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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 08.04.2004
Aktenzeichen: 14 UF 254/03
Rechtsgebiete: VAÜG


Vorschriften:

VAÜG § 2
Hat das FamG das Verfahren nach § 2 VAÜG ausgesetzt und wird hiergegen Beschwerde eingelegt, ist der Senat zur Sachentscheidung berufen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 UF 254/03

In der Familiensache

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und die Richterin am Landgericht Staron am 8. April 2004 beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wird die den Versorgungsausgleich aussetzende Regelung in Ziffer 2 der Entscheidungsformel des Urteils des Amtsgerichts - Familiengerichts - Haldensleben vom 28. Oktober 2003, Az.: 8 F 366/02, aufgehoben.

II. Der Versorgungsausgleich wird wie folgt geregelt:

1. Von dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt, Vers.-Nr.: ... , werden, bezogen auf den 30. November 2002 als Ende der Ehezeit, Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 19,27 Euro auf das bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte unterhaltene Versicherungskonto der Ehefrau, Vers.-Nr.: ... , übertragen.

2. Der Monatsbetrag der übertragenen Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

III. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

IV. Die Kosten für die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach einem Wert von 500,-- Euro fallen den Parteien zur Last.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Amtsgerichts Haldensleben vom 28. Oktober 2003 (Bl. 33 - 36 d. A.) ist die Ehe der Parteien geschieden und zugleich der Versorgungsausgleich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzt worden, da die Voraussetzungen für eine vorzeitige Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht gegeben seien.

Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich richtet sich, in formeller Hinsicht bedenkenfrei, die Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 18. Dezember 2003 (Bl. 46 UA-VA), die meint, der Versorgungsausgleich sei durchzuführen, weil die Antragstellerin eine Rente beziehe und damit Leistungsempfängerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VAÜG sei.

II.

Die gemäß § 20 Abs. 1 FGG in Verb. mit § 621 a Abs. 1 Satz 1 und § 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zulässige Beschwerde der BfA hat in der Sache Erfolg.

Der Versorgungsausgleich ist aufgrund des zwischenzeitlichen Bezugs einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Seiten der Ehefrau (Antragstellerin) gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VAÜG durchzuführen (1).

Ausgleichspflichtig gemäß § 1587 a Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Ehemann (Antragsgegner) mit den insgesamt werthöheren Versorgungsanrechten der Parteien, und zwar gemäß § 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB in Höhe der Hälfte des nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB, zum Teil in Verb. mit den §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG, ermittelten Wertunterschiedes der beiderseitigen Anrechte (2).

Der Ausgleichsanspruch der Ehefrau (Antragstellerin) in Höhe der Hälfte des Wertunterschiedes wird erfüllt durch die Übertragung entsprechender Rentenanwartschaften des Ehemanns gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB (3).

1. Die Möglichkeit und Notwendigkeit, den Versorgungsausgleich durchzuführen, folgt aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VAÜG.

Die Durchführung des Versorgungsausgleichs unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 VAÜG den besonderen Vorschriften des Versorgungsausgleichs-Überleitungsgesetzes (VAÜG), da die Ehezeit gemäß § 1587 Abs. 2 BGB am 30. November 2002 (Bl. 13 d. A.) vor der noch ausstehenden Einkommensangleichung im Sinne des § 1 Abs. 4 VAÜG geendet hat und beide Ehegatten während der Ehezeit angleichungsdynamische Anrechte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG erworben haben. Vor der Einkommensangleichung konnte daher nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 VAÜG der Versorgungsausgleich durchgeführt werden.

a) Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a VAÜG für die Durchführung des Versorgungsausgleichs liegen nicht vor, weil nicht nur angleichungsdynamische, sondern auch nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaften im vorliegenden Falle auszugleichen sind. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b VAÜG sind nicht erfüllt, weil die werthöheren angleichungsdynamischen Anrechte und die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaften jeweils einem anderen Ehegatten zustehen.

b) Der Versorgungsausgleich ist allerdings gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VAÜG vor der Einkommensangleichung durchzuführen, da aus einem im Versorgungsausgleich zu berücksichtigenden Anrecht auf Grund des Versorgungsausgleichs bereits Leistungen zu erbringen sind. Das ist mit dem Rentenbezug der Ehefrau nunmehr der Fall.

Nach der Beschwerdebegründung ist davon auszugehen, dass die Ehefrau von der BfA aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf unbestimmte Zeit eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhält, die nach Maßgabe der §§ 76, 100 Abs. 1 SGB VI aufgrund des Versorgungsausgleichs, sobald dieser rechtskräftig und wirksam ist, um einen Zuschlag an entsprechenden Entgeltpunkten zu erhöhen ist. Dem steht nicht entgegen, dass bei der Ermittlung des Wertes der der Ehefrau zustehenden Versorgungsanrechte im Rahmen des § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht auf die gezahlte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, sondern mangels endgültigen Bestandes jener Rente nach wie vor auf die fiktiv ermittelte Regelaltersrente abzustellen ist (so nam. BGH, FamRZ 1984, 673), welche auch korrektermaßen bei den ehebezogenen Versorgungsanwartschaften der Ehefrau ermittelt worden ist.

2. Die Bilanz der in der Ehe (1.6.1974 - 30.11.2002; § 1587 Abs. 2 BGB) erworbenen Versorgungsanwartschaften der Parteien gemäß § 1587 a Abs. 1 und 2 BGB in Verb. mit der Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 lit. a VAÜG führt zu werthöheren Anrechten des Ehemannes (a) gegenüber der Ehefrau (b), der dementsprechend in Höhe der Hälfte des sich auf 38,53 Euro belaufenden Wertunterschiedes ein Ausgleichsanspruch von 19,27 Euro zusteht (c).

Die Ermittlung des Wertunterschiedes der beiderseitigen Versorgungsanrechte der geschiedenen Ehegatten ist gleichsam eingleisig vorzunehmen, da die einen getrennten Ausgleich der angleichungsdynamischen und sonstigen Anrechte anordnende Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 4 VAÜG im Falle der Durchführung des Versorgungsausgleichs nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VAÜG keine entsprechende Anwendung findet, wie aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 lit. a VAÜG erhellt.

Die Ermittlung des Wertunterschiedes der in der Ehezeit erworbenen Anwartschaftsrechte der Parteien vollzieht sich auf der Grundlage der diesbezüglichen Rentenauskünfte der BfA vom 19. Mai 2003 für die Ehefrau (Bl. 30 - 43 UA-VA) sowie der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt vom 1. September 2003 (Bl. 30 - 43 UA-VA) für den Ehemann. Dabei war für die Bewertung der angleichungsdynamischen Anrechte beider Parteien gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG in Verb. mit § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB ein so genannter Angleichungsfaktor gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 lit. a VAÜG heranzuziehen, der nach Maßgabe der - auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Nr. 1 lit. a Satz 4 VAÜG ergangenen - Bekanntmachung vom 04. Juni 2003 (BGBl. I, S. 787) bei Entscheidungen nach dem 30. Juni 2003 und einem Ehezeitende in der Zeit vom 1. Juli 2002 bis zum 30. Juni 2003 (hier: 30. November 2002 gemäß § 1587 Abs. 2 BGB) exakt 1,0014384 beträgt.

Für die Bewertung der nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaften beider Parteien gilt § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Im Einzelnen gilt demnach für die auf die Ehezeit monatlich entfallenden Versorgungsanwartschaften der Parteien Folgendes:

a) Ehemann

1) Rentenanwartschaften (LVA) 51,59 Euro

2) Rentenanwartschaften Ost nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG (LVA):

497,57 Euro x 1,0014384 (Anpassungsfaktor gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 lit. a VAÜG 498,29 Euro

Summe der Anwartschaften 549,88 Euro

b) Ehefrau

1) Rentenanwartschaften (BfA) 0,95 Euro

2) Rentenanwartschaften Ost nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG (BfA):

509,67 Euro x 1,0014384 (Anpassungsfaktor gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 lit. a VAÜG) 510,40 Euro

Summe der Anwartschaften 511,35 Euro

c) Ergebnis

Wertunterschied (a - b) 549,88 Euro - 511,35 Euro = 38,53 Euro

Hälfte des Wertunterschiedes 19,27 Euro

Die ehebezogenen Anrechte des Ehemannes in Höhe von 549,88 (a) übersteigen die Anrechte der Ehefrau in Höhe von 511,35 Euro (b) um 38,53 Euro, sodass jener gemäß § 1587 a Abs. 1 BGB dieser in Höhe der Hälfte der - analog § 123 Abs. 2 SGB VI aufgerundeten - Wertdifferenz von 19,27 Euro monatlich zum Ausgleich verpflichtet ist.

3. Der Ausgleich der beiderseitigen Versorgungen der Parteien in Höhe der vorbezeichneten Hälfte des Wertunterschiedes hat gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB durch die Übertragung entsprechender Rentenanwartschaften des Ehemannes bei der LVA nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der BfA zu erfolgen.

Der Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB in Verb. mit § 76 Abs. 2 Satz 3 SGB VI wird insoweit nicht überschritten.

Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VAÜG liegen nicht vor, da der Ehemann als Ehegatte mit den insgesamt werthöheren auszugleichenden Anrechten nicht, wie für eine Anwendung jener Vorschrift geboten, die werthöheren angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften erworben hat. Im Hinblick auf § 76 SGB VI war daher gemäß § 1587 b Abs. 6 BGB lediglich die Umrechnung des Monatsbetrags der übertragenen Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte anzuordnen.

III.

Die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens an sich folgt aus § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO.

Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens gilt die Regelung des § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG, die über § 621 a Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit § 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO billigkeitshalber Anwendung findet.

Der Geschäftswert für den erstmals zweitinstanzlich durchgeführten und nach Maßgabe des § 99 Abs. 1 Satz 2 KostO gebührenpflichtigen Versorgungsausgleich entspricht § 99 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KostO und ist gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO zweckmäßigkeitshalber von Amts wegen festgesetzt worden.



Ende der Entscheidung

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