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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 14.10.2002
Aktenzeichen: 12 W 168/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 118 Abs. 2
ZPO § 117
ZPO § 127
ZPO § 114
Dem Beschwerdegericht obliegt die Prüfung des angefochtenen Beschlusses auch in Prozesskostenhilfeangelegenheiten nur im Umfang der Beschwer des Beschwerdeführers.

Das Beschwerdegericht kann aber den Nichtabhilfebeschluss trotz des Verschlechterungsverbotes vollständig aufheben und die Sache insgesamt an das Erstgericht zurückverweisen, für das das Verschlechterungsverbot nicht gilt.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

12 W 168/02 OLG Naumburg

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Trojan, den Richter am Oberlandesgericht Kühlen und den Richter am Landgericht Bortfeldt am 14. Oktober 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Prozesskostenhilfebeschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 01. Juni 2002 - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 12. September 2002 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Der Antragsteller beabsichtigt die Erhebung einer Klage auf Zahlung von Restwerklohn. Nachdem das Landgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zunächst mangels Erfolgsaussichten abgelehnt hatte, wurde diese Entscheidung auf eine sofortige Beschwerde des Antragstellers teilweise abgeändert und ihm Prozesskostenhilfe für den beabsichtigten Antrag gewährt, allerdings mit der Einschränkung einer Zug-um-Zug-Verurteilung gegen Beseitigung bestimmter Mängel. Mit seinem weitergehenden Rechtsmittel verfolgt der Antragsteller das Ziel einer uneingeschränkten Prozesskostenhilfebewilligung.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, im Ergebnis jedoch nur im Umfang des Beschlusstenors begründet. Für die Entscheidung des Senats kann es dahin gestellt bleiben, ob die beabsichtigte Klage uneingeschränkt Erfolgsaussichten hat, da der Antragsteller bisher seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausreichend und nachvollziehbar dargelegt hat. In seiner Erklärung vom 1. März 2002 hat er angegeben, dass er zusammen mit seiner Ehefrau Einnahmen i.H.v. 1.588,- DM erzielt, denen Ausgaben i.H.v. 2.352,- DM gegenüberstanden. Diese Angaben sind weder ausreichend glaubhaft gemacht worden, noch überhaupt nachvollziehbar. Insbesondere ist nicht erkennbar, woraus der notwendige Lebensunterhalt des Antragstellers bestritten wird, zumal nach seinen Angaben weder Ersparnisse noch sonstige Unterhaltsleistungen oder Vermögen vorhanden sein sollen. Nachdem das Landgericht den Antragsteller bereits mit Verfügung vom 10. April 2002 gem. §§ 118 Abs. 2, 117 ZPO zur Substantiierung und Glaubhaftmachung dieser Angaben aufgefordert hatte, wurde zwar unter dem 28. April 2002 eine weitere Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht, nach der nunmehr ein Einnahmeüberschuss von ca. 400,- Euro für den Antragsteller und seine Ehefrau vorhanden sein soll; diese Angaben sind jedoch ebenfalls nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, wie der Antragsteller bereits zwei Monate nach der ersten Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse nunmehr aus selbständiger Unternehmertätigkeit ein um 150 Euro monatlich höheres Einkommen erzielen will. Ebenso wenig hat er glaubhaft gemacht oder nachvollziehbar dargelegt, dass sich die Mietkosten für die Wohnung nunmehr halbiert haben sollen (§ 294 ZPO). Seine Erklärung hierzu, dass sein Sohn die andere Hälfte der Mietkosten beisteuere, reicht hierfür nicht aus, zumal weder vorgetragen worden noch ersichtlich ist, dass dieser mit in der Wohnung lebt. Dies gilt hier um so mehr, als der Mietzins und die Nebenkosten jeweils in voller Höhe vom Konto der Eheleute H. bestritten werden.

Schon die vorgenannten Gründe reichen zur vorläufigen Feststellung aus, dass der Antrag-steller seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausreichend nachvollziehbar dargelegt und glaubhaft gemacht hat, so dass die sofortige Beschwerde über den im Nichtabhilfebeschluss bewilligten Teil hinaus keinen Erfolg haben konnte. Denn der Antragsteller kann keine weitere Vergünstigung erhalten, als er sie bereits - derzeit zu Unrecht - erhalten hat (z. B. OLG Zweibrücken, Jur. Büro 1983, 1720; BayObLG, Jur. Büro 1991, 1230 (1231).

Dem Senat war es unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes verwehrt, den Nichtabhilfebeschluss aufzuheben und die beantragte Prozesskostenhilfe im Rahmen einer eigenen Sachentscheidung zu versagen. Ist Prozesskostenhilfe teilweise bewilligt und im übrigen verweigert worden, so darf das Beschwerdegericht den bewilligten Teil der erstinstanzlichen Entscheidung nicht abändern (z. B. Zöller/Philippi Rdn. 37 zu § 127 ZPO; Stein/Jonas/ Bork, Rdn. 24 zu § 127 jeweils m. w. N.). Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Beschwerde-senat hat keine uneingeschränkte Prüfungsbefugnis, denn das Landgericht hat im Nichtabhilfebeschluss die Prozesskostenhilfe nicht vollständig wegen fehlender Hilfsbedürftigkeit oder mangelnder Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage versagt. Nur in einem solchen Fall fällt dem Beschwerdegericht das gesamte Beschwerdeverfahren an (z. B. Zöller/Philippi a.a.O. Rdn. 36; BayObLG, Jur. Büro 1991, 1230), mit der Folge, die Entscheidung aus jedem denkbaren Gesichtspunkt zu überprüfen und etwa eine versagte Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten mit anderer Begründung, nämlich fehlender Hilfsbedürftigkeit, abzulehnen bzw. umgekehrt.

Trotz des Verschlechterungsverbots ist prozessual jedoch eine Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur erneuten Entscheidung zulässig und im vorliegenden Fall auch geboten. Denn für die erste Instanz gilt das Verschlechterungsverbot nicht (z. B. Zöller/Philippi, a.a.O., Rdn. 37; Zöller/Gummer, Rdn. 38 zu § 575 ZPO; Stein/Jonas/Bork, a.a.O., Rdn. 25; Wieczorek/Schütze/Steiner, Rdn. 26 zu § 127 ZPO; Münchener Kommentar zur ZPO/Wax, Rdn. 48 zu § 127 ZPO, jeweils m. w. N). Von dieser Möglichkeit macht der Senat Gebrauch. Das Landgericht hat nicht erkennen lassen, dass es sich spätestens in seiner Nichtabhilfeentscheidung neben den Erfolgsaussichten der Klage auch mit der weiteren Voraussetzung des § 114 ZPO auseinandergesetzt hat, nämlich mit der Bedürftigkeit des Antragstellers, nachdem es die Angaben hierzu zuvor noch ausdrücklich für unzureichend dargelegt angesehen hat. Nur bei Bejahung auch dieser Frage hätte es den Nichtabhilfebeschluss gleichen Inhalts erlassen dürfen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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