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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 13.08.2007
Aktenzeichen: 1 Verg 8/07
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 113 Abs. 1
1. Die Wirksamkeit einer Verlängerungsverfügung des Vorsitzenden der Vergabekammer nach § 113 Abs. 1 GWB hängt nicht von ihrer materiellen Rechtmäßigkeit ab.

2. Gegen eine Verlängerungsverfügung nach § 113 Abs. 1 GWB ist eine isolierte sofortige Beschwerde nicht statthaft.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

1 Verg 8/07 OLG Naumburg

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

betreffend die Vergabe des Auftrags zum Umbau und zur Sanierung des Gebäudes ... als Forschungs- und Verfügungsgebäude, Baubereich 4 - Laboreinrichtungen/Dezentrale Medienversorgung der ... -Universität H. durch den Landesbetrieb Bau

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel sowie die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm am 13. August 2007 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 06.08.2007 gegen die Verfügung des Vorsitzenden der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 30.07.2007 wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe:

I.

Mit ihrem Nachprüfungsantrag vom 28.06.2007 wandte sich die Antragstellerin, die nach dem Ergebnis der Submission auf dem zweiten Rang der Bieterreihenfolge lag, gegen die beabsichtigte Erteilung des Zuschlags an den erstrangigen Bieter. Ziel des Nachprüfungsantrags der Antragstellerin ist eine Wiederholung der Wertung.

Der Antragsgegner ist dem Nachprüfungsantrag in seiner Erwiderung vom 05.07.2007 entgegengetreten.

Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 30.07.2007 teilte die Vergabekammer den Verfahrensbeteiligten mit, dass die Kammer nicht in der Lage sei, die gesetzliche Bearbeitungsfrist von 5 Wochen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 GWB) zu gewährleisten. Die Umstände dieses Einzelfalles machten daher eine Fristverlängerung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB - vorsorglich bis zum 24.09.2007 - unumgänglich.

Gegen diese Fristverlängerung wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde vom 06.08.2007. Er sei sich bewusst, dass im vorliegenden Fall weder der Tatbestand des § 116 Abs. 1 GWB, noch des § 116 Abs. 2 GWB erfüllt sei. Jedoch könne, so meint der Antragsgegner, diese Regelungslücke nicht zwingend zum Ausschluss jeden Rechtsschutzes gegen die Verlängerung der Bearbeitungsfrist durch die Vergabekammer führen. So habe der Gesetzgeber durch eine Vielzahl von Vorschriften, die der Beschleunigung des Verfahrens dienten, seine Intension zum Ausdruck gebracht, eine unangemessener Verfahrensdauer zu vermeiden.

Vor diesem Hintergrund müsse die Regelungslücke im Rechtsschutz gegen verfahrenslenkende Maßnahme der Vergabekammer als planwidrig angesehen werden. In Analogie zu § 116 Abs. 1 und Abs. 2 GWB müsse deshalb eine Beschwerde zugelassen werden.

Diese sei im vorliegenden Fall auch begründet, denn eine Bearbeitungsdauer von insgesamt 11 Wochen sei zu lang. Außerdem seien in dem vorliegenden Fall weder besondere tatsächliche noch rechtliche Schwierigkeiten erkennbar, welche die Fristverlängerung rechtfertigen könnten.

Der Antragsteller beantragt,

die Bearbeitungsfrist gemäß § 113 Abs. 1 GWB auf eine angemessene Dauer, welche in das Ermessen des Beschwerdegerichts gestellt wird, zu verkürzen.

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie sieht weder eine Regelungslücke, die einen Rechtsschutz gegen verfahrensleitende Verfügungen des Vorsitzenden möglich machen könnte, noch hielte sie eine solche im Hinblick auf § 115 Abs. 2 GWB für erforderlich.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nicht statthaft. Die Verlängerungsverfügung des Vorsitzenden gemäß § 113 Abs. 1 GWB kann nicht im Wege der sofortigen Beschwerde angefochten werden.

Die Wirksamkeit der Verlängerungsverfügung hängt nach dem Willen des Gesetzgebers nicht von ihrer Rechtmäßigkeit ab. Die Fristverlängerung wird formal wirksam, auch wenn sie nicht mit einer im Gesetz vorgesehenen Begründung vorgenommen wird, so dass die Ablehnungsfiktion des § 116 Abs. 2 GWB auch dann nicht eintritt, wenn die Verlängerung materiell zweifelhaft erscheint. Eine inhaltliche Überprüfung der Verlängerungsverfügung auf ihrer materielle Rechtmäßigkeit im Wege der sofortige Beschwerde sieht das Gesetz nicht vor. Sie kann auch nicht im Wege der Analogie geschaffen werden, denn eine Regelungslücke liegt nicht vor. Vielmehr stehen der Zweck und die Funktion dieser Fristverlängerung einer inhaltlichen Nachprüfung der Verfügung entgegen (vgl. auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.09.2004, Verg W 9/04 und vom 30.11.2004, Verg W 10/04). Aus Gründen der Rechtssicherheit lässt das Gesetz es nicht zu, dass ein Bieter bei einer formal richtigen, aber inhaltlich zweifelhaften Verlängerungsverfügung noch während des anhängigen Nachprüfungsverfahrens vorsorglich sofortige Beschwerde einlegen müsste, um einen Rechtsverlust zu vermeiden. Erfüllt die Fristverlängerung alle Formerfordernisse, was im vorliegenden Fall außer Zweifel steht, so erlangt sie allein dadurch Rechtswirksamkeit (vgl. Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 1. Aufl. 2006, § 113 Rn. 22).

Der Senat verkennt nicht, dass die Interessen der Vergabestelle durch eine Verlängerung der Bearbeitungsfrist der Vergabekammer erheblich beeinträchtigt werden können. Diese müssen nach dem Gesetz jedoch im Interesse der allgemeinen Rechtssicherheit grundsätzlich hingenommen werden. Im Übrigen weist die Beschwerdegegnerin zu Recht darauf hin, dass der Beschwerdeführer sein Interesse an einem baldigen Zuschlag auch in anderer, vom Gesetz vorgesehener Weise verfolgen kann, indem er einen Antrag nach § 115 Abs. 2 GWB stellt. Ferner bleibt es ihm unbenommen, sich an die zuständige Aufsichtsbehörde zu wenden, wenn er meint, mit der Verlängerungsverfügung habe der Vorsitzende das Beschleunigungsgebot faktisch unterlaufen und eine unangemessene, unbegründete und nicht vertretbare Verzögerung des Verfahrens herbeigeführt. Ob diesen Voraussetzungen vorliegen, hat der erkennende Senat jedoch im Nachprüfungsverfahren nicht zu beurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog.

Ende der Entscheidung

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