Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 09.02.2007
Aktenzeichen: 10 U 47/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 648 a
Gelingt die Darlegung des Restwerklohnanspruches nicht, so steht damit noch nicht fest, dass das Sicherungsbedürfnis im Sinne des § 648 a BGB entfallen ist.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 U 47/05 OLG Naumburg

verkündet am: 9. Febr. 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, den Richter am Oberlandesgericht Handke und die Richterin am Oberlandesgericht Göbel im schriftlichen Verfahren nach Schriftsatznachlass bis zum 09. Februar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. September 2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin werden zurückgewiesen

Die Klägerin trägt die 2/3 und die Beklagte 1/3 der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 11/20 und die Beklagte 9/20.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Streitwert für das Berufungsverfahren:

Streitwertstufe bis 230.000,-- EUR.

Streitwert für die erste Instanz:

bis zum 4. Januar 2005: Streitwertstufe bis 320.000,-- EUR

danach: Streitwertstufe bis 230.000,-- EUR

Gründe:

A.

Die Klägerin verlangt die Rückgabe einer Vertragserfüllungsbürgschaft. Die Beklagte macht widerklagend eine abgetretene Restwerklohnforderung geltend.

Auf der Grundlage eines Angebots vom 10. April 2002 schloss die Klägerin am 30. April 2002 mit der P. GmbH H. (im Folgenden: P. ) einen Bauvertrag über Montageleistungen in den Bereichen Heizung und Sanitär für das Bauprojekt "S. " in B. . Am 05. Juni 2002 erklärte die Klägerin gegenüber der P. ihr Einverständnis zur Abtretung berechtigter Forderungen aus diesem Bauvertrag an die Beklagte. Die C. bank AG, Filiale M. , verbürgte sich am 15. Juli 2002 für die von der Klägerin zu erbringenden Vergütungsansprüche gegenüber der P. für die Herstellung der Sanitäranlage bis zu einem Betrag in Höhe von 555.633,44 EUR.

Am 11. August 2002 trat die P. der Beklagten die Forderung aus Warenlieferungen und Leistungen für das Bauvorhaben Hotel "S. " bis zu einer Forderungshöhe von 300.000,00 Euro ab. Gleichzeitig wurde auch die genannte Vorleistungsbürgschaft an die Beklagte abgetreten.

Am 27. November 2002 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis mit der P. und ließ das Bauvorhaben durch Drittunternehmen fertig stellen. Sie rechnete daher das Bauvorhaben mit Schreiben vom 13. März 2006 gegenüber der P. ab, erhob für die Kosten der Fertigstellung durch Drittunternehmen eine Forderung von rund 300.000,00 EUR und verlangte die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde.

Nach Offenlegung der Abtretung forderte sie dann mit Schreiben vom 29. Dezember 2003 die Bürgschaftsurkunde von der Beklagten zurück. Die Beklagte lehnte die Herausgabe ab, weil die Klägerin die Mehrkosten aus der Fertigstellung nicht nachgewiesen habe und der Beklagten ihrerseits noch offene Forderungen aus der Lieferung von Sanitäreinrichtungen in Höhe von 161.348,44 Euro zustünden.

Mit Schreiben vom 4. Januar 2005 verzichtete die Beklagte auf die Bürgschaft in Höhe von 355.633,44 Euro, so dass sich der Bürgschaftsbetrag nur noch auf 200.000,-- Euro beläuft.

Mit der Klage verlangt die Klägerin die Herausgabe der Bürgschaft und den Ersatz von Avalgebühren der C. bank unter dem Gesichtspunkt des Verzuges. Die Beklagte macht widerklagend die von ihr in Anspruch genommene Restwerklohnforderung geltend.

Das Landgericht hat mit am 23. September 2005 verkündetem Urteil der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaft deshalb verpflichtet sei, weil die P. keine Vergütungsansprüche mehr habe, die von der Klägerin erfüllt werden müssten. Gleichzeitig sei sie unter dem Gesichtspunkt des Verzuges mit der Herausgabe verpflichtet, die Klägerin von den Kosten für die Inanspruchnahme der Bürgschaft freizustellen. Die Widerklage sei nicht begründet. Aus eigenem Recht könne die Beklagte keine Ansprüche erheben. Hinsichtlich der abgetretenen Vergütungsansprüche der P. fehle es an einer ordnungsgemäßen Darlegung und Abrechnung. Die Klägerin habe das Vertragsverhältnis zur P. aus wichtigem Grund gemäß § 5 Nr. 3 in Verb. mit § 8 Nr. 3 VOB/B gekündigt. Die Darlegung der Beklagten entspreche aber nicht denen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über die Abrechnung eines aus wichtigem Grund gekündigten Pauschalpreisvertrages. Sie nehme keine Abgrenzung der erbrachten Leistungen von dem nicht ausgeführten Teil vor. Der Senat nimmt auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 27. September 2005 zugestellte Urteil am 27. Oktober 2005 Berufung eingelegt und diese nach entsprechend gewährter Fristverlängerung am 27. Dezember 2005 begründet.

Sie vertritt die Auffassung, dass der Klägerin kein Herausgabeanspruch zustünde. Denn die Beklagte könne für sich ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund der noch bestehenden Forderungen der P. in Anspruch nehmen. Die Klägerin habe den Bauvertrag ohne wichtigen Grund gekündigt. Daher sei der Werkvertrag nach den Bestimmungen der §§ 8 Nr. 1 VOB/B, § 649 BGB abzuwickeln. Die Klägerin träfe insoweit die Beweislast für die ersparten Aufwendungen der P. ; ein entsprechender Vortrag läge nicht vor.

Da sich die Beklagte nicht in Verzug mit der Herausgabe der Bürgschaftsurkunde befände, könne die Klägerin auch keine Freistellung von den Avalkosten verlangen.

Die Beklagte beantragt,

1. unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage auf Herausgabe der Vorleistungsbürgschaft Nr. ... vom 15. Juli 2002 der C. bank AG, Filiale M. , abzuweisen und

2. unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung den in der Berufungsinstanz erweiterten Zahlungs- und Feststellungsantrag hinsichtlich der Wahlkosten abzuweisen.

Die Klägerin stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen und

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 15.187,28 Euro zu zahlen

sowie

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin hinsichtlich der ab dem 1. 12. 2006 bei der C. bank AG, K. straße , F. für die Vertragserfüllungsbürgschaft Nr. ... vom 15. Juli 2002 der C. bank AG, Filiale M. , bis zur Rückgabe der Bürgschaft an die C. bank AG, Filiale M. , anfallenden Avalkosten freizustellen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

B.

Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin sind zulässig. Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg (vgl. I. und II.); die Anschlussberufung der Klägerin bleibt dagegen erfolglos (vgl. III.).

I. Soweit sich die Berufung gegen die vom Landgericht ausgesprochene Verpflichtung zur Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft richtet, hat sie Erfolg. Die Klägerin hat hierauf keinen Anspruch, da es ihr nicht gelungen ist, darzulegen und zu beweisen, dass das Sicherungsbedürfnis entfallen ist.

1. Den Bauunternehmer trifft - als Folge der gesetzlichen Pflicht des Bestellers, ihm gemäß § 648 a BGB Sicherheit zu leisten - seinerseits die Pflicht, die Sicherheit zurückzugeben, wenn ein Sicherungsbedürfnis im Sinne des § 648 a BGB entfallen ist (Rechtsgedanke des § 371 BGB).

a) Gegenstand des Sicherungsanspruchs gemäß § 648 a Abs. 1 und 2 BGB ist der Vergütungsanspruch des Unternehmers für die von ihm zu erbringenden Vorleistungen, die dazu gehörenden Nebenforderungen eingeschlossen. Vorleistungen sind alle vertraglich noch geschuldeten Werkleistungen, auch auf der Grundlage von Zusatzaufgaben ebenso bereits erbrachte, nach dem Vertrag zu vergütende, aber noch nicht bezahlte Leistungen (vgl. BGHZ 146, 24, 31). Der Unternehmer ist berechtigt, Sicherung für den gesamten Teil des Werklohns zu verlangen, der seinen Vorleistungen entspricht. Vorleistungen liegen erst dann nicht mehr vor, wenn die erbrachten Leistungen bezahlt sind (BGH NJW 2001, 822, 824).

b) Dieses Sicherungsbedürfnis des § 648 a BGB entfällt nur dann, wenn bereits feststeht, dass weiterer Werklohn nicht geschuldet wird. Die Bürgschaft ist daher erst nach vollständiger Zahlung des Werklohns zurückzugeben (OLG Naumburg, NZ Bau 2001, 139).

2. Deshalb muss die Klägerin hier - im Rahmen des Klageverhältnisses - darlegen und beweisen, dass kein Werklohn mehr geschuldet wird. Im Rahmen des Widerklageverhältnisses verbleibt es dagegen bei der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten für die in Anspruch genommene Restwerklohnforderung.

a) Die Rückforderung einer Vertragserfüllungsbürgschaft folgt damit den gleichen Regeln, wie sie für die Rückforderung von überzahlten Beträgen gelten.

Vertritt der Auftraggeber nach Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrages die bestrittene Auffassung, er habe mit dem von ihm geleisteten Abschlagszahlungen bereits mehr gezahlt, als er nach den vertraglichen Vereinbarungen schulde, und verlangt er mit dieser Begründung Teile der geleisteten Abschlagszahlungen zurück, so ist zu unterscheiden:

Der Rückzahlungsanspruch ist vertraglicher Natur. Er ist grundsätzlich auf der Grundlage der vom Auftragnehmer zu erstellenden Schlussrechnung zu ermitteln, für deren Richtigkeit dieser weiterhin die Darlegungs- und Beweislast trägt (OLG Karlsruhe, BauR, 2003, 1244).

Erstellt der Auftragnehmer die von ihm geschuldete Schlussrechnung aber nur in einer nicht prüfbaren Form, hat der Auftraggeber, der die Rückzahlung seiner Anzahlung verlangt, den behaupteten Überschuss selbst zu ermitteln. Er hat diesen durch Vorlage einer eigenen Berechnung unter zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen zu ermitteln. Dabei kommen ihm Darlegungserleichterungen zu Gute, seine Kenntnisse muss er aber, soweit zumutbar, verwerten (BGHZ 146, 365, 375).

b) Für den Besteller, der sein Verlangen, die Bürgschaftsurkunde herauszugeben, auf eine vergleichbare Behauptung, alle Werkleistungen des Unternehmers bezahlt zu haben, stützt, kann nichts anderes gelten.

Er kann sich nicht damit begnügen, darauf zu verweisen, dass die vom Unternehmer erstellte Schlussrechnung nicht prüffähig ist, sondern ist gehalten, den Wegfall des Sicherungsgrundes, eine vollständige Bezahlung der geschuldeten Werkleistung auf der Grundlage einer eigenen Berechnung darzulegen (OLG Brandenburg, Urteil vom 06. April 2004, Az.: 11 U 79/03, zitiert nach juris, Rdnr. 12 [= MDR 2004, 1411 f.]).

3. Es ist daher zunächst von der Schlussrechnung der Beklagten vom 28. März 2006 auszugehen. Diese Rechnung legt den behaupteten Werklohnanspruch nicht schlüssig dar.

a) Ein Sachvortrag ist zur Begründung eines Klageanspruchs schlüssig und damit als Prozessstoff erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das mit der Klage geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Das Gericht muss in der Lage sein, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen wie das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs vorliegen (Urteil des 5. Zivilsenates vom 20. September 2002, Az.: V ZR 170/01, zitiert nach juris, Rdnr. 8 [= BGH NJW-RR 2003, 69 ff. ]).

b) Die Schlussrechnung der Beklagten entspricht den Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine Abrechnung des gekündigten Pauschalpreises stellt, nicht; sie bildet keine taugliche Grundlage für die Darlegung eines Restwerklohnanspruches.

aa) Der Senat kann zu Gunsten der Beklagten unterstellen, dass die Klägerin eine freie Kündigung gemäß § 8 Nr. 1 VOB/B ausgesprochen hat.

Unabhängig davon, ob der Auftraggeber das "freie" Kündigungsrecht gemäß § 649 BGB bzw. 8 Nr. 1 VOB/B ausgeübt oder ob er den Auftrag unter den Voraussetzungen des § 8 Nr. 3 Abs. 1 in Verb. mit § 5 Nr. 4 VOB/B entzogen hat, hat der Auftragnehmer die erbrachten Leistungen anhand einer Kalkulation abzurechnen. Diese Kalkulation muss die einzelnen Leistungspositionen betragsmäßig bewerten.

bb) Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Vergütung, die der Auftraggeber bei Fortbestand des Bauvertrags zu zahlen hätte, bei der Abrechnung gemäß § 649 BGB den Ausgangspunkt bildet (vgl. Kleine-Müller/Merl/Siebert, Handbuch des privaten Baurechts, 3. Aufl., 2005, § 15, Rdnr. 47).

Ersparte Aufwendungen und unterlassener Erwerb sind auf den Vergütungsanspruch anzurechnen. Das bedeutet, dass der durch § 649 BGB begründete Zahlungsanspruch des Auftragsnehmers nur in der durch die Anrechnung geminderten Höhe entsteht. Es entstehen also nicht etwa der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers und ein Anspruch des Auftraggebers auf Zahlung von ersparten Aufwendungen aufrechnungsfähig gegenüber. Dem gemäß ist die Anrechnung auch prozessual kein Gegenrecht, das nur als Einrede zu berücksichtigen wäre (BGH NJW-RR 1992, 1077).

Sind zum Zeitpunkt der Kündigung bereits Bauleistungen erbracht, so umfasst der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers die erbrachten und die nicht mehr erbrachten Bauleistungen. Da sich die durch § 649 BGB angeordnete Anrechnung ersparter Aufwendungen nur auf die Vergütung für die nicht mehr erbrachten Bauarbeiten bezieht, ist die Berechnung in zwei Schritten vorzunehmen: Für die erbrachten Leistungen erfolgt eine Abrechnung nach den vertraglichen Vereinbarungen, für die nicht erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung der Anrechnungsbestimmungen des § 649 BGB (Kleine-Möller/Merl/Siebert, a. a. O.). War ein Pauschalpreis vereinbart, lässt sich die Höhe der Vergütung für die ausgeführte Leistung nur nach dem Verhältnis des Wertes der erbrachten Teilleistung zu dem Wert, der nach dem Pauschalvertrag geschuldeten Gesamtleistung errechnen. Der Auftragnehmer muss die erbrachten Leistungen und die dafür anzusetzende Vergütung darlegen und von dem nicht ausgeführten Teil abgrenzen, auch wenn kein Leistungsverzeichnis vorliegt (BGH NJW-RR 1998, 234).

Für die Höhe der vereinbarten Vergütung ist der Auftragnehmer grundsätzlich prozessual beweispflichtig. Damit hat er vorzutragen und zu beziffern, was er sich anrechnen lässt. Sein Vortrag zur Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen und deren Bewertung muss den Auftragnehmer in die Lage versetzen, sich sachgerecht zu verteidigen (NJW 2001, 521).

cc) Die Abrechnung der Beklagten vom 29. März 2006 erfüllt diese Anforderungen nicht.

Zwar stellt die Beklagte die erbrachten Leistungen zusammen, indem sie den Bautenstand beschreibt. Diese Leistungen werden aber nicht wertmäßig beziffert (vgl. Bd. IV, Bl. 24 - 32 d. A.). Statt dessen rechnet die Beklagte wie folgt:

an P. gelieferte Sanitärgüter 280.267,96 EUR

zzgl. geleistete Arbeitsstunden 262.596,39 EUR

zzgl. Dämm- und Isolierarbeiten (Firma D. ) + 102.017,56 EUR

Gesamt (brutto) 644.881,91 EUR.

Als nicht erbrachte Leistung zieht sie für 220.439,77 Euro nicht gelieferte Sanitärgüter ab.

Der Sache nach rechnet die Beklagte den Bauvertrag ab, als ob es sich um die Kombination aus einem Kauf- und einem Dienstvertrag handelte. Da die gelieferten Materialen nicht zu dem behaupteten Bautenstand in Beziehung gesetzt werden, kann man nur vermuten, ob alle gelieferten Materialien für die Erbringung der geschuldeten Erfolges notwendig waren. Die Lieferungen lassen sich ohne eine Kalkulation nicht einer bestimmten Leistungspositionen zuordnen.

Es lässt sich auch nicht erkennen, wie die einzelnen Positionen in Bezug auf das Verhältnis von Material und Arbeitszeit kalkuliert sind. Darüber hinaus stützt sich die behauptete Arbeitszeit nur auf Eigenbelege. Da ein Bauvertrag als Werkvertrag erfolgsbezogen ist, kennt die VOB die Abrechnung nach Stundenlohnarbeiten nur ausnahmsweise und knüpft sie an strenge Voraussetzungen (vgl. § 15 VOB/B).

Auch die Rechnung des Subunternehmers legt für sich genommen gar nichts dar. Es bleibt unklar, ob sie mit einem Unternehmeraufschlag in Ansatz zu bringen, ob sie "Eins zu Eins" in Rechnung zu stellen oder ob sie sogar mit einem Abschlag zu versehen ist. Auch sie wäre in eine - hier wohl erst nachträglich zu erstellende - Kalkulation einzubetten gewesen.

Anhand des größtenteils dokumentierten, aber teilweise strittigen Baustandes wäre es vielleicht möglich, die erbrachten von den nicht erbrachten Leistungen im Sinne der zitierten Rechtsprechung abzugrenzen. Diese Leistungen hätten aber in ihren Einzelpositionen kalkulatorisch bewertet werden müssen. Der Senat verkennt nicht, dass dies insbesondere in Folge der Insolvenz der P. für die Beklagte außerordentlich schwierig ist. Er sieht sich jedoch aufgrund des Beibringungsgrundsatzes darin gehindert, von Amts wegen den Versuch zu unternehmen, durch einen entsprechenden Gutachtenauftrag eine nachträgliche Kalkulation erarbeiten zu lassen.

4. Der Senat ist auch außer Stande, einen Restwerklohnanspruch anhand der Angaben der Beklagten gemäß § 287 ZPO zu schätzen.

a) Eine Klage auf Werklohn kann nicht allein deswegen abgewiesen werden, weil eine prüfbare Schlussrechung fehlt und diese zum Beispiel in Folge des Zeitablaufs unmöglich geworden ist. In einem solchen Fall reicht es aus, dass der Unternehmer seine Forderung anderweitig schlüssig darlegt. Die Klage kann dann aufgrund eines Vortrages ganz oder teilweise Erfolg haben, der dem Tatrichter eine ausreichende Grundlage für die Schätzung nach § 287 ZPO bietet (Urteil des 7. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 22. Dezember 2005, Az.: VII ZR 316/03, zitiert nach juris, Rdnr. 18 [= NJW-RR 2006, 455 - 456]).

b) Hier reicht der Vortrag der Beklagten nicht aus, um dem Senat entsprechende Grundlagen für die Schätzung zu liefern.

Zwar mag sich das eingebaute Sanitärgeschirr noch abzählen lassen. Es bleibt aber jedoch offen, mit welchem Preis es zu bewerten wäre. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, welchen Arbeitsaufwand, ausgedrückt in Geld, mit dem Einbau des Sanitärgeschirrs verbunden war oder sein durfte. Darüber hinaus lassen sich die verbauten Rohre, das Montagematerial nicht ohne Weiteres bestimmten Leistungen zuordnen.

Auch die Rechnung der als Subunternehmer tätigen Fa. D. für Dämm- und Isolierarbeiten liefert keine Grundlage für die Schätzung einer noch offenen Restwerklohnforderung. Denn der Rechnungsbetrag ist geringer als die Zahlungen, die die Klägerin unstreitig geleistet hat.

Unter diesen Umständen würde eine Schätzung des noch zu entrichtenden Werklohns gemäß § 287 ZPO vollständig "in der Luft hängen" (vgl. BGHZ 91, 243, 256).

5. Eine Gegenrechnung, um die Erfüllung des Werklohnanspruches darzulegen, hat die Klägerin nicht aufgestellt.

6. Die Klägerin kann ihr Rückforderungsverlangen auch nicht darauf stützen, dass eine mögliche Restwerklohnforderung der Beklagten jedenfalls durch Aufrechnung mit einem Ersatzvornahme- und Schadensersatzanspruch nach § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B erloschen sei.

Denn nach dem Vortrag der Klägerin beträgt diese Forderung nur 107.347,27 Euro. Diese Forderung ist damit geringer, als die von der Beklagten behauptete und von der Klägerin nicht widerlegte Restwerklohnforderung.

7. Obwohl die Beklagte einen Restwerklohnanspruch der P. nicht ausreichend dargelegt hat und dieser Anspruch auch nicht geschätzt werden kann, steht damit noch nicht fest, dass das Sicherungsbedürfnis im Sinne des § 648 a BGB entfallen ist.

Aufgrund der Beweislastverteilung im Rückforderungsprozess kann sich die Klägerin nicht damit begnügen, auf die Mängel der jetzt vorgelegten Schlussrechnung hinzuweisen und den Bautenstand bzw. Mengen und Massen zu bestreiten.

Sie muss stattdessen den Wegfall des Sicherungsgrundes, die vollständige Bezahlung der Werkleistung, - notfalls aufgrund eigener Berechnung - darlegen.

Ihre Argumentation, durch die Abweisung der Widerklage auf Werklohn werde zugleich der Rückgabeanspruch festgestellt, geht fehl.

a) Klage und Widerklage haben hier unterschiedliche Streitgegenstände. Das Spiegelbild der Restwerklohnklage wäre eine entsprechende negative Feststellungsklage. Für diese negative Feststellungsklage gilt unabhängig von der Parteirolle die gleiche Beweislastverteilung, wie für die entsprechende Leistungsklage.

b) Die Restwerklohnklage ist für die Klage auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft nicht präjudiziell. Denn dies würde der unterschiedlichen Beweislastverteilung nicht gerecht.

Wollte man der Argumentation der Klägerin folgen, so hinge der Erfolg der Rückforderungsklage von der zeitlichen Reihenfolge der Klagen ab:

Würde die Werklohnklage zuerst eingereicht und abgewiesen, stünde damit zugleich fest, dass der Auftraggeber die Bürgschaftsurkunde herausverlangen kann.

Würde dagegen - wie hier - die Klage auf Rückgabe der Bürgschaft zuerst erhoben und gelänge der vollständige Beweis der Bezahlung der Werklohnforderung nicht, so wäre die Klage abzuweisen. Damit stünde allerdings noch nicht fest, ob und in welcher Höhe Werklohn noch zu zahlen wäre.

Die Auffassung der Klägerin liefe darauf hinaus, auch im Rahmen des Rückforderungsprozesses die Beweislast für das Bestehen einer Restwerklohnforderung dem Werkunternehmer aufzubürden. Dies ist mit der Schutzintension des § 648 a BGB wie bereits ausgeführt nicht zu vereinbaren.

c) Der Senat verkennt nicht, dass es auf den ersten Blick erstaunlich zu sein scheint, dass die Werklohnforderung der Beklagten einerseits abzuweisen ist und andererseits die Klägerin die sie sichernde Bürgschaftsurkunde dennoch nicht herausverlangen kann.

Die Parallele zur Rückforderung zu viel gezahlter Beträge macht das Ergebnis plausibler. Denn es leuchtet ohne weiteres ein, dass es einerseits dem Unternehmer nicht gelingt, eine Restwerklohnforderung darzulegen und zu beweisen, andererseits der Besteller aber eine Überzahlung ebenfalls nicht unter Beweis stellen kann.

Außerdem entspricht das hier gefundene Ergebnis letztlich der Intention des § 648 a BGB wohl auch besser. Denn es schafft für die Parteien - schon wegen der auflaufenden Avalzinsen - einen faktischen Zwang zur Einigung. Wollte man dagegen dem Werkunternehmer auch im Rahmen der Rückforderung der Bürgschaftsurkunde die Beweislast auferlegen, so würde sich seine Rechtsstellung - im Vergleich zur alten Rechtslage - durch dieses Sicherungsmittel im Streitfall nicht verbessern.

II.

Soweit die Beklagte mit der Berufung ihre Widerklage weiterverfolgt, bleibt ihr der Erfolg versagt.

1. Wie bereits ausgeführt, reicht die Schlussrechung der Beklagten vom 28. März 2006 zur Darlegung einer Restwerklohnforderung nicht aus. Die Rechnung ist damit zugleich nicht prüfbar. Dennoch ist die Widerklage hier als endgültig und nicht nur als derzeit unbegründet abzuweisen.

a) Hat der Auftraggeber eines Vertrages, in dem die VOB/B vereinbart worden ist, nicht binnen zwei Monaten nach Zugang der Schlussrechnung Einwendungen gegen deren Prüfbarkeit erhoben, wird der Werklohn auch dann fällig, wenn die Rechnung objektiv nicht prüfbar ist. Es findet die Sachprüfung statt, ob die Forderung berechtigt ist (Urteil des 7. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes vom 22.12.2005, Az.: VII ZR 316/03, Leitsatz zitiert nach juris [=IBR 2006, 128]).

b) Die Klägerin hat die Prüffähigkeit der Abrechnung, die ihr am 6. April 2006 zugestellt wurde, bis zum 5. Juni 2006 nicht gerügt.

c) Eine Schätzung der Forderung kam - wie ebenfalls bereits dargelegt - nicht in Betracht.

Damit hat sich im Ergebnis für die Beklagte das Insolvenzrisiko ihres Vertragspartners, der P. , verwirklicht.

2. Der Senat hat in der Verhandlung vom 24. November 2006 ausführlich auf die Mängel der Rechnung vom 28. März 2006 und damit der Darlegung der Restwerklohnforderung sowie auf die geänderte Senatsmeinung hingewiesen.

III.

Die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klägerin hat im Hinblick auf den gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2006 den ursprünglichen Feststellungsantrag im schriftlichen Verfahren teilweise in einen Zahlungsantrag verändert.

a) Diese Klageerweiterung stellt der Sache nach eine Anschlussberufung dar (vgl. hierzu KG VersR 1969, 190). Dabei ist unschädlich, dass die Klägerin nicht den entsprechenden Terminus verwandt hat.

Die Anschließung war bis zur mündlichen Verhandlung vom 24. November 2006 statthaft, da der Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt keine Frist zur Berufungserwiderung i. S. d. § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO gesetzt wurde.

b) Es handelt sich dabei um eine zulässige Klageänderung i. S. d. § 533 ZPO. Für die Frage, ob der Klägerin ein Verzugsschaden zusteht, müssen für Feststellungs- und Leistungsklage die gleichen Tatsachen zu Grunde gelegt werden. Die Klageänderung ist auch i. S. d. § 533 Nr. 1 ZPO sachdienlich. Denn unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit kann auf diese Weise der Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausgeräumt und weiteren Rechtsstreitigkeiten vorgebeugt werden.

2. Die Anschlussberufung bleibt jedoch ohne Erfolg. Da sich die Beklagte wie bereits dargelegt, nicht mit der Herausgabe der Bürgschaftsurkunde in Verzug befindet, scheitert ein entsprechender Schadensersatzanspruch.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nach § 543 Abs. 1 ZPO nicht zugelassen. Denn der Rechtssache kommt weder eine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 543 abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts für die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren ergibt sich aus den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1, 63 Abs. 3 S. 1 GKG in Verb. mit § 3 ZPO.

In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass keine Zusammenrechnung von Klage und Widerklage erfolgt, wenn einerseits die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde andererseits Zahlungsklage erhoben wird (OLG Stuttgart vom 30. August 1999, Az.: 13 W 35/99, zitiert nach juris, Rdnr. 4 m. w. N.). Da hier die Bürgschaft als Sicherheit für restliche - abgetretene - Zahlungsansprüche der Beklagten aus dem Bauvertrag dient, wurde wechselseitig das gleiche wirtschaftliche Interesse verfolgt: Die Klage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde war darauf gerichtet, zu verhindern, dass die Beklagte die Bürgschaft für Ansprüche aus dem Bauvertrag in Anspruch nimmt. Mit der Zahlungsklage werden die Ansprüche verfolgt, bei deren Bestehen die Bürgschaft in Anspruch genommen werden könnte. In diesem Fall müsste die Beklagte die Bürgschaft gerade nicht herausgeben. Da die geltend gemachten Zahlungsansprüche die Bürgschaftssumme nicht voll ausschöpfen, ist das wirtschaftliche Interesse nicht vollständig identisch. Es war daher zunächst der nominale Wert der Bürgschaft begrenzt durch die Höhe der Forderungsabtretung in Höhe von 300.000,-- bestimmend. Nach dem Teilverzicht auf die Bürgschaft reduzierte sich dieser Betrag auf 200.000,-- Euro. Der niedrige Streitwert der Widerklage geht darin auf. Hinzu zu addieren waren die nunmehr bezifferten Avalzinsen und der Wert der Feststellungsklage ab dem 1. Dezember 2006.

Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren war dementsprechend von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 GKG abzuändern.

Ende der Entscheidung

Zurück