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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 06.06.2002
Aktenzeichen: 14 UF 78/02
Rechtsgebiete: FGG, BGB, KostO


Vorschriften:

FGG § 59 Abs. 1
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 1
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 2
FGG § 70 Abs. 1 Satz 3
FGG § 70 f Abs. 1 Nr. 2
FGG § 70 g Abs. 3 Satz 1
BGB § 1800
BGB § 1631 b Satz 1
KostO § 131 Abs. 3
KostO § 131 Abs. 2
KostO § 30 Abs. 3 Satz 1
Wird eine Unterbringung genehmigt, so ist gemäß § 70 f Abs. 1 Nr. 2 FGG in der Entscheidung die nähere Bezeichnung der Unterbringungsmaßnahme anzugeben. Die Auswahl der Einrichtung obliegt hingegen dem Vormund, nicht aber dem Familiengericht.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 UF 78/02 OLG Naumburg

In dem Beschwerdeverfahren

...

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und den Richter am Landgericht Materlik am

06. Juni 2002

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Betroffenen J. D. gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Magdeburg vom 13. Mai 2002, Az.: 272 F 90/02 UB, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu Ziffer 1 des vorgenannten Beschlusses wie folgt klargestellt wird:

1. Die Unterbringung der Betroffenen J. D. in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses wird familiengerichtlich genehmigt.

II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die gemäß § 70 m Abs. 1 in Verb. mit § 70 g Abs. 3 Satz 1 FGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der gemäß § 59 Abs. 1 FGG beschwerdeberechtigten Betroffenen hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Amtsgericht hat in seinem angefochtenen Beschluss vom 13.05.2002 (Bl. 21/22 d. A.) die Genehmigung der geschlossenen Unterbringung in der Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie des Fachkrankenhauses U. nach § 1631 b Satz 1 BGB sowohl auf das Gutachten der behandelnden Ärzte der Betroffenen, der Stationsärztin Dr. med. B. B. und der Chefärztin Dr. med. L. vom 10.05.2002, als auch auf das Ergebnis der Anhörung der Betroffenen gestützt.

Auf Grund des ärztlichen Gutachtens der beiden vorbezeichneten Ärztinnen hat das Amtsgericht festgestellt, dass die Betroffene an einer Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten (nach ICD: F 43.25) mit gestörter sozialer Anpassungsfähigkeit, Weglaufen, Angstzuständen und Anhalten der zumindest latenten Suizidalität leidet. Darüber hinaus zeige sich J. in der bisherigen Therapie überwiegend pessimistisch, resignativ und verhalte sich eher zurückgezogen, sodass immer noch die Gefahr bestehe, sie werde selbstschädigende Handlungen vornehmen. Nach Einschätzung der medizinischen Gutachter besitzt J. derzeit weder eine ausreichende Lebens- oder gar Therapiemotivation noch Beziehungsfähigkeit, um unter offenen Bedingungen behandelt zu werden, sodass sich eine weitere Unterbringung auf einer geschlossenen Station des psychiatrischen Fachkrankenhauses für weiter vier Monate erforderlich mache.

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung Stand.

Eine Unterbringung des Mündels durch seinen Vormund - wie hier - muss durch das Familiengericht gemäß den §§ 1800, 1631 b Satz 1 BGB in Verb. mit § 70 Abs. 1 Satz 3 FGG familiengerichtlich genehmigt werden, wenn das wohlverstandene Interesse des Mündels eine solche Maßnahme erfordert (BVerfGE 10, 302/329; BayOLGZ 1981, 306, 307). Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn durch die stationäre Behandlung die Möglichkeit einer Heilung des Untergebrachten genützt werden soll, sondern auch dann, wenn der Mündel sich selbst oder andere gefährdet oder wenn zu seinem Schutz die Absonderung von der Umwelt sachdienlich erscheint (BayOLGZ 1981, 306, 307/308; vgl. BVerfGE 10, 302, 329). Die Genehmigung zur Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung darf jedoch dann nicht erteilt werden, wenn der Aufenthalt in einer offenen oder halboffenen Anstalt ausreicht, es sei denn, dass sich ein solcher Aufenthalt aus besonderen Gründen nicht ermöglichen lässt. Darüber hinaus darf eine Genehmigung nicht erteilt werden, wenn die notwendige Betreuung durch Angehörige oder Bekannte ausreichend gesichert ist (BayOLGZ 1981, 306, 308).

Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen ist die geschlossene Unterbringung von J. in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Fachkrankenhauses U. zu ihrem Wohl erforderlich, denn bei J. ist weiterhin eine latente Suizidalität vorhanden. Dies ergibt sich zum einen aus dem vom Amtsgericht in nicht zu beanstandender Weise seiner Entscheidung zu Grunde gelegten medizinischen Gutachten der Dr. med. B. und der Dr. med. L. und zum anderen aus dem gesamten bisherigen Lebenswandel J. s seit dem Jahre 2000, der nur zu deutlich die dauerhaft fortbestehende selbstzerstörerische Lebenstendenz der Betroffenen aufzeigt, wie insbesondere deren Heroinkonsum, diverse Alkoholintoxikationen, eine Gasinhalation und wiederholte Selbstmordversuche, zuletzt der Versuch, sich von einer Autobahnbrücke zu stürzen, prägnant veranschaulichen. Auch zeigt der Brief der Betroffenen an ihre Schwester Jana vom 12.10.2001 (Bl. 91/92 der Beiakte 272 F 76/02 des Amtsgerichts Magdeburg) die bereits langjährig vorhandene Tendenz J. , sich selbst gefährden bzw. schädigen zu wollen. Überdies machen die zahlreichen, bislang erfolglosen und zumeist kürzeren Aufenthalte in geschlossen wie offenen psychiatrischen Krankenhäusern und die zuletzt sogar noch in ihrer Beschwerdeschrift geäußerte fortbestehende Therapieverweigerung J. nur zu deutlich, wie notwendig nunmehr ihr Aufenthalt in der psychiatrischen Fachklinik U. ist.

Wenn daher das Amtsgericht der ärztlicherseits eingeschätzten Gesamtsituation und der bisherigen Entwicklung von J. entsprechend bei seiner Entscheidung davon ausgegangen ist, dass ein hoher Bedarf an qualifizierter psychotherapeutischer Hilfe besteht, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden, zumal J. auf Grund ihrer ärztlich diagnostizierten seelischen Fehlentwicklung und tiefgreifender Beziehungsstörungen derzeit nicht in der Lage ist, die ihr angebotenen Hilfen und Unterstützungen freiwillig für sich zu nutzen, sodass auf Grund der gegenwärtig nicht ausreichend bestehenden Lebens- oder gar Therapiemotivation sowie Beziehungsfähigkeit eine Behandlung auf einer offenen Station ausscheidet.

Soweit daher das Amtsgericht in seinem angefochtenen Beschluss der gutachterlichen Anregung der vorbezeichneten Fachärzte gefolgt ist und auf Antrag des Vormundes eine viermonatige Unterbringung der Betroffenen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Fachklinik U. familiengerichtlich genehmigt hat, ist hiergegen ebenfalls nichts einzuwenden, zumal J. nicht nur nach dem schriftlichen Sachverständigengutachten der behandelnden Ärzte vom 10.05.2002, sondern auch nach ihrem eigenen Beschwerdevorbringen bislang nicht die notwendige Einsichtsfähigkeit in eine freiwillige, jedoch offenkundig dringend notwendige fachpsychiatrische Behandlung zeigt. Noch mit ihrer Beschwerdeschrift vom 17.05.2002 (Bl. 29 d. A.) negiert J. die ärztlich getroffene Diagnose und teilt ausdrücklich mit, sie sei für eine Therapie nicht motiviert, da ihr diese nichts bringe. Deutlicher kann aber eine Therapieresistenz und Uneinsichtigkeit gegen eine dringend erforderliche, konstante Heilbehandlung nicht zum Ausdruck gebracht werden, sodass sich allein durch die zwingende Notwendigkeit für die familiengerichtliche Genehmigung einer längeren Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung eines Fachkrankenhauses für Jugend- und Kinderpsychiatrie ergibt.

Die Würdigung des medizinischen Gutachtens der behandelnden Ärzte sowie der übrigen Tatsachen und Beweise durch das Amtsgericht ist nach alledem in der Sache nicht zu kritisieren, zumal der Tatrichter, also das Vordergericht, den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht hat (§ 12 FGG), seine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt.

Rechtsfehler lässt die angefochtene Entscheidung schließlich auch nicht im Hinblick auf die fachliche Kompetenz der beiden gutachterlich tätig gewurdenen Ärztinnen erkennen. Zweifel an deren Sachkunde bestehen nicht. So handelt es sich bei der primär begutachtenden und behandelnden Ärztin Dr. med. B. um die Stationsärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Fachkrankenhauses U. und bei Dr. med. E. L. um die Chefärztin der Klinik, die beide gerichtsbekannt über langjährige berufliche Erfahrungen im Bereich der klinischen Psychiatrie verfügen.

3. Allerdings war auf die Beschwerde der Betroffenen die Beschlussformel zu Ziffer 1 der angefochtenen amtsgerichtlichen Entscheidung dahingehend zu ergänzen bzw. klarzustellen, dass die Unterbringung der Betroffenen J. D. in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses familiengerichtlich genehmigt wird. Denn wird eine Unterbringung genehmigt, so ist gemäß § 70 f Abs. 1 Nr. 2 FGG in der Entscheidung die nähere Bezeichnung der Unterbringungsmaßnahme anzugeben, was indes nicht bedeutet, dass das Familiengericht entweder ein bestimmtes Krankenhaus oder eine bestimmte Anstalt anzugeben hätte. Denn die Auswahl der Einrichtung, in der der Betroffene untergebracht werden soll, obliegt insoweit dem Vormund, nicht aber dem Familiengericht.

Den Gründen der angefochtenen Entscheidung ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass hier die familiengerichtlich genehmigte Unterbringung in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus erfolgen soll. Die amtsgerichtliche Unterbringungsgenehmigung genügt mithin den Anforderungen des § 70 f Abs. 1 Nr. 2 FGG, sodass lediglich der Beschlusstenor zu Ziffer 1 der Klarstellung halber entsprechend zu ergänzen war.

II.

Die Beschwerdeentscheidung ist gemäß § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei, da sie von der minderjährigen Betroffenen eingelegt worden ist.

Die Entscheidung betreffend die außergerichtlichen Kosten beruht ausnahmsweise auf § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG, wonach - abweichend von § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG - eine Kostenerstattung billigkeitshalber nicht stattfindet. Unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse und der krankheitsbedingten Uneinsichtigkeit J. , die offenkundig auch zur Einlegung des Rechtsmittels geführt hat, ist davon auszugehen, dass eine Klarstellung im vorliegenden Fall nicht der Billigkeit entspricht.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 131 Abs. 2 KostO in Verb. mit § 30 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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