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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: 3 UF 78/03
Rechtsgebiete: SGB III, ArGV


Vorschriften:

SGB III § 285
ArGV § 5 Nr. 4
1. Ein Ausländer, der keine Aufenthaltserlaubnis besitzt, hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitsberechtigung.

2. Grundsätzlich besteht, auch wenn ein Ausnahmetatbestand nach § 285 SGB III vorliegt, kein Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis.

3. Eine Obliegenheitspflichtverletzung liegt nicht vor, wenn zwar nach § 5 Nr. 4 ArGV eine Arbeitsgenehmigung erteilt werden kann, die Ausreise jedoch kurz bevorsteht.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 UF 78/03 OLG Naumburg

verkündet am: 16.10.2003

In dem Rechtsstreit

...

hat der 3. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 02. Oktober 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht Hellriegel als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht Bisping und den Richter am Amtsgericht Harms für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 16.05.2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bitterfeld (Az.: 8 F 198/02) abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Berufungsstreitwert wird auf 2.196,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Beklagten mit dem angefochtenen Urteil verurteilt, an die Klägerin einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe gemäß § 2 RegelbetragVO ab 01.08.2003 unter teilweiser bzw. ohne Anrechnung anteiligen staatlichen Kindergeldes zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, den Beklagten treffe eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Der Beklagte habe in diesem Rahmen nicht hinreichend dargelegt, dass er über Ende Juli 2003 hinaus in Haft bleiben werde. Es sei unsubstantiiert, wenn der Beklagte vortrage, er könne im Falle der Abschiebung in sein Heimatland Albanien dort kein Einkommen erzielen. Unter Einbeziehung von Nebentätigkeiten könne der Beklagte 924,00 Euro für die erste Altersstufe und 1.030,00 Euro für die zweite Altersstufe erzielen.

Mit der Berufung begehrt der Beklagte - wie schon in erster Instanz - die Klagabweisung. Er vertritt die Auffassung, er sei als nicht leistungsfähig zur Zahlung von Kindesunterhalt anzusehen. Er sei Albaner und mit Verfügung der Ausländerbehörde des Landkreises B. vom 28.01.2003 aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden. Diese Verfügung sei noch nicht rechtskräftig. Der Beklagte sei aber zum Grenzübertritt aufgefordert worden. Aufgrund der Ausweisungsverfügung, und weil er nicht EU-Staatsangehöriger sei, erhalte der Beklagte keine Arbeitserlaubnis. Er sei also auf Sozialhilfe angewiesen und könne seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht nachkommen.

In Albanien betrage der Monatsverdienst durchschnittlich 50,00 Euro, und als ungelernter Arbeiter könne der Beklagte selbst unter Anstrengung aller Kräfte nicht einmal annähernd so viel verdienen, um den Selbstbehalt zu erreichen.

Solange ihm in Deutschland keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werde, könne der Beklagte keine Arbeitserlaubnis erhalten.

Die Klägerin tritt der Berufung nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 11.08.2003 entgegen. Zur Begründung führt sie aus, den Beklagten treffe eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit, deren Erfüllung er nicht dargetan habe. Sie bestreitet, dass der Beklagte ausgewiesen worden sei.

Auch als berufsloser Unterhaltspflichtiger könne er unter Einbeziehung von Nebentätigkeiten netto monatlich bis zu 1.037,00 Euro verdienen.

Die Klägerin bestreitet den Vortrag des Beklagten, er könne in Albanien nur ein Einkommen in sehr geringer Höhe, nämlich monatlich 50,00 Euro, beziehen. Dieser Vortrag des Beklagten stehe in Widerspruch zu der von ihm gemachten Zusage von Erwerbsbemühungen. Die verstärkte Erwerbsobliegenheit treffe den Beklagten auch in seinem Heimatland.

II.

Die Berufung hat Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann der Beklagte nicht als leistungsfähig zur Zahlung von 100 % des jeweiligen Regelbetrags (Ost) angesehen werden, weil er unverschuldete Leistungsunfähigkeit nicht dargelegt habe.

1.

Wie sich aus der eingeholten amtlichen Auskunft der Ausländerbehörde des Landkreises B. vom 02.09.2003 (Bl. 140) ergibt, ist der Beklagte nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung. In der Auskunft heißt es, der Beklagte sei - noch nicht vollziehbar - ausreisepflichtig; dies werde Ende September/Anfang Oktober 2003 der Fall sein, und zwar aufgrund einer weiteren Verfügung vom 21.08.2003 (Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung und Ausreiseaufforderung). Im Besitz einer Duldung sei der Beklagte nicht; er habe lediglich eine Grenzübertrittsbescheinigung.

Dies hat zur Folge, dass dem Beklagten wegen fehlender Bemühungen um eine Arbeitsgenehmigung in Deutschland kein Verstoß gegen seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit mit der Folge der "Beweislastumkehr" vorzuwerfen ist. Ihm ist nämlich nahezu jede Möglichkeit verwehrt, ein legales Arbeitsverhältnis in Deutschland zu begründen.

Als Ausländer bedarf der Beklagte zur Aufnahme einer Beschäftigung nach § 284 Abs. 1 S. 1 SGB III einer Genehmigung des Arbeitsamtes. Ausnahmen von der Genehmigungspflicht, die in § 284 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 - 3 SGB III geregelt sind, liegen ersichtlich nicht vor.

Die Genehmigung wird bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 286 SGB III als Arbeitsberechtigung und unter den Voraussetzungen des § 285 SGB III als Arbeitserlaubnis erteilt.

a)

Einen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitsberechtigung nach § 286 Abs. 1 S. 1 SGB III hat der Beklagte nicht, denn er besitzt keine Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis. Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung wurde ausweislich der amtlichen Auskunft der zuständigen Ausländerbehörde vom 02.09.2003 abgelehnt.

Der Beklagte gehört auch nicht zu dem Personenkreis, für den § 286 Abs. 1 S. 2 SGB III Ausnahmen von § 286 Abs. 1 S. 1 SGB III zulässt. Die möglichen Ausnahmen sind in § 2 der Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) normiert. Die dort aufgeführten Ausnahmegründe knüpfen durchgehend an den ausländerrechtlichen Status an. Für Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis ist die Erteilung einer Arbeitsberechtigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArGV nur dann möglich, wenn der Ausländer einen von einer deutschen Behörde ausgestellten gültigen Reiseausweis für Flüchtlinge besitzt. Dies ist beim Beklagten offensichtlich nicht der Fall.

b)

Ein Rechtsanspruch des Beklagten auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis gemäß § 285 SGB III besteht nicht; es handelt sich bei der Vorschrift um eine "Kann-Bestimmung", die dem Betroffenen lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Arbeitsamtes über einen Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis verschafft. § 284 Abs. 5 SGB III legt für die Arbeitserlaubnis als Unterfall der Arbeitsgenehmigung fest, dass Voraussetzung vorbehaltlich abweichender Bestimmung durch Rechtsverordnung die Aufenthaltsgenehmigung ist. Über diese verfügt der Beklagte nicht. Jedoch bestimmt § 5 Nr. 4 ArGV, dass eine Arbeitsgenehmigung auch Ausländern erteilt werden kann, die ausreisepflichtig sind, wenn die Ausreisepflicht noch nicht vollziehbar oder eine gesetzte Ausreisefrist noch nicht abgelaufen ist. Dies trifft momentan auf den Beklagten zu, allerdings voraussichtlich nur bis Ende September/Anfang Oktober 2003 (vgl. Schreiben der Ausländerbehörde vom 02.09.2003). Möglichkeiten zur Bewerbung um Arbeitsstellen hatte der Beklagte erst ab 01.08.2003 (Entlassung aus dem Strafvollzug erst am 31.07.2003), so dass für eine Erwerbstätigkeit nur ca. zwei Monate zur Verfügung stehen. Es waren daher alle - unterstellten - Erwerbsbemühungen des Beklagten von vornherein zum Scheitern verurteilt. Mit der Aussicht konfrontiert, mit der kurzfristigen Abschiebung eines gerade neu eingestellten ausländischen Arbeitnehmers rechnen zu müssen, wird sich kein Arbeitgeber zur Einstellung des Beklagten bereit gefunden haben. Die Vermittlung des Beklagten in eine Erwerbstätigkeit, die ihm die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin ermöglichen könnte, ist unrealistisch.

Darüber hinaus ist offen, ob die Arbeitsverwaltung das ihr zustehende Ermessen - einen entsprechenden Antrag des Beklagten auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis vorausgesetzt - überhaupt in Richtung einer Erteilung der Arbeitserlaubnis ausgeübt hätte.

2.

Der Beklagte kann auch nicht darauf verwiesen werden, Erwerbsbemühungen in seinem Heimatland Albanien zu entfalten. Angesichts der desolaten politischen und wirtschaftlichen Lage in den Balkanländern ist als gerichtsbekannt davon auszugehen, dass es dem Beklagten dort - zumal als ungelernter Arbeiter - von vornherein nicht möglich sein wird, ein Einkommen zu erzielen, das auch nur annähernd die Höhe des ihm zu belassenden Selbstbehalts erreicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts folgt aus §§ 14 Abs. 1 S. 1; 17 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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