hatte.

Der Antragsgegner nahm Anfang August 2005 Auftragsverhandlungen ausschließlich mit der Antragstellerin auf zur Erteilung des Planungsauftrages für die Leistungsphasen 2 bis 4 (ohne Einholung der bauordnungsrechtlichen und sonstigen Genehmigungen sowie ohne notwendige Verhandlungen mit den Behörden). Es wurden mehrere Verhandlungsrunden, u.a. auch zur Optimierung des Planungsentwurfes in wirtschaftlicher Hinsicht sowie im Hinblick auf die Investitions- und Folgekosten, durchgeführt. Anfang Dezember 2005 wurde der Entwurf auch vom Landesrechnungshof geprüft. Der Antragsgegner schloss mit der Antragstellerin drei Planungsverträge, den Vertrag Gebäude, Vertrags-Nr. A 77/05, vom 13./19. Dezember 2005, den Vertrag Freianlagen, Vertrags-Nr. A 78/05, vom 13./16. Dezember 2005 sowie den Vertrag Verkehrsanlagen, Vertrags-Nr. S 85/05, vom 13./16. Dezember 2005. Die Verträge umfassen die Übertragung der Planungsarbeiten der Leistungsphasen 2 bis 4 nach § 15 HOAI mit den o.a. Einschränkungen. Hinsichtlich weiterer Leistungen nach § 15 HOAI, nämlich der Leistungsphasen 5 bis 8, sehen die Verträge jeweils die Option des Antragsgegners vor, diese Aufträge an die Antragstellerin zu vergeben, ohne dass seitens der Antragstellerin hierauf ein Rechtsanspruch besteht. In den Verträgen verpflichtete sich die Antragstellerin zu einer weiteren Optimierung ihres Planentwurfes, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht.

In einer Besprechung des Entwurfsstandes des Bauvorhabens am 11. Januar 2006, an der neben Vertretern des Antragsgegners Vertreter des Ministeriums für Bau und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt und des Landesrechnungshofes teilnahmen, äußerte der Landesrechnungshof erhebliche Bedenken gegen die Wirtschaftlichkeit des beabsichtigten Bauvorhabens, insbesondere im Hinblick auf die gewählte Form des Baukörpers und die Fassadengestaltung. Es wurde u.a. erwogen, dass die Weiterbeauftragung der Antragstellerin weder unter Beibehaltung noch unter Abänderung des bisherigen Entwurfes zu einer hinreichenden Wirtschaftlichkeit führen werde. Im Ergebnis wurde entschieden, die Antragstellerin nicht weiter zu beauftragen und stattdessen mit den Preisträgern des Wettbewerbs Verhandlungsgespräche zu führen, um zu einer wirtschaftlicheren Lösung zu kommen (vgl. Protokollvermerk vom 18. Januar 2006 sowie Schreiben des Landesrechnungshofes an den Staatssekretär des MBV LSA vom 16. Januar 2006).

Unter dem 26. Januar 2006 kündigte der Antragsgegner die Verträge Nr. A 77/05, A 78/05 und S-85/05 gegenüber der Antragstellerin unter pauschalem Verweis auf § 8 AVB BMBau 1993, welcher eine Kündigung nur aus wichtigem Grunde vorsieht. Die Kündigungsschreiben gingen der Antragstellerin per Post jeweils am 30. Januar 2006 zu.

Unter dem 27. Januar 2006 übersandte der Antragsgegner allen fünf Preisträgern des Wettbewerbs, auch der Antragstellerin, per Fax jeweils eine persönliche "Einladung zum Symposium zum Ergebnis des Wettbewerbsverfahrens".

Das Fax ging bei der Antragstellerin am selben Tage, einem Freitag, in den Nachmittagsstunden ein. Der Antragsgegner nahm in seiner Einladung Bezug auf die Ergebnisse der Preisgerichtssitzung vom 12. Juli 2005 und verwies auf einen anliegenden, wiederum individuell auf den jeweils eigenen Entwurf des Adressaten gerichteten Fragenkatalog "zur Klärung noch offener Aufgaben in der Durchführung des Entwurfes für jeden Preisträger ...".

Er erbat die konkrete schriftliche Beantwortung des Fragenkatalogs mit fundierten Daten bis zum Dienstag, den 31. Januar 2006. Für den 1. Februar 2006 lud er den jeweiligen Adressaten zu einem Gespräch zur Auswertung der Antworten ein. Dem Schreiben war der Fragenkatalog sowie ein Terminplan mit der Überschrift "Planungszeiträume Neubau Laborgebäude für Verfahrens- und Systemtechnik, Festlegung Verhandlungsverfahren zur Neubeauftragung" beigefügt.

Am 1. Februar 2006 fanden Gespräche mit insgesamt vier Preisträgern, darunter mit der Beigeladenen und der Antragstellerin, statt. Die Gespräche wurden mit jedem Preisträger einzeln und zeitlich gestaffelt durchgeführt; das Gespräch mit der Antragstellerin fand um 15:00 Uhr, dasjenige mit der Beigeladenen um 17:00 Uhr statt. Über den Inhalt der Gespräche existieren keine Verhandlungsprotokolle, sondern lediglich interne handschriftliche Notizen der Mitarbeiter des Antragsgegners und jeweils ein Teilnehmerverzeichnis. Während ihres Gespräches mit dem Antragsgegner unterzeichneten die Vertreter der Antragstellerin eine Erklärung, die überschrieben war mit "Neubau eines Laborgebäudes für Verfahrens- und Systemtechnik Uni M. Verhandlungsgespräche am 01.02.2006 in der NL Mitte, LBB SA Anlage zum Verhandlungsprotokoll vom 01.02.2006" und die eine Aufzählung von Verpflichtungen der Antragstellerin, u.a. zur Umsetzung der besprochenen Parameter der Optimierung des eigenen Entwurfs, zur Bildung einer Projektgruppe bzw. zur Nachreichung von Unterlagen bis zum 27. Februar 2006 enthielt. Die Aufzählung der konkreten Auflagen, die Ergebnis des Verhandlungsgespräches waren, wurde eingeleitet mit der Formulierung: "Der Bieter verpflichtet sich für den Fall der Auftragserteilung folgende Maßnahmen einzuhalten: ...".

In seinem Vermerk über die Auswertung und Bewertung der Entwürfe vom 1. Februar 2006 hielt der Antragsgegner fest, dass die derzeitigen Herstellungskosten nach dem Entwurf der Antragstellerin zwar geringfügig unter denjenigen nach dem Entwurf der Beigeladenen lägen, dass jedoch die Antragstellerin augenscheinlich keine weiteren Einsparpotenziale mehr ausschöpfen könne. Terminlich habe die Antragstellerin wegen der bereits geleisteten Vorarbeiten deutliche Vorteile. Dem gegenüber habe die Beigeladene die höchste Punktzahl hinsichtlich ihrer Optimierungspotenziale erreicht. Ihre Beauftragung ließe daher eine wirtschaftlichere Ausführung erwarten.

Der Antragsgegner entschied sich am 3. Februar 2006 in Abstimmung mit Vertretern des MBV LSA, vorbehaltlich der Zustimmung des Landesrechnungshofes nunmehr den 2. Preisträger mit der Erarbeitung der Planungsunterlagen zu beauftragen. Der Landesrechnungshof stimmte diesem Vergabevorschlag am 6. Februar 2006 zu. Der beabsichtigte Auftrag hat einen Auftragswert von knapp 600.000 EUR.

Mit Schreiben vom 7. Februar 2006 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass sie beabsichtige, die Beigeladene mit der Bauwerksplanung für den Neubau eines Laborgebäudes für Verfahrens- und Systemtechnik der ... - Universität M. , Leistungsphasen 2 bis 4 ohne Einreichung der Baugenehmigungsunterlagen, zu beauftragen.

Die Antragstellerin, bei der das Schreiben am Folgetag eingegangen war, rügte die beabsichtigte Auftragserteilung an die Beigeladene am 10. Februar 2006 als vergaberechtswidrig. Das Verhandlungsverfahren zur Vergabe des entsprechenden Auftrags sei durch die Vertragsabschlüsse im Dezember 2005 beendet worden; für eine erneute Auftragserteilung sei danach kein Raum mehr. Die Kündigungen seien mangels Kündigungsgrundes unwirksam. Vorsorglich rügte die Antragstellerin, dass eine erneute Auftragsvergabe auch ein erneutes Verhandlungsverfahren vorausgesetzt hätte, welches hier jedoch nicht stattgefunden habe.

Der Antragsgegner half der Rüge nicht ab und erklärte mit Schreiben vom 17. Februar 2006, dass er im Rahmen der Auftragsverhandlungen ab August 2005 rechtswidrig die anderen Preisträger übergangen habe, weshalb er das Verhandlungsverfahren in diesen Stand zurückversetzt habe. Sie habe ein Formblatt zur Auswertung der Antworten aller Bieter auf den Fragenkatalog erarbeitet, wonach hinsichtlich des wirtschaftlichen Optimierungspotenzials eines jeden Angebots eine Gewichtung der Einzelbereiche Planungsdaten (25 %), Baukonstruktion (15 %), Funktionszuordnung (15 %), technische Anlagen (10 %), Außenanlage (5 %), Kosten und Terminplan (je 15 %) vorgenommen worden sei. Danach habe der Entwurf der Beigeladenen die höchste Optimierungspunktzahl erreicht, u.a. wegen seiner einfachen kubischen, kompakten Gebäudeform und seiner konventionellen Bauart mit einem klaren technischen Konzept, welche eine wirtschaftliche Ausführung erwarten lasse. Insgesamt seien nicht nur günstige Herstellungskosten, sondern auch günstige Folgekosten über den gesamten Lebenszyklus zu erwarten.

Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2006 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit dem Ziel beantragt, dass dem Antragsgegner untersagt werden möge, den Auftrag an die Beigeladene zu vergeben, und dass darüber hinaus festgestellt werden möge, dass sie - die Antragstellerin - bereits wirksam mit den Planungsleistungen beauftragt worden sei. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, dass nach den Ausschreibungsbedingungen der Auftrag nur an sie als "Gewinnerin" des Preiswettbewerbs erteilt werden dürfe und dass die ausgesprochenen Kündigungen der Verträge unwirksam seien. Hilfsweise hat die Antragstellerin gerügt, dass die erneute Auftragsvergabe unter Berücksichtigung anderer als der bekannt gemachten Auftragskriterien erfolgt sei. So sei im Gegensatz zum ursprünglichen Wettbewerb nicht mehr die besondere städtebauliche Qualität und Originalität ihres eigenen Entwurfes, sondern die einfache kubische Form und die konventionelle Bauart des Entwurfs der Beigeladenen maßgeblich gewesen.

Die 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt hat den dem Antragsgegner zugestellten Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verworfen. Sie hat ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Antragstellerin ihre Rügeobliegenheit dadurch verletzt habe, dass sie die Aufnahme von Verhandlungen im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens nach der VOF nicht unverzüglich nach Zugang der Einladung zum "Symposium zum Ergebnis des Wettbewerbsverfahrens" am 27. Januar 2006 sowie der Kündigungserklärungen zu den zuvor mit ihr geschlossenen Planungsverträgen über die selben Leistungen jeweils am 30. Januar 2006 als vergaberechtswidrig gerügt habe und dass sie die Rüge der Intransparenz der Wertung in dem im Februar 2006 durchgeführten Verhandlungsverfahren nur im Rahmen des Nachprüfungsantrages an die Vergabekammer, nicht jedoch gesondert gegenüber dem Antragsgegner erhoben habe.

Gegen diese ihr am 27. März 2006 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Schriftsatz vom 29. März 2006 erhobene und am 3. April 2006 beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin.

Die Antragstellerin bestreitet, dass sie vor Zugang der Vorabinformation über die beabsichtigte Auftragserteilung an die Beigeladene positive Kenntnis davon gehabt habe, dass die Auftragsverhandlungen mit allen Preisträgern wieder aufgenommen worden waren. Sie habe die Einladung zum Symposium als Einladung zu einem weiteren Optimierungsgespräch und die ausgesprochenen Kündigungen lediglich als Druckmittel des Antragsgegners aufgefasst, um so weitere Zugeständnisse des planenden Architekten in gestalterischer Hinsicht zu erreichen. Auch im Gespräch am 1. Februar 2006 sei nicht erwähnt worden, dass Auftragsverhandlungen mit allen Preisträgern geführt werden. Die Antragstellerin ist u.a. der Meinung, dass die Planungsverträge aufgrund der Bekanntmachung der Wettbewerbsbedingungen ausschließlich mit ihr geschlossen werden könnten, hilfsweise, dass erneute Auftragsverhandlungen eine erneute Wettbewerbsauslobung bzw. ein neues, transparentes Verhandlungsverfahren erfordert hätten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 29. März 2006 (GA Bl. 32 ff), sowie - ergänzend - auf den Schriftsatz vom 10. Mai 2006 (GA Bl. 166 ff.) Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 22. März 2006, 2 VK LVwA 4/06, aufzuheben und

2. der Antragsgegnerin zu untersagen, den Auftrag zur Erbringung von Architektenleistungen für die Errichtung des Neubaus Laborgebäude für Verfahrens- und Systemtechnik der ... - Universität M. auf der Grundlage ihrer neuerlichen Wertung an die Beigeladene zu vergeben sowie

3. festzustellen, dass die Antragstellerin als Gewinnerin des Architektenwettbewerbs zum Neubau Laborgebäude für Verfahrens- und Systemtechnik der ... - Universität M. auf Grund der abgeschlossenen Verträge über Architektenleistungen vom 13. / 19. Dezember 2005 (A 77/05 Gebäude) und jeweils vom 13. / 16. Dezember 2005 (A 78/05 Freianlagen und S 85/05 Verkehrsanlagen) wirksam beauftragt ist;

hilfsweise zum letztgenannten Antrag,

3a) die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Auftrag zur Erbringung von Architektenleistungen für die Errichtung des Neubaus Laborgebäude für Verfahrens- und Systemtechnik der ... - Universität M. nur unter Berücksichtigung des Angebots der Antragstellerin zu erteilen,

äußerst hilfsweise,

3b) die 2. Vergabekammer zu verpflichten, über den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassungen des Vergabesenats erneut zu entscheiden.

Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Er verteidigt im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung und behauptet, dass seine Mitarbeiterin B. W. am 27. Januar 2006 mit dem Architekten St. der Antragstellerin telefoniert habe. In diesem Telefongespräch sei der Antragstellerin auf ihre eigene Nachfrage unmissverständlich erklärt worden, dass erneute Auftragsverhandlungen mit allen Preisträgern durchgeführt werden sollen. Der Antragsgegner verweist zudem auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach für die positive Kenntnis eines Bieters vom Vergabeverstoß das Wissen um einen Sachverhalt ausreichend sei, der aus Sicht des Bieters bei laienhafter rechtlicher Bewertung den Schluss auf einen Vergabeverstoß erlaube. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 11. April 2006 (GA Bl. 113 ff.), vom 13. April 2006 (GA Bl. 122 ff.) und vom 5. Mai 2006 (GA Bl. 162 ff.) Bezug genommen.

Der Senat hat das vom Antragsgegner als Vertragspartner ausgewählte Architekturbüro beigeladen (GA Bl. 85). Auf Antrag der Antragstellerin und nach Anhörung aller Verfahrensbeteiligten hat der Senat am 20. April 2006 die Verlängerung des Zuschlagverbots bis zur endgültigen Entscheidung über das Rechtsmittel der Antragstellerin angeordnet und zugleich dem Antragsgegner aufgegeben, die vorgelegten Akten auf Vollständigkeit zu prüfen und ggf. fehlende Unterlagen nachzureichen. Der Senat hat mit diesem Beschluss darauf hingewiesen, dass die bislang vorgelegten Unterlagen einen Schluss auf eine positive Kenntnis der Antragstellerin von der Wiederaufnahme eines Verhandlungsverfahrens am 30. Januar 2006 nicht zuließen. Der Senat hat die Durchführung einer Beweisaufnahme zu dieser Frage angekündigt und einen Termin zur mündlichen Verhandlung gesetzt.

Die Antragstellerin und die Beigeladene haben in eingeschränktem Umfang Einsicht in die Akten des Antragsgegners und der Vergabekammer sowie in die Gerichtsakten erhalten; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfügung vom 3. Mai 2006 (GA Bl. 151 f.) sowie auf den Inhalt des Sonderheftes II Bezug genommen.

Der Senat hat am 17. Mai 2006 einen Termin der mündlichen Verhandlung durchgeführt. Im Termin haben die Antragstellerin und der Antragsgegner die angekündigten Anträge gestellt; die Beigeladene hat sich dem Antrag des Antragsgegners ausdrücklich angeschlossen. Der Senat hat die Zeugen B. W. und S. K. , Mitarbeiterinnen des Antragsgegners, vernommen sowie den Mitgeschäftsführer der Komplementärin der Antragstellerin, K. St. , als Partei angehört. Wegen des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokokoll vom selben Tage Bezug genommen (vgl. GA Bl. 177 ff.). Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 22. Mai 2006 zum Ergebnis der mündlichen Verhandlung Stellung genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig; sie hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Vergabekammer ist zu Unrecht von der Unzulässigkeit des gesamten Nachprüfungsantrages der Antragstellerin ausgegangen. Soweit die Antragstellerin die Feststellung ihrer wirksamen Beauftragung und inzident der Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungserklärungen begehrt, ist der Nachprüfungsantrag unstatthaft. Die Antragstellerin hat vergaberechtlich keinen Anspruch darauf, dass der Auftrag allein unter Berücksichtigung ihres Angebots erteilt wird. Die von der Antragstellerin erhobene Rüge, dass die Vergabe der Planungsaufträge an die Beigeladene ohne erneute Durchführung eines Ausschreibungswettbewerbs bzw. eines Verhandlungsverfahrens nach VOF vergaberechtswidrig sei, ist jedoch zulässig und begründet.

1. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist zulässig. Es wurde frist- und formgerecht (§ 117 Abs. 1 bis 3 GWB) beim zuständigen Gericht (§ 116 Abs. 3 S. 1 GWB) eingelegt. Die auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfenden allgemeinen Voraussetzungen für einen Zugang zum Nachprüfungsverfahren (§§ 98 bis 100, 102, 107 Abs. 1 GWB) liegen vor.

2. Entgegen der Ansicht der Vergabekammer ist der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin teilweise zulässig.

2.1. Der Antrag der Antragstellerin zu Ziffer 3) ihrer Beschwerdeschrift auf Feststellung der Wirksamkeit ihrer Beauftragung mit den Planungsleistungen durch die Verträge A 77/05, A 78/05 und S 85/05, den die Antragstellerin bereits mit ihrem Nachprüfungsantrag vom 20. Februar 2006 gestellt hatte, ist allerdings unzulässig.

Das vorgenannte Begehren der Antragstellerin ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren unstatthaft. Es ist nicht unmittelbar auf ein Eingreifen der Nachprüfungsinstanz in ein schon und noch laufendes Vergabeverfahren, also auf Primärrechtsschutz gerichtet, sondern lediglich auf eine Feststellung. Feststellungsanträge sind jedoch nur eingeschränkt unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 GWB zulässig, also bei wirksamer Beendigung des Vergabeverfahrens während des laufenden Nachprüfungsverfahrens. Hier wird dem gegenüber von Anfang an nur Feststellung begehrt (vgl. hierzu Beschluss des erkennenden Senats vom 3. März 2000, 1 Verg 2/99 - OLGR Naumburg 2000, 231).

Hinzu kommt, dass die begehrte Feststellung sich nicht auf die Feststellung einer Verletzung von vergaberechtlichen Vorschriften bezieht, wie es § 107 Abs. 2 GWB verlangt, sondern auf die Klärung einer Rechtsfrage aus dem Bereich des zivilrechtlichen Vertragsrechts. Zu einer solchen Feststellung sind die Nachprüfungsinstanzen nach §§ 104 Abs. 2, 114 Abs. 1 und Abs. 2 GWB nicht befugt (vgl. auch Reidt in: Reidt/Stickler/Glahs, VergabeR, 2. Aufl. 2003, § 104 Rn. 17; Byok in: Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Aufl. 2005, § 108 Rn. 998). Hierfür ist allein der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit gegeben, den die Antragstellerin parallel auch beschritten hat.

2.2. Der weitere Hauptantrag zu Ziffer 2) der Beschwerdeschrift auf Untersagung eines Vertragsschlusses zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen sowie die Hilfsanträge zu Ziffern 3a) und 3b) der Beschwerdeschrift sind aber zulässig.

2.2.1. Das Antragsbegehren ist jeweils statthaft.

2.2.2. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 20. April 2006 ausgeführt hat, besitzt die Antragstellerin die nach § 107 Abs. 2 GWB erforderliche Antragsbefugnis. Sie hat ein Interesse an dem jetzt zur Vergabe beabsichtigten Auftrag, auch wenn dieses Interesse u.U. angesichts der nahezu vollständigen Erfüllung der im Dezember 2005 geschlossenen Architektenverträge in finanzieller Hinsicht geringer sein mag als dasjenige anderer Bieter. Der Senat bleibt auch dabei, dass darüber hinaus ein solches Interesse am Auftrag auch wegen der - ungewissen, aber nicht völlig unrealistischen - Aussicht auf Beauftragung mit weiteren Leistungsphasen nach § 15 HOAI besteht sowie vor allem im Hinblick darauf, dass mit der vollständigen Realisierung des Planungsentwurfes der Antragstellerin auch eine Stärkung von deren allgemeiner Wettbewerbsposition verbunden ist.

2.2.3. Die Antragstellerin ist ihrer Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB jeweils nachgekommen. Der Antragsgegner hat insbesondere nicht bewiesen, dass die Antragstellerin die Rüge der nicht bzw. nicht genügend transparent erfolgten Durchführung eines Verhandlungsverfahrens vor einem erneuten Vertragsschluss i.S.v. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB schuldhaft verzögert hat. Im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme kann nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin bereits vor dem 8. Februar 2006, dem Tage des Zugangs der Vorabinformation über den beabsichtigten Vertragsschluss des Antragsgegners mit der Beigeladenen, Kenntnis davon erlangt hat, dass der Antragsgegner die Auftragsverhandlungen erneut mit allen Preisträgern aufgenommen hat.

a) Das Entstehen einer Obliegenheit zur Rüge nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB setzt voraus, dass der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren von den tatsächlichen Umständen, auf die er seinen Vorwurf einer ihn betreffenden Vergaberechtsverletzung stützt, volle Kenntnis hatte und auch wusste, dass die Vergabestelle mit dem betreffenden Verhalten gegen solche ihn als Bieter schützende Vorschriften des Vergaberechts verstößt. Die genaue Kenntnis der verletzten Vorschrift ist nicht erforderlich. Eine fahrlässige Unkenntnis genügt hingegen nicht für das Auslösen der Rügeobliegenheit. Im Falle des Bestreitens hat die Vergabestelle den Zeitpunkt der Kenntniserlangung nachzuweisen.

Hiervon zu unterscheiden ist, dass die Rechtsprechung der Vergabenachprüfungsinstanzen - auch diejenige des erkennenden Senats - hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der bekannt gewordenen tatsächlichen Umstände als eine Verletzung von Vergaberecht auf eine Kenntnis schon dann schließt, wenn sich die rechtliche Bewertung als Vergabeverstoß bei objektiver Wertung auch dem juristischen Laien aufdrängt, weil die Rechtslage eindeutig ist (vgl. nur Beschlüsse des erkennenden Senats vom 14. Dezember 2004, 1 Verg 17/04 "Erschließungsstraße" - IBR 2005, 170; vom 11. Oktober 2005, 1 Verg 10/05 "Justizzentrum" - IBR 2005, 698; Kühnen NZBau 2004, 427, 429 m.w.N.). Hierin liegt eine Beweiserleichterung zugunsten der Vergabestelle, welche deren Nachweisschwierigkeiten für diese "innere Tatsache" Rechnung trägt und dazu dient, es zu vermeiden, dass die Regelungen zur Rügeobliegenheit dadurch ins Leere laufen, dass sich der Antragsteller einer sich objektiv aufdrängenden Erkenntnis bewusst verschließt.

b) Der Senat verbleibt auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten bei seiner im Beschluss vom 20. April 2006 geäußerten Bewertung, dass sich eine positive Kenntnis der Antragstellerin von der Wiederaufnahme von Auftragsverhandlungen mit allen Preisträgern des Wettbewerbs anhand schriftlicher Unterlagen nicht nachweisen lässt.

aa) Ein direkter Urkundsbeweis der Kenntnis kann sich nur aus Erklärungen der Antragstellerin selbst ergeben (vgl. Summa in: Heiermann/ Zeiss/ Kullack/ Blaufuß, jurisPK-VergR, § 9 Rn. 130; Portz in: Niebuhr/ Kulartz/ Kus/ Portz, VergabeR, 1999, § 107 Rn. 30). Dies ist hier nicht der Fall. Schriftliche Erklärungen der Antragstellerin aus der Zeit vor dem 8. Februar 2006, die auf ein Erkennen der Wiederaufnahme der Auftragsverhandlungen mit allen Preisträgern des Wettbewerbs schließen ließen, liegen nicht vor. Auch spätere schriftliche Erklärungen der Antragstellerin lassen entsprechende Rückschlüsse nicht zu.

bb) Die der Antragstellerin vom Antragsgegner vor dem 8. Februar 2006 übersandten Schreiben sind in inhaltlicher Hinsicht mehrdeutig und waren daher nicht geeignet, bei der Antragstellerin eine klare Vorstellung von der beabsichtigten Vorgehensweise des Antragsgegners zu erzeugen.

(1) Insoweit ist zunächst maßgeblich, dass die Antragstellerin von einer Beendigung des ursprünglichen Verhandlungsverfahrens zum Abschluss eines Vertrages über die Erbringung von Architektenleistungen der Leistungsphasen 2 bis 4 nach § 15 HOAI für das o.g. Bauvorhaben ausgehen durfte. Die mit ihr geführten ausgiebigen Auftragsverhandlungen hatten zur Unterzeichnung von drei Verträgen geführt. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beendet ein Vertragsschluss regelmäßig das Vergabeverfahren, §§ 24 Abs. 1 Satz 2, 16 Abs. 1 VOF. Soweit der Antragsgegner danach in die Auftragsverhandlungen wieder eintreten wollte, bedurfte dies - ungeachtet der Frage, inwieweit er hierzu überhaupt berechtigt war (vgl. hierzu BayObLG, Beschluss v. 5. November 2002, Verg 22/02 = VergabeR 2003, 186; auch Locher in: Müller-Wrede, Komm. z. VOF, 2. Aufl. 2003, § 25 Rn. 47 f.) - zumindest der klaren und unmissverständlichen Mitteilung dieser Absicht (vgl. VK Nordbayern, Beschluss v. 10. Oktober 2002, 320.VK-3194 - 28/02 = IBR 2003, 43).

(2) Die "Einladung zum Symposium ..." vom 27. Januar 2006 erfüllt diese Anforderungen nicht.

Bereits die Betreffzeile ist nicht nur - wie die Beigeladene verharmlosend einräumt - "unglücklich formuliert", sie ist schlicht und einfach irreführend und provoziert Missverständnisse. Ein Symposium kennen weder die VOF selbst noch die vom Antragsgegner angewandten Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaus und des Bauwesens (GRW 1995). Nach allgemeinem Sprachgebrauch handelt es dabei um einen wissenschaftlichen Meinungsaustausch und gerade nicht um Vertragsverhandlungen.

Der in der Einladung in Bezug genommene Fragenkatalog ist ungeeignet, auf solche völlig von vorn beginnende Auftragsverhandlungen mit mehreren Bietern hinzudeuten. Die inhaltlichen Anforderungen des Fragebogens bewegen sich tatsächlich im Bereich der Optimierung des eigenen Entwurfs der Antragstellerin und waren mithin ambivalent; d.h. sie konnten zumindest auch als eine Optimierung innerhalb des Vertragsverhältnisses verstanden werden. Hieran vermag der eher beiläufige Hinweis darauf, dass ein Fragenkatalog für jeden Preisträger ausgearbeitet worden sei, nichts zu ändern.

Der beigelegte Zeitplan, der sich auf das komplette Bauvorhaben, d.h. aus Sicht der Antragstellerin auf alle acht Leistungsphasen nach § 15 HOAI, bezog, konnte durchaus als Fortschreibung des ursprünglichen Zeitplanes aufgefasst werden, wie er bereits Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen gewesen ist. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes ist die Erwähnung eines "Verhandlungsverfahrens zur Neubeauftragung" in der Überschrift zwar geeignet, bei einem sorgfältigen Leser das Bedürfnis nach einer Nachfrage zu wecken; hieraus ergäbe sich jedoch allenfalls eine fahrlässige Unkenntnis der Antragstellerin. Der Zeitpunkt des beabsichtigten Vertragsabschlusses hingegen ist schon nicht mehr im Zeitplan aufgeführt.

Hinzu kommt, dass die besonders kurze Fristsetzung (zwei Arbeitstage) die Aufmerksamkeit des Adressaten des Einladungsschreibens sofort auf die inhaltlich an ihn gestellten Anforderungen lenkt und es aus Sicht der Antragstellerin auch unwahrscheinlich erscheinen ließ, dass die anderen Preisträger des Wettbewerbs, die zu diesem Zeitpunkt seit mehr als sechs Monaten nicht mehr in die Planungsgespräche einbezogen waren, in seriöser Weise an dem "Symposium" hätten teilnehmen können.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine unmissverständliche Erklärung des Antragsgegners, dass mehrere Bieter zu erneuten Auftragsverhandlungen geladen worden sind, bzw. eine transparente Bezeichnung des beabsichtigten Gespräches als Auftragsverhandlung fehlt.

(3) Entgegen der Auffassung der Vergabekammer lassen auch die Kündigungen der Planungsverträge einen zwingenden Schluss darauf nicht zu, dass der Antragstellerin hierdurch die beabsichtigte Wiederaufnahme von Auftragsverhandlungen mit allen fünf Preisträgern bekannt geworden ist.

Die Kündigung der nach monatelangen Optimierungsverhandlungen geschlossenen Verträge wenige Wochen nach deren Abschluss und ohne Angabe eines konkreten Kündigungsgrundes hatte für die Antragstellerin in vergaberechtlicher Hinsicht keinen Erklärungswert. Mit den Kündigungen wurden u.U. vertragsrechtliche Streitigkeiten ausgelöst; das Hauptaugenmerk der Antragstellerin richtete sich auf die Durchsetzung der Erfüllung der einmal geschlossenen Verträge. Im Zusammenhang mit dem Zugang der Einladung zu einem weiteren Optimierungsgespräch ist die von der Antragstellerin für sich in Anspruch genommene Bewertung dieses Vorgangs als taktisches Mittel zur Ausübung eines erhöhten Drucks zur weiteren wirtschaftlichen Optimierung des Planungsentwurfs sehr nahe liegend.

Insoweit kann es offen bleiben, ob die Kündigung des Vertrags Gebäude unter Nr. A 77/05 der Antragstellerin bereits vor dem 30. Januar 2006 per Fax zugegangen ist, wie die Zeugin W. angegeben hat. Für die Richtigkeit dieser Angabe spricht zwar die Vorlage eines Sendeprotokolls mit der Fax-Nummer der Antragstellerin und einem O.K.-Vermerk.; dagegen jedoch, dass der Antragsgegner dieses Fax erstmalig im Termin der Beweisaufnahme vor dem Senat präsentiert hat. Letzterer Umstand wiegt umso schwerer, als der späte Zugang der Kündigungserklärungen bei der Antragstellerin wegen der Übersendung lediglich mit einfacher Post im Verfahren vor der Vergabekammer unstreitig war und der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren vor dem Senat zumindest zweimal Veranlassung gehabt hätte, seinen eigenen Sachvortrag entsprechend zu ergänzen. Dieser Anlass bestand zum Einen nach der ausdrücklichen Aufforderung des Senats zur Vervollständigung der Vergabeakten und dem Hinweis auf die vorläufige Auffassung des Senats über die Beweisfälligkeit des Antragsgegners hinsichtlich der Verletzung der Rügeobliegenheit mit Beschluss vom 20. April 2006; zum Anderen bei Vorlage der email der Zeugin W. vom 27. April 2006.

(4) Der Antragsgegner konnte schließlich auch keine von der Antragstellerin bestätigte Niederschrift über den Inhalt des am 1. Februar 2006 geführten Gespräches mit der Antragstellerin vorlegen, aus der sich der Zweck dieses Gespräches unmissverständlich hätte ergeben können. Ein offizielles Protokoll über das angeblich als Auftragsverhandlung geführte Gespräch existiert nach Angaben des Antragsgegners, die er auch auf eindringlichen Vorhalt des Senats aufrecht erhielt, nicht.

c) Die Anhörung des Mitgeschäftsführers der Komplementärin und projektleitenden Architekten der Antragstellerin, Dipl.-Ing. K. St. , sowie die Vernehmung der Zeuginnen W. und K. vermochten die Zweifel des Senats an einer Kenntnis der Antragstellerin vom Wiederaufgreifen der Auftragsverhandlungen vor dem 8. Februar 2006 nicht zu zerstreuen.

aa) Zwar haben der Architekt St. und die Zeugin W. das gemeinsame Telefongespräch am Abend des 27. Januar 2006 jeweils bestätigt. Hinsichtlich des genauen Inhalts dieses Gespräches haben sie jedoch unterschiedliche Angaben gemacht, ohne dass der Senat eine Überzeugung von der Richtigkeit der einen oder der anderen Darstellung erlangen konnte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist wohl davon auszugehen, dass die Antragstellerin darüber informiert wurde, dass auch die anderen Preisträger zum Symposium eingeladen worden seien. Unzweifelhaft hat die Zeugin W. dem Architekten St. jedoch den Grund der Kündigung und damit auch den wahren Hintergrund des "Symposiums" vom 1. Februar 2006 nicht benannt. Dies hat sie selbst eingeräumt. Auch die Begriffe "Verhandlungsverfahren" oder "Auftragsverhandlungen" sind von keinem der Gesprächspartner nicht gebraucht worden. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es aus Sicht der Antragstellerin eher darauf ankam, ob ein Vertreter des MBV LSA (als wahrer Entscheidungsträger) am 1. Februar 2006 anwesend sein würde und dass die Antragstellerin das Symposium nicht als Auftragsverhandlung, sondern als Rückfrage-Kolloquium einordnete, ist nicht bewiesen, dass die Antragstellerin in Person ihres Architekten St. am 27. Januar 2006 Kenntnis über die Wiederaufnahme der Auftragsverhandlungen erlangt hat.

bb) Der Senat hat schließlich aus seiner Beweisaufnahme auch nicht die Überzeugung gewonnen, dass der Antragstellerin im Gespräch am 1. Februar 2006 bewusst geworden ist, dass erneute Auftragsverhandlungen geführt werden.

Die Zeugin S. K. hat den Verlauf des Gesprächs zunächst so dargestellt, dass das Gespräch eingeleitet worden sei mit der Bemerkung, dass die HU-Bau in ihrer derzeitigen Form nicht genehmigungsfähig sei und dass danach sofort der Fragenkatalog der Einzelfragen abgearbeitet worden sei. Diese Angaben, die sich mit den Angaben des Architekten St. über den Gesprächsverlauf decken, als wahr unterstellt, wäre in dem Gespräch vom 1. Februar 2006 sogar bewusst verschleiert worden, dass neue Auftragsverhandlungen stattfinden. Denn dann hätte der Antragsgegner bewusst den Eindruck bloßer Optimierungsgespräche erzeugt, ohne die Auftragserteilung ernsthaft in Frage zu stellen. Für die Richtigkeit dieser Darstellungen spricht, dass sie sich mit dem Inhalt der persönlichen Aufzeichnungen der Mitarbeiter des Antragsgegner decken. Hierfür spricht weiter, dass intern in Absprache mit dem MBV LSA und dem Landesrechnungshof bereits im Januar 2006 die Entscheidung getroffen worden war, die Antragstellerin nicht weiter zu beauftragen.

Der Senat geht in Gesamtschau aller Beweismittel und unter Berücksichtigung insbesondere der jeweiligen Reaktionen der Antragstellerin auf die diversen Schreiben des Antragsgegners bis zur Einleitung des Nachprüfungsverfahrens jedenfalls davon aus, dass der Antragstellerin in dem Gespräch am 1. Februar 2006 nicht bewusst geworden ist, dass eine Auftragserteilung an einen anderen der Preisträger des Wettbewerbs in Betracht kam. Zwar hat die Zeugin S. K. auf gezielte Nachfrage angegeben, dass mit der Antragstellerin erörtert worden sei, dass Gespräche mit allen Preisträgern geführt werden. Dies hat der Architekt St. in Abrede gestellt. Diese Kenntnis bei der Antragstellerin selbst unterstellt, ließe nicht zwingend auf neue Auftragsverhandlungen in toto schließen, weil im Wettbewerb beispielsweise auch Ankäufe vorgenommen worden waren, die nunmehr hinterfragt und ggf. dem Planungsentwurf der Antragstellerin hätten beigestellt werden können.

Allerdings hat die Zeugin W. darüber hinaus angegeben, dass der Gesprächsleiter A. des Antragsgegners alle Gespräche dieses Tages jeweils damit eingeleitet habe, dass er die Kündigung der Verträge mit der Antragstellerin und den Beginn eines "neuen Verfahrens" erwähnt habe. Dies macht Sinn im Hinblick auf die anderen Preisträger des Wettbewerbs, die sich u.U. gewundert haben mögen, nach so langer Zeit erneut zu einem Gespräch geladen worden zu sein. Der Senat ist jedoch allein aufgrund dieser Zeugenaussage nicht davon überzeugt, dass Herr A. auch das Gespräch mit der Antragstellerin so eingeleitet hat. Der Antragsgegner hat die Kenntnis der Antragstellerin vom Wiederaufgreifen der Auftragsverhandlungen in seinen Schriftsätzen im Nachprüfungsverfahren zu keiner Zeit aus dem Inhalt des Gespräches vom 1. Februar 2006 hergeleitet, was im Falle der von der Zeugin W. geschilderten Gesprächsführung nahe gelegen hätte. Er hat sich stets auf schwache Indizien gestützt und den Inhalt des Gespräches vom 1. Februar 2006 selbst dann nicht von sich aus angeführt, nachdem der Senat bereits auf eine mögliche Beweisfälligkeit hingewiesen hatte. Es gibt keinerlei Aufzeichnungen über diese relevante Passage des Gesprächs. Schließlich hat die Antragstellerin auf die erstmalige schriftliche Mitteilung, aus der die Durchführung von Auftragsverhandlungen unmissverständlich hervorging, sofort und heftig schriftlich reagiert. Ein solches Verhalten wäre zwar auch so erklärbar, dass die Antragstellerin sich in Kenntnis neuer Auftragsverhandlungen irrtümlich zu sicher gefühlt haben mag, den Auftrag wieder zu erhalten. Zweifelsfrei ist ein solcher Schluss aber nicht. Angesichts dieser Unsicherheiten in tatsächlicher Hinsicht ist eine s.g. Beweislastentscheidung zu treffen: der fehlgeschlagene Nachweis einer früheren Kenntnis der Antragstellerin vom Wiederaufgreifen der Auftragsverhandlungen wirkt sich zu Ungunsten des Antragsgegners aus; die Rüge der Antragstellerin ist danach unverzüglich nach dem ihr nachweisbaren Zeitpunkt der ersten Kenntnis erhoben.

3. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist hinsichtlich des Antrags zu Ziffer 2) ihrer Beschwerdeschrift begründet, hinsichtlich des Hilfsantrags zu Ziffer 3a) ist er unbegründet.

3.1. Die Antragstellerin rügt zu Recht als vergaberechtswidrig, dass der Antragsgegner am 1. Februar 2006 Auftragsverhandlungen zum Abschluss von Verträgen über die Erbringung von Architektenleistungen durchgeführt hat, ohne ausreichend transparent zu machen, dass es sich hierbei um ein neues bzw. wieder aufgegriffenes Verhandlungsverfahren handelt und dass gegenüber dem ursprünglichen Wettbewerb veränderte Auftragskriterien, jedenfalls neu gewichtete Auftragskriterien zur Anwendung kommen.

3.1.1. Der Antragsgegner hat im Januar 2006 nicht in ausreichendem Maße für alle Bieter kenntlich gemacht, dass er ein bereits abgeschlossenes Verhandlungsverfahren wieder aufgreift.

Der Antragsgegner hatte im Anschluss an den Realisierungswettbewerb ein Verhandlungsverfahren allein mit der Antragstellerin durchgeführt, und zwar im Zeitraum von Anfang August bis Dezember 2005. Diese Verfahrensweise des Antragsgegners war jedenfalls von keinem der anderen Preisträger beanstandet worden. Das Verhandlungsverfahren zur Vergabe der Architektenleistungen der Leistungsphasen 2 bis 4 nach § 15 HOAI für das Gebäude, die Frei- und die Verkehrsanlagen (mit Einschränkungen des Leistungsumfangs) war durch die Vertragsabschlüsse im Dezember 2005 beendet worden, §§ 24 Abs. 1, 16 Abs. 1 VOF.

Beabsichtigt ein öffentlicher Auftraggeber, ein formell bereits abgeschlossenes Vergabeverfahren wieder aufzugreifen, wie hier der Antragsgegner nach seinen eigenen Angaben im Schreiben an die Antragstellerin vom 17. Februar 2006 sowie im Nachprüfungsverfahren, so ist er gehalten, diese Absicht in unmissverständlicher Art und Weise zumindest den Bietern dieses Verfahrens bekannt zu geben. Dies gilt umso mehr, als ein Wiederaufgreifen des beendeten Vergabeverfahrens allenfalls ausnahmsweise in Betracht kommen kann, etwa bei vergaberechtswidriger Aufhebung der Ausschreibung. Dabei kann offen bleiben, ob ein Wiederaufgreifen des Verhandlungsverfahrens wegen vergaberechtswidriger Nichtbeteiligung der anderen Preisträger hier überhaupt zulässig gewesen wäre. Gerade wegen ihrer fraglichen Zulässigkeit wäre diese Vorgehensweise jedenfalls offen zu legen gewesen. Dieser aus dem Transparenzgebot folgenden Pflicht ist der Antragsgegner nicht nachgekommen. Eine ausdrückliche Mitteilung des Wiederaufgreifens eines Verhandlungsverfahrens unter z.T. veränderten Bedingungen, nämlich nunmehr mit allen Preisträgern parallel, hat der Antragsgegner zumindest der Antragstellerin nicht übersandt. Die Antragstellerin war nicht in der Lage, sich auf die geänderte Situation in angemessener Weise einzustellen.

3.1.2. Eine gleichartige Mitteilungspflicht hätte dem Antragsgegner im Übrigen auch oblegen, wenn er ein neues Verhandlungsverfahren im Anschluss an den zuvor durchgeführten Realisierungswettbewerb hätte beginnen wollen.

Nach den Feststellungen des Senats hat der Antragsgegner - entgegen seiner eigenen Darstellung - nicht das ursprüngliche Verhandlungsverfahren wegen eines Verfahrensfehlers, der von keinem der Bieter gerügt worden war, wieder aufgegriffen, sondern er hat ein neues Verhandlungsverfahren mit geänderten Auftragskriterien durchgeführt. Der wahre Grund der Aufnahme neuer Auftragsverhandlungen lag darin, dass die von der Antragstellerin auf der Grundlage ihres Planungsentwurfes erstellte Haushaltsunterlage Bau (künftig: HU-Bau) mehrfach vom MBV LSA abgelehnt worden war und das Fachministerium, initiiert durch den Landesrechnungshof, auf die Realisierung einer stärker den wirtschaftlichen Belangen als den städtebaulichen Wünschen Rechnung tragenden Gestaltungsvariante des Bauvorhabens drängte.

3.1.3. Im Hinblick auf die tatsächliche Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens hätte es dem Antragsgegner nach § 16 Abs. 3 VOF weiter oblegen, die nunmehr zur Anwendung bestimmten Auftragskriterien den Bietern vorab bekanntzugeben, und zwar auch unter Mitteilung der im Voraus aufgestellten Gewichtung dieser Kriterien (vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 31. März 2004, 1 Verg 1/04 "Sachversicherung" - ZfBR 2004, 497; OLG Düsseldorf, Beschlüsse v. 16. Februar 2005, VII-Verg 74/04 "Dienstpistolen" - VergabeR 2005, 364; v. 23. März 2005, VII-Verg 77/04, und v. 16. November 2005, VII-Verg 59/05; ). Der Antragsgegner hat insoweit auch versäumt, den Zeitpunkt der Aufstellung der neuen Gewichtung der Auftragskriterien im Vergabevermerk zu dokumentieren (vgl. OLG Bremen, Beschluss v. 14. April 2005, Verg 1/05 - VergabeR 2005, 537; auch OLG Celle, Beschluss v. 2. September 2004, 13 Verg 14/04 "Informatikzentrum").

3.2. Zur Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Antragsgegner zu untersagen, einen oder mehrere Verträge zur Erbringung von Architektenleistungen nach § 15 HOAI für das o.a. Bauvorhaben mit einer anderen natürlichen oder juristischen Person i.S. des Unternehmensbegriffs des § 99 Abs. 1 GWB abzuschließen, ohne zuvor ein in der VOF vorgesehenes Vergabeverfahren durchzuführen. Dies kann ein erneuter Realisierungswettbewerb mit sich anschließendem Verhandlungsverfahren oder ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb sein - diese Varianten kommen insbesondere für den Fall in Betracht, dass die notwendige Identität des Beschaffungsvorganges zu dem Bauvorhaben, welches Gegenstand des Realisierungswettbewerbs gewesen ist, nicht mehr gewahrt bleibt. Dies kann unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 lit. c) VOF jedoch auch ein Verhandlungsverfahren ohne (erneute) Vergabebekanntmachung im Anschluss an den im Jahre 2005 durchgeführten Realisierungswettbewerb sein. Die Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens nach den Vorschriften der VOF ist nur dann entbehrlich, wenn der Antragsgegner die Antragstellerin mit der Erbringung der Restarbeiten aus den vorzeitig gekündigten Verträgen vom Dezember 2005 beauftragt.

3.2.1. Die derzeit beabsichtigte Auftragserteilung, also die Erbringung der Architektenleistungen der Leistungsphasen 2 bis 4 nach § 15 HOAI für einen anderen Planungsentwurf als denjenigen der Antragstellerin, unterfällt der EU-weiten Ausschreibungspflicht.

Die Vergabestelle ist als Eigenbetrieb des Bundeslandes öffentlicher Auftraggeber i.S.v. § 98 Nr. 1 GWB. Es handelt sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag i.S.v. § 99 Abs. 1 und 4 GWB. Der hierfür nach § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 Nrn. 3 und 5 VgV 2005 maßgebliche Schwellenwert in Höhe von 200.000 EUR ist durch das Gesamthonorar weit überschritten. Ein Ausschlussgrund i.S.v. § 100 Abs. 2 GWB ist nicht ersichtlich.

Etwas Anderes gilt lediglich dann, wenn der Antragsgegner die Fortführung der Arbeiten durch die Antragstellerin auf der Grundlage ihres ursprünglichen Wettbewerbsbeitrages beauftragen will: Diesen Falls wird der Schwellenwert nicht erreicht.

3.2.2. Eine EU-weite Bekanntmachung der beabsichtigten Auftragsvergabe erfolgte bisher im Rahmen der Ausschreibung des Realisierungswettbewerbs im Jahre 2005. Unter der Voraussetzung, dass die Identität des Beschaffungsvorgangs des Antragsgegners im Hinblick auf diesen Realisierungswettbewerb erhalten bleibt, wäre eine erneute EU-weite Bekanntmachung des Verhandlungsverfahrens hier entbehrlich.

Nach § 5 Abs. 2 lit. c) VOF darf die Vergabe eines freiberuflichen Dienstleistungsauftrages in einem Verhandlungsverfahren ohne (erneute) EU-weite Vergabebekanntmachung erfolgen. Dies erfordert zunächst, dass sich die Auftragsvergabe u.a. an einen Realisierungswettbewerb i.S.v. § 25 VOF anschließt. Die derzeit beabsichtigte Beauftragung mit der Erbringung konkreter Planungsleistungen steht hier in einem unmittelbaren funktionalen Zusammenhang zu dem vorgeschalteten Realisierungswettbewerb für dasselbe Bauvorhaben (vgl. auch EuGH, Urteil v. 14. Oktober 2004, C-240/02 "KOM ./. Frankreich (CUM)" - WuW/E Verg 1083). Weiter ist notwendig, dass der öffentliche Auftraggeber sich bereits in der Bekanntmachung des Wettbewerbs zur Auftragserteilung an den Gewinner bzw. an einen der Preisträger verpflichtet hat. Auch diese Voraussetzung ist hier unzweifelhaft erfüllt.

3.2.3. Die Durchführung des vorgenannten Verhandlungsverfahrens ohne erneute Vergabebekanntmachung ist unter der im vorstehenden Abschnitt der Gründe aufgeführten Bedingung beschränkt auf die zweite Verfahrensstufe, d.h. hinsichtlich der Auswahl der Bewerber nach §§ 10 ff. VOF bleiben die Ergebnisse des vorherigen beschränkten Realisierungswettbewerbs maßgeblich. Eine erneute Auswahl der Bieter ist dann entbehrlich. Alle Preisträger des Wettbewerbs sind schriftlich zur Durchführung von Auftragsverhandlungen aufzufordern. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der Antragsgegner hiervon nicht freigestellt, weshalb die Antragstellerin mit ihrem hinter dem Hilfsantrag zu Ziffer 3a) stehenden Begehren auch ohne Erfolg bleibt.

a) Die Bekanntmachung des Wettbewerbs ist dahin auszulegen, dass sich der Antragsgegner zwar im Falle und im Umfange der Realisierung des Bauvorhabens zur Erteilung der damit verbundenen Architektenaufträge nach § 15 HOAI an einen oder mehrere der Preisträger verpflichtet hat, § 25 Abs. 9 VOF, nicht jedoch zur Beauftragung des 1. Preisträgers.

Allerdings ist der Text der EU-weiten Vergabebekanntmachung in sich widersprüchlich. Unter Ziffer IV. 4.3. des Bekanntmachungsformulars ist lediglich von einem oder mehreren Gewinner(n) die Rede, während in den Sonstigen Informationen zu dieser Ziffer eine Auftragserteilung an einen oder mehrere Preisträger angekündigt wird. Gegen eine ausschließliche Beauftragung des 1. Preisträgers spricht bereits, dass mehrere Preise und weitere Ankäufe ausgelobt worden sind und dass die Erteilung des Auftrags von der Anerkennung bestimmter Vertragsbedingungen abhängig gemacht wird, was eine Auftragsverhandlung voraussetzt und die Möglichkeit der Ablehnung dieser Vertragsbedingungen durch den 1. Preisträger einschließt. Allein diese Umstände legten es unter weiterer Berücksichtigung des mit der Durchführung eines Wettbewerbs regelmäßig verbundenen erheblichen Aufwands aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nahe, dass der Antragsgegner sich eine Verhandlung mit allen Preisträgern vorbehalten wollte.

Der Antragsgegner hat diesen Widerspruch jedenfalls durch seine Auslobungsunterlagen geklärt: Dort wird ausdrücklich nur von einer Auftragsvergabe an einen oder mehrere Preisträger geschrieben; im Übrigen wird auf § 25 Abs. 9 VOF mit gleichem Wortlaut Bezug genommen.

b) Ein Anspruch der Antragstellerin auf eine ausschließliche Auftragsverhandlung des Antragsgegners mit ihr kann auch nicht auf § 5 Abs. 2 lit. f) VOF gestützt werden. Insoweit fehlt es bereits an einer entsprechenden ausdrücklichen Ankündigung in der Bekanntmachung des Wettbewerbs.

3.2.4. Die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens erfordert, dass der Antragsgegner vor Beginn der Auftragsverhandlungen die Auftragskriterien, die er anwenden möchte, und deren Gewichtung den Preisträgern des Wettbewerbs bekannt gibt. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

3.3. Nur vorsorglich verweist der Senat darauf, dass er den Hilfsantrag zu Ziffer 3b) als hilfsweise gestellt auch in Bezug zum Antrag zu Ziffer 2) auslegt, so dass dieser Hilfsantrag nicht gesondert zu bescheiden war.

III.

1. Nebenentscheidungen hinsichtlich des Verfahrens vor der Vergabekammer:

1.1. Die Entscheidung über die Kostentragung im Verfahren vor der Vergabekammer beruht auf § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner sind als teilweise Unterlegene i.S. dieser Vorschrift anzusehen, die Antragstellerin wegen der Verwerfung ihres auf Feststellung der Unwirksamkeit der Vertragskündigungen gerichteten Antrags, der Antragsgegner wegen der gegen ihn getroffenen Anordnung.

1.2. Rechtsgrundlage der Bemessung der Gebühren und Auslagen der Vergabekammer ist § 128 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GWB. Der Senat ist von einem Honorar bis zu 600.000 EUR ausgegangen und hat hier den Richtwert der Gebührentabelle der Vergabekammern des Landes Sachsen-Anhalt, von dem abzuweichen hier keine Anhaltspunkte bestehen, in Ansatz gebracht.

1.3. Die Entscheidung über den teilweisen Ausgleich der außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin ergibt sich aus § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB. Diese Vorschrift sieht eine anteilige Kostenerstattung durch den teilweise Unterlegenen vor. Dem gegenüber war ein entsprechender Ausspruch zu Lasten der Antragstellerin obsolet, weil dem Antragsgegner evident keine außergerichtlichen Auslagen entstanden sind.

Der Senat verkennt nicht, dass die quotenmäßige Teilung der jeweiligen außergerichtlichen Auslagen in der hier vorliegenden Konstellation, in der ein Beteiligter anwaltlich vertreten ist und der andere die Kosten der anwaltlichen Vertretung durch Vorhaltung eigener, zur Verfahrensvertretung berechtigter Personen erspart hat, zu unbilligen Ergebnissen führt (vgl. zu ähnlichen Konstellationen im amtsgerichtlichen Zivilprozess Fischer, DRiZ 1993, 317). Das Gesetz sieht jedoch die Möglichkeit einer Kostenaufhebung, die zu einem wohl sachgerechteren Ergebnis führen würde, nicht vor. Insoweit handelt es sich auch nicht um eine ungewollte Regelungslücke, die zu einem Analogieschluss berechtigte.

2. Nebenentscheidungen im Beschwerdeverfahren:

2.1. Die Kostenlastentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich der außergerichtlichen Auslagen der drei Beteiligten hat der Senat von der in § 92 Abs. 1 ZPO eingeräumten Möglichkeit der Kostenaufhebung Gebrauch gemacht.

2.2. Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Der Senat legt dabei das Honorar des beabsichtigten Vertrages des Antragsgegners mit der Beigeladenen zugrunde.

Ende der Entscheidung

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