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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 26.06.2006
Aktenzeichen: 10 U 11/06
Rechtsgebiete: SortG


Vorschriften:

SortG § 10 a Abs. 6
Zu den Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs eine Sortenschutzinhabers gem. § 10 a Abs. 6 SortG.

Auch im Sortenschutzprozess kommt es - wie auch sonst im Zivilprozess - für die Frage des Auskunftsanspruchs dem Grunde nach nicht auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der zu erteilenden Auskunft an. Eine Analysepflicht des Aufbereitungsmaterials durch den Auskunftspflichtigen ist weder den nationalen noch dem gemeinschaftlichen Normen zu entnehmen.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 U 11/06 OLG Naumburg

verkündet am: 26. Juni 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2006 unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Mertens, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und der Richterin am Amtsgericht Westerhoff

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. Dezember 2005 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000,00 Euro nicht.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht als Vereinigung von Sortenschutzinhabern national und nach Gemeinschaftsrecht geschützter Sorten in eigenem Namen Auskunftsansprüche betreffend den Umfang der Aufbereitung von Erntegut geltend.

Die Beklagte zu 1), deren Komplementärin die Beklagte zu 2) ist, ist als sogenannte Aufbereiterin tätig, das heißt, sie bereitet Erntegut zu Anbauzwecken auf, das Landwirte durch den Anbau von Vermehrungsmaterial im eigenen Betrieb gewonnen haben und als Vermehrungsmaterial zu verwenden beabsichtigen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten,

ihr Auskunftsanspruch für national geschützte Sorten sei - im Gegensatz zu gemeinschaftsrechtlich geschützten Sorten - nicht von einem qualifizierten Auskunftsersuchen in den betreffenden Wirtschaftsjahren abhängig. Wenn ein Aufbereiter sich auf eine angebliche Sortenunkenntnis berufen wolle, so müsse er substantiiert darlegen, dass er sich entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 1 SaatAufzV nicht über die Sorte informiert habe. Die Beklagten hätten lediglich lapidar behauptet, mit wenigen Ausnahmen keine Kenntnis von den Sorten zu haben. Dass sie aber ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen seien, werde bestritten.

Nach einer teilweisen Klagerücknahme hat die Klägerin zuletzt beantragt,

die Beklagten zu verurteilen

1. ihr

1.1. Auskunft darüber zu erteilen, ob die Beklagte zu 1) Erntegut, das ein Landwirt durch den Anbau von Vermehrungsmaterial im eigenen Betrieb gewonnen und dort als Vermehrungsmaterial zu verwenden beabsichtigt hat, aufbereitet hat; und

1.2. wenn und soweit die Beklagte zu 1) derartige Aufbereitungshandlungen durchgeführt hat, Auskunft über

- die Namen und Anschriften des oder der Auftraggeber/s,

- die Sortenbezeichnung des jeweils aufbereiteten Ernteguts,

- die Menge der jeweils zur Aufbereitung gelieferten Rohwaren in dt,

- die Menge der jeweils nach der Aufbereitung abgegebenen Saatware in dt und

- den jeweiligen Zeitpunkt und den Ort der Aufbereitung

zu erteilen,

und zwar jeweils

a. für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 im Hinblick auf die nachfolgend aufgeführten Sorten

 Sortenschutzinhaber/NutzungsberechtigerSorteArtEU-Sorte/Deutsche SorteSortenschutz seit dem/bis zu dem
CEBECO SAATEN GmbHRitmo Winterweizen  
 SemperWinterweizenEU 
DLF-TrifoliumNitoucheFuttererbseEU 
Dr. J. Ackermann & Co.BanditWinterweizenEU 
Fr. Strube Saatzucht KGAsketis Winterweizen EU 
 Batis Winterweizen EU 
 Pegassos Winterweizen EU 
I.G. Saatzucht GmbH & Co.BornWinterroggenD 
Kruse Saatzucht GmbH & Co.AmiloWinterroggenEU 
 LambertoTriticaleEU 
Limagrain-Nickerson GmbHAttikaFuttererbseEU 
 Drifter WinterweizenEU 
 Duet WintergersteEU 
LOCHOW-PETKUS GmbHBiscay WinterweizenEU
 Bussard WinterweizenD 
 Hacada WinterroggenEU 
 Nikita WinterroggenEU 
 Trimaran TriticaleEU 
Monsanto Agrar Deutschland GmbH (Zusammenschluss mit PBI Saatzucht GmbH)Charger WinterweizenEU 
 Rialto WinterweizenEU 
Nordsaat Saatzuchtgesellschaft mbHCarola WintergersteEU 
 Focus TriticaleEU 
 Lupus TriticaleEU 
 Modus TriticaleD 
 Sarah WintergerstEU 
P.H. PetersenMaverickWinterweizenEU 
Saatzucht Dr. Hege GbRmbHSantop TrinidadD 
 TriticaleTriticaleEU
Saatzucht Firlbeck GmbHVenusWintergersteD 
Saatzucht Josef Breun GdbRReginaWintergersteEU 
Saatzucht Streng GmbH & Co.TessyWintergersteEU 
 TorontoWinterweizenD

b. für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 im Hinblick auf die nachfolgend aufgeführten Sorten

 Sortenschutzinhaber/NutzungsberechtigerSorteArtEU-Sorte/Deutsche SorteSortenschutz seit dem/bis zu dem
CEBECO SAATEN GmbHRitmoWinterweizenEU 
 SemperWinterweizenEU
DLF-TrifoliumNitoucheFuttererbseEU
Dr. J. Ackermann & Co.BanditWinterweizenEU
Fr. Strube Saatzucht KGAsketisWinterweizenEU 
 BatisWinterweizenEU 
 KarposWinterweizenD 
 PegassosWinterweizenEU 
I.G. Saatzucht GmbH & Co.BornWinterroggenD
Kruse Saatzucht GmbH & Co.AmiloWinterroggenEU 
 LambertoTriticaleEU 
Limagrain-Nickerson GmbHAttika FuttererbseEU
 Drifter WinterweizenEU
 Duet WintergersteEU
LOCHOW-PETKUS GmbHBiscayWinterweizenEU 
 BussardWinterweizenD 
 HacadaWinterroggenEU 
 NikitaWinterroggenEU 
 TrimaranTriticaleEU 
Nordsaat Saatzuchtgesellschaft mbHCarolaWintergersteEU 
 FocusTriticaleEU 
 LupusTriticaleEU 
 ModusTriticaleD 
 SarahWintergersteEU 
P.H. PetersenMaverickWinterweizenEU
Pflanzenzucht Dr. h.c. CarstenChargerWinterweizenEU 
 RialtoWinterweizenEU 
Saatzucht Dr. Hege GbRmbHSantop TriticaleD 
 Trinidad TriticaleEU 
Saatzucht Firlbeck GmbHVenusWintergersteD 
Saatzucht Josef Breun GdbRReginaWintergersteEU 
Saatzucht Steinbach GmbHBorestoWinterroggenD 
Saatzucht Streng GmbH & Co.TessyWinterweizenEU 
 Toronto WinterweizenD

c. für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 im Hinblick auf die nachfolgend aufgeführten Sorten

 Sortenschutzinhaber/NutzungsberechtigerSorteArtEU-Sorte/Deutsche SorteSortenschutz seit dem/bis zu dem
CEBECO SAATEN GmbHRitmoWinterweizenEU 
 SemperWinterweizenEU 
DLF-TrifoliumNitoucheFuttererbseEU 
Dr. J. Ackermann & Co.BanditWinterweizenEU 
Fr. Strube Saatzucht KGAsketisWinterweizenEU 
 BatisWinterweizenEU 
 KarposWinterweizenD 
 PegassosWinterweizenEU 
I.G. Saatzucht GmbH & Co.BornWinterroggenD 
Kruse Saatzucht GmbH & Co.AmiloWinterroggenEU 
 LambertoTriticaleEU 
Limagrain-Nickerson GmbHAttikaFuttererbseEU 
 DrifterWinterweizenEU 
 DuetWintergersteEU 
LOCHOW-PETKUS GmbHBiscayWinterweizenEU 
 BussardWinterweizenD 
 HacadaWinterroggenEU 
 NikitaWinterroggenEU 
 Trimaran TriticaleEU 
Nordsaat Saatzuchtgesellschaft mbHCarolaWintergersteEU 
 FocusTriticaleEU 
 LupusTriticaleEU 
 ModusTriticaleD 
 SarahWintergerste EU 
P.H. PetersenMaverickWinterweizenEU 
Pflanzenzucht Dr. h.c. CarstenChargerWinterweizenEU 
 RialtoWinterweizenEU 
Saatzucht Dr. Hege GbRmbHSantopTriticaleEU 
 TrinidadTriticaleD 
Saatzucht Firlbeck GmbHVenusWintergersteD
Saatzucht Josef Breun GdbRReginaWintergersteEU
Saatzucht Steinbach GmbHBora LupineD 
 Boresto WinterroggenD 
Saatzucht Streng GmbH & Co.TessyWintergersteEU 
 TorontoWinterweizenD

d. für das Wirtschaftsjahr 2003/2004 im Hinblick auf die nachfolgend aufgeführten Sorten

Sortenschutzinhaber/Nutzungsberechtiger|Sorte|Art|EU-Sorte/Deutsche Sorte| Sortenschutz seit dem/bis zu dem CEBECO SAATEN GmbH|Ritmo|Winterweizen|EU| |Semper|Winterweizen|EU| DLF-Trifolium|Nitouche|Futtererbse|EU| Dr. J. Ackermann & Co.|Bandit|Winterweizen|EU| Fr. Strube Saatzucht KG|Asketis|Winterweizen|EU| |Batis|Winterweizen|EU| |Pegassos|Winterweizen|EU| I.G. Saatzucht GmbH & Co.|Born|Winterroggen|D| Kruse Saatzucht GmbH & Co.|Amilo|Winterroggen|EU| |Lamberto|Triticale|EU| Limagrain-Nickerson GmbH|Attika|Futtererbse|EU| |Drifter|Winterweizen|EU| |Duet|Wintergerste|EU| LOCHOW-PETKUS GmbH|Biscay|Winterweizen|EU| |Bussard|Winterweizen|D| |Hacada|Winterroggen|EU| |Nikita|Winterroggen|EU| |Trimaran|Triticale|EU| Nordsaat Saatzuchtgesellschaft mbH|Carola|Wintergerste|EU| |Focus|Triticale|EU| |Lupus|Triticale|D| |Modus|Triticale|EU| |Sarah|Wintergerste|EU| P.H. Petersen|Maverick|Winterweizen|EU| Pflanzenzucht Dr. h.c. Carsten|Charger|Winterweizen|EU| |Rialto|Winterweizen|EU| Saatzucht Dr. Hege GbRmbH|Santop|Triticale|D| |Trinidad|Triticale|EU| Saatzucht Firlbeck GmbH|Venus|Wintergerste|D| Saatzucht Josef Breun GdbR|Regina|Wintergerste|EU| Saatzucht Steinbach GmbH|Bora|Lupine|D |Boresto|Winterroggen|D| Saatzucht Streng GmbH & Co.|Tessy|Wintergerste|EU| |Toronto|Winterweizen|D|

mit der Maßgabe, dass die Auskünfte hinsichtlich derjenigen Sorten, die in der Anlage einen Eintrag in der 5. Spalte ("Sortenschutz ab/bis") enthalten, nicht für das gesamte Wirtschaftsjahr, sondern über die Zeit seit dem in der 5. Spalte jeweils aufgeführten Zeitpunkt bzw. über die Zeit bis zu dem in der 5. Spalte jeweils aufgeführten Zeitpunkt zu erteilen sind;

2. die gemäß Ziffer 1 erteilten Auskünfte jeweils durch geeignete Nachweise zu belegen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten,

der Auskunftsanspruch sei schon deshalb nicht gegeben, weil die Klägerin sie während der laufenden Wirtschaftsjahre nicht zur Auskunft aufgefordert habe. Im übrigen habe sie im Einzelnen keine Kenntnis von den einzelnen Sorten erlangt; es sei denn, die jeweilige Sorte sei konkret in einer Rechnung aufgeführt worden.

Das Landgericht hat die Beklagten mit dem am 29. Dezember 2005 verkündeten Urteil verurteilt, Auskunft entsprechend Ziffer 1 der obigen Anträge zu erteilen, allerdings für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 für die Sorten Bussard (D), Modus (D) und Toronto (D), für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 für Sorten Born (D), Modus (D) und Venus (D), für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 für die Sorten Karpos (D) und Modus (D) sowie für das Wirtschaftsjahr 2003/2004 für die Sorten Modus (D), Bora (D), Boresto (D) und Toronto (D). Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe einen Auskunftsanspruch im Hinblick auf die nach nationalem Recht geschützten Sorten gemäß Art. 10 a Abs. 6 SortG. Diesbezüglich sei nicht erforderlich, dass sich die Klägerin gegen die Beklagten mit einem qualifizierten Auskunftsverlangen gewandt habe, denn die genannte Bestimmung enthalte eine Regelung, wie sie in Art. 9 Abs. 3 NachbauV für die nach Gemeinschaftsrecht geschützten Sorten enthalten sei, nicht. Auch der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30. März 2005 lasse sich nicht entnehmen, dass für national geschützte Sorten ein vorheriges qualifiziertes Auskunftsverlangen erforderlich sei. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf die Unkenntnis der aufbereiteten Sorten berufen, da sie abweichend von den Vorschriften des Gemeinschaftssortenschutzes als Aufbereiter verpflichtet seien, sich über die Sorte zu informieren, zu der das Saatgut gehöre (Art. 27 S. 2 Saatgut VG, § 1 SaatAufzVO).

Die Klägerin habe jedoch nur hinsichtlich der titulierten Sorten vorgetragen, dass ihr bezogen auf das jeweilige Wirtschaftsjahr Anhaltspunkte für eine Aufbereitung durch die Beklagten vorgelegen habe. Da es nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. März 2005 zu einem schlüssigen Vortrag gehöre, für jede einzelne Sorte und für jedes Wirtschaftsjahr das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte vorzutragen, sei die Kammer auch nicht gehalten, die vorgelegten Anlagen nach Anhaltspunkten zu durchforsten.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung und legen dar, das Landgericht habe verkannt, dass sich der von der Klägerin geltend gemachte Auskunftsanspruch auch bei national geschützten Sorten nur auf die Geschäftsjahre beziehen könne, innerhalb derer der Sortenschutzinhaber ein qualifiziertes Auskunftsersuchen an den Aufbereiter gerichtet habe. Die maßgebliche Norm des nationalen Rechts, Art. 10 a Abs. 6 SortG, enthalte zwar keine dem Art. 9 Abs. 3 NachbauV entsprechende Beschränkung, jedoch könne daraus nicht geschlossen werden, dass die detaillierten europäischen Vorschriften bei der Anwendung des deutschen Rechts außer Acht zu lassen wären. Vielmehr sei eine europarechtskonforme Auslegung vorzunehmen. Die Unvollständigkeit der deutschen Regelung ergebe sich daraus, dass im Sortenschutzgesetz nicht einmal Aussagen dazu getroffen worden seien, dass die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs überhaupt von einer Darlegung konkreter Anhaltspunkte für eine Sortenschutzverletzung abhänge. Wenn schon zu derart grundlegenden Voraussetzungen keine Regelungen getroffen worden seien, liege es auf der Hand, dass die weiteren formellen Voraussetzungen des Auskunftsanspruches ebenfalls nicht abschließend normiert worden seien. Es seien auch keine Gründe dafür erkennbar, warum die Inhaber deutscher Sortenschutzrechte gegenüber Inhabern europäischer Sortenschutzrechte bevorzugt werden sollten. Die Klägerin sei auch nicht darauf angewiesen, abzuwarten, bis ihr Anhaltspunkte für einen Nachbau in Form von Nachbauerklärungen der Landwirte zugingen. Der europäische Gerichtshof habe schon ausgeführt, dass es einem Sortenschutzinhaber möglich sein müsse, über Namen und Anschrift der Landwirte zu verfügen, die Vermehrungsmaterial seiner geschützten Pflanzensorte erwerben würden, und zwar unabhängig von der Länge der Handelskette zwischen dem Sortenschutzinhaber und dem Landwirt.

Auch verkenne das Landgericht, dass Voraussetzung des Auskunftsanspruchs die Kenntnis des Aufbereiters von den von ihm verarbeiteten Sorten sei. Diese folge wiederum aus einer europarechtskonformen Auslegung des § 10 a Abs. 6 SortG. So setze Art. 9 Abs. 2 lit.b NachbauV voraus, dass eine Auskunft über die Aufbereitung nur verlangt werden könne, wenn die betreffende Sorte dem Aufbereiter benannt oder auf andere Weise bekannt geworden sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 1 Nr. 6 Saatgutaufzeichnungsverordnung, denn eine über die Befragung der Landwirte hinausgehende Verpflichtung folge aus dieser Vorschrift nicht. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, verfüge sie aber nicht über Kenntnis der von ihr aufbereiteten Sorten. Die als Anlage K 20 vorgelegten Wiegescheine und Rechnungen enthielten Angaben, die die Landwirte nachträglich gemacht hätten.

Die Beklagten beantragen,

das am 29. Dezember 2005 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache nicht gerechtfertigt.

Mit dem Landgericht geht der erkennende Senat davon aus, dass die Klägerin gegen die Beklagten einen Auskunftsanspruch in dem titulierten Umfang im Hinblick auf die dort genannten deutschen Sorten nach § 10 a Abs. 6 SortG hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der genannten Bestimmung ist, wer Saatgut aufbereitet, zur Auskunft darüber verpflichtet, ob er Erntegut einer bestimmten geschützten Sorte aufbereitet hat, und über den Umfang dieser Aufbereitungshandlungen nur dann verpflichtet, wenn der Sortenschutzinhaber über Anhaltspunkte dafür verfügt, dass der Aufbereiter Erntegut, das ein Landwirt durch Anbau von Vermehrungsgut dieser Sorte gewonnen hat, zum Zweck des Nachbaus aufbereitet hat oder aufzubereiten beabsichtigt (BGH, GRUR 2005, 668 ff.).

Unstreitig ist die Beklagte als Aufbereiterin tätig. Ferner hat die Klägerin nach den von den Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts für die im landgerichtlichen Tenor aufgeführten nationalen Sortenschutzrechte durch Vorlage entsprechender Nachbauerklärungen und Rechnungen vorgetragen, dass ihr bezogen auf das jeweilige Wirtschaftsjahr Anhaltspunkte für eine Aufbereitung durch die Beklagte vorgelegen haben. Aus den Anlagen K 16, K 17, K 18 und K 19 zum Schriftsatz der Klägerin vom 24. Oktober 2005 (Bd. I Bl. 123, 124, 125, 126 d.A.) ergibt sich, für welche Sorte, welchen Sortenschutzinhaber und für welches Wirtschaftsjahr der Auskunftsanspruch geltend gemacht wird.

In der Anlage K 20, Anlagenband III, finden sich zu den einzelnen Wirtschaftsjahren und zu den einzelnen Sorten, die vom Landgericht in den Auskunftsanspruch aufgenommen worden sind, die Unterlagen, aus denen sie die Anhaltspunkte für Nachbauhandlungen der Beklagten entnommen hat.

Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert das Auskunftsverlangen der Klägerin nicht daran, dass diese in den fraglichen Wirtschaftsjahren kein Auskunftsverlangen hinsichtlich einer bestimmten Sorte an ihn gerichtet hat.

Gemeinschaftsrechtlich findet diese Voraussetzung allerdings ihre Grundlage in Art. 9 Abs. 3 der Nachbauverordnung und Art. 14 Abs. 3 6. Spiegelstrich GemSortVO. Im Rahmen des nationalen Sortenrechts gilt dies jedoch für den Auskunftsanspruch aus § 10 a Abs. 6 SortG nicht, da eine entsprechende Formulierung vom Gesetzgeber nicht aufgenommen worden ist.

Mit dem Landgericht geht der erkennende Senat davon aus, dass die deutschen Nachbaubestimmungen auch nicht mit dem Inhalt der europa-rechtlichen Nachbaubestimmungen auszulegen sind. Dem deutschen Gesetzgeber hätte es freigestanden, die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen nahezu wortgleich umzusetzen, dies hat er indes nicht getan. Im Rahmen des Sortenschutzgesetzes wird nicht nationales Recht zur Durchführung von Gemeinschaftsrecht angewandt, sondern dieses steht eigenständig neben dem nationalen Recht. Auch aus Art. 3 GemSortVO ergibt sich, dass das Recht der Mitgliedstaaten, nationale Schutzrechte zu erteilen, durch das Gemeinschaftsrecht nicht berührt wird. Konsequent können für diese nach nationalem Recht geschützten Sorten auch andere Regelungen zur Sicherung des Schutzes gelten, als für nach Gemeinschaftsrecht geschützte Sorten. Angesichts der gemäß Art. 3 GemSortVO bestehenden parallelen Geltung des gemeinschaftsrechtlichen Sortenschutzes und der nationalen Sortenschutzrechte könnte eine verordnungskonforme Auslegung nur dann in Betracht kommen, wenn es etwa darum ginge, unbestimmte Rechtsbegriffe durch das Gemeinschaftsrecht zu füllen oder planwidrige Regelungslücken im Wege einer Analogie zu schließen. Hierfür ist indes notwendig, dass der Wortlaut der nationalen Norm überhaupt einen Entscheidungsspielraum eröffnet (BGH, Entscheidung vom 13. November 2001, GRUR 2002, 238 ff.). Die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat zwar Art. 8 Abs. 2 GemNachbauV zum Gegenstand, im Hinblick auf den hier in Rede stehenden Art. 9 Abs. 3 GemNachbauV kann aber ebenfalls nicht von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden.

Auch die Beklagten führen keine Anhaltspunkte dafür auf, dass § 10 a Abs. 6 SortG diesbezüglich eine planwidrige Regelungslücke enthält.

In diesem Zusammenhang greift auch nicht der Versuch, eine Parallele zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf das Erfordernis konkreter Darlegungen von Anhaltspunkten für einen Nachbau der jeweils in Rede stehenden Sorten zu konstruieren.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 30. Mai 2005, GRUR 2005, 668, und in der vom 14. Februar 2006, GRUR 2006, 407 ff., mit keinem Wort ausgeführt, dass Voraussetzung des Auskunftsverlangens des Sortenschutzinhabers ein vorprozessuales Auskunftsbegehren im jeweiligen Wirtschaftsjahr sei. Vielmehr befassen sich diese Entscheidungen damit, dass der Auskunftsanspruch erstmals für das Wirtschaftsjahr geltend gemacht werden kann, für das der Sortenschutzinhaber über die notwendigen Anhaltspunkte verfügt, dass Nachbau betrieben worden ist.

Die Beklagten selbst zitieren das Urteil vom 30. März 2005 so:

"Hinsichtlich der nach dem deutschen Sortenschutzgesetz geschützten Sorten (...) gilt im Ergebnis nichts anderes. Da der Auskunftsanspruch auch nach deutschem Recht Anhaltspunkte für die Aufbereitung einer geschützten Sorte erfordert, erstreckt er sich nicht auf Wirtschaftsjahre, für die solche Anhaltspunkte nicht dargetan sind."

Dies soll sich aber - so beide Entscheidungen - aus § 10 a Abs. 6 SortG selbst ergeben, so dass es auf die Geltung von gemeinschaftsrechtlichen Regelungen für das Erfordernis der Anhaltspunktdarlegung schon nicht ankommt. Mit dem - in § 10 a Abs. 6 SortG unzweifelhaft nicht enthaltenen - Erfordernis des Auskunftsverlangens befassen sich die genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nicht.

Die Beklagten berufen sich zur Begründung ihrer Berufung ferner darauf, dass sie rein tatsächlich daran gehindert seien, über einzelne, ihr angelieferte Sorten Auskunft zu erteilen, da es ihr als Aufbereiterin nicht möglich sei, zu überprüfen, welche Sorte ihnen angeliefert worden sei.

In der Tat besteht eine aus § 1 SaatAufzV folgende umfassende Informationspflicht der Beklagten als Aufbereiterin hinsichtlich der Sorten, die sie im Auftrag der Landwirte aufbereitet hat, nicht, wenn ihr die betreffende Sorte nicht vom Landwirt mitgeteilt wird. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass eine Informationspflicht nur besteht, wenn dem Aufbereiter die Sorte vom Landwirt mitgeteilt wird oder es ihm auf sonstige andere Weise bekannt wird. Allerdings hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt, dass ihr - entgegen den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen - für die hier in Rede stehenden Sorten Kenntnisse nicht vorliegen. Wenn die Auftraggeber der Klägerin Auskunft über die den Beklagten zum Nachbau überlassenen Sorten erteilt haben, ist nicht ersichtlich, wieso sie dies bei Auftragserteilung nicht auch gegenüber den Beklagten getan haben. Zudem haben die Beklagten durch ihr Schreiben vom 16. Juni 2005, Anlagenband III Bl. 273 f. d. A., deutlich gemacht, dass sie teilweise jedenfalls sehr wohl Kenntnis über aufbereitetes Material besitzen, denn die Auskunft dieses Schreibens bezieht sich auf näher bezeichnete Sorten. Insofern hätte es den Beklagten oblegen, darzulegen, über welche Sorten sie keine Kenntnis hatten. Ihre Ausführung, von wenigen Ausnahmen abgesehen keine Sortenkenntnis zu haben, überzeugt nicht.

Auch überzeugt nicht, dass sich die Beklagten von dem Inhalt des genannten Schreibens vom 16. Juni 2005 distanzieren, denn der Absender lautet eindeutig B. Lagerhaus, H. straße 100, Bn. . Insofern ist unbeachtlich, dass die Beklagten nunmehr konstruieren wollen, dass ihr Lager K. entgegen dem Briefkopf eine völlig selbständige Firma darstellen soll. Ungeachtet dessen streitet der Inhalt des Schreibens der Raiffeisen Hauptgenossenschaft Nord AG, Hannover, vom 12. Mai 2004, Bd. II Bl. 129 d. A., dafür, dass die Beklagten sehr wohl dem Unternehmensverband des Lagers K. verbunden sind.

Letztlich kann aber im hiesigen Rechtsstreit dahinstehen, welche Pflichten die Beklagten im Rahmen ihrer Aufbereitungs- und Nachbautätigkeiten haben. Die Beklagten sind entsprechend dem angefochtenen Urteil verpflichtet, der Klägerin die begehrten Auskünfte zu erteilen. Dabei ist durchaus denkbar, dass die Auskunft mit dem Inhalt erfolgen wird, dass für eine bestimmte Sorte in einem bestimmten Wirtschaftsjahr keine Aufbereitungshandlung durchgeführt worden ist. Wenn der Auskunftspflichtige - und sei es nur im negativen Sinne - auf die Fragen des Berechtigten eine bestimmte Antwort gegeben hat, ist die Auskunft erteilt. Denkbar ist auch, dass die Beklagten im Rahmen ihrer Auskunft deutlich machen, dass diese im Hinblick auf die Sortenbezeichnung letztlich nicht auf eigene Analysen und Erkenntnisse, sondern auf die Mitteilung ihres Auftraggebers zurückzuführen ist.

Die Frage der Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft der Beklagten ist indes nicht bereits im hiesigen Rechtsstreit zu klären. Besteht vielmehr Grund zu der Annahme, dass die von den Beklagten abgegebene Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden ist, könnte die Klägerin womöglich von ihnen die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen.

Auch bezogen auf den letzten Schriftsatz der Beklagten vom 8. Juni 2006 sei ausgeführt, dass es für das Auskunftsersuchen nicht darauf ankommt, wie die Auskünfte letztlich ausfallen werden. Ob die Auskünfte der Beklagten richtig und nach bestem Wissen und Gewissen erfolgen werden, ist im hiesigen Rechtsstreit ohne Belang.

Nur ergänzend sei noch bemerkt, dass nach hiesiger Auffassung die Beklagten indes nicht gehalten sein dürften, das ihnen zur Verfügung gestellte Nachbaumaterial einer Analyse zu unterziehen. Art. 15 Abs. 1 GemNachbVO sieht allerdings vor, dass der Aufbereiter auf Verlangen des Sortenschutzinhabers Nachweise für die von ihm übermittelte Aufstellung von Informationen gemäß Art. 9 GemNachbVO erbringen muss, und zwar durch Vorlage der verfügbaren Unterlagen, wie Rechnungen, geeigneten Unterlagen zur Identifizierung des Materials oder anderen geeigneten Unterlagen und Proben etc. Abgesehen davon, dass diese Bestimmung wiederum für national geschützte Sorten aus den oben genannten Gründen nicht anwendbar sein dürfte, ergibt sich aus der Informationspflicht indes keinesfalls eine Überprüfungspflicht, sondern vielmehr soll der Aufbereiter die ihm vorliegenden Unterlagen zur Information an den Sortenschutzinhaber weiterleiten. Eine Pflicht, das Nachbaumaterial zu untersuchen, vermag der Senat der Bestimmung nicht zu entnehmen. Dies ist vorliegend aber unerheblich, da bereits nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagten die titulierten Auskünfte in Ermangelung von Informationen nicht erteilen kann.

Sonstige Gründe, welche der Berufung der Beklagten zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs.2 ZPO ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat angesichts der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30. März 2005 weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine nochmalige Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Ende der Entscheidung

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