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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 12.02.2009
Aktenzeichen: 4 UF 93/08
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 301
ZPO § 313 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7
ZPO § 538 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 540 Abs. 2
ZPO § 628 Satz 1 Nr. 4
ZPO § 629 Abs. 1
EGZPO § 26 Nr. 9 Satz 1
BGB § 242
BGB § 1374 Abs. 2
GKG § 21 Abs. 1 Satz 1
Es fehlt an einer außergewöhnlichen Verzögerung, wenn die Folgesache (hier: Zugewinn) im Wesentlichen zeitgleich mit der Ehesache entscheidungsreif ist, dies insbesondere, wenn evtl. Einwände bei einer Verfahrensförderung von Amts wegen rechtzeitig hätten erledigt sein können.

Wer eine Folgesache im Verbund geltend macht, kann sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, dass die Scheidung dadurch hinausgezögert wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Antragsteller selber durch sein dilatorisches Verhalten zu einer nicht unbeträchtlichen Verzögerung des Scheidungsverbundverfahrens beigetragen hat.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG Im Namen des Volkes URTEIL

4 UF 93/08 OLG Naumburg

verkündet am: 12. Februar 2009

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat - 3. Familiensenat - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, den Richter am Oberlandesgericht Thole und den Richter am Oberlandesgericht Stroot aufgrund der mündlichen Verhandlung vom

04. Februar 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts Wernigerode vom 02. Oktober 2008, Az.: 11 F 1142/03 S, und das ihm zugrunde liegende Verfahren aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Folgesache des Zugewinnausgleichs, an das Amtsgericht - Familiengericht - Wernigerode zurückverwiesen.

3. Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.

und beschlossen:

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 5.779,-- € festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG in Verb. mit den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 3 Satz 1, 49 Nr. 1 GKG).

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 23. Juli 1987 die Ehe geschlossen, aus der zwei Kinder, I. , geboren am 17. November 1990, und A. , geboren am 05. März 2002, hervorgegangen sind.

Seit Mai 2002 leben die Parteien voneinander getrennt. Der Scheidungsantrag des Antragstellers wurde der Antragsgegnerin am 23. Juni 2003 zugestellt.

In einem Parallelverfahren zur Scheidung hat der Antragsteller erfolglos die von ihm bezweifelte Ehelichkeit des jüngeren Sohnes angefochten.

Im Rahmen des Scheidungsverbunds wurden diverse Folgesachen seitens der Parteien anhängig gemacht. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 18. September 2008 war nur noch zu befinden über einen im Wege der Stufenklage verfolgten Antrag des Ehemannes auf Zugewinnausgleich, der mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2005 (Bl. 175 ff. Bd. I d. A.) auf 98.945,17 € beziffert worden war und hinsichtlich dessen seit dem 25. Juli 2008 ein schriftliches Sachverständigengutachten (Bl. 125 ff. Bd. II d. A.) vorliegt, gegen welches der Antragsteller Einwendungen erhoben hat.

Durch Urteil des Amtsgerichts Wernigerode vom 02. Oktober 2008 (Bl. 33 - 38 Bd. III d. A.) ist die Ehe der Parteien geschieden, der Versorgungsausgleich durchgeführt und das Verfahren auf Zugewinnausgleich entsprechend dem Antrag des Ehemannes, der eine erhebliche gesundheitliche Belastung infolge der langen Verfahrensdauer ins Feld geführt hatte, abgetrennt worden. Zwar sei möglicherweise auch dieses Folgeverfahren in Bälde entscheidungsreif, so die Begründung des Amtsgerichts, gleichwohl sei ungeachtet dessen unter Berücksichtigung der über sechsjährigen Trennungszeit der Parteien, der übereinstimmenden Scheidungsbegehren sowie der Verfahrensdauer von ca. 5 1/2 Jahren eine Abtrennung mittlerweile gerechtfertigt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin, die moniert, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abtrennung der Folgesache hätten nicht vorgelegen. Vielmehr sei es gerade der Antragsteller gewesen, der seit der Trennung im Mai 2002 das Scheidungsverbundverfahren systematisch durch eine Vielzahl von prozessualen Maßnahmen und Unterlassungen verzögert und unnötig in die Länge gezogen habe.

Im Übrigen wird unter ergänzender Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die Schriftsätze der Parteien im Berufungsrechtszug gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verb. mit § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO und § 26 Nr. 9 Satz 1 EGZPO von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes Abstand genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Wernigerode vom 02. Oktober 2008 ist auch in der Sache begründet.

Das unter Abtrennung der Folgesache zum Zugewinnausgleich ergangene Scheidungsverbundurteil stellt ein unzulässigerweise entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO in Verb. mit § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO ergangenes Teilurteil dar. Aufgrund der Berufung der Antragsgegnerin - die nur mittels eines Rechtsmittel gegen den Scheidungsausspruch die unzulässige Abtrennung der Folgesache aus dem Scheidungsverbund anfechten konnte (BGH, FamRZ 1996, 1070, 1071; Philippi, in: Zöller, 27. Aufl. 2009, § 628 Rdnr. 13) - war daher antragsgemäß nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO wie auch von Amts wegen nach § 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO das angefochtene Urteil nebst zugrunde liegendem Verfahren aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung, auch unter Einbeziehung des zu Unrecht abgetrennten Verfahrens zum Zugewinnausgleich, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Nach § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO, mit welcher insoweit allein diskutablen Vorschrift sich die stattdessen in recht vagen Erwägungen ergehende Entscheidung des Amtsgerichts überhaupt nicht befasst, hätte dem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über die Folgesache des Zugewinnausgleichs nur stattgegeben werden dürfen, wenn die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde. Allein diese Schlussfolgerung war hier nach Lage der Dinge unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt. Bereits eine außergewöhnliche Verzögerung des Scheidungsausspruchs bei Aufrechterhaltung des Scheidungsverbundes, als erste notwendige Voraussetzung für die nur ausnahmsweise mögliche Abtrennung einer Scheidungsfolgesache aus dem sonst gemäß § 629 Abs. 1 ZPO stets zwingend zu gewährleistenden Entscheidungsverbund, lässt sich im vorliegenden Fall nicht feststellen. Zwar war das Scheidungsverfahren im September 2008 bereits seit geraumer Zeit in erster Instanz rechtshängig. Dennoch war, und darauf kommt es entscheidend an, auch das Verfahren auf Zugewinnausgleich zugleich im Wesentlichen entscheidungsreif, nachdem seit Juli letzten Jahres das eingeholte Sachverständigengutachten zum Grundvermögen der Antragsgegnerin vorlag, so es denn im Hinblick auf die Regelung des § 1374 Abs. 2 BGB überhaupt darauf materiellrechtlich ankommen sollte. Die diesbezüglichen Einwendungen des Antragstellers hätten bis zur mündlichen Verhandlung am 18. September 2008 oder längstens, bei entsprechender Verfahrensförderung von Amts wegen, bis Ende letzten Jahres erledigt werden können, sodass schon von einer außergewöhnlichen Verzögerung des Verfahrens bei Aufrechterhaltung des Scheidungsverbundes im konkreten Fall keine Rede sein kann.

Selbst wenn allerdings eine außergewöhnliche Verzögerung zu bejahen sein sollte, so wäre zumindest die weitere zwingende Voraussetzung für eine Abtrennung nach § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO nicht gegeben, da nicht ersichtlich ist, dass eine - unterstellte - außergewöhnliche Verzögerung auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte für den Antragsteller darstellen würde. Die Bedeutung der Folgesache für die Antragsgegnerin, die nach der Vorstellung des Antragstellers einen Betrag von rund 100.000,-- € als Zugewinnausgleich zahlen soll, ist dabei äußerst hoch zu veranschlagen, da ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung entscheidend durch die noch klärungsbedürftige Frage des eventuell zu leistenden Zugewinnausgleichs bestimmt werden. Der einzig maßgebliche Vortrag des Antragstellers in dieser Richtung, das Verfahren stelle für ihn eine erhebliche, sich gesundheitlich auswirkende Belastung dar, ist bar jeder Substanz und von daher rechtlich ohne Belang.

Abgesehen davon kann derjenige, der selbst eine Folgesache im Scheidungsverbund anhängig gemacht hat, sich schon logischerweise und erst recht bei Meidung des nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB geltenden Verbots des widersprüchlichen Verhaltens nicht anschließend darauf berufen, der Scheidungssausspruch verzögere sich wegen der gleichzeitigen Erledigung der Folgesache in unzumutbarer Weise. Dem Antragsteller wäre es unbenommen geblieben, erst nach Rechtskraft der Scheidung seinen behaupteten Anspruch auf Zugewinnausgleich einzuklagen und damit eine sonst drohende Verzögerung des Scheidungsverfahrens bzw. des Scheidungsausspruchs zu vermeiden. Eine unzumutbare Härte ob der Verzögerung des Scheidungsausspruchs für den Antragsteller anzunehmen erscheint schließlich auch deswegen nicht gerechtfertigt, weil gerade dieser durch sein in vielfacher Hinsicht dilatorisches Verhalten in erster Instanz - etwa durch die grundlose Anfechtung der Vaterschaft und die dadurch bedingte Verzögerung des in den Verbund einbezogenen Sorgerechtsverfahrens - zu einer nicht unbeträchtlichen Verzögerung des Scheidungsverbundfahrens beigetragen hat.

Die Berufung der Antragsgegnerin führt nach alledem gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Satz 3 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils nebst zugrunde liegendem Verfahren und zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht in erster Instanz, das erneut sowohl über die Scheidung als auch über sämtliche verbliebene Folgesachen einschließlich des Zugewinnausgleichs einheitlich durch Urteil gemäß § 629 Abs. 1 ZPO zu befinden haben wird.

III.

Gerichtskosten für die Berufungsinstanz werden gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht erhoben.

Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung zu Lasten des mit seinem Begehren auf Abtrennung der Folgesache zum Zugewinnausgleich erfolglos bleibenden Antragstellers aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, welches im Übrigen im diametralen Widerspruch zu seinem sonstigen prozessualen Verhalten steht.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils entspricht den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 in Verb. mit § 713 ZPO und § 26 Nr. 9 Satz 1 EGZPO.

IV.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

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