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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 20.01.2005
Aktenzeichen: 10 SchH 2/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1029
ZPO § 1032 Abs. 2
ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 2
Zu den Anforderungen an die Kündigung einer wirksam vereinbarten Schiedsklausel wegen wirtschaftlichen Unvermögens eines Vertragspartners.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 SchH 2/04 OLG Naumburg

In dem Verfahren auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 20. Januar 2005 unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, der Richterin am Oberlandesgericht Mertens und der Richterin am Landgericht Göbel

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens aus dem Kooperationsvertrag der Parteien vom 5. Juni 2002 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Der Streitwert für das Verfahren wird auf 6.912,50 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien schlossen am 5. Juni 2002 einen Kooperationsvertrag über die Entwicklung und Erstellung einer Kälteanlage.

§ 12 Abs. 4 des Vertrages hat folgenden Wortlaut: "Streitfragen, die nicht eigenverantwortlich geklärt werden können, werden unter Ausschluss des Rechtswegs vor einer Schiedskommission der zuständigen IHK entschieden und geschlichtet."

Mit Schreiben vom 28. Mai 2004 kündigte der Antragsgegner den Kooperationsvertrag aus wichtigem Grund. Die Antragstellerin kündigte mit Schreiben vom 1. Oktober 2004 die in § 12 Abs. 4 des Vertrags enthaltene Schiedsklausel und berief sich darauf, dass der Antragsgegner finanziell nicht in der Lage sei, die erforderlichen Kostenvorschüsse für das Schiedsverfahren aufzubringen.

Die Antragstellerin behauptet, der Antragsgegner sei nicht in der Lage, die Kosten für ein Schiedsverfahren aufzubringen. Schließlich sei er noch nicht einmal in der Lage gewesen, die Kosten für die Rechtsverteidigung im ordentlichen Gerichtsverfahren (Geschäftszeichen 4 O 1554/04) aufzubringen. Mit Eingang des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 22. September 2004 in diesem Verfahren sei sie zur fristlosen Kündigung der Schiedsvereinbarung berechtigt gewesen. Sein Steuerbescheid ergebe negative Einkünfte für das Jahr 2003. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zahle ihm aufgrund seiner Vermögenslosigkeit Zuschüsse zur Kranken- und zur Pflegeversicherung. Er kämpfe ständig mit finanziellen Problemen und sei seit geraumer Zeit nicht mehr in der Lage gewesen, die nach dem Kooperationsvertrag geschuldeten Entwicklungsleistungen zu zahlen. Auch durch die Rücknahme des Prozesskostenhilfeantrags habe sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragsgegners nichts geändert. Seine Behauptung, er könne sich Geld von Freunden leihen, sei ins Blaue hinein erfolgt. Da sie die persönlichen Verhältnisse des Antragsgegners nicht kenne, sei ein Bestreiten mit Nichtwissen zulässig.

Die Antragstellerin beantragt,

festzustellen, dass Streitigkeiten aus dem zwischen den Parteien am 5. Juni 2002 geschlossenen Kooperationsvertrags nicht im Wege eines schiedsrichterlichen Verfahrens zu klären seien, da die Schiedsklausel nach § 12 Abs. 4 des vorgenannten Kooperationsvertrages durch Kündigung erloschen und ein Schiedsverfahren im übrigen wegen der Vermögenslosigkeit des Antragsgegners undurchführbar sei.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner behauptet, er sei in der Lage, die für die Durchführung des Schiedsverfahrens erforderlichen Kosten über Freunde zu besorgen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig. Der Senat ist gemäß §§ 1032 Abs. 2, i. V. m. 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zur gerichtlichen Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens zuständig.

In der Sache hat der Antrag indes keinen Erfolg. Im gerichtlichen Verfahren gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO hat eine Prüfung dahingehend zu erfolgen, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht, sie durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens dieser Schiedsvereinbarung unterfällt (BayOblGZ 1999, 255). Diese Voraussetzungen liegen vor, so dass die Feststellung der Unzulässigkeit nicht in Betracht kommt.

Insbesondere ist in § 12 Abs. 4 des zwischen den Parteien geschlossenen Kooperationsvertrags eine wirksame Schiedsvereinbarung zu erblicken. Notwendiger Inhalt einer Schiedsvereinbarung gemäß § 1029 ZPO ist es, dass die Entscheidung eines Rechtsstreits den staatlichen Gerichten entzogen und den Schiedsrichtern übertragen wird (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 1029 Rn. 15). Wenn der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nach dem Scheitern des Versuchs, die Meinungsverschiedenheiten anderweitig beizulegen, offenbleiben soll, liegt nur eine Güte- oder Schlichtungsvereinbarung vor (Zöller/Geimer, a. a. O., Rn. 29). Vorliegend haben die Parteien den Rechtsweg indes ausdrücklich ausgeschlossen, so dass keine Zweifel daran bestehen, dass die Streitfragen, die sich aus dem Kooperationsvertrag ergeben, vor einem Schiedsgericht geklärt werden sollen.

Auch ist die Schiedsvereinbarung nicht außer Kraft getreten. Im Falle der Verarmung einer Partei mit der Folge, dass sich die Durchführung des Schiedsverfahrens praktisch als unmöglich erweist, hat die Rechtsprechung auf der Grundlage des seinerzeit geltenden Schiedsverfahrensrechts ein Kündigungsrecht für die Parteien entwickelt (BGH, NJW 1980, 2136; NJW 1988, 1215 f.). Im Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz vom 22. Dezember 1997 (BGBl.I 3224) ist dieses nach bisherigem Recht im Falle der Undurchführbarkeit des Schiedsvertrags bestehende Kündigungsrecht nicht übernommen worden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass im Falle eines Rechtsstreits die Schiedseinrede eines Beklagten schon dadurch zu Fall gebracht werden kann, dass das Gericht entsprechend dem Klägervortrag feststellt, die Schiedsvereinbarung sei undurchführbar geworden (BGH, NJW 2000, 3720, 3721). Vergleichbares muss auch für die hier beantragte Feststellung der Antragstellerin im Verfahren des § 1032 Abs. 2 ZPO gelten. Ungeachtet dessen stand es der Antragstellerin frei, die Kündigung der Schiedsvereinbarung zu erklären. Diese und damit auch der Antrag gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO hätten aber nur Erfolg, wenn der Antragsgegner in Armut gefallen wäre und die für die Durchführung des Schiedsverfahrens notwendigen Vorschüsse nicht mehr aufbringen könnte. Hiervon kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden.

Der Vortrag der Antragstellerin zu dem Unvermögen des Antragsgegners ist nämlich unsubstantiiert. Sie ist demnach der ihr für die Voraussetzungen der Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen.

Im hiesigen Verfahren kommt es nicht darauf an, ob ein Bestreiten mit Nichtwissen möglich ist, da die Antragstellerin den Beweis des finanziellen Unvermögens des Antragsgegners nach allgemeinen Grundsätzen zu erbringen hat. Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte, dem Antragsgegner eine erhöhte sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen oder gar eine Beweislastumkehr anzunehmen. Da die Antragstellerin das in der Schiedsvereinbarung vorgesehene Verfahren noch nicht eingeleitet hat, kann sie sich insbesondere nicht darauf berufen, der Antragsgegner sei seinen Zahlungspflichten nicht nachgekommen. Ein solches Verhalten hätte allerdings in der Tat den Schluss ermöglicht, dass der Antragsgegner zur Vorschussleistung im Schiedsverfahren nicht in der Lage ist. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin reicht indes der Hinweis auf die Darlegungen des Antragsgegners im Rechtsstreit mit dem Geschäftszeichen 4 O 1554/04, der vor dem beschließenden Senat unter dem Geschäftszeichen 10 U 5/04 bis zur Berufungsrücknahme der hiesigen Antragstellerin anhängig war, nicht aus. Aus diesen ergibt sich zwar, dass der Antragsgegner lediglich über eine monatliche Altersrente (nebst Zuschuss zur Krankenversicherung) verfügt, die nicht ausreicht, seine monatlichen Ausgaben zu decken, gleichwohl steht derzeit nicht fest, dass er zur Aufbringung der erforderlichen Vorschüsse im Schiedsverfahren nicht willens und in der Lage ist. Es kann nicht ohne weitere Anhaltspunkte angenommen werden, dass er die erforderlichen Mittel nicht von dritter Seite erhalten kann.

Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von den von der Rechtsprechung im Rahmen der Verarmung einer Partei des schiedsrichterlichen Verfahrens entschiedenen Fälle, auf die die Antragstellerin teilweise Bezug genommen hat. In diesen war dieser Umstand sämtlich unstreitig (BGH, NJW 1980, 2136 und NJW 2000, 3720, 3721 - der dortige Beklagte hat sich jeweils darauf berufen, sogar schon bei Abschluss der Schiedsabrede vermögenslos gewesen zu sein; NJW 1988, 1215 - jedenfalls im zweiten Rechtszug war wirtschaftliches Unvermögen anzunehmen; der dortige Beklagte berief sich auf eine Pflicht des Klägers, Vorschuss für ihn zu leisten).

Abschließend sei bemerkt, dass im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO eine Amtsermittlung nicht stattfindet, sondern eine Beweisaufnahme nach allgemeinen Regeln durchzuführen ist; einzig im Rahmen des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO besteht die Pflicht zur Prüfung von Amts wegen (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 25. Auflage, § 1063 Rn. 7; Musielak/Münch, ZPO, 4. Auflage, § 1063 Rn. 8).

Sonstige Gründe, welche dem Antrag des Antragstellers zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Feststellung des Gegenstandswertes findet ihre Grundlage in §§ 2, 3 ZPO. Er wurde mangels weiterer Angaben auf ein Zehntel des im Ursprungsrechtsstreit von der Antragstellerin angesetzten Werts festgesetzt (1/10 von 69.125,00 Euro).

Ende der Entscheidung

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