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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: 2 Ww 17/02
Rechtsgebiete: BGB, LwVG, LwAnpG


Vorschriften:

BGB § 138
LwVG § 44
LwVG § 45
LwAnpG § 44 Abs. 1
Schließt ein ehemaliges LPG-Mitglied mit einem von mehreren (Teil-) Rechtsnachfolgern der LPG eine Vereinbarung über die Abgeltung aller Abfindungsansprüche (§ 44 LwAnpG), so steht diese Abfindungsvereinbarung auch einer weitergehenden Inanspruchnahme der übrigen (Teil-) Rechtsnachfolger entgegen, wenn mit der Vereinbarung alle Abfindungsansprüche des LPG-Mitgliedes vollständig und endgültig erledigt sein sollten.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

2 Ww 17/02 OLG Naumburg

In der Landwirtschaftssache

hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht Grimm und den Richter am Landgericht Reichel sowie die Landwirtin Gühne und den Landwirt Broszeit als ehrenamtliche Richter nach mündlicher Verhandlung am 30. Oktober 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Dessau vom 19.02.2002 abgeändert und die Stufenanträge der Antragstellerin insgesamt abgewiesen.

Die Gerichtskosten beider Instanzen trägt die Antragstellerin, die auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und der Nebenintervenientin zu erstatten hat.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 17.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin macht Ansprüche nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG) geltend.

Sie war ursprünglich Mitglied einer LPG (Typ I) "Pionier" S. , die in die LPG (Typ III) "Georgi Dimitroff" in G. eingegliedert wurde, aus der wiederum die LPG (P) "Saaleaue" B. hervorging. Bei Eintritt in die LPG (Typ I) am 01.07.1969 brachte die Antragstellerin einen Inventarbeitrag in Höhe von 12.298,00 Mark der DDR sowie Flächen im Umfang von 6,19 ha ein. Beim Übergang der LPG (Typ I) "Pionier" auf die LPG "Georgi Dimitroff" betrug das Fondsvermögen der LPG (Typ I) 255.503,00 Mark der DDR, die Nutzfläche der LPG (Typ I) betrug 106,12 ha.

Mit Schreiben vom 08.12.1990 kündigte die Antragstellerin ihre Mitgliedschaft in der LPG (P) "Saaleaue" B. , die ihr mit Schreiben vom 20.12.1990 bestätigte, dass die Mitgliederversammlung am 18.12.1990 die Kündigung angenommen habe.

In der Mitgliederversammlung vom 11.01.1991 beschloss die LPG (P) "Saaleaue" B. ihre Entflechtung unter Wiederherstellung der ursprünglichen Abteilungen Pflanzenproduktion B. /P. ("Abteilung I") und Bn. /G. ("Abteilung II") sowie deren Zusammenschluss mit den früheren Stammbetrieben der LPG (T) P. bzw. der LPG (T) G. , aus denen die LPG (P) hervorgegangen war. Dazu legte der Vorstand der LPG (P) am 13.02.1991 einen Teilungsplan vor. Am 04.03.1991 wurde die Abspaltung der Abteilung Pflanzenproduktion Bn. /G. und ihr Zusammenschluss mit der Stamm-LPG (T) G. in das LPG-Register eingetragen, wie dem Senat auf Grund eines vorausgegangenen Verfahrens gegen die Agrargenossenschaft "Saaleaue" e. G. (2 Ww 76/97 OLG Naumburg = Lw 39/96 AG Dessau) bekannt ist. Die wiederhergestellte Gesamt-LPG G. fasste am 25.07.1991 ihrerseits einen Teilungsbeschluss, auf Grund dessen am 14.05.1992 die Agrargenossenschaft Bn. e.G. - die Antragsgegnerin - und am 11.09.1992 die Agrargenossenschaft G. e. G. in das Genossenschaftsregister eingetragen wurden. Die verbliebene Stamm-LPG (P) "Saaleaue" B. beschloss am 02.05.1991 zusammen mit der LPG (T) P. die Gründung der Agrargenossenschaft "Saaleaue" B. . Die Eintragung in das Genossenschaftsregister erfolgte am 06.03.1992.

Die Antragstellerin hat ihre Abfindungsansprüche zunächst in einem vorausgegangenen Verfahren gegen die Agrargenossenschaft "Saaleaue" B. e. G. und die Agrargenossenschaft G. e. G. vor dem Landwirtschaftsgericht Dessau geltend gemacht (Lw 15/93). Die Beteiligten jenes Verfahrens schlossen am 24.06.1994 einen gerichtlichen Vergleich, der folgenden Inhalt hatte:

"Zur Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche aus der Mitgliedschaft der Antragstellerin in den Antragsgegnerinnen und aus der Auseinandersetzung der hieraus folgenden Ansprüche zahlen die Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnerinnen der Antragstellerin insgesamt 38.000,00 DM. Den Betrag von 19.000,00 DM wird die Antragsgegnerin zu 1) bis zum 15. Juli 1994 an die Antragstellerin zahlen, eingehend bei dieser an diesem Tage. Ebenfalls einen Betrag von 19.000,00 DM wird die Antragsgegnerin zu 2) der Antragstellerin zahlen bis zum 10. Juli 1994, ebenfalls an diesem Tag eintreffend bei der Antragstellerin."

Die vereinbarten Zahlungen von insgesamt 38.000,00 DM sind geleistet worden.

Ungeachtet dieses Vergleichs hat die Antragstellerin ihre Abfindungsansprüche im vorliegenden Verfahren nunmehr auch gegen die dritte Rechtsnachfolgerin der LPG (P) "Saaleaue", die hiesige Antragsgegnerin, geltend gemacht. Sie nimmt die Antragsgegnerin als weitere Gesamtschuldnerin neben den Agrargenossenschaften "Saaleaue" B. e. G. und G. e. G. in Anspruch und verlangt unter Anrechnung der erhaltenen Zahlungen die Erfüllung des vollen, noch zu beziffernden gesetzlichen Abfindungsanspruchs. Dementsprechend hat sie im Wege des Stufenantrags zunächst Auskunft verlangt und einen Antrag auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit der Auskunft sowie einen weiteren Antrag auf Zahlung des sich aus der Auskunft ergebenden Abfindungsanspruchs angekündigt. Zur Begründung ihres Anspruchs als ausgeschiedenes LPG-Mitglied hat sie sich nicht nur auf die Kündigung vom 08.12.1990 gestützt, sondern auch auf einen Pachtvertrag vom 18.12.1990. Hieraus - so hat die Antragstellerin gemeint - ergebe sich ihr konkludentes Ausscheiden aus der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin noch im Jahre 1990, so dass die für die Bemessung des Abfindungsanspruchs maßgebliche Bilanz diejenige zum 31.12.1990 sei, die ihr - der Antragstellerin - auch vorliege.

Die Antragstellerin hat in der ersten Stufe des Verfahrens beantragt,

der Antragsgegnerin aufzugeben, ihr Auskunft zu erteilen über den Bestand und den Wert des abfindungsrelevanten Eigenkapitals der LPG (P) "Saaleaue" B. zum 31.12.1990 durch Herausgabe der ordentlichen Bilanz zu diesem Stichtag und der Antragstellerin die ihr aus dieser Bilanz zustehende Abfindung gemäß § 44 Abs. 1 LwAnpG auch der Höhe nach zu errechnen und ihr mitzuteilen unter Beachtung der DM-Eröffnungsbilanz zum 01.07.1990,

hilfsweise,

der Antragsgegnerin aufzugeben, auf ihre Kosten eine Jahresschlussbilanz der LPG (P) "Saaleaue" zum 31.12.1990 anzufertigen oder anfertigen zu lassen unter Zugrundelegung der DM-Eröffnungsbilanz zum 01.07.1990 und diese Jahresschlussbilanz dem Gericht vorzulegen, und

der Antragsgegnerin aufzugeben, ihr Auskunft zu geben über den Bestand und den Wert des abfindungsrelevanten Eigenkapitals der LPG (P) "Saaleaue" B. nach Maßgabe der Teilungsbilanz der LPG (P) "Saaleaue" durch Hergabe dieser Bilanz und der Antragstellerin die ihr aus dieser Bilanz unter Beachtung der DM-Eröffnungsbilanz zum 01.07.1990 zustehenden Abfindungen gem. § 44 Abs. 1 LwAnpG auch der Höhe nach zu errechnen und ihr mitzuteilen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Antragstellerin habe ihre Mitgliedschaft in der LPG erst im Jahre 1991 wirksam beendet. Sie hat ferner behauptet, eine Bilanz der LPG (P) "Saaleaue" B. zum 31.12.1990 sei nie erstellt worden, jedenfalls nicht als ordentliche Bilanz. Sie hat ferner die Ansicht vertreten, dem nun geltend gemachten Abfindungsanspruch stehe der in dem Verfahren Lw 15/93 geschlossene Vergleich entgegen, da hiermit auch die Ansprüche gegen die jetzige Antragsgegnerin abgegolten seien. Außerdem, so hat die Antragsgegnerin gemeint, könne sich ein eventueller Abfindungsanspruch nur gegen die Agrargenossenschaft "Saaleaue" B. e. G. richten, da dieser Genossenschaft im Rahmen der vorliegenden Abspaltung und Übertragung einzelner Vermögensgegenstände die Inventarbeiträge der Antragstellerin zugeordnet worden seien.

Das Landwirtschaftsgericht hat den Auskunftsantrag der Antragstellerin durch Teilbeschluss vom 19.02.2002 mit der Begründung abgewiesen, die Antragstellerin könne die Herausgabe einer Bilanz zum 31.12.1990 nicht verlangen. Die Abweisung erstreckt sich nur auf die erste Stufe der angekündigten Anträge, weil das Landwirtschaftsgericht einen Abfindungsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin dem Grunde nach für möglich gehalten hat. Insbesondere stehe der Vergleich vom 24.06.1994 der Geltendmachung weiterer Forderungen nicht entgegen, weil die Antragsgegnerin an jenem Vergleich nicht beteiligt gewesen sei. Auch hat das Landwirtschaftsgericht grundsätzlich eine gesamtschuldnerische Haftung aller Nachfolgebetriebe der LPG (P) "Saaleaue" B. bejaht, weil bei der Teilung der LPG (P) kein Teilungsplan vorgelegen habe.

Gegen die Versagung des Auskunftsanspruchs richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft. Insbesondere erläutert sie ihre Rechtsansicht, dass sie mit Abschluss eines Pachtvertrages rückwirkend zum 01.10.1990 aus der LPG ausgeschieden sei. Obgleich ihr eine Bilanz zum 31.12.1990 schon vorliege, bestehe ein weiter gehendes berechtigtes Interesse an der Vorlage der nach Meinung der Antragstellerin maßgeblichen Bilanz zum 31.12.1990, da die Antragsgegnerin das Vorhandensein einer solchen Bilanz bis zuletzt bestreite. Diese Bilanz müsse schon deshalb zur Berechnung der Abfindungsansprüche herangezogen werden, weil es eine Bilanz der LPG (P) "Saaleaue" zum 30.06.1991 gar nicht geben könne, da diese LPG zu dem genannten Zeitpunkt nicht mehr bestanden habe.

Die Antragstellerin beantragt,

der Antragsgegnerin aufzugeben, ihr Auskunft zu erteilen über den Bestand und den Wert des abfindungsrelevanten Eigenkapitals der LPG (P) "Saaleaue" B. zum 31.12.1990 durch Herausgabe der ordentlichen Bilanz zu diesem Stichtag und der Antragstellerin die ihr aus dieser Bilanz zustehende Abfindung gemäß § 44 Abs. 1 LwAnpG auch der Höhe nach zu errechnen und ihr mitzuteilen unter Beachtung der DM-Eröffnungsbilanz zum 01.07.1990,

hilfsweise,

der Antragsgegnerin aufzugeben, auf ihre Kosten eine Jahresschlussbilanz der LPG (P) "Saaleaue" zum 31.12.1990 anzufertigen oder anfertigen zu lassen unter Zugrundelegung der DM-Eröffnungsbilanz zum 01.07.1990 und diese Jahresschlussbilanz dem Gericht vorzulegen, und

der Antragsgegnerin aufzugeben, ihr Auskunft zu geben über den Bestand und den Wert des abfindungsrelevanten Eigenkapitals der LPG (P) "Saaleaue" B. nach Maßgabe der Teilungsbilanz der LPG (P) "Saaleaue" durch Hergabe dieser Bilanz und der Antragstellerin die ihr aus dieser Bilanz unter Beachtung der DM-Eröffnungsbilanz zum 01.07.1990 zustehenden Abfindungen gem. § 44 Abs. 1 LwAnpG auch der Höhe nach zu errechnen und ihr mitzuteilen.

Die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin beantragen,

die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin betonen, dass der umfassende, in dem Verfahren Lw 15/93 geschlossene Vergleich über die Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche aus der Mitgliedschaft der Antragstellerin in der LPG die Geltendmachung weitergehender Ansprüche der Antragstellerin ausschließe, da ein Leistungsanspruch nicht mehr bestehe. Im Hinblick auf die Bindungswirkung dieses Vergleichs sei nicht nur das Auskunftsbegehren unbegründet, sondern ein weiter gehender Abfindungsanspruch der Antragstellerin grundsätzlich zu verneinen.

Die Antragsgegnerin beantragt deshalb im Wege der Anschlussbeschwerde,

den angefochtenen Beschluss abzuändern und die im Stufenverfahren gestellten Anträge insgesamt abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten des Verfahrens Lw 15/93 Amtsgericht Dessau lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, denn der Antragstellerin stehen schon dem Grunde nach keine Abfindungsansprüche gegen die Antragsgegnerin zu. Dementsprechend ist die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin begründet.

1. Die Antragstellerin hat bereits in dem Verfahren Lw 15/93 vor dem Amtsgericht Dessau ihre Abfindungsansprüche auf Grund der Mitgliedschaft in der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin geltend gemacht. Ungeachtet dessen, dass die jetzige Antragsgegnerin an jenem Verfahren nicht beteiligt war, hat der am 24.06.1994 geschlossene Vergleich der Abgeltung sämtlicher Abfindungsansprüche der Antragstellerin gedient.

2. Dieser Vergleich steht der Geltendmachung weiterer Abfindungsforderungen - auch im Verhältnis zu der Antragsgegnerin - entgegen.

a) Dem Landwirtschaftsgericht ist zwar insoweit zuzustimmen, als ein Vergleichsschluss grundsätzlich nur die Parteien bindet, die ihn abgeschlossen haben. So bewirkt der Vergleich vom 24.06.1994 nicht den Untergang der Ansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz, weil die Vereinbarung nicht mit der Antragsgegnerin geschlossen wurde. Ein Erlass von Forderungen zu Gunsten Dritter ist nicht möglich (BGHZ 126, 261, 266).

b) Allerdings kann die zwischen einem ehemaligen LPG-Mitglied und einem Dritten geschlossene Vereinbarung über die Abgeltung aller Ansprüche aus der früheren LPG-Zugehörigkeit für den nicht an der Vereinbarung beteiligten Rechtsnachfolger der LPG einen eigenen Anspruch begründen, dass auch gegen ihn keine weiteren Forderungen geltend gemacht werden (vgl. BGH, Beschl. v. 26.04.2002, BLw 32/01, ähnlich schon: BGH, Urt. v. 18.09.1957, V ZR 209/55, LM BGB § 328 Nr. 15).

c) Der Vergleich zwischen der Antragstellerin einerseits und den Agrargenossenschaften "Saaleaue" und G. andererseits enthält im Hinblick auf Ansprüche gegen die Antragsgegnerin ein solches pactum de non petendo. Der Sinn des Vergleichs bestand darin, dass die Antragstellerin sich verpflichtete, keine Ansprüche aus ihrer früheren LPG-Mitgliedschaft mehr zu erheben. Dementsprechend erklärten die Vertragsparteien solche Ansprüche für erledigt.

Allerdings konnte der genannte Zweck, die Abfindungsforderungen der Antragstellerin einer endgültigen Lösung zuzuführen, nicht dadurch erreicht werden, dass die Antragstellerin sich lediglich gegenüber den Agrargenossenschaften "Saaleaue" und G. verpflichtete, die Antragsgegnerin nicht in Anspruch zu nehmen. Erforderlich und sinnvoll war vielmehr die Begründung auch eines eigenen Anspruchs der Antragsgegnerin darauf, dass die Antragstellerin ihr gegenüber keine weiteren Forderungen mehr geltend macht. Ein derartiger Anspruch ergibt sich im Wege der Auslegung aus dem Vergleich vom 24.06.1994.

aa) Die Antragstellerin hat in dem vorausgegangenen Verfahren am 11.03.1991 ihren Abfindungsanspruch insgesamt, zunächst bei dem Kreisgericht Bernburg, geltend gemacht. Als alleinige Antragsgegnerin gab sie die noch existente LPG (P) "Saaleaue" B. an, die aus damaliger Sicht der Antragstellerin alleinige Schuldnerin der Ansprüche war. Erst als die LPG (P) "Saaleaue" dem Gericht mit Schreiben vom 03.04.1991 mitteilte, dass die Ansprüche inzwischen entsprechend den Wohnorten zugeordnet worden und die Abfindungsansprüche der Antragstellerin daher gegen die LPG G. zu richten seien, hat die Antragstellerin ihren Antrag mit Erklärung vom 02.05.1991 umgestellt und diese Rechtsnachfolgerin als Antragsgegnerin bestimmt. Am 06.05.1991 benannte die Antragstellerin wiederum die LPG "Saaleaue" und mit Schriftsatz vom 16.04.1992 die Agrargenossenschaft e. G "Saaleaue" B. . Außerdem hat sie beim Landwirtschaftsgericht Dessau ihren Abfindungsanspruch unter Vorlage desselben Übernahmeprotokolls gegen die Agrargenossenschaft e. G. G. geltend gemacht. Am 03.06.1994 wurden beide Verfahren verbunden.

bb) Der Antragstellerin war ab Juni 1994 bekannt, dass eine weitere Rechtsnachfolgerin, die hiesige Antragsgegnerin, als Anspruchsgegnerin derselben Ansprüche in Betracht kam. Denn mit Schriftsatz vom 16.06.1994 hat sie sich vorbehalten, die Agrargenossenschaft e. G. Bn. als weitere Gesamtschuldnerin in Anspruch zu nehmen, hat das Verfahren aber bis zuletzt nicht auf die Agrargenossenschaft e. G. Bn. erweitert. Aus der damaligen Berechnung und Begründung ihres Abfindungsanspruchs ergibt sich, dass die Antragstellerin in jenem Verfahren den ihr zustehenden Anspruch in voller Höhe geltend gemacht hat. Sie hat nicht etwa einen Teil ihrer Forderung zurückgestellt oder gemeint, für bestimmte Zahlungen hafte nur die Agrargenossenschaft e. G. Bn. . Vielmehr hat die Antragstellerin ausdrücklich erklärt, dass sie die Agrargenossenschaft e. G. Bn. neben den Agrargenossenschaften G. und "Saaleaue" B. als weitere Gesamtschuldnerin für denselben Anspruch ansehe.

cc) Vor diesem Hintergrund kann der am 24.06.1994 geschlossene Vergleich nur so verstanden werden, dass mit ihm alle Abfindungsansprüche der Antragstellerin - gleich gegen welche Rechtsnachfolgerin der LPG (P) "Saaleaue" - abgegolten und erledigt sein sollten.

(1 ) Die Antragstellerin hat sich im Vergleich nicht vorbehalten, einen weiter gehenden Anspruch gegen die verbleibende Rechtsnachfolgerin, die hiesige Antragsgegnerin, noch zusätzlich geltend zu machen. Sie hat auch weder vor noch nach dem Vergleichsschluss zu erkennen gegeben, dass sie einen weiteren Anspruch zu stellen beabsichtige. Erst sechs Jahre später hat sich die Antragstellerin entschlossen, ihre Abfindungsforderung erneut, nun gegen die Antragsgegnerin, gerichtlich geltend zu machen.

(2) Die am Vergleich beteiligten Agrargenossenschaften hatten auch ein offensichtliches Interesse an einer für alle Rechtsnachfolgerinnen wirkenden Beilegung des Abfindungsstreits. Denn wenn sie - wie die Antragstellerin selbst annimmt - für den vollen Anspruch als Gesamtschuldner haften, so richtet sich ihre Beteiligung an der Verbindlichkeit im Innenverhältnis nicht nach dem Betrag, mit dem sie im Außenverhältnis am Vergleich - in dem Verfahren Lw 15/93 - beteiligt waren, sondern im Zweifel nach gleichen Bruchteilen (§ 426 BGB). Ohne eine interne Vereinbarung mit der Antragsgegnerin bliebe es bei dem gesetzlichen Ausgleichsverhältnis der drei Genossenschaften untereinander. Die beiden am Vergleich beteiligten Genossenschaften hätten also im Falle einer weiter gehenden Inanspruchnahme der Antragsgegnerin diese höhere Verpflichtung im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs mittragen müssen. Vor diesem Hintergrund musste der Antragstellerin klar sein, dass es den Agrargenossenschaften G. und "Saaleaue" B. darum ging, die Abfindungsansprüche endgültig zu regeln. Nur in diesem Sinne konnten sie den Vergleichsschluss verstehen.

d) Die Vereinbarung ist auch im übrigen wirksam. Sie verstößt nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Der Umstand, dass die Antragstellerin möglicherweise auf einen Teil ihres Abfindungsanspruchs verzichtet hat, führt nicht zur Sittenwidrigkeit der vereinbarten Regelung. Der Verzicht auf eine Forderung ist nämlich nur dann sittenwidrig, wenn er sich nach der Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck seinem Gesamtcharakter nach als nicht mit den guten Sitten vereinbar darstellt (BGH, Beschl. v. 16.06.2000, BLw 19/99, WM 2000, 1762, 1763). Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

3. Der Ausschluss der Geltendmachung von Ansprüchen der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin führt dazu, dass die Stufenanträge insgesamt abzuweisen und auch die Hilfsanträge unbegründet sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG. Der Senat hat der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und der Nebenintervenientin auferlegt, da die Inanspruchnahme der Antragsgegnerin vor dem Hintergrund des 1994 geschlossenen Vergleichs als erkennbar ungerechtfertigt erscheinen musste.

Bei der Bemessung des Geschäftswertes (§§ 34 Abs. 2 S. 1, 35 Abs. 1 Nr. 4 LwVG, § 65 Abs. 3 S. 1 LwAnpG, § 30 KostO) hat der Senat das wirtschaftliche Interesse zu Grunde gelegt, das die Antragstellerin mit ihrem Stufenantrag insgesamt verfolgt und vorläufig beziffert hat (12.298,00 DM + 14.852,82 DM + 13.903,00 DM + 21.293,60 DM + 7.932,21 DM - 38.000,00 DM = 32.279,63 DM = 16.504,31 Euro). Dies ergibt unter Hinzurechnung des bis zuletzt nicht bezifferten Anspruchs aus Wertschöpfung durch Arbeit einen Geschäftswert von bis zu 17.000,00 Euro.

Ende der Entscheidung

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