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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 12.01.2006
Aktenzeichen: 2 U 102/05 (Lw)
Rechtsgebiete: LwAnpG, BGB, GrdstVG, AusglLeistG


Vorschriften:

LwAnpG § 44 Abs. 5
BGB § 166
GrdstVG § 2
GrdstVG § 13
AusglLeistG § 3
Haben die Parteien eines Landpachtvertrags ein Sonderkündigungsrecht "bei Errichtung einer eigenen privaten Landwirtschaft" vereinbart, ist Voraussetzung der Kündigung, dass der Berechtigte die Errichtung einer solchen Landwirtschaft ernsthaft beabsichtigt und dass sich der Wille zur Errichtung der eigenen privaten Landwirtschaft bereits objektiv manifestiert hat. Letzteres ist der Fall, wenn mindestens eine wesentliche Vorbereitungshandlung, die Voraussetzung für das künftige Bestehen eines landwirtschaftlichen Betriebes ist, vor der Kündigung stattgefunden hat oder zumindest gleichzeitig mit der Kündigung stattfindet.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 102/05 (Lw) OLG Naumburg

Verkündet am: 12. Januar 2006

In der Landwirtschaftssache

hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Otparlik und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Strietzel sowie den Landwirt Busche und den Landwirt Gerber als ehrenamtliche Richter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18.08.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Dessau abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, die folgenden Flächen zu räumen und an die Klägerin herauszugeben:

 Lfd. Nr.GemarkungFlurFlurstück
1J. 424/2
2J. 615
3J. 616
4J. 81
5J. 81
6J. 420

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt nach Kündigung eines Landpachtvertrages die Herausgabe von landwirtschaftlichen Nutzflächen. Die im Klageantrag bezeichneten Flurstücke standen im Eigentum einer Erbengemeinschaft, bestehend aus dem Vater der Klägerin - E. F. -, der Klägerin selbst sowie ihren beiden Schwestern B. L. und K. F. . Am 25.06.1999 schlossen Herr E. F. alleine und die Beklagte für den Zeitraum vom 01.10.1999 bis zum 30.09.2014 einen Pachtvertrag über die genannten Flurstücke. In dem Pachtvertrag heißt es in § 6 mit der Überschrift "Vorzeitige Kündigung" unter anderem:

"Bei Errichtung einer eigenen privaten Landwirtschaft kann die Kündigung bis 3 Monate vor Ablauf des jeweiligen Pachtjahres erfolgen."

E. F. erteilte der Klägerin am 25.02.2003 eine Vollmacht, ihn in jeder zulässigen Weise zu vertreten, auch über den Tod hinaus. E. F. verstarb am 22.04.2004. Er wurde von der Klägerin sowie ihren Schwestern B. L. und K. F. beerbt.

Unter dem Datum des 19.06.2004 kündigte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Pachtvertrag zum Pachtjahresende 2004 "wegen Eigennutzung".

Unstreitig fand Anfang September 2004 ein Gespräch zwischen Herrn R. W. und der Geschäftsführerin der Beklagten sowie deren Vater statt, bei dem W. vorbrachte, er wolle im Auftrage der Klägerin deren Flächen bewirtschaften, und bei dem die Geschäftsführerin der Beklagten und ihr Vater entgegneten, da könne ja jeder kommen. Der weitere Inhalt des Gesprächs ist streitig.

Am 27.10.2004 teilte das Finanzamt Dessau die Steuernummer der Klägerin für "gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen Umsatzsteuer" mit. Das Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung ordnete der Klägerin am 24.11.2004 eine Betriebsnummer zu, nachdem der Mantelbogen der Klägerin mit Eingang vom 22.10.2004 registriert worden war.

Am 04.11.2004 ging die vorliegende Räumungsklage beim Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Dessau ein; sie wurde der Beklagten am 17.11.2004 zugestellt.

Seit dem 13.04.2005 ist die Klägerin infolge einer mit den Miterbinnen geschlossenen Erbauseinandersetzungsvereinbarung als alleinige Eigentümerin der Flächen im Grundbuch eingetragen.

Die Klägerin hat behauptet, die Geschäftsführerin der Beklagten habe am 07.09.2004 gegenüber den Zeugen R. W. , M. W. und B. Z. wörtlich erklärt:

"Am 30.09.2004 ist die Übergabe der Flächen der Frau E. ".

Sie - die Klägerin - errichte eine eigene private Landwirtschaft. Sie meint, dies folge aus ihrer Absicht, landwirtschaftliche Produkte auf den streitbefangenen Flächen zu erzeugen, sobald die Beklagte die Flächen herausgegeben habe. Sie werde auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko die Flächen nutzen, landwirtschaftliche Verbrauchsgüter wie Saatgut, Diesel, Pflanzenschutzmittel und Dünger erwerben und im eigenen Namen die geernteten Früchte veräußern. Nach eigenem Ermessen werde sie in freier unternehmerischer Entscheidung im Einzelfall Dritte mit der Durchführung einzelner Bearbeitungsschritte beauftragen und auch ortsüblich vergüten. Ihre eigene Tätigkeit im Betrieb werde sich im Wesentlichen auf die Verwaltung und Buchhaltung erstrecken. Die Bewirtschaftung solle durch Frau W. in Lohnunternehmerschaft erfolgen. Sie werde den Betrieb jedoch selbst verwalten. Ihr Interesse an der Erhaltung des Betriebs sei auch traditioneller Art, da der Familiensitz in W. schon bis ins 16. Jahrhundert zurückreiche. Sie beabsichtige, ihren Lebensmittelpunkt nach W. zu verlegen, von den auf ihrem Anwesen befindlichen zwei Wohnungen stehe eine frei, die ihr zur Verfügung stehe. Sie werde aber weiter nach H. pendeln. Dort wohnt die Klägerin bisher unstreitig mit ihren Kindern im Alter von 21 und 14 1/2 Jahren in einer 68 m² großen Mietwohnung. Ebenfalls unstreitig ist die Klägerin gelernte Köchin und Bürokauffrau, hat Buchhaltungsseminare absolviert und ist selbständig als Hauswirtschafterin und Ernährungsberaterin tätig.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die ungeteilte Erbengemeinschaft nach E. R. F. , geb. am 19.12.1919, verstorben am 22.04.2004, zuletzt wohnhaft in G. , folgende landwirtschaftliche Nutzflächen zu räumen und geräumt herauszugeben:

 Lfd. Nr.GemarkungFlurFlurstück Größe (ha)
1J. 424/24,8652
2J. 6151,1626
3J. 6166,7305
4J. 8121,4556
5J. 817,0500
6J. 4202,2000
Gesamt   43,4639

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, dass die behauptete Errichtung einer privaten Landwirtschaft, ihre Registrierung beim Finanzamt und der Antrag auf Zuteilung einer Betriebsnummer aus dem Zeitraum vor dem 19.06.2004 datierten. Sie hat behauptet, die Klägerin beabsichtige, die gesamte Bearbeitung der landwirtschaftlichen Nutzflächen einschließlich der Anbauplanung und der Bestimmung von Zeitpunkt und Umfang der Arbeiten durch Dritte, nämlich den landwirtschaftlichen Betrieb der Familie W. , durchführen zu lassen. Der rechtliche Zustand der Hofstelle schließe es aus, dass die Klägerin diese in näherer Zukunft selbst nutze. Die Beklagte hat gemeint, die Eigennutzungsklausel sei vor dem Hintergrund von § 44 Abs. 5 LwAnpG zu sehen. Wiedereinrichtung sei mehr als das Bewirtschaftenlassen der Flächen durch einen Lohnunternehmer zum Zweck der eigenen Erlangung von Agrarfördermitteln.

Die Beklagte hat behauptet, die Eigennutzungsklausel sei bei der Verlängerung der Pachtverträge im Jahr 1999 mit dem Erblasser besprochen worden. Der Erblasser habe gegenüber dem damaligen Geschäftsführer erklärt, er sei selbst zu alt, um die Flächen noch einmal zu bewirtschaften. Beerbt werde er eines Tages von seinen drei Töchtern, die alle drei gut versorgt seien und keine Neigung zur Landwirtschaft hätten. Deshalb, so hat die Beklagte gemeint, sei die Eigennutzungskündigung jedenfalls treuwidrig. Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen J. W. , R. W. , H. B. und B. Z. . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.07.2005 (Bd. I Bl. 157 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Dessau hat die Klage mit Urteil vom 12.07.2005 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe die Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechts nach § 6 des Pachtvertrags, nämlich eine ernsthafte Absicht und ernsthafte Bestrebungen zur Errichtung eines eigenen Betriebes, nicht dargetan. Die Beweisaufnahme habe auch nicht ergeben, dass die Geschäftsführerin der Beklagten die Kündigung der Klägerin am 07.09.2004 anerkannt habe. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Dessau vom 12.07.2005 (Bd. I Bl. 199 ff. d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin meint, ernsthafte Bestrebungen zur Errichtung eines eigenen Betriebes dargelegt zu haben. Dass sie "nur" in der Verwaltung und Buchhaltung tätig werden wolle, rechtfertige es nicht, ihr die ernsthafte Absicht zur Errichtung eines eigenen landwirtschaftlichen Betriebes abzusprechen; denn sie allein treffe die unternehmerischen Entscheidungen und trage das wirtschaftliche Risiko. Kreditanfragen seien nicht möglich, bevor sie nicht wisse, zu welchem Zeitpunkt sie die Flächen zurückerhalte. Sie habe zudem einen konkreten Abnehmer und Lieferanten, die Fa. R. , gefunden.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, folgende landwirtschaftliche Nutzflächen zu räumen und geräumt an sie herauszugeben:

 Lfd. Nr.GemarkungFlurFlurstück Größe (ha)
1J. 424/24,8652
2J. 6151,1626
3J. 6166,7305
4J. 8121,4556
5J. 817,0500
6J. 4202,2000
Gesamt   43,4639

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie behauptet, Ackerflächen von der geringen Bodenqualität der streitgegenständlichen Flächen seien nicht gewinnbringend zu bewirtschaften, sie taugten nur als Stilllegungsflächen. Der Vater der Klägerin habe den Vertrag vom 01.10.1999 ausweislich eines - von der Klägerin nicht bestrittenen - Schreibens des Erblassers und der Klägerin vom 25./29.09.2003 "auch in Vollmacht seiner drei Töchter, die zur Erbengemeinschaft gehörten", geschlossen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, sie hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Erblasser hat ein Kündigungsrecht für den Fall der Errichtung einer eigenen privaten Landwirtschaft zugestanden. Die Klägerin hat aufgrund einer ihr wirksam erteilten Vollmacht hiervon Gebrauch gemacht.

1. Der Umstand, dass die Klägerin nicht die ursprüngliche Verpächterin ist, mit der die Beklagte den Pachtvertrag abgeschlossen hat, steht einer Ausübung des Kündigungsrechts durch die Klägerin und zu deren Gunsten nicht entgegen.

a) Im Zeitpunkt der Kündigung war der Vater der Klägerin zwar verstorben, die Auseinandersetzung unter den Miterbinnen hatte aber noch nicht stattgefunden und die streitgegenständlichen Flurstücke waren der Klägerin dementsprechend auch noch nicht zu Alleineigentum übertragen. Gleichwohl konnte die Klägerin die Kündigung des Pachtverhältnisses aufgrund der ihr vom ursprünglichen Verpächter über dessen Tod hinaus erteilten Vollmacht wirksam aussprechen.

b) Von dem in § 6 des Vertrages eingeräumten Sonderkündigungsrecht durfte die Klägerin im Übrigen auch dann Gebrauch machen, wenn die Voraussetzungen der Eigennutzungsklausel in ihrer eigenen Person erfüllt waren.

Auch der Beklagten musste bei Vertragsschluss nach ihrem eigenen Vorbringen klar sein, dass das Kündigungsrecht nicht nur für den Fall einer Nutzung durch den Erblasser persönlich gelten sollte; der bei Vertragsschluss ca. 80jährige Erblasser soll selbst gesagt haben, er sei zu alt, um den Betrieb zu bewirtschaften. Von daher kamen als Begünstigte, auch für die Beklagte erkennbar, von vornherein in erster Linie die Töchter des Erblassers in Betracht. Die Eigennutzungsklausel ist bei Vertragsschluss, auch wenn sie ursprünglich im Hinblick auf Regelungen des LwAnpG in das Vertragsformular aufgenommen worden sein mag, im Jahre 1999 gerade nicht gestrichen worden, wohl weil die Beklagte das Risiko der Ausübung des Kündigungsrechts als gering eingeschätzt hat. Jedenfalls ist daraus, dass die Eigennutzungsklausel im Vertrag enthalten geblieben ist, zu schließen, dass sie nach dem Willen der Vertragsschließenden nicht völlig bedeutungslos sein sollte.

Der beschriebenen Auslegung steht die Entscheidung des Senats im Verfahren zum Az. 2 U (Lw) 9/03, die durch Beschluss des BGH vom 05.11.2004, Az. LwZR 2/04, bestätigt worden ist, nicht entgegen. Dort hatte der Senat einem Verpächter, der durch den Erwerb der verpachteten Grundstücke in die Verpächterstellung gelangt war, die Geltendmachung des vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts zum Zweck der Eigennutzung versagt, weil dieses Recht nur dem ursprünglichen Verpächter zugestanden habe. Der Unterschied zum vorliegenden Fall besteht darin, dass im damaligen Fall eine Veräußerung der Grundstücke an einen bei Abschluss des Pachtvertrags dem Pächter noch nicht bekannten Dritten vorlag, mit dem der Pächter bei Vertragsschluss nicht rechnen musste. Hier jedoch gehört die Klägerin zum Kreis der Kinder des ursprünglichen Verpächters, die bereits bei Abschluss des Pachtvertrags vorrangig als potentielle Eigennutzer in Betracht kamen. Auch in der Entscheidung zum Az. 2 U (Lw) 9/03 ist der Senat davon ausgegangen, dass aus der Eigenbedarfsklausel außer dem Verpächter selbst auch seine engen Familienangehörigen berechtigt sein sollten.

2. Die Klägerin ist nicht nach Treu und Glauben gehindert, sich auf das Kündigungsrecht zu berufen.

Selbst wenn entsprechend der Behauptung der Beklagten unterstellt würde, dass der Erblasser bei Vertragsschluss erklärt hat, seine Töchter seien abgesichert und hätten kein Interesse für die Landwirtschaft, müsste sich die Klägerin eine solche Äußerung nicht zurechnen lassen. § 166 BGB ist nicht direkt anwendbar. Denn der Erblasser hat den Pachtvertrag nicht im Namen und in Vollmacht der Klägerin abgeschlossen, sondern ausschließlich in eigenem Namen. Soweit mit Schreiben vom 25./29.09.2003 eine Bevollmächtigung des Erblassers durch die anderen Miterben, seine Töchter, geltend gemacht wurde, ändert dies nichts daran, dass der Pachtvertrag auf Verpächterseite allein vom Erblasser abgeschlossen worden ist, unabhängig davon, dass seine Töchter der Erbengemeinschaft ebenfalls angehörten; er war nicht im Namen der Miterben aufgetreten. Die Klägerin hatte bei Vornahme der Kündigung auch keine Kenntnis vom Inhalt des behaupteten Gesprächs des Erblassers mit der Beklagten.

Im Übrigen kann die von der Beklagten behauptete Äußerung des Erblassers, seine Töchter hätten kein Interesse an der Landwirtschaft, als wahr unterstellt werden. Der Erblasser hat damit die im Jahr 1999 bestehende Situation beschrieben. Dass in Zukunft eine seiner Töchter dennoch ein Interesse an der Landwirtschaft entwickeln könnte, hatte der Erblasser als nicht wahrscheinlich dargestellt, aber auch nicht verbindlich ausgeschlossen. Damit steht in Einklang, dass das Eigenbedarfskündigungsrecht im Vertrag beibehalten worden ist. Von daher stellt es kein widersprüchliches Verhalten dar, wenn die Klägerin nunmehr von diesem vertraglich vereinbarten Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hat.

3. Die mit der zukünftigen Eigennutzung begründete Kündigung der Klägerin hat im Ergebnis zu einer wirksamen Beendigung des Pachtverhältnisses geführt.

a) Voraussetzung einer Kündigung "bei Errichtung einer eigenen privaten Landwirtschaft" ist, dass der Berechtigte die Errichtung einer solchen Landwirtschaft ernsthaft beabsichtigt und dass sich der Wille zur Errichtung der eigenen privaten Landwirtschaft bereits objektiv manifestiert hat.

Das bedeutet, dass bloße Absichten zur Errichtung eines eigenen Betriebes als solche zwar erforderlich, aber noch nicht ausreichend sind. Andererseits muss die Errichtung des Betriebes objektiv noch nicht fortgeschritten oder gar abgeschlossen sein. "Bei" Errichtung einer Landwirtschaft kann bereits im Anfangsstadium derjenigen Maßnahmen gekündigt werden, an deren Ziel die Existenz eines landwirtschaftlichen Betriebs steht. Die Errichtung einer Landwirtschaft ist bereits dann im Gange, wenn mindestens eine wesentliche Vorbereitungshandlung, die Voraussetzung für das künftige Bestehen eines landwirtschaftlichen Betriebes ist, vor der Kündigung stattgefunden hat oder zumindest gleichzeitig mit der Kündigung stattfindet.

Nicht entscheidend ist hingegen, ob ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept vorliegt, das eine nachhaltige Gewinnerzielung als wahrscheinlich erscheinen lässt, oder ob gar ein öffentliches Interesse daran besteht, dass auf den fraglichen Flächen eine Betriebsgründung durch den Einrichter erfolgt anstelle der Nutzung durch die Beklagte. Die Einrichtung einer eigenen Landwirtschaft der Klägerin hat die Beklagte hinzunehmen, unabhängig davon, ob die Einrichtung eines solchen Betriebes eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet, ob die Erträge des Betriebes der Klägerin im Wesentlichen zum Unterhalt einer bäuerlichen Familie ausreichen oder ob die Klägerin die erforderliche Qualifikation zur Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes aufweist. Es geht hier nicht um die Zuweisung eines landwirtschaftlichen Betriebes gemäß § 13 GrdstVG oder die Genehmigung eines Kaufvertrags nach § 2 GrdstVG, bei denen entsprechende Erwägungen von Belang sein können. Im vorliegenden Fall sind ausschließlich die privaten Interessen des Verpächters an einer Eigennutzung einerseits und des Pächters an der Ausschöpfung der vertraglich vereinbarten Nutzungsdauer andererseits zu berücksichtigen.

b) Den genannten Anforderungen hat die Kündigung vom 19.06.2004 nicht genügt. Die Klägerin befand sich zu dieser Zeit noch nicht "bei Errichtung einer eigenen Landwirtschaft", ihr Errichtungswille hatte sich nicht objektiv manifestiert. Objektiv feststellbare Vorbereitungshandlungen, die den Rückschluss zulassen konnten, dass sie die Errichtung eines eigenen landwirtschaftlichen Betriebes ernsthaft beabsichtigte, hatte sie zu dieser Zeit nicht vorgenommen. Insoweit reicht die im Kündigungsschreiben enthaltene pauschale Angabe des Kündigungszwecks "wegen Eigennutzung" nicht aus. Erst am 27.10.2004 hat das Finanzamt Dessau die Steuernummer der Klägerin mitgeteilt für die "gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen Umsatzsteuer". Und erst am 24.11.2004 hat das Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung der Klägerin eine Betriebsnummer zugeordnet; der Mantelbogen war am 22.10.2004 eingegangen, also deutlich nach dem Datum der Kündigung.

c) Doch ist die in der Erhebung der Räumungsklage liegende erneute konkludente Kündigung (vgl. hierzu Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Auflage, § 542 Rn. 12) wirksam.

aa) Die Klägerin hatte zur Zeit der Klageerhebung die Absicht, einen landwirtschaftlichen Betrieb einzurichten.

Hierzu hat die Klägerin vor dem Landwirtschaftsgericht glaubhafte mündliche Ausführungen gemacht; ihre Vorstellungen sind auch schriftsätzlich dargelegt worden. Danach will die Klägerin auf eigenes wirtschaftliches Risiko und auf eigene Rechnung aktiv werden. Sie selbst will sich mit der Verwaltung und Buchführung befassen; die Bedeutung dieser Tätigkeiten für den Erfolg des Betriebs werden von der Klägerin in der Berufungsinstanz nicht zu Unrecht herausgestellt. Entscheidend ist aber, dass sie selbst die erforderlichen Geschäfte tätigen und das Gewinn- und Verlustrisiko zu tragen beabsichtigt. Dass sie die Fa. W. als Lohnunternehmer mit der Bewirtschaftung beauftragen will, steht der Annahme, dass sie einen eigenen Betrieb errichten will, nicht entgegen; denn das unternehmerische Risiko soll bei der Fa. W. nicht liegen. Anders wäre es, wenn die Klägerin schlicht das Land anderweitig, insbesondere zu einem höheren Pachtzins, verpachten wollte; hierfür sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte vorhanden. Insofern liegt ein Missbrauch des Kündigungsrechts nicht vor. Bei freier Würdigung der Gesamtumstände besteht auch kein Anlass, an den Absichten der Klägerin zu zweifeln, zumal es sich bei den streitgegenständlichen Flächen seit Jahrhunderten um Familienbesitz handelt und das Interesse der Klägerin auch traditionell bedingt ist, nicht nur durch Geldanlagegesichtspunkte. Die Beklagte bestreitet im Übrigen auch nicht, dass die Klägerin das wirtschaftliche Risiko tragen und sich um die Verwaltung und Buchhaltung kümmern will; sie bewertet dies angesichts der in Aussicht genommenen Bewirtschaftung durch die Fa. W. nur rechtlich anders.

Selbst wenn die Vermutung der Beklagten zutreffen sollte, dass die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen sämtliche Flächen als Stilllegungsflächen nutzen will, würde dies eine landwirtschaftliche Nutzung darstellen, die Gegenstand einer "eigenen Landwirtschaft" sein kann. Die Stilllegung von Flächen ist nach den Vorgaben des Rechts der Europäischen Union als Gegenstand der Tätigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes ausdrücklich erwünscht. Das vertragliche Kündigungsrecht bei Errichtung einer eigenen Landwirtschaft ist vor diesem Hintergrund im Wege ergänzender Auslegung unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens der Vertragspartner so zu verstehen, dass der zu errichtende Betrieb jede zum Kündigungszeitpunkt rechtlich zulässige und wirtschaftlich sinnvolle Art der landwirtschaftlichen Nutzung zum Gegenstand haben darf, nicht nur bestimmte Nutzungsarten, an die die Vertragspartner zur Zeit des Vertragsschlusses gedacht haben mögen.

Soweit die Beklagte auf den Begriff des Wiedereinrichters hinweist, der für die Auslegung der Eigennutzungsklausel maßgeblich sei, steht dies der Bejahung des Kündigungsrechts nicht entgegen. Die Klägerin will im Sinne von § 3 AusglLeistG ihren ursprünglichen Betrieb wieder einrichten. Sie will auch im Sinne von § 3 AusglLeistG ortsansässig sein; denn sie beabsichtigt, ihren Lebensmittelpunkt nach W. zu verlagern, was angesichts des Umstands, dass sie in H. nur eine 68 qm große Mietwohnung hat, die sie mit ihren 21- und 14 Jahre alten Kindern bewohnt und die auch von ihrem Sohn übernommen werden kann, während in W. im eigenen Haus eine Wohnung für sie zur Verfügung steht, durchaus glaubhaft erscheint.

bb) Zur Zeit der Klageerhebung hatte sich der Wille der Klägerin, eine eigene Landwirtschaft zu errichten, auch objektiv manifestiert.

Die Klägerin hatte vor Klageerhebung auf die Erteilung einer Steuernummer für "gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen Umsatzsteuer" hingewirkt und die Zuordnung einer Betriebsnummer beim ALF beantragt. Aufgrund der Sachkunde seiner ehrenamtlichen Mitglieder kann der Senat feststellen, dass dieses die wesentlichen Maßnahmen sind, die für die Errichtung eines landwirtschaftlichen Betriebes erforderlich sind; weitere Aktivitäten sind vor der Aufnahme der Tätigkeit des Betriebes nicht erforderlich. Nötig ist nur noch die Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft, was aber erst möglich ist, wenn der Betrieb seine Tätigkeit begonnen hat.

Dass die Klägerin noch keine konkreten Verträge über die Aufnahme von Krediten oder über die Belieferung mit Saatgut abgeschlossen hat, ist hingegen unschädlich; es liegt für die Klägerin nahe, solche verbindlichen Verträge erst abzuschließen, wenn sie weiß, wann ihr die Flächen, die die wesentliche Grundlage für eine Bewirtschaftung bilden, zur Verfügung stehen. Unabdingbare Voraussetzung einer objektiven Manifestation der ernsthaften Absicht, einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb zu errichten, ist der Abschluss von Kreditverträgen oder von Verträgen über die Belieferung mit Saatgut jedenfalls nicht.

d) Weil die Klageschrift der Beklagten erst am 17.11.2004 zugestellt worden ist und weil laut Vertrag eine Kündigung zwecks Eigennutzung nicht fristlos, sondern nur zum Ende eines Pachtjahres erklärt werden kann, war die Beklagte mit Ablauf des 30.09.2005, nicht bereits mit Ablauf des 30.09.2004, zur Räumung und Herausgabe der Flurstücke verpflichtet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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