Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 17.08.2004
Aktenzeichen: 12 W 29/04
Rechtsgebiete: StVollzG, ZPO, BGB, GG


Vorschriften:

StVollzG § 18 Abs. 1
StVollzG § 18 Abs. 1 Satz 1
StVollzG § 144
StVollzG § 146
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 569 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
BGB § 839 Abs. 1
BGB § 839 Abs. 3
GG Art. 34
Von der Doppel- bzw. Mehrfachbelegung von Haftzellen kann nicht ohne weiteres auf eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechtes geschlossen werden, die allein zu einem Schmerzensgeldanspruch führen kann.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

12 W 29/04 OLG Naumburg

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Kühlen als Einzelrichter

am 17. August 2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den die beantragte Prozesskostenhilfe versagenden Einzelrichterbeschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 05. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Schmerzensgeldklage wegen Unterbringung in einem mit mehreren Gefangenen belegten Haftraum. Er verbüßt in der Justizvollzugsanstalt H. bis 28. Februar 2005 Strafthaft im geschlossenen Vollzug.

Er war dort nach den Feststellungen des Landgerichts wie folgt untergebracht:

 ZeitraumGröße des HaftraumesAnzahl der HäftlingeBesonderheiten m. = mit/o. = ohne
14. - 28. Mai 200216,3 m²3separater Sanitärbereich
29. - 31. Mai 200216,3 m²2separater Sanitärbereich
01. - 06. Juni 200216,3 m²3separater Sanitärbereich
07. Juni - 26. August 200210,0 m²2Sanitärbereich m. Abtrennung
27. August - 06. Sept. 200210,0 m²2Sanitärbereich o. Abtrennung
07. Sept. - 23. Dez. 200210,0 m²2Sanitärbereich m. Abtrennung
24. Dez.- 23. Sept. 20039,47 m²2Sanitärbereich o. Abtrennung

Mit Beschluss vom 03. September 2003 verpflichtete die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Halle die Justizvollzugsanstalt, den Antragsteller während der Ruhezeiten gemäß § 18 Abs. 1 StVollzG einzeln unterzubringen, was seit dem 25. September 2003 der Fall ist.

Der Antragsteller hat die Möglichkeit der Teilnahme an zahlreichen Freizeitmaßnahmen in Form von Gemeinschaftssport, Sektionsveranstaltungen (Schach, Tischtennis, Dart, Computerlehrgänge) sowie Gelegenheit, die Bibliothek der Haftanstalt zu benutzen. Er kann ferner an kirchlichen Gemeinschaftsveranstaltungen teilnehmen und bei der Erstellung der Gefangenenzeitung mitwirken. Des Weiteren besteht die Möglichkeit des Umschlusses zu anderen Häftlingen.

Das Landgericht Halle hat seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Schmerzengeldklage zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er mit Ausnahme der Zeit vom 14. Mai bis 06. Juni 2002 weiterhin Prozesskostenhilfe für eine Schmerzensgeldklage begehrt.

II.

Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Das Landgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht und mit einer zutreffenden Begründung abgelehnt. Daran vermag das Beschwerdevorbringen nichts zu Gunsten des Antragstellers zu ändern.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Amtspflichtverletzung gemäß § 839 Abs. 1 in Verb. mit Art. 34 GG, §§ 18 Abs. 1 Satz 1, 144, 146 StVollzG gegen das beklagte Land.

Ein Schmerzensgeldanspruch kommt nur bei einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts in Betracht. Ob eine solche schwerwiegende Verletzung vorliegt, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffes sowie von Anlass und Beweggründen des Handelnden sowie vom Grad seines Verschuldens ab (BGH NJW 1975, 1617; BGHZ 128, 1; Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 823 Rdnr. 124).

Soweit der Antragsteller mit einem bzw. zwei weiteren Häftlingen in einem 16,3 m² großen und mit separaten Sanitärbereich versehenen Haftraum untergebracht war, liegt bereits keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, insbesondere ist er nicht in seinem Anspruch auf menschenwürdige Unterbringung beeinträchtigt. Entsprechendes gilt für die Zeiträume, in denen er in einem ca. 10,0 m² großen Haftraum mit einem weiteren Mitgefangenen untergebracht war und der Haftraum über einen separaten Sanitärbereich mit Abtrennung verfügte.

Daran ändert auch nichts der Umstand, dass es sich bei dem Raum um einen Einzelhaftraum handelte und die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Halle die Unterbringungen insbesondere in der Zeit von Dezember 2002 bis Dezember 2003 in einer 9,47 m² großen Zelle mit einem weiteren Haftgefangenen ohne abgetrennten Sanitärbereich als rechtswidrig qualifiziert hat. Selbst im Falle einer Bindung des Senats an die in den Gründen dieser Entscheidung festgestellte Rechtswidrigkeit der Unterbringung in diesem Zeitraum kann aus der Doppelbelegung des Einzelhaftraumes nicht ohne Weiteres auf eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers oder die Verletzung seiner Menschenwürde geschlossen werden. Dem stehen auch die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2002 (NJW 2002, 2699, 2700) und vom 13. März 2002 (NJW 2002, 2700, 2701) nicht entgegen. Denn es hat in diesen Beschlüssen nicht festgestellt, dass bei einer Doppelbelegung von Einzelhafträumen wie im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG oder eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechtes vorliegt (vgl. OLG Hamburg, OLGR 2002, 460, 461).

Auch soweit ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung im Falle einer rechtswidrigen Unterbringung eines Gefangenen zugleich eine objektive Amtspflichtverletzung bejaht (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2004, 380), hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend einen Schmerzensgeldanspruch verneint. Denn bis zum 10. Juni 2003 hatte der Antragsteller keinen Antrag auf Einzelunterbringung gestellt oder ein Rechtsmittel i. S. v. § 839 Abs. 3 BGB eingelegt, obwohl es Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Dieser Einschätzung steht nicht die Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt H. vom 14. August entgegen, wonach seit ca. 2 Jahren eine Überbelegung der Haftanstalt besteht. Denn der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war letztlich erfolgreich, da die Strafvollstreckungskammer den Anstaltsleiter verpflichtet hat, den Antragsteller (während der Ruhezeiten gemäß § 18 Abs. 1 StVollzG) einzeln unterzubringen.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Unterbringung des Antragstellers in einem Einzelhaftraum mit einem weiteren Gefangenen nicht auf ein Verschulden der Bediensteten der Antragsgegnerin zurückzuführen ist. Jedenfalls soweit es um eine Schuldhaftigkeit des Verhaltens für den im vorliegenden Fall zu beurteilenden Zeitraum der Doppelbelegung geht, kann ihr nicht vorgeworfen werden, sich nicht ausreichend um eine nachhaltige Beseitigung der Mangellage bei der Unterbringung von Häftlingen in den Justizvollzugsanstalten des Landes bemüht zu haben. Denn aus der Stellungsnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt vom 14. August 2003 im Verfahren auf Antrag einer gerichtlichen Entscheidung geht hervor, dass es Bemühungen der Antragsgegnerin zur Beseitigung der Überbelegung im Land gibt. So habe das Land Sachsen-Anhalt in der Zeit von 1994 bis 2001 insgesamt über 1.200 Haftplätze neu geschaffen, saniert oder angemietet. Darüber hinaus sei eine Justizvollzugsanstalt im Großraum Magdeburg mit ca. 600 Haftplätzen in Planung. Es kann der Antragsgegnerin daher nicht vorgeworfen werden, die vorhandene Überbelegung fahrlässig herbeigeführt zu haben und die Fortdauer einer Mehrfachbelegung von Einzelhafträumen tatenlos hinzunehmen.

Einen verschuldensunabhängigen Schmerzensgeldanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK hat das Landgericht ebenfalls zu Recht abgelehnt. Zwar hat der Bundesgerichtshof (NJW 1993, 2927, 2928) ausgeführt, dass die Garantie des Art. 5 EMRK sich nur auf die Freiheitsentziehung als solche beziehe, nicht hingegen auf die Modalitäten des Vollzugs der Untersuchung und/oder Strafhaft, sodass sich aus ihr auch keine Rechte von verhafteten Personen in Bezug auf ihre Behandlung in der Haft ergeben. Soweit er weiterhin ausführt, dass die Umstände des Vollzugs die Rechtsmäßigkeit der Haft in Frage stellen können, bezieht sich dies auf einen Sachverhalt, in dem die im Vollzug zur Verfügung stehenden Fürsorgemittel nicht ausreichten, um von der Haft ausgehende Gesundheitsbeeinträchtigungen für einen nicht vollzugstauglichen Untersuchungshäftling abzuwenden. Diesem Sachverhalt vergleichbar schwerwiegende Umstände hat das Landgericht im vorliegenden Fall aber zutreffend verneint.

Ende der Entscheidung

Zurück