Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 23.03.2001
Aktenzeichen: 11 Wx 17/00
Rechtsgebiete: RPflG, GDO, GBVerfO, GBO, BGB, VO, KostO, FGG


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 2 S. 4
GDO § 8 Abs. 1
GBVerfO § 2
GBO § 13
GBO § 29
GBO § 76
GBO § 78
GBO § 80
GBO § 19
GBO § 20
GBO § 35
GBO § 53
BGB § 873
BGB § 925
BGB § 892
BGB § 894
BGB §§ 2353 ff
VO § 32 Abs. 3
KostO § 30
KostO § 131 Abs. 1
KostO § 30 Abs. 1
KostO § 31 Abs. 1 S. 1
FGG § 13 Abs. 1 S. 1
1. Bei Grundbucheintragungen, die vor dem 03.10.1990 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR vorgenommen worden sind, sind "gesetzliche Vorschriften" die im Zeitpunkt der Eintragung geltenden Vorschriften des Rechts der ehemaligen DDR.

2. Ein Amtswiderspruch kann auch nach Umschreibung des unrichtig eingetragenen Rechts auf einen Dritten eingetragen werden, wenn die durch den Gesetzesverstoß entstandene Unrichtigkeit fortbesteht, weil der Dritte nicht gutgläubig erworben hat.

3. Eine "Ausfertigung" einer notariellen Urkunde, die von einem anderen Staatlichen Notariat als demjenigen erteilt worden war, das die Urschrift erstellt hatte und verwahrte, konnte auch vor dem 03.10.1990 nicht Grundlage einer Eintragung sein.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

11 Wx 17/00 OLG Naumburg

In der Grundbuchsache

betreffend die Grundstücke

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 23. März 2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht Lohmann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Grubert und den Richter am Landgericht Dr. Strietzel beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3. gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 5. Juni 2000 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde und für das landgerichtliche Beschwerdeverfahren wird auf jeweils 15.600 DM festgesetzt.

Gründe:

I. Der Landwirt R. L. war eingetragener Eigentümer der im Grundbuch von G. , Band 27, Blatt 30 (Bestandsblatt 966) eingetragenen Grundstücke G. , Flur 2, Flurstücke 832 und 913, zu einer Größe von insgesamt 39.86 ar. R. L. wurde durch Beschluß des Kreisgerichts R. mit Wirkung vom 31. Dezember 1950 für tot erklärt. Am 31. Juli 1970 stellte das Staatliche Notariat R. auf Antrag von M. L. , der Ehefrau des R. L. , einen Erbschein aus, demzufolge R. L. zu 1/2 von M. L. , zu 1/4 von seinem Vater R. L. , zu 1/8 von seiner Schwester M. B. geb. L. und zu je 1/40 von S. F. geb. L. , W. L. , I. S. geb. L. , M. M. geb. L. (der Beschwerdeführerin) und P. Fr. geb. L. beerbt worden ist (NR 308/70).

Unter dem 1. Februar 1971 schrieb das Staatliche Notariat Q. (Notar St. ) die Beschwerdeführerin wie folgt an:

"Die Eheleute J. K. und H. geb. R. , wohnhaft in G. , W. straße 3, haben den Wunsch, das Ackergrundstück G. Band 27 Blatt 30 Bestandsblatt 966 (...) zu erwerben. Der Einheitswert beträgt 830,-- Mark. Eingetragener Eigentümer ist noch Herr R. L. . Nach den hier vorliegenden Erbscheinen gehören Sie zu den Miterben nach R. L. . Wir bitten um Nachricht, ob Sie mit einem Verkauf an die Eheleute K. einverstanden sind. Nach den hier bestehenden Bestimmungen kommt als Verkaufspreis der Einheitswert in Frage. Sollten Sie mit einem Verkauf einverstanden sein, so werden wir Ihnen zu gegebener Zeit die entsprechenden Vollmachten übersenden."

Mit notariellem Vertrag vom 14. Juli 1972 (UR 20 - 594 - 72) des Staatlichen Notariats Q. (Notar St. ) verkaufte J. K. als Bevollmächtigter der M. L. (u.a.) das Flurstück 832 (Größe: 15.60 ar) zum Preis von 244 Mark der DDR an die Eheleute J. und H. K. in ehelicher Vermögensgemeinschaft und ließ es diesen auf. In der Präambel des Vertrages hieß es:

"Herr R. L. ist Eigentümer der im Grundbuch von G. Band 27 Blatt 30 eingetragenen Grundstücke. Es handelt sich um Ackergrundstücke in G. Flur 2 Flurstück 832 und 913 in einer Gesamtgröße von 39.86 ar. Der Einheitswert beträgt ca. 600,-- Mark. Der Grundstückseigentümer ist verstorben, und zwar am 31. Dezember 1950. Ausweislich des erteilten Erbscheins NR 308/70 des Staatlichen Notariats B. ist er von seiner Witwe M. L. geborene Mx. allein beerbt worden. Frau L. beantragt die Berichtigung des Grundbuches auf ihren Namen."

Am 12. September 1972 erstellte das Staatliche Notariat Q. (Notar St. ) unter dem Aktenzeichen "NR 308/1970" eine "3. Ausfertigung" des Erbscheins des Staatlichen Notariates R. . Diese "3. Ausfertigung", die mit einem Dienstsiegel des Staatlichen Notariates Q. versehen war, lautete wörtlich:

"Erbschein

Gesetzliche Erbin des R. L. , der durch Beschluss mit Wirkung vom 31. Dezember 1950 für tot erklärt wurde, ist die Witwe M. L. geborene Mx. , wohnhaft in S. , Kreis R. , H. -Straße 6. B. (R. ), den 31. Juli 1970.

Staatliches Notariat R. .

gez. Rl. , Notar.

Vorstehender Erbschein wird zum 3. Male ausgefertig und Frau M. L. geborene Mx. in S. erteilt.

Q. , den 12. September 1972 Staatliches Notariat Unterschrift St. Notar."

Am 16. März 1973 wurde M. L. als alleinige Eigentümerin des Flurstücks 832 in das Grundbuch eingetragen. Das Grundstück wurde auf Blatt 1569 des Grundbuchs von G. übertragen. Sodann wurden die Eheleute K. als Eigentümer des Flurstücks 832 in das Grundbuch eingetragen.

Mit notariellem Vertrag vom 15. Juni 1987 (20 - 387 - 87 Staatliches Notariat Q. , Notar Bz. ) schenkten die Eheleute K. eine Teilfläche des Flurstücks 832 den Beteiligten zu 1. und zu 2. zu gemeinschaftlichem Eigentum. Die Beteiligten zu 1. und zu 2. wurden am 5. November 1988 als Eigentümer des neu gebildeten Flurstücks 832/1 in das Grundbuch eingetragen (Blatt 1731). Die restliche Teilfläche (Flurstück 832/2) verblieb bei den Eheleuten K. (Blatt 1569).

Die Eheleute K. verstarben und wurden aufgrund ihres gemeinschaftlichen Testamentes vom 14. August 1985 (Staatliches Notariat Q. H 40 - 196 - 85) von der Beteiligten zu 1. allein beerbt. Die Beteiligte zu 1. wurde auf ihren Antrag vom 30. April 1996 hin am 2. März 1999 als Eigentümerin des Flurstücks 832/2 in das Grundbuch (Blatt 1569) eingetragen.

Die Beschwerdeführerin hatte bereits mit Schreiben vom 9. Mai 1996 darauf hingewiesen, daß das Grundbuch unrichtig sein müsse, weil M. L. nicht alleinige Erbin des Grundstücks gewesen sei; der in Bezug genommene Erbschein des Staatlichen Notariats B. weise unter anderem sie, die Beschwerdeführerin, als Miterbin aus. Mit Schreiben vom 31. Juli 1997 hat die Beschwerdeführerin die Berichtigung des Grundbuchs und die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs in Abteilung I beantragt. Die Rechtspflegerin hat mit Verfügung vom 13. November 1997 die Eintragung eines Amtswiderspruchs abgelehnt, weil der zuständige Grundbuchbeamte bei Eintragung der Eheleute K. nicht rechtswidrig gehandelt habe; er habe keinen Anlaß gehabt, an der Richtigkeit der "3. Ausfertigung" zu zweifeln. Das Flurstück 832/1 sei überdies im Jahre 1987 von den Beteiligten zu 1. und zu 2. gutgläubig erworben worden. Mit Schreiben vom 25. November 1997 und vom 1. August 1998 hat die Beschwerdeführerin die Ansicht vertreten, die Eintragung der Eheleute K. habe schon deshalb nicht erfolgen dürfen, weil die "3. Ausfertigung" von einer unzuständigen Behörde - dem Staatlichen Notariat Q. statt des Staatlichen Notariates R. - erteilt worden sei. Ein gutgläubiger Erwerb des Flurstücks 832/2 sei nicht erfolgt, weil die Eheleute K. und die Beteiligte zu 1. im Jahre 1972 gewußt hätten, daß M. L. nicht die alleinige Erbin gewesen sei. Die Rechtspflegerin hat diese Schreiben als Erinnerung angesehen, der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Abteilungsrichter vorgelegt.

Mit Beschluß vom 28. September 1999 hat das Amtsgericht Q. - Grundbuchrichter - den Antrag auf Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Eintragungen der Beteiligten zu 1. und zu 2. als Eigentümer des Flurstücks 832/1 und der Beteiligten zu 1. als Eigentümerin des Flurstücks 832/2 zurückgewiesen. In den Gründen heißt es, das Grundbuchamt habe die Fälschung der "3. Ausfertigung" durch das Staatliche Notariat Quedlinburg, Notar St. , nicht gekannt und habe sie auch nicht erkennen müssen. Der seinerzeit tätige Grundbuchbeamte habe bei Umschreibung des Eigentums auf M. L. nur nach § 35 der damals noch geltenden Grundbuchordnung prüfen müssen, ob der beantragten Eigentumsumschreibung eine durch einen Erbschein bezeugte Erbfolge zugrundelag. Das sei der Fall gewesen. Daß der Erbschein von einer unzuständigen Behörde ausgestellt gewesen sei, sei kein ausreichender Anhaltspunkt für eine Fälschung gewesen, denn die örtliche Unzuständigkeit mache den Erbschein nicht unrichtig. Bei den folgenden Umschreibungen auf die Eheleute K. und die Beteiligten zu 1. und zu 2. sei die Richtigkeit der Voreintragungen nicht mehr zu prüfen gewesen.

Gegen diesen Beschluß hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14. Oktober 1999 Beschwerde eingelegt. Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, das Grundbuchamt Q. habe rechtswidrig gehandelt, als es eine Eintragung aufgrund der von einer ersichtlich unzuständigen Behörde ausgestellten "3. Ausfertigung" vorgenommen habe. Ein gutgläubiger Erwerb durch Mitglieder der Familie K. habe wegen deren Bösgläubigkeit nicht erfolgen können.

Mit Beschluß vom 5. Juni 2000 hat das Landgericht Magdeburg den Beschluß des Grundbuchamtes Q. vom 28. September 1999 aufgehoben, weil die Sache gemäß § 11 Abs.2 S.4 RPflG in der vom 1. Oktober 1998 an geltenden Fassung sofort dem Beschwerdegericht hätte vorgelegt werden müssen. Es hat den Beschluß vom 28. September 1999 als Nichtabhilfeentscheidung gewertet und die als Beschwerde geltende Erinnerung der Beschwerdeführerin gegen den Beschluß des Grundbuchamtes Q. vom 13. November 1997 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:

Die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Eintragung der Eheleute K. als Eigentümer des Flurstücks 832 am 16. März 1973 komme nicht mehr in Betracht, nachdem die Beteiligten zu 1. und 2. als Eigentümer des Flurstücks 823/1 und die Beteiligte zu 1. als Eigentümerin des Flurstücks 823/2 eingetragen worden seien. Ein Widerspruch könne nur gegen die jeweils aktuellen Eintragung eingetragen werden, da sich nur an diese Grundlage eines gutgläubigen Erwerb sein könne.

Die Eintragung der Beteiligten zu 1. und zu 2. als Eigentümer des Flurstücks 832/1 am 5. November 1988 sei nicht unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgt. Nach § 7 Abs.1 der Verordnung über die staatliche Dokumentation der Grundstücke und Grundstücksrechte in der DDR vom 6. November 1975 (Grundstücksdokumentationsordnung - GDO) habe eine Vermutung dafür bestanden, daß den voreingetragenen Eheleuten K. das Eigentumsrecht zustand; außerdem habe der Inhalt des Grundbuchs gemäß § 8 Abs.1 GDO als richtig gegolten. Die Voraussetzungen des § 1 der Anordnung über das Verfahren in Grundbuchsachen vom 30. Dezember 1975 (Grundbuchverfahrensordnung - GBVerfO) hätten vorgelegen und seien in der Form des § 2 GBVerfO nachgewiesen worden. Auch bei Eintragung der Beteiligten zu 1. als Eigentümerin des Flurstücks 832/2 am 2. März 1999 seien gesetzliche Vorschriften nicht verletzt worden; denn die Eintragungsvoraussetzungen der §§ 13, 29 GBO hätten vorgelegen.

Gegen diesen Beschluß hat die Beschwerdeführerin mit Anwaltsschreiben vom 7. August 2000 weitere Beschwerde eingelegt und den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 76 GBO - Eintragung einer Vormerkung - beantragt. Die Beschwerdeführerin wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und beanstandet außerdem, daß das Grundbuchamt in Kenntnis des Antrags auf Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit der Eintragung der Eheleute K. die Beteiligte zu 1. als alleinige Eigentümerin des Flurstücks 832/2 eingetragen habe.

II. Die weitere Beschwerde ist nach § 78 GBO statthaft und auch im übrigen zulässig; insbesondere wurde sie gemäß § 80 GBO durch eine von einer Anwältin unterzeichneten Beschwerdeschrift eingelegt. Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Ein Amtswiderspruch ist einzutragen, wenn das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist (§ 53 Abs.1 S.2 GBO). Bei Grundbucheintragungen, die vor dem 3. Oktober 1990 auf dem Gebiet der früheren DDR vorgenommen worden sind, sind "gesetzliche Vorschriften" das im Zeitpunkt der Eintragung maßgebliche Recht der DDR (Demharter, GBO, 23. Aufl., § 53 Rn. 24).

2. Flurstück 823/2 (Blatt 1569)

a) Prüfungsgegenstand ist die Eintragung der Eheleute K. als Grundstückseigentümer am 16. März 1973. Ein Amtswiderspruch kann auch dann noch eingetragen werden, wenn das unrichtig eingetragene Recht bereits auf einen Dritten umgeschrieben worden ist, sofern die bei Eintragung des Rechtsvorgängers des nunmehrigen Berechtigten mit Gesetzesverletzung entstandene Grundbuchunrichtigkeit noch fortbesteht, weil der nunmehr eingetragene Berechtigte nicht gutgläubig erworben hat (Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 11. Aufl., Rn. 395 mit weiteren Nachweisen). Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Im Wege der Erbfolge findet ein gutgläubiger Eigentumserwerb nicht statt.

b) Die Eheleute K. sind am 16. März 1973 unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften in das Grundbuch eingetragen worden.

(1) Zuständig für die Führung der Grundbücher war im Jahre 1972 der Rat des Kreises, Abteilung Kataster (vgl. § 4 Abs.1 der Verordnung über die Übertragung der Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 15. Oktober 1952, GBl. I 1057). Für das Verfahren in Grundbuchsachen galten die bis dahin geltenden Vorschriften fort, soweit nichts anderes bestimmt war (§ 5 der genannten VO).

(2) Die Eheleute K. sind aufgrund der mit der voreingetragenen M. L. vereinbarten Auflassung in das Grundbuch eingetragen worden. Die Voraussetzungen der §§ 13, 19, 20, 29 GBO lagen vor.

(3) M. L. hätte jedoch nicht als alleinige Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen werden dürfen. Die Voraussetzungen des § 35 GBO waren nicht erfüllt. Die vorgelegte "3. Ausfertigung" entsprach offensichtlich den seinerzeit geltenden Vorschriften nicht.

aa. Sachlich zuständig für die Erteilung eines Erbscheines waren seit Inkrafttreten der "Verordnung über die Errichtung und Tätigkeit des Staatlichen Notariats" vom 15. Oktober 1952 (GBl. I 1055 ff) gemäß § 2 Ziff.2 dieser Verordnung die Staatlichen Notariate. Unterschrieben hatte den Erbschein der funktionell zuständige Notar. Inhaltlich enthielt der Erbschein die nach §§ 2353 ff BGB erforderlichen Angaben. Daß M. L. als "gesetzliche Erbin", nicht als "alleinige gesetzliche Erbin" bezeichnet worden war, ließ den Erbschein nicht unklar oder unbestimmt erscheinen; die Angabe "gesetzliche Erbin" ohne Zusatz eines Bruchteils und ohne Hinweis darauf, daß noch weitere Erben vorhanden waren, war vielmehr ohne weiteres im Sinne von "alleinige gesetzliche Erbin" zu verstehen. Daß nicht die Urschrift, sondern eine Ausfertigung des Erbscheins vorgelegt worden war, war gleichfalls nicht zu beanstanden. Gemäß § 32 Abs.1 S.1 des Gesetzes über das Verfahren des Staatlichen Notariats - Notariatsverfahrensordnung - vom 16. November 1956 (GBl. I 1288) wurde die Urschrift im Rechtsverkehr durch eine Ausfertigung ersetzt. Der Ausfertigungsvermerk, der sich auf der "3. Ausfertigung" befand, entsprach dem äußeren Anschein nach ebenfalls den Anforderungen des § 32 Abs.2 S.2 der Notariatsverfahrensordnung. Er enthielt die Zahl der Ausfertigungen (dritte), die Anschrift dessen, der die Ausfertigung erhielt (M. L. ), die Bezeichnung des Notariats (Quedlinburg), den Ort, das Jahr, den Monat und den Tag der Erteilung der Ausfertigung (Quedlinburg, den 12. September 1972) sowie das Siegel und die Unterschrift des Notars.

bb. Der zuständige Beamte oder Angestellte hätte die Eintragung auf der Grundlage dieses Erbscheins jedoch deshalb nicht vornehmen dürfen, weil Erbschein und Ausfertigung von verschiedenen Notariaten erteilt worden waren. Wer für die Erteilung von Ausfertigungen zuständig war, war in der Notariatsverfahrensordnung nicht ausdrücklich geregelt. Gemäß § 32 Abs.3 der VO war die Erteilung jeder Ausfertigung jedoch auf der Urschrift zu vermerken. Das läßt den Schluß zu, daß nur dasjenige Notariat eine Ausfertigung erteilen durfte, das die Urschrift verwahrte (so Handbuch für Notare der DDR, S. 42; vgl. auch § 48 BeurkG für das heutige Recht). Die Urschrift wurde bei dem Staatlichen Notariat R. verwahrt, das den Erbschein ausgestellt hatte. Nur dieses hätte also Ausfertigungen ausstellen dürfen. Das Staatliche Notariat Q. , das die "3. Ausfertigung" erteilt hatte, konnte auch nicht nachträglich in Besitz der Urschrift gelangt sein. Ein Wechsel der Zuständigkeit und eine damit verbundene Aktenübersendung kamen in Nachlaßangelegenheiten nur in Ausnahmefällen vor, nämlich dann, wenn der Verstorbene weder seinen Wohnsitz noch seinen ständigen Aufenthalt in der DDR hatte. Dann war das Staatliche Notariat Mitte in Berlin zuständig, das die Angelegenheit an das Notariat abgeben konnte, in dessen Kreis sich der Verstorbene zuletzt aufgehalten hatte oder sich der überwiegende Teil der Nachlaßgegenstände befand; die Abgabeverfügung war bindend. Im vorliegenden Fall stammte der Erbschein jedoch nicht vom Staatlichen Notariat Berlin, sondern vom Staatlichen Notariat R. .

cc. Dem Beamten oder Angestellten, der am 16. März 1973 M. L. als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen hat, hätte also auffallen müssen, daß die "3. Ausfertigung" nicht vom Staatlichen Notariat R. , sondern vom Staatlichen Notariat Q. ausgestellt worden war. Daraus hätte er den Schluß ziehen müssen, daß es sich bei dem ihm vorgelegten Dokument nicht um eine Ausfertigung im Rechtssinne handeln konnte. Auf die Frage, ob die "3. Ausfertigung" inhaltlich richtig war oder nicht, kam es nicht an. Die "3. Ausfertigung" war keine Ausfertigung im Rechtssinne, weil sie nicht von derjenigen Behörde ausgestellt worden war, die die Urschrift verwahrte. Sie konnte damit nicht Grundlage einer Grundbucheintragung sein.

(4) Hätte M. L. am 16. März 1973 nicht in das Grundbuch eingetragen werden dürfen, durften am 16. März 1973 auch keine weiteren Eintragungen vorgenommen werden, die die Richtigkeit der Eintragung der M. L. voraussetzten.

c) Das Grundbuch ist durch die Eintragung der Eheleute K. jedoch nicht unrichtig geworden. Die Eheleute K. haben das Eigentum am Grundstück aufgrund eines Verkehrsgeschäftes mit der voreingetragenen M. L. erworben (§§ 873, 925, 892 BGB). Gemäß § 892 BGB galt das Grundbuch ihnen gegenüber als richtig. Ein Widerspruch war nicht eingetragen. Es ist auch nicht glaubhaft, daß die Eheleute K. die Unrichtigkeit des Grundbuchs kannten, also wußten, daß M. L. nicht alleinige Eigentümerin des Grundstücks war.

(1) Grundsätzlich reicht im Rahmen eines Amtswiderspruchs nach § 53 GBO aus, daß die Unrichtigkeit des Grundbuchs glaubhaft ist (Demharter, GBO 23. Aufl. § 53 Rn. 28; Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht 5. Aufl. § 53 Rn. 8; jeweils mit weiteren Nachweisen). Hängt die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Grundbuchs davon ab, ob jemand ein Recht gutgläubig erworben hat, muß die Bösgläubigkeit des Erwerbers glaubhaft sein; dies genügt, ist jedoch auch erforderlich (Demharter, aaO).

(2) Man kann vermuten, daß der Notar St. das Schreiben vom 1. Februar 1971 nicht aus eigener Veranlassung, sondern deshalb versandt hat, weil die Eheleute K. das Grundstück kaufen wollten. Dann liegt die Annahme nahe, daß er den Eheleuten K. die Rechtslage erläutert hat, ihnen also erklärt hat, daß grundsätzlich die Zustimmung aller Erben des R. L. erforderlich war. Ebenso gut könnte es jedoch so gewesen sein, daß die Eheleute K. die Abwicklung des beabsichtigten Grundstückskaufs dem Notar übertragen und sich darauf verlassen haben, daß alles, was der Notar unternahm, rechtens war. Daß der Notar die Eheleute K. von der unrichtigen Ausfertigung und der so erschlichenen unrichtigen Voreintragung der M. L. unterrichtete, ist nicht sehr wahrscheinlich; damit brauchten die Eheleute K. auch nicht zu rechnen.

(3) Der Senat hat davon abgesehen, die Sache zur weiteren Aufklärung an die Tatsacheninstanz zurückzuverweisen. Weitere Ermittlungen versprechen keinen Erfolg. Die Eheleute K. sind verstorben. Die Beteiligte zu 1. (geb. am 30. September 1959) war am 1. Februar 1971 erst 11 Jahre alt. Daß sie Einzelheiten des damaligen Erwerbsvorgang kennt, ist daher nicht zu erwarten. Ob der Notar St. noch lebt, ist nicht bekannt; das Grundbuchamt hat auch seine letzte Anschrift nicht ermitteln können. Der Beteiligte zu 3. und den anderen übergangenen Erben des R. L. bleibt die Möglichkeit, Klage gemäß § 894 BGB zu erheben und in diesem Rahmen eine Beweisführung zu versuchen.

3. Flurstück 832/1 (Blatt 1731)

Prüfungsgegenstand ist hier die Eintragung der Beteiligten zu 1. und zu 2. als Eigentümer des Flurstücks 832/1 am 5. November 1988, nicht diejenige der Eheleute K. im Jahre 1973; denn die Beteiligten zu 1. und zu 2. sind aufgrund eines Verkehrsgeschäftes eingetragen worden. Bei der Eintragung der Beteiligten zu 1. und zu 2. sind keine gesetzlichen Vorschriften des im Jahre 1988 geltenden Rechts verletzt worden. Anlaß, die Richtigkeit der Voreintragung zu überprüfen, bestand aus Sicht der zuständigen Behörde nicht. Die unrichtige "3. Ausfertigung" des Erbscheins, die auf eine Manipulation im Zusammenhang mit der Eintragung der Eheleute K. hätte hindeuten können, befand sich nicht bei den Grundakten. Auf die Frage, ob die Beteiligten zu 1. und zu 2. gutgläubig hinsichtlich des Eigentums der Eheleute K. waren oder ob sie die Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne von § 8 Grundstücksdokumentationsordnung (GDO) kannten, kommt es in diesem Zusammenhang daher nicht einmal an.

III. Den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat gem. §§ 131 Abs. 1, 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 S. 1 KostO festgesetzt. Er hat dabei als wertbestimmend das Interesse der Beteiligten zu 3. berücksichtigt, das sie mit der weiteren Beschwerde verfolgt. Da mit der Eintragung eines Amtswiderspruchs ein Grundbuchberichtigungsanspruch gem. § 894 BGB gegen die aus dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs erwachsenden Gefahren abgesichert werden soll, ist das Sicherungsinteresse mit einem Bruchteil von 1/4 des Verkehrswertes anzusetzen, den der Senat gemäß § 30 KostO auf 62.400 DM (780 qm à 40 DM x 2) schätzt. Entsprechend § 31 Abs. 1 S. 1 KostO hat der Senat die vom Landgericht vorgenommene Festsetzung des Geschäftswerts für die Erstbeschwerde abgeändert. Anlaß zu einer Billigkeitsentscheidung nach § 13 Abs.1 S.1 FGG hat der Senat nicht gesehen.

Ende der Entscheidung

Zurück