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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 05.07.2002
Aktenzeichen: 14 UF 36/02
Rechtsgebiete: FGG, BGB, VAHRG, VAÜG, GKG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 12
FGG § 53 b
FGG § 20 Abs. 1
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 1
BGB § 1580
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 3
BGB § 1587 f Nr. 4
VAHRG § 2
VAHRG § 1 Abs. 2
VAHRG § 11 Abs. 2
VAHRG § 3 b Abs. 1 Nr. 1
VAÜG § 4 Abs. 1 Nr. 1
GKG § 17 a Nr. 1
GKG § 8 Abs. 1 Satz 1
GKG § 25 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 538
ZPO § 572 Abs. 3
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 93 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 621 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 621 e Abs. 3 Satz 2
ZPO § 621 e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Der Umfang der von Amts wegen zu veranstaltenden Ermittlungen wird relativiert duch die zwischen den Ehegatten bestehende Auskunftspflicht.

Das Gericht braucht nicht allen erdenklichen Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung nachzugehen, darf allerdings Ermittlungen erst dann einstellen, wenn deren Fortsetzung ein die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr erwarten lässt.

Enthält der Fragebogen zum Versorgungsausgleich unmissverständliche Hinweise über bestehende Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung, müssen sich die Ermittlungen des Gerichts hierauf erstrecken, denn diese Leistungen unterliegen grundsätzlich dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 UF 36/02 OLG Naumburg

In der Familiensache

...

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und den Richter am Landgericht Materlik am

5. Juli 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wernigerode vom 13. Februar 2002, Az.: 11 F 1382/01, hinsichtlich der Regelung zum Versorgungsausgleich gemäß Ziffer 2 des Tenors aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung über die gegebenenfalls auch in den öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehende Leistung des Antragsgegners aus der betrieblichen Altersversorgung und zur erneuten Entscheidung über den Versorgungsausgleich an das Amtsgericht - Familiengericht - Wernigerode zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch Urteil vom 13. Februar 2002 (Bl. 23 - 27 d. A.) hat das Amtsgericht Wernigerode die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich mittels Rentensplittings dergestalt geregelt, dass angleichungsdynamische Rentenanwartschaften des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt in Höhe von monatlich 435,43 Euro auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übertragen wurden.

Gegen diese Entscheidung zum Versorgungsausgleich richtet sich, in formeller Hinsicht bedenkenfrei, die Beschwerde der Antragstellerin (Bl. 54/55 UA-VA), die vorträgt, die betriebliche Altersvorsorge des Antragsgegners bei seinem ehemaligen Arbeitgeber, den F. - Werke G. , sei fehlerhaft vom Amtsgericht nicht berücksichtigt worden, aber ebenfalls im Rahmen des Versorgungsausgleichs in Ansatz zu bringen.

II.

Die gemäß § 629 a Abs. 2 in Verb. mit den §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete befristete Beschwerde der gemäß § 20 Abs. 1 FGG in Verb. mit § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO beschwerdeberechtigten Antragstellerin hat in der Sache Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts zum Versorgungsausgleich ist verfahrensfehlerhaft ergangen. Es liegt auch ein wesentlicher, die Entscheidung maßgeblich berührender Verfahrensfehler vor, der entsprechend § 572 Abs. 3 ZPO eine Aufhebung des Beschlusses und eine Zurückverweisung der Sache zwecks weiterer Aufklärung und neuerlicher Entscheidung über den Versorgungsausgleich an die erste Instanz nicht nur rechtfertigt, sondern, mangels Entscheidungsreife der Sache in zweiter Instanz, auch erfordert.

Das Amtsgericht ist der ihm von Amts wegen obliegenden Pflicht zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts im Rahmen des Versorgungsausgleichs als eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit entgegen den §§ 53 b, 12 FGG und, gegebenenfalls auch, § 11 Abs. 2 VAHRG nur unzulänglich nachgekommen. Der Umfang der von Amts wegen zu veranstaltenden Ermittlungen wird zwar relativiert dadurch, dass auch den Ehegatten inter partes ein Auskunftsrecht nach § 1587 e Abs. 1 in Verb. mit § 1580 BGB zusteht. Das Gericht braucht demnach nicht allen erdenklichen Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung nachzugehen, darf allerdings die Ermittlungen erst dann einstellen, wenn deren Fortsetzung ein die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr erwarten lässt (vgl. BayObLG, FamRZ 1990, 1162, 1163). Allein davon kann hier keine Rede sein.

Vielmehr ist den Angaben des Antragsgegners im Fragebogen zum Versorgungsausgleich unmissverständlich zu entnehmen, dass dieser Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung bei den F. - Werken G. bezieht (Bl. 4 UA-VA), ohne dass das Amtsgericht der ihm von Amts wegen obliegenden Pflicht, auch diesbezüglich den Sachverhalt aufklärende Ermittlungen zur Grundlage und zum Umfang dieser dem Versorgungsausgleich unterfallenden Versorgungsleistung anzustellen, nachgekommen wäre.

Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unterliegen gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB dem öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich. Es ist davon auszugehen, dass die vom Antragsgegner als Rentenempfänger insoweit bezogenen Leistungen auch unverfallbar sind, sodass zunächst, wie sich aus § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 in Verb. mit § 1587 f Nr. 4 BGB ergibt, die Vorschriften über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich keine Anwendung finden. Vorrangig ist sodann eine Realteilung der betrieblichen Versorgungsleistung nach § 1 Abs. 2 VAHRG in Erwägung zu ziehen. Sofern diese nach der maßgebenden betrieblichen Regelung der F. - Werke G. nicht vorgesehen sein sollte, käme schließlich ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich nach § 2 VAHRG in Betracht, der allerdings auch wiederum durch ein - prinzipiell vorzugswürdiges - Super-Splitting nach Maßgabe des § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG unter Berücksichtigung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 VAÜG ausgeschlossen sein könnte.

Sofern in concreto die Voraussetzungen für das so genannte Super-Splitting gegeben sein sollten, entspricht es - darauf sei bereits jetzt vorsorglich hingewiesen - allein pflichtgemäßem Ermessen, die besondere öffentlich-rechtliche Ausgleichsform des Super-Splittings auch zur Vermeidung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs heranzuziehen.

Zwar handelt es sich bei der Vorschrift des § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG dem Wortlaut nach um eine Ermessensvorschrift. Denn das Familiengericht kann statt des schuldrechtlich auszugleichenden Anrechtes ein in der Ehezeit erworbenes Anrecht, das seiner Art nach durch Übertragung oder Begründung von Anrechten ausgeglichen werden kann, zum Ausgleich heranziehen. Das pflichtgemäß auszuübende Ermessen des Familiengerichts reduziert sich indessen, auf Grund des vorrangigen Gesetzeszwecks, gleichsam auf Null, wenn die Voraussetzungen der besonderen Ausgleichsform nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG vorliegen. Der vom Gesetzgeber mit der Regelung verfolgte Zweck besteht nämlich gerade darin, den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich unverfallbarer Anrechte tunlichst zu vermeiden (so nam. Sander, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 7, 4. Aufl., 2000, § 3 b VAHRG, Rdnr. 12 mit weiteren Nachweisen).

Die Sache war nach alledem unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zum Versorgungsausgleich zwecks weiterer Aufklärung und neuerlicher Beschlussfassung über den Versorgungsausgleich an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da mangels Entscheidungsreife der Angelegenheit eine eigene Sachentscheidung vom Senat derzeit nicht abschließend getroffen werden kann. Die Rückverweisung findet - entsprechend der grundsätzlichen Definition des Rechtsmittels als Beschwerde in § 621 e Abs. 1 ZPO bei selbständig angefochtenen Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und in Ermangelung einer speziellen Regelung im Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - ihre Grundlage in § 572 Abs. 3 ZPO. Im Gegensatz zu anderen ausdrücklich für entsprechend anwendbar erklärten Vorschriften des neu gestalteten Berufungsverfahrens wird auf § 538 ZPO in § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO neuer Fassung nach wie vor nicht Bezug genommen, sodass folgerichtig, im methodisch gebotenen Umkehrschluss, die Vorschrift bei der so genannten befristeten Beschwerde auch nicht entsprechend anwendbar sein kann.

III.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren sind wegen der unrichtigen, da verfahrenswidrigen Sachbehandlung in erster Instanz gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht erhoben worden.

Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht einerseits, hinsichtlich der Parteien, auf einer entsprechenden Anwendung des § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO und andererseits, bezüglich der am Verfahren beteiligten Versicherungsanstalten, auf § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG in Verb. mit § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Der Beschwerdewert ist, auf der Grundlage von § 25 Abs. 2 Satz 1 GKG, von Amts wegen gemäß § 17 a Nr. 1 GKG (in Verb. mit § 14 Abs. 1 und 2 GKG) nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbetrag bemessen worden.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 621 e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO fehlt es an den gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen.

Ende der Entscheidung

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