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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 08.06.2007
Aktenzeichen: 4 UF 85/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93a
Entgegen den anderen Familiensenaten des Oberlandesgerichts ist der Senat weiterhin der Rechtsansicht, dass auch bei Aussetzung eine Kostenentscheidung des Familiengerichts nach § 93a ZPO zu erfolgen hat.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

4 UF 85/07 OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, den Richter am Oberlandesgericht Materlik und die Richterin am Amtsgericht Meier am 08. Juni 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die befristete Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund wird das Urteil des Amtsgerichtes - Familiengerichts - Magdeburg vom 20. Februar 2007, Az.: 222 F 22/06 S, hinsichtlich der Regelung zum Versorgungsausgleich in Ziffer 2 des Entscheidungstenors aufgehoben und das Verfahren zum Versorgungsausgleich ausgesetzt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Durch Urteil vom 20. Februar 2007 (Bl. 23 - 29 d. A.) hat das Amtsgericht Magdeburg die Ehe der Parteien geschieden und - unter Verweisung auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich im Übrigen - in Entgeltpunkte (Ost) umzurechnende Rentenanwartschaften in Höhe von 131,90 € von dem Versicherungskonto des Ehemanns (Antragstellers) bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (i. F. abgekürzt: DRV Bund) auf das ebenfalls dort unterhaltene Versicherungskonto der Ehefrau (Antragsgegnerin) übertragen.

Gegen die Entscheidung richtet sich die Beschwerde der DRV Bund (Bl. 57 UA-VA), die beanstandet, nichtangleichungsdynamische Anrechte in Höhe von 456,19 € monatlich, die der Ehemann während der Ehezeit erworben habe, seien unzutreffenderweise als angleichungsdynamisch bei der Berechnung des Versorgungsausgleichs behandelt worden.

II.

Die befristete Beschwerde ist gleichermaßen zulässig (1) wie begründet (2). Die danach gebotene Aussetzung des Versorgungsausgleichs gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG bleibt ohne Einfluss auf die in erster Instanz korrekt ergangene Kostenentscheidung (3).

1. Die gemäß den §§ 629 a Abs. 2 Satz 1, 621 e Abs. 1 ZPO in Verb. mit § 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statthafte befristete Beschwerde der DRV Bund gegen die im Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 20. Februar dieses Jahres getroffene Endentscheidung zum Versorgungsausgleich ist nach Maßgabe des § 621 e Abs. 3 in Verb. mit den §§ 517, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie ist auch im Übrigen uneingeschränkt zulässig.

Auf eine Mindestbeschwer kommt es, im Gegensatz zur Berufung, bei der befristeten Beschwerde nicht an, wie schon aus der fehlenden Bezugnahme auf § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO erhellt (vgl.: OLG Bamberg, FamRZ 1998, 305; Philippi, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., 2007, § 621 e Rdnr. 22). Die Beschwerdebefugnis ist auch unabhängig von einer finanziellen Mehrbelastung der Beschwerde führenden Versicherungsanstalt (BGH, NJW 1981, 1274).

Die DRV Bund ist vielmehr allein auf Grund des nach ihrem Vortrag gesetzeswidrig durchgeführten Versorgungsausgleichs in ihrem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Recht auf Gewährleistung einer gesetzeskonformen Verwaltung beeinträchtigt (s. dazu beispielhaft: Sedemund-Treiber, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 621 e ZPO Rdnr. 9 m. w. N. nam. aus der Rechtsprechung) und damit gemäß § 20 Abs. 1 FGG, welche Regelung über § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO Anwendung findet, zur Beschwerde berechtigt. 2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

In dem Urteil des Amtsgerichts (Bl. 25 d. A.) sind die laut Auskunft der Beschwerdeführerin vom 14. Dezember 2006 (Bl. 48 UA-VA) nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaften in Höhe von 456,19 €, die der Ehemann in der gemäß § 1587 Abs. 2 BGB bestimmten Ehezeit erworben hat, fälschlicherweise als angleichungsdynamisch behandelt worden. Bei korrekter Erfassung der beiderseitigen Versorgungsanrechte der Parteien ist eine Aussetzung des Verfahrens zum Versorgungsausgleich geboten.

Der Versorgungsausgleich hätte nach Maßgabe des Versorgungsausgleichs-Überleitungsgesetzes (VAÜG) nicht durchgeführt werden dürfen, sondern, wie nunmehr aufgrund der Beschwerde geschehen, nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzt werden müssen. Denn die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 VAÜG geregelten Voraussetzungen für eine Durchführung des Versorgungsausgleichs vor der so genannten Einkommensangleichung im Sinne des § 1 Abs. 4 VAÜG - auf die es ob des Erwerbs angleichungsdynamischer Rentenanwartschaften seitens der Ehefrau (Bl. 12 UA-VA) während der Ehezeit ankommt - sind nicht gegeben.

Der Versorgungsausgleich hätte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VAÜG nur durchgeführt werden können, wenn, was der Fall ist, die Ehegatten in der Ehezeit keine angleichungsdynamischen Anrechte minderer Art im Sinne des § 1 Abs. 3 VAÜG erworben haben und, was beides offenkundig nicht der Fall ist, entweder nur angleichungsdynamische Anrechte zu berücksichtigen sind (lit. a) oder der Ehegatte mit den werthöheren angleichungsdynamischen Anrechten - das ist hier die Ehefrau, die allein derartige Anrechte in Höhe von 192,40 € erworben hat (Bl. 12 d. A.) - auch die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anrechte erworben hätte (lit. b). Letzteres ist wiederum nicht der Fall, da entsprechenden Anrechten des Ehemannes von insgesamt 640,12 € - unter Einbeziehung der als angleichungsdynamisch (Bl. 12 UA-VA) verkannten 456,19 € (+ 162,41 € + 21, 52 € als fiktiv dynamisierte Anrechte bei der V. AG = Bl. 25 - 27 d. A. bzw. S. 3 - 5 des Urteils unter Punkt 2 und 3) - lediglich gleichartige Anrechte der Ehefrau von insgesamt 80,09 € (= 76,86 € + 3,23 €; i. E.: Bl. 26 - 27 d. A. bzw. S. 5 u. - 6 des Urteils) gegenüberstehen.

Die Durchführung des Versorgungsausgleichs ermöglicht auch nicht der bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen nach Nummer 1 noch in Betracht kommende § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VAÜG, da beide Parteien keine Rente beziehen und daher nicht, wie für eine Durchführung des Versorgungsausgleichs nach jener Vorschrift vonnöten, aus einem im Versorgungsausgleich zu berücksichtigenden Anrecht aufgrund des Versorgungsausgleichs Leistungen zu erbringen oder zu kürzen sind.

3. Ungeachtet der Aussetzung des Versorgungsausgleichs hat es sein Bewenden mit der zutreffend gemäß § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO getroffenen Kostenentscheidung im Scheidungsverbundurteil (s. dazu eingehend Oberlandesgericht Naumburg, Beschluss v. 12.07.05, Az.: 14 UF 12/05).

III.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren konnten infolge der unrichtigen Sachbehandlung in erster Instanz gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht erhoben werden.

Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht einerseits, hinsichtlich der Parteien, auf einer entsprechenden Anwendung des § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO und andererseits, bezüglich der am Verfahren beteiligten Versorgungsträger, auf der Regelung des § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG in Verb. mit § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es an den dafür in § 621 e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO gesetzlich bestimmten Voraussetzungen.

Ende der Entscheidung

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