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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 15.07.2008
Aktenzeichen: 3 WF 168/08
Rechtsgebiete: Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen


Vorschriften:

Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen Art. 5 Nr. 1
Eine in einem ausländischen Urteil vorgenommene Statusfeststellung, die auf einer unzureichenden sachlichen sowie prozessualen Grundlage erfolgt, ist mit dem deutschen Recht (ordre public) nicht vereinbar. Damit steht der Anerkennung des Urteils auch im Ausspruch zum Unterhalt ein Versagungsgrund des Art. 5 Nr. 1 des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens vom 02.10.1973 entgegen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

3 WF 168/08 (PKH) OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 3. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau und die Richter am Oberlandesgericht Hellriegel und Thole am 15. Juli 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengerichts- Bernburg vom 29.05.2008 (Az.: 3 F 153/08) aufgehoben soweit der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Antrag auf Feststellung der Vaterschaft zurückgewiesen wurde und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen.

Gründe:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat teilweise Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung vom 29.05.2008 (Bl. 29 d.A.), soweit Prozesskostenhilfe für den Antrag auf Feststellung der Vaterschaft versagt worden ist.

Denn das Verfahren leidet an erheblichen Verfahrensfehlern.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liegt kein beachtlicher Titel über die Feststellung der Vaterschaft des Antragsgegners und Unterhaltsansprüche der Antragstellerin gegen den Antragsgegner vor. Die Anerkennung des Urteils des Amtsgerichts -Familiengerichts- K. , gelegen in der Republik Polen, vom 28.04.2003 ist nach § 328 Abs.1 Nr.2 und 4 ZPO -wie die Antragstellerin zutreffend ausführt- ausgeschlossen, weil dem Antragsgegner vor seinem Erlass keine Möglichkeit der Einlassung gegeben worden ist und ferner die Anerkennung im Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar wäre.

Die Mutter der Anragstellerin als gesetzliche Vertreterin hatte im in der Republik Polen geführten Verfahren auf Vaterschaftsfeststellung und Unterhalt bereits in der Klageschrift vom 21.12.1998 einen unrichtigen Namen und eine unzutreffende Anschrift des Antragsgegners angegeben, so dass weder die Zustellung der Klageschrift und die Teilnahme an einem Verhandlungstermin noch die Zustellung des ergangenen Urteils möglich gewesen sind. Vielmehr lief das Verfahren unnötig über eine Verfahrensvormündin, die ihrerseits keinen Kontakt zum Antragsgegner hatte. Hinzu kommt, dass dem Antragsgegner im Verfahren deshalb in keinster Weise rechtliches Gehör eingeräumt worden ist. Ferner hatte das polnische Gericht zur Frage der Abstammung keine Erkenntnisse. Eine Statusfeststellung auf einer solchen unzureichenden sachlichen sowie prozessualen Grundlage ist mit den Grundsätzen des deutschen Rechts (ordre public) schlicht unvereinbar. Damit steht der Anerkennung des Urteils auch im Ausspruch zum Unterhalt der Versagungsgrund des Art. 5 Nr.1 des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens vom 02.10.1973 und des Art. 27 des ebenfalls anwendbaren Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09.1968, im Verhältnis zu Polen in Kraft seit dem 01. Februar 2000, entgegen. Das Urteil ist dementsprechend schlicht unbeachtet zu lassen (Zöller/Geimer, ZPO 26. Aufl., § 328 Rn. 341).

Eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft ist daher nunmehr gemäß § 640a Abs.1 Satz 2 ZPO beim Amtsgericht -Familiengericht- Bernburg zulässig, was das Amtsgericht bei seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat. Es ist nach dem Haager Übereinkommen zwar das Recht des Landes des Wohnsitzes des Kindes anzuwenden und damit polnisches Recht. Hiernach bestimmen sich gemäß Art. 19 § 1 IPRG die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern grundsätzlich nach dem Heimatrecht des Kindes. Nach Art. 19 § 2 IPRG bestimmt sich die Feststellung der Vaterschaft nach dem im Zeitpunkt der Geburt des Kindes geltenden polnischen Heimatrecht des antragstellenden Kindes. Da aber bereits ein rechtskräftiges polnisches Urteil vom 28.04.2003 vorliegt, ist ein erneutes Verfahren vor einem polnischen Gericht unzulässig. Andererseits ist eine Umsetzung /Anerkennung in Deutschland, wie oben dargestellt wurde, nicht möglich. Daher ist nunmehr für die Feststellung der Vaterschaft das Amtsgericht berufen.

Der Senat kann aber noch nicht abschließend über den insoweit gestellten Prozesskostenhilfeantrag befinden. Für die Prozessführung und damit für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist das deutsche Verfahrensrecht anzuwenden. Nach den §§ 114 ff ZPO ist vor Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Bedürftigkeit darzulegen und zu belegen. Vorliegend betrifft dies jedoch nicht nur die Antragstellerin, die über keine Einkünfte und Vermögenswerte verfügt. So wie nach deutschem Unterhaltsrecht haben die unterhaltsverpflichteten Eltern für den Bedarf ihres Kindes einzutreten. Auch die Kindesmutter hat dementsprechend darzustellen und zu belegen, dass sie zur Aufbringung der Verfahrenskosten für die Antragstellerin nicht in der Lage ist. Denn der gegenwärtige Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gegen ihre Mutter richtet sich gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 1 EGBGB i. V. m. Art. 4 Abs. 1 des Haager Unterhalts-Übereinkommens vom 2. Oktober 1973, in Kraft seit dem 1. April 1985, nach polnischem Recht. Danach ist die Mutter gemäß dem polnischen FVG Art. 133 § 1 gegenüber ihrem Kind, das sich nicht selbst unterhalten kann, zu Unterhaltsleistungen verpflichtet. Der Umfang des Unterhalts bemisst sich nach dem polnischen FVG Art. 135 § 1 FVK nach den gerechtfertigten Bedürfnissen des Berechtigten und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen des Verpflichteten.

2. Demgegenüber muss der sofortigen Beschwerde in Bezug auf den begehrten Unterhalt der Erfolg versagt bleiben.

Nach deutschem Prozessrecht ist nach §§ 640c Abs.1 Satz 3, 653 ZPO neben einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren auf Antrag die Unterhaltsfestsetzung möglich. Vorliegend kommt dies aber nicht in Betracht.

Bei Anwendung polnischen Unterhaltsrechts, das ein dem deutschen System entsprechende Regelung des Regelunterhaltsbedarfs von unehelichen Kindern, Regelunterhalt oder Mindestunterhalt, nicht kennt, ist es nicht zulässig, mit der Vaterschaftsfeststellungsklage einen Anspruch auf Regelunterhalt zu verbinden (OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 983f). Die dem Kind in §§ 642ff ZPO eingeräumte Möglichkeit, auf Leistung des Regelunterhalts bzw. Mindestunterhalts zu klagen, macht nur dann Sinn, wenn die Höhe des Unterhaltsbetrages im vereinfachten Verfahren gemäß ZPO § 642a festgesetzt werden kann. Dies aber kann nicht geschehen, wenn das anwendbare ausländische Unterhaltsrecht, das zwar einen Unterhaltsanspruch des Kindes, wie oben zu 1.) aufgezeigt, nicht aber einen solchen auf Regelunterhalt bzw. Mindestunterhalt kennt und keine dem deutschen Recht vergleichbaren Bemessungskriterien wie Regelsätze oder Tabellen enthält. Der Weg für eine einfache und billige Festsetzung der Höhe des Unterhaltsbetrags ist zudem dann von vornherein verschlossen, wenn abzusehen ist, dass in dem betreffenden Land, in dem sich das Kind befindet, die Lebenshaltungskosten erheblich geringer sind als in Deutschland und deshalb ein Unterhaltsanspruch des Kindes in Höhe des Regelunterhalts bzw. Mindestunterhalts in keinem Fall besteht (OLG Düsseldorf a.aO.; andere Auffassung: OLG Hamm IPRax 2002, 529f im Rahmen des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens).

Dies kann vorliegend auch nicht durch eine reduzierte, auf 80 % der Tabellenunterhaltssätze bezogene Antragstellung umgangen werden. Eine konkrete Antragstellung auf Verurteilung zur Zahlung von Unterhalt hat nach Beachtung der Verbrauchergeldparitäten und des Devisenkurses erst in einem weiteren Hauptverfahren zu erfolgen, wobei in der Rechtsprechung bei einem in Polen lebenden Unterhaltsberechtigten ein Abzug auf die Unterhaltssätze von 1/3 bis 1/5 vorgenommen werden.

Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und wegen der Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde richten sich nach Nr. 1812 Kostenverzeichnis GKG, §§ 127 Abs. 4 ZPO; 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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