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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 27.11.2002
Aktenzeichen: 11 W 117/02
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 19 Abs. 1 Satz 1
GKG § 19 Abs. 1 Satz 3
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 4
ZPO § 308 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 319
Im Kostenfestsetzungsverfahren ist zu prüfen, ob die Inanspruchnahme mehrerer Bürgen in gesonderten Prozessen an Stelle eines auf Grund subjektiver Klagenhäufung gegen alle Bürgen zugleich geführten Rechtsstreits rechtmissbräuchlich erfolgte, so dass nur die Kosten des einen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Verfahrens zu erstatten sind.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

11 W 117/02 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

wegen Kostenfestsetzung,

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 27. November 2002 unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. Grubert und Krause beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Magdeburg vom 18.10.2001 in der Fassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 05.12.2001, Geschäftszeichen: 8 O 3132/00, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die der Klägerin von dem Beklagten aufgrund des Urteils des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 05.07.2001, Geschäftszeichen: 2 U 33/01, zu erstattenden Kosten werden auf 2.919,43 EUR nebst 4% Zinsen seit dem 19.07.2001 festgesetzt. Im Übrigen wird das Festsetzungsgesuch der Klägerin zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten trägt die Klägerin.

Die Rechtsbeschwerde ist zugelassen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 2.179,85 DM (1.114,54 EUR).

Gründe:

I.

Die Klägerin hat den Beklagten als Bürgen wegen eines erstrangigen Teilbetrages von 35.000.- DM der Kontokorrentverbindlichkeit der Hauptschuldnerin aus dem Kreditvertrag 610001345 in Anspruch genommen. Vor dem Landgericht blieb die Klage erfolglos. Auf die Berufung der Klägerin hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch Urteil vom 05.07.2001 unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung der Klage im wesentlichen stattgegeben. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Beklagten auferlegt. Am gleichen Tag ist die Ehefrau des Beklagten durch den 2. Zivilsenat verurteilt worden, aus einer übernommenen Bürgschaft ebenfalls einen erstrangigen Teilbetrag der Hauptforderung der Klägerin gegen die Schuldnerin aus dem Kontokorrentkreditvertrag 610001345 i.H.v. 35.000.- DM zu zahlen. Die zugrunde liegenden und im wesentlichen identischen Klagen gegen die Bürgen hat die Klägerin am 08.11.2000 beim Landgericht eingereicht.

Mit Antragsschriften vom 18.07.2001 hat die Klägerin die Festsetzung ihrer Auslagen erster und zweiter Instanz beantragt. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit der Auffassung, die Klägerin hätte beide Bürgen in einem Prozess in Anspruch nehmen müssen, um so Kosten zu sparen. Die durch das Vorgehen der Klägerin verursachten Mehrkosten seien nicht zu erstatten. Dem hielt die Klägerin entgegen, dass zwei Prozesse hätten geführt werden können, weil die Bürgen nicht als Gesamtschuldner verurteilt worden seien.

Das Landgericht hat zunächst durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.10.2001 die der Klägerin von dem Beklagten zu erstattenden Kosten auf 7.092.- DM nebst Zinsen festgesetzt. Unberücksichtigt blieb hierbei die von Seiten der Klägerin geltend gemachte Umsatzsteuer. Zur Begründung hat die Rechtspflegerin im weiteren ausgeführt, dass für den Umfang der Erstattungspflicht allein die Kostengrundentscheidung maßgeblich sei. Diese sehe die Kostenschuld des Beklagten vor. Gegen diese, dem Beklagtenvertreter am 20.11.2001 zugestellte Entscheidung, richtet sich die am 04.12.2001 beim Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten.

Die Klägerin hat ebenfalls wegen der nicht festgesetzten Umsatzsteuer Rechtsmittel eingelegt, woraufhin das Landgericht am 05.12.2001 einen weiteren Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen hat, wonach der Beklagte der Klägerin 797,76 DM nachfestgesetzte Umsatzsteuer schuldet. Gegen diese, seinem Bevollmächtigten am 18.01.2002 zugestellte Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der am 01.02.2002 beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

II.

1. Auf das Rechtsmittel des Beklagten finden die am 31.12.2001 geltenden Vorschriften Anwendung, da die angefochtene Entscheidung vor dem 01.01.2002 ergangen ist (§ 26 Nr. 10 Satz 1 EGZPO). Zwar hat der Beklagte gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.10.2001 und den Beschluss vom 05.12.2001 jeweils die statthafte sofortige Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt. Tatsächlich liegt allerdings ein einheitliches Rechtsmittel gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.10.2001 vor, da die hiergegen gerichtete Beschwerde auch den Gegenstand (Umsatzsteuer) des Beschlusses vom 05.12.2001 erfasste, der sich tatsächlich als Berichtigungsentscheidung der Rechtspflegerin nach § 319 ZPO auf die sofortige Beschwerde der Klägerin darstellte. Ganz offensichtlich war die Festsetzung der Umsatzsteuer übersehen bzw. vergessen worden (Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 319 Rdn. 10), woraufhin die Klägerin ihr Rechtsmittel aufgrund Erledigung nicht mehr weiter verfolgt hat.

2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde des Beklagten Erfolg.

a) Das Rechtsmittel führt aus, bei den Prozessen gegen die Bürgen habe es sich um eine Angelegenheit gehandelt, womit die Klägerin auch nur die zur Verfolgung dieser Angelegenheit notwendigen Kosten verlangen könne. Die Streitwerte seien zu addieren und so der einen Kostenberechnung gegenüber beiden Beklagten zugrunde zu legen. Dies trifft im Ergebnis in dem durch die sofortige Beschwerde gesteckten Umfang der Prüfung des Senats zu:

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist im Kostenfestsetzungsverfahren durchaus zu hinterfragen, ob das Führen mehrerer Prozesse an Stelle einer subjektiven Klagenhäufung notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO war. Es handelt sich hierbei nicht um eine materiell-rechliche Einwendung (so OLG Celle NdsRpfl. 1987, 283), sondern betrifft den Umfang des im Festsetzungsverfahren zu ermittelnden prozessualen Kostenerstattungsanspruchs (so auch KG JurBüro 2001, 99, 100).

Grundsätzlich obliegt es dem Kläger, seine prozessuale Taktik zu bestimmen und in diesem Zusammenhang von einer Inanspruchnahme mehrerer Beklagter in einem Prozess abzusehen und stattdessen mehrere Klagen zu erheben. Die Grenze ist allerdings dort gezogen, wo es für dieses Vorgehen keine nachvollziehbaren sachlichen Gründe gibt, vielmehr die zu Mehrkosten führende Inanspruchnahme Mehrerer in einzelnen Prozessen willkürlich und treuwidrig, mithin rechtsmissbräuchlich erscheint (OLG München AnwBl. 1994, 527 f.; MDR 2001, 652 f.; KG NJW-RR 1992, 1298; JurBüro 1989, 1697 f.; 2001, 99, 100; OLG Koblenz JurBüro 1990, 58; OLG Düsseldorf JurBüro 1982, 602). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es, wie hier, um mehrere Bürgen geht (OLG Koblenz Rpfleger 1991, 81).

Zugunsten der Klägerin ist kein sachlicher Grund ersichtlich und von ihr auch nicht dargetan (vgl. zur Darlegungslast Schneider MDR 1989, 606, 607), der es erforderlich erscheinen ließ, den Beklagten und seine Ehefrau als Bürgen für die gleiche Hauptschuld in getrennten Verfahren in Anspruch zu nehmen. Es liegt ein einheitlicher Lebenssachverhalt vor (OLG Koblenz JurBüro 1990, 58). Die Klagen haben den gleichen Wortlaut. Die ergangenen gerichtlichen Entscheidungen sind nahezu identisch. Mit erheblich voneinander abweichendem Verteidigungsvorbringen der Bürgen war nicht zu rechnen. Der Gerichtsstand war derselbe. Allein die Tatsache, dass die Bürgen nicht als Gesamtschuldner verurteilt wurden, rechtfertigt, wie die Klägerin zu Unrecht geltend macht, das Führen von zwei Prozessen nicht. Hinzu tritt hier, dass tatsächlich eine gesamtschuldnerische Haftung anzunehmen ist, weil die Ehegatten für die gleiche Hauptschuld in Anspruch genommen wurden.

Dies hat zur Folge, dass die Klägerin Erstattung nur des Betrages verlangen kann, für den der Beklagte im Falle der Inanspruchnahme der Bürgen in einem Prozess haften würde (OLG München AnwBl. 1994, 527; MDR 2001, 652; KG NJW-RR 1992, 1298; JurBüro 1989, 1697 f.; OLG Düsseldorf JurBüro 1982, 602).

b) Daraus ergibt sich für die Erstattungspflicht des Beklagten:

aa) Entsprechend dem Vorbringen der sofortigen Beschwerde, sind die Streitwerte der beiden Prozesse gegen die Bürgen zu addieren (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG teilweise i.V.m. § 8 Abs. 1 BRAGO), sodass von einem Streitwert in beiden Instanzen von 70.000.- DM auszugehen ist. Zwar liegt tatsächlich ein Fall gesamtschuldnerischer Inanspruchnahme vor, der eine Addition verbietet (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG). Das mit der sofortigen Beschwerde verfolgte Begehren des Beklagten ist insoweit allerdings eindeutig, womit es dem Senat nicht gestattet ist, über das sich aus der Beschwerdeschrift ergebende Rechtsschutzziel hinaus zu gehen (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO; Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 572 Rdn. 45).

bb) Anwaltskosten der Klägerin erster Instanz (§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO):

10/10 Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO um 10% ermäßigt = 1.534,50 DM

10/10 Verhandlungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO um 10% ermäßigt = 1.534,50 DM

Pauschale nach 26 BRAGO = 40,00 DM

Umsatzsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO = 497,44 DM

= 3.606,44 DM.

cc) Anwaltskosten der Klägerin zweiter Instanz (§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO):

13/10 Prozessgebühr nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 11 Abs. 1 Satz 3 BRAGO um 10% ermäßigt = 1.994,90 DM

13/10 Verhandlungsgebühr nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 11 Abs. 1 Satz 3 BRAGO um 10% ermäßigt = 1.994,90 DM

Pauschale nach § 26 BRAGO = 40,00 DM

Umsatzsteuer nach § 25 Abs. 2 BRAGO = 644,77 DM

= 4.674,57 DM.

dd) Zu den außergerichtlichen Kosten der Klägerin von 8.281,01 DM kommen die von ihr verauslagten und zugunsten des Beklagten zu berücksichtigenden Vorschüsse auf die Gerichtskosten. Bei einem Streitwert von 70.000.- DM wären angefallen:

Gebühr Nr. 1201 KV = 2.092,50 DM Gebühr Nr. 1220 KV = 1.046,30 DM Gebühr Nr. 1226 KV = 2.092,50 DM.

An Stelle der 5.231,30 DM sind aber 2 x 3.510.- DM entstanden, sodass die Klägerin die von ihr erbrachten Vorschüsse von 2 x 2.106.- DM, die insgesamt auf die Kostenschuld des jeweiligen Beklagten angerechnet worden sind, nur anteilmäßig, nämlich in dem Umfang erstattet verlangen kann, wie sie bei einem Prozess erbracht worden wären. Dies sind die Gebühren Nr. 1201 und 1220 KV i.H.v. 3.138,80 DM, was sich auch aus der Verhältnisrechnung

5.231,30 DM x ___________ = ___________ 3.510.- DM 2.106,- DM

ergibt.

ee) Für die Kosten, die bei einem einheitlichen Prozess entstanden wären, haftet der Beklagte entsprechend dem auf ihn entfallenden Teil (§ 100 Abs. 1 ZPO). Tatsächlich liegt zwar eine Inanspruchnahme und Verurteilung als Gesamtschuldner i.S.v. § 100 Abs. 4 ZPO vor. Der Senat kann dies im Beschwerdeverfahren allerdings nicht berücksichtigen, weil dem das Verbot der Schlechterstellung des Beschwerdeführers (reformatio in peius) entgegen steht. Die Kostenschuld des Beklagten errechnet sich nach alledem wie folgt:

8.281,01 DM + 3.138,80 DM _______________________ = 5.709,91 DM. 2

III.

Die Auslagenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist gegen die Entscheidung des Senats grundsätzlich statthaft (§ 26 Nr. 10 EGZPO; BGH, V ZB 11/02, v. 29.05.2002; 5 ZB 16/02, vom 04.07.2002; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 26 EGZPO Rdn. 9). Sie wird hier wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO; BGH, XI ZR 71/02, vom 01.10.2002). Es ist von allgemeinem Interesse, ob und wieweit im Kostenfestsetzungsverfahren das Vorgehen des Klägers gegen mehrere Verpflichtete in gesonderten Prozessen mit Blick auf den jeweils erwachsenden Erstattungsanspruch überprüft werden kann.

Der Beschwerdewert entspricht der vom Beklagten weiter verfolgten Beschwer.

Ende der Entscheidung

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