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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 10.03.2009
Aktenzeichen: 3 UF 175/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1612 b Abs. 5
Die Verurteilung zur Leistung kann auch dann in voller Höhe erfolgen, wenn der Unterhaltspflichtige durch Urteil verpflichtet wurde, an die Unterhaltsvorschusskasse Zahlungen zu erbringen. Im Tenor ist darzustellen, dass diese Leistungen auf den vollen Unterhalt anzurechnen sind.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 UF 175/08 OLG Naumburg

verkündet am: 10.03.2009

In der Familiensache

hat der 3. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2009 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau, den Richter am Oberlandesgericht Thole und den Richter am Oberlandesgericht Hellriegel für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 8. August 2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts -Familiengerichts- Stendal (Geschäftszeichen 5 F 377/07) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgenden Unterhalt zu zahlen

a) für die Zeit vom 01.05.2007 bis 28.02.2009 Unterhaltsrückstand in Höhe von insgesamt 1.330,00 EUR,

b) ab 01.03.2009 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 93,7 % des Mindestunterhalts der ersten Altersstufe abzüglich hälftiges Kindergeld in Höhe von 82,00 EUR unter Anrechnung etwaiger von dem Beklagten aufgrund des Urteils des Amtsgerichts - Familiengerichts - Stendal vom 08.08.2008 - 5 F 750/07 - an die Unterhaltsvorschusskasse auf den ab 01.03.2009 zu leistenden Unterhalt gezahlten Beträge.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt zu 1/10 die Klägerin und zu 9/10 der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision ist nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Berufungsstreitwert wird auf 3.733 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beklagte ist der Vater der Klägerin.

Die Klägerin hat wegen Nichtzahlung von Unterhalt durch den Beklagten Unterhaltsvorschusszahlungen vom Landkreis S. in Höhe von 111 EUR im Mai und Juni 2007, in Höhe von monatlich 109 EUR bis Dezember 2007 und danach monatlich 125 EUR, ab dem 1. Januar 2009 monatlich 117 EUR erhalten.

Durch rechtskräftiges Urteil vom 8. August 2008 im Rechtsstreit des Landkreises S. gegen die Unterhaltsvorschusskasse (Geschäftszeichen 5 F 750/07) ist der Beklagte verurteilt worden, an die Vorschusskasse für die Zeit vom 01.03.2007 bis 31.08.2007 insgesamt 949 EUR zu zahlen (monatlich 82 EUR bis Juni 2007, monatlich 81 EUR bis Dezember 2007 und danach monatlich 45 EUR).

Die Klägerin hat gegen den Beklagten ab dem 01.05.2007 bis zum 31.12.2007 100 % des Regelbetrages nach der bis dahin geltenden Regelbetragsverordnung und danach den Mindestunterhalt für ein Kind der ersten Altersstufe unter Berücksichtigung bzw. Abzug der von der Vorschusskasse geleisteten Zahlungen geltend gemacht.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen, weil der Beklagte nicht mehr Unterhalt zahlen könne, als in der angefochtenen Entscheidung im Rechtsstreit der Unterhaltsvorschusskasse gegen den Beklagten festgestellt worden sei.

Beim Beklagten, der seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht nachgekommen sei, könne nur ein fiktives Einkommen von insgesamt 1.000 EUR angenommen werden; 800 EUR könne er normal verdienen, weitere 200 EUR durch Nebentätigkeiten.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin.

Sie kritisiert, dass der Berechnung zugrunde gelegte Einkommen des Beklagten. Bei Aushilfstätigkeit als Taxifahrer habe er schon 895 EUR verdient, und zwar ohne Trinkgeld.

Demnach sei von einem höheren Einkommen auszugehen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten (unter Berücksichtigung erhaltener Vorschusszahlungen) zu verurteilen, an sie für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 28.02.2009 insgesamt 1.627 EUR Unterhalt zu zahlen und danach einen Unterhalt von monatlich 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftiges Kindergeld.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist statthaft, formgemäß und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung hat überwiegend Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht mit zutreffender Begründung, die der Senat teilt, zwar darauf verwiesen, dass den Beklagten als Unterhaltsverpflichteten gegenüber der minderjährigen Klägerin die Obliegenheit zu gesteigertem Erwerb trifft. Das zu Grunde gelegte Einkommen ist allerdings nicht hinnehmbar. Denn der Beklagte hatte schon als aushelfender Taxifahrer einen monatlichen Verdienst von 895,55 EUR (Bescheinigung für Juli 2004) und nicht nur 800 EUR, wie vom Amtsgericht ausgeführt. Dabei sind üblicherweise gezahlte Trinkgelder nicht berücksichtigt.

Es liegt daher nahe, von einem erzielbaren Nettoeinkommen in Höhe von 1.100 bis 1.150 EUR auszugehen, dem ein möglicher Nebenverdienst etwa durch Aushilfsarbeiten, Prospektaustragen und Ähnliches von zwischen 150 und 200 EUR zuzuschlagen ist. Mithin kann der Unterhaltsberechnung ein Einkommen von 1.300 EUR zu Grunde gelegt werden.

Daraus ergeben sich nachfolgende Unhaltsansprüche der Klägerin, wobei die Klägerin ab dem Monat der auf die letzte mündliche Verhandlung folgt, die Zahlung des vollen Unterhaltsbetrages an sich verlangen (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 1995, 615) kann und für die Zeit davor, wie beantragt, nur den sog. Spitzenbetrag (Differenz zwischen Unterhaltsanspruch und Vorschussleistungen).

Bei einem Nettoeinkommen von 1.300 EUR stehen der Klägerin zu:

a) vom 01.05.2007 bis 30.08.2007 monatlich 100 % des Regelbetrages nach § 2 der bis 31.12.2007 geltenden RegelbetragVO, abzüglich 11 EUR anzurechnendes Kindergeld nach § 1612 b V BGB alte Fassung und damit ein monatlicher Zahlbetrag von 177 EUR.

Denn für die beiden Kinder, denen der Beklagte unterhaltspflichtig ist, neben der Klägerin ist das noch die Tochter Michelle, bleiben bezogen auf den Selbstbehalt von 820 EUR 480 EUR zu verteilen, so dass der Beklagte leistungsfähig in der dargelegten Höhe ist.

Nach Abzug der UVG-Leistung verbleiben monatlich 66 EUR (177 EUR - 111 EUR).

b) Für Juli bis Dezember 2007 beträgt der monatliche Zahlbetrag wegen der geänderten Tabellenwerte ab Juli 2007 175 EUR.

Nach Abzug der UVG-Leistung verbleiben monatlich 66 EUR (175 EUR- 109 EUR).

c) Ab 01.01.2008 beträgt der Anspruch 92,3 % des Mindestunterhalts der ersten Altersstufe, abzüglich hälftiges Kindergeld in Höhe von 77 EUR. Denn die Verteilmasse beträgt mit Blick auf den Selbstbehalt von 900 EUR noch 400 EUR. Die Zahlbeträge für die Kinder betragen 202 EUR (Klägerin) und 245 EUR (Michelle), insgesamt also 447 EUR. Es errechnet sich ein Zahlungsanspruch in Höhe von 180,76 EUR, gerundet 181 EUR (202 dividiert durch 447 und multipliziert mit 400). Der Prozentsatz des Mindestunterhalts beträgt somit 92,3 % (Zahlbetrag plus halbes Kindergeld dividiert durch den Mindestunterhalt der ersten Altersstufe).

Nach Abzug der UVG-Leistung verbleiben monatlich 56 EUR (181 EUR - 125 EUR).

Ab 01.01.2009 ergibt sich ein Anspruch in Höhe von 93,7 %, denn die Tabellenbeträge und damit auch die Zahlbeträge wurden zum 01.01.2009 auf 199 bzw. für das zweite Kind Michelle auf 240 EUR geändert, das Kindergeld wurde auf 164 EUR angehoben.

Nach Abzug der UVG-Leistung verbleiben für die Monate Januar und Februar 2009 jeweils 65 EUR (gerundete 182 EUR - 117 EUR).

Ab dem Monat März 2009 steht der Unterhalt der Klägerin in voller Höhe selbst zu. Hierauf sind allerdings etwaige an die Vorschusskasse aufgrund des Urteils im Parallelverfahren gezahlte monatliche Leistungen anzurechnen.

Als Unterhaltsrückstand ergeben sich 1.330,00 EUR (8 x 66 EUR + 12 x 56 EUR + 2 x 65 EUR).

Die übrigen Entscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 42 GKG.

Ende der Entscheidung

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