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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 27.06.2007
Aktenzeichen: 3 WF 197/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1599 Abs. 2
Erkennt ein Dritter fristgerecht die Vaterschaft an - und stimmt die Mutter zu - fehlt einer Anfechtung der Vaterschaft grundsätzlich das Rechtsschutzinteresse, da mit der Zustimmung nach § 1599 Abs. 2 BGB dasselbe Ziel einfacher und kostengünstiger erreicht werden kann.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

3 WF 197/07 (PKH) OLG Naumburg

In dem Beschwerdeverfahren

hat der 3. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Materlik als Einzelrichter am

27. Juni 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Dessau vom 15. Mai 2007, Az.: 3 F 550/06 (Kl), wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Gerichtsgebühr des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger war mit der gesetzlichen Vertreterin der Beklagten, der Kindesmutter Y. St. verheiratet. Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Dessau vom 14. Juni 2006, Az.: 3 F 308/05 S, wurde die Ehe mit Rechtskraft zum 15.08.2006 geschieden (Bl. 6 ff. d. A.).

Noch während des laufenden Scheidungsverfahrens wurde von der vormaligen Ehefrau des Klägers am 05.06.2006 die minderjährige Beklagte geboren.

Mit Urkunde des Jugendamtes der Stadt Dessau vom 06.02.2007, Urkunden-Register-Nummer: 00083/2007, hat sodann der Lebensgefährte der Kindesmutter, M. G. , die Vaterschaft betreffend die Beklagte mit Zustimmung der Kindesmutter anerkannt (Bl. 27 d. A.).

Mit Schreiben vom 14. Februar 2007 (Bl. 28 d. A.) übermittelte das Jugendamt der Stadt Dessau dem Kläger eine beglaubigte Abschrift der vorbezeichneten Urkunde und forderte diesen auf, um das wahrhaftige Eltern-Kind-Verhältnis "herstellen" zu können, seine Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung des M. G. kostenfrei durch Urkunde vor einem Jugendamt bis zum 06.03.2007 zu erklären.

Der Kläger hatte indes bereits zuvor mit Schriftsatz vom 05.12.2006, eingegangen beim Amtsgericht Dessau am 07.12.2006, Vaterschaftsanfechtungsklage hinsichtlich der Beklagten erhoben, für die er beantragt hatte, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Das Amtsgericht hat, nachdem für die Beklagte gemäß den §§ 1629 Abs. 2, 1697, 1795 Abs. 1 Nr. 3, 1909 Abs. 1 BGB durch Beschluss vom 16.04.2005, Az.: 3 F 8/07 RE (Bl. 19 d. A.), eine Ergänzungspflegschaft für die Vertretung des Kindes im Anfechtungsverfahren eingerichtet worden war, das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers mit Beschluss vom 15. Mai 2007 (Bl. 11 PKH-Beiheft des Klägers) mit der Begründung zurückgewiesen, dass für die Anfechtungsklage bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehle, da der Kläger in viel einfacherer Weise durch Anerkennung der Zustimmungserklärung gemäß § 1599 Abs. 2 BGB das Klageziel hätte erreichen können.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde.

Er ist der Ansicht, dass er sehr wohl ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage habe, zumal er bei Klageeinreichung noch nichts von dem späteren Vaterschaftsanerkenntnis der wahren Kindesvaters gewusst habe. Im Übrigen könne das erst später abgegebene Anerkenntnis auf die Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe keine Auswirkung haben, da das Amtsgericht alsbald über sein Prozesskostenhilfegesuch hätte entscheiden müssen.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Verb. mit § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 569 ZPO in Verb. mit § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Dessau vom 15. Mai 2007, auf Grund dessen ihm die begehrte Prozesskostenhilfe für die Vaterschaftsanfechtungsklage gemäß § 1599 Abs. 1 BGB nicht gewährt worden ist, hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht dem Kläger die gewünschte Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren versagt, ist doch die Rechtsverfolgung des Klägers mutwillig im Sinne von § 114 ZPO.

Mutwillig ist eine Rechtsverfolgung dann, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige, d. h. also ausreichend vermögende Partei über ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das mit der Klage verfolgte Ziel einfacher und kostengünstiger von ihr erreicht werden könnte (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 232 ff.; Philippi, in: Zöller, 26. Auflage, § 114 ZPO, Rdnr. 30).

Nach den neuen Regelungen des Abstammungsrechts besteht neben dem Weg der gesetzlichen Klärung der wahren Vaterschaft in einem vom Offizial- und Untersuchungsgrundsatz beherrschenden Statusprozess die Möglichkeit der außerprozessualen freien Ab- und Anerkennung der Vaterschaft durch einen gemeinsamen Akt der Privatautonomie. Dieser lässt grundsätzlich die Möglichkeit einer gleichzeitigen Anfechtungsklage unberührt (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 232 ff.; OLG Köln, FamRZ 2005, 743 ff., Gaul, Die neue Regelung des Abstammungsrechts durch das KindRG, FamRZ 1997, 1441 ff.).

Nach § 1599 Abs. 2 BGB gilt der Kläger als damaliger Ehemann und die Mutter der Beklagten entgegen der Vaterschaftsvermutung des § 1591 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht als Vater der während des laufenden Scheidungsverfahrens der Kindeseltern geborenen Beklagten, wenn ein Dritter innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung die Vaterschaft nach den §§ 1595, 1596 BGB anerkennt.

Ein solches Anerkenntnis der Vaterschaft ist im Entscheidungsfalle fristgerecht am 06.02.2007 vom tatsächlichen Vater der Beklagten, M. G. , mit Zustimmung der Kindesmutter Y. St. in der hierfür vorgesehenen Form vor dem Jugendamt der Stadt Dessau erklärt worden (Bl. 27 d. A.). Demzufolge bestand und besteht für den Kläger, als Mann, der im Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit dessen Mutter verheiratet war, die Möglichkeit, kostenfrei vor dem Jugendamt der Vaterschaftsanerkennung durch den tatsächlichen Vater gemäß § 1599 Abs. 2 Satz 2 BGB zuzustimmen.

In Anbetracht der danach bestehenden weit einfacheren Möglichkeit, das tatsächliche Vater-Kind-Verhältnis kostenfrei außerprozessual feststellen zu lassen, stellt sich die Erhebung der umständlichen und kostenträchtigen Anfechtungsklage nach § 1599 Abs. 1 BGB als mutwillig im Sinne von § 114 ZPO dar. Denn hätte der Kläger als nicht hilfsbedürftige Person die dafür anfallenden Kosten selbst aufzubringen gehabt, hätte er zweifelsfrei von der Anfechtungsklage zu Gunsten des kostenfrei möglichen außerprozessualen Verfahrens nach § 1599 Abs. 2 BGB Abstand genommen.

Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, er habe erst durch das Schreiben des Jugendamtes Dessau vom 14. Februar 2006 erfahren, dass der leibliche Vater der Beklagten seine Vaterschaft mit Zustimmung der Kindesmutter am 06.02.2007 in urkundlicher Form anerkannt habe, jedoch habe er zu diesem Zeitpunkt bereits seine Vaterschaftsanfechtungsklage eingereicht gehabt. Dem Kläger war nämlich - wie einer nicht hilfsbedürftigen Partei - ohne weiteres zuzumuten, vor Erhebung einer Anfechtungsklage über die Kindesmutter mit dem tatsächlichen Vater der Beklagten Kontakt aufzunehmen, um dann die außerprozessuale Regelung des tatsächlichen Vater-Kind-Verhältnisses herbeizuführen.

Diese Auffassung des Senats steht auch nicht im Widerspruch zu den einschlägigen Beschlüssen des Oberlandesgerichts Köln (FamRZ 2005, 743 ff.) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe (FamRZ 2001, 232 ff.). Denn in den dort zur Entscheidung anstehenden Fällen war nicht absehbar, wann das zwischen den dortigen Kindeseltern rechtshängige Scheidungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen werden würde. Da aber das außerprozessual gemäß § 1599 Abs. 2 BGB erfolgte Vaterschaftsanerkenntnis des Dritten als wahrem Vater des während der Scheidungszeit geborenen Kindes nach § 1599 Abs. 2 Satz 3 BGB frühestens mit der Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Urteils Wirksamkeit entfaltet, haben sowohl das Oberlandesgericht Köln als auch das Oberlandesgericht Karlsruhe dann zutreffend die Wahl des komplexeren gerichtlichen Anfechtungsklageverfahrens nach § 1599 Abs. 1 BGB für nicht mutwillig erachtet, wenn der Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsverfahrens eben noch nicht absehbar war.

Im vorliegenden Entscheidungsfall hingegen liegt es so, dass die Ehe der Parteien bereits zum 15.08.2006 rechtskräftig geschieden worden war, jedoch die Einreichung der Anfechtungsklage beim Amtsgericht Dessau erst am 07. Dezember 2006 erfolgte. Demzufolge hätte aber der Kläger bei Wahl des Verfahrens nach § 1599 Abs. 2 BGB kostenfrei außerprozessual und ohne weitere Verzögerungen eine tatsächliche Ab- und Anerkennung der Vaterschaft hinsichtlich der Beklagten herbeiführen können. In Anbetracht dessen erscheint die Einreichung der Anfechtungsklage unter Berücksichtigung der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung nach wie vor als mutwillig im Sinne von § 114 ZPO.

Im Ergebnis zu Recht hat demzufolge das Amtsgericht dem Kläger die begehrte Prozesskostenhilfe versagt, sodass dessen gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde zurückzuweisen war.

III.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Gerichtsgebühr des Beschwerdeverfahrens findet ihre Grundlage in § 97 Abs. 1 ZPO bzw. § 1 Satz 1 Nr. 1 GKG in Verb. mit der laufenden Nummer 1812 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet im Beschwerdeverfahren wegen versagter Prozesskostenhilfe - wie aus § 127 Abs. 4 ZPO folgt - grundsätzlich nicht statt.

Ende der Entscheidung

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