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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 02.10.2008
Aktenzeichen: 4 WF 44/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1603 Abs. 2 S. 2
Der Besuch einer einjährigen Berufsfachschule ist als allgemeiner Schulbesuch i.S.d. § 1603 Abs. 2 S.2 BGB zu werten, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht über einen Hauptschulabschluss verfügt und diesen durch den Besuch der Berufsfachschule erreichen kann.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

4 WF 44/08 OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg als stellvertretenden Einzelrichter am

2. Oktober 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 06. Mai 2008, Az.: 211 F 351/08 UK, zum Teil abgeändert und dem Beklagten, jeweils unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. zu seiner Vertretung, insoweit Prozesskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren und das Klageverfahren in erster Instanz bewilligt, als er sich gegen den Klageanspruch für die Zeit von Februar bis Juli 2008 wendet.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 569 ZPO in Verb. mit § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den ihm für die Rechtsverteidigung gegen Klage und einstweilige Anordnung generell Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 06. Mai 2008 (Bl. 97/98 d. A.) ist in der Sache zeitlich zum Teil begründet.

Entgegen der Annahme des Amtsgerichts verspricht die Rechtsverteidigung des - subjektiv zweifelsfrei uneingeschränkt der Prozesskostenhilfe bedürftigen - Beklagten für die Zeit ab Februar bis Ende Juli dieses Jahres auch wenigstens hinreichende Aussicht auf Erfolg, deren es, in objektiver Hinsicht, für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gemäß § 114 Satz 1 ZPO bedarf (1), während es für die Folgezeit mit der Entscheidung des Amtsgerichts sein Bewenden hat (2).

1. Der Rechtsverteidigung des volljährigen Beklagten kann eine zumindest hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO nicht abgesprochen werden, soweit er sich bis Ende Juli dieses Jahres gegen die Klage und die zugleich beantragte einstweilige Anordnung, beides gerichtet auf einen vollständigen Wegfall der bislang über 100 € titulierten väterlichen Unterhaltspflicht ab Februar 2008, verteidigt.

Allein der Umstand, dass der verklagte Sohn Mitte Januar dieses Jahres volljährig geworden ist, reicht nicht aus, um in der Folgezeit eine gesetzlich vermutete Leistungsfähigkeit des Klägers gemäß § 1603 BGB verneinen zu können, da der Beklagte sich noch, unter Zubilligung einer angemessenen Übergangsfrist, bis Ende Juli dieses Jahres in der - insoweit allein kontroversen - allgemeinen Schulausbildung befunden hat und damit als privilegierter Volljähriger im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB den minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gleichsteht. Denen gegenüber kann sich der Kläger infolge seiner gesteigerten, hier nicht umfassend als erfüllt anzusehenden Erwerbsobliegenheit nicht auf einen Wegfall der Unterhaltspflicht, zumal einer gegenüber dem gesetzlichen Mindestunterhalt deutlich reduzierten Unterhaltspflicht berufen, die sich konkret auf einen vergleichsweise übernommenen Betrag von 100 € verkürzt hat.

Der nachgewiesene (Bl. 16, Bl. 111, Bl. 126/127 d. A.) Besuch der einjährigen Berufsfachschule in M. im Vollzeitunterricht von Seiten des Beklagten bis Juli dieses Jahres ist als allgemeiner Schulbesuch im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB zu werten. Denn der Beklagte verfügte bis dahin ausweislich des - statthafterweise gemäß § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO erst in der Beschwerdeinstanz vorgelegten - Abgangszeugnisses der Integrierten Gesamtschule "R. " in M. (Bl. 130 d. A.) nicht über einen Hauptschulabschluss, den er aber, wie durch § 32 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung über Berufsbildende Schulen vom 20. Juli 2004 (GVBl. LSA 2004, S. 412 - 452, abgekürzt: BbS-VO) allgemein ermöglicht, durch den Besuch der einjährigen Berufsfachschule nach § 2 Nr. 1 und § 9 Abs. 2 der Anlage 4 zu § 36 BbS-VO (GVBl. LSA 2004, S. 420/427) erlangen konnte und erklärtermaßen auch zu erlangen beabsichtigte.

In einem derartigen Fall wird von einem Großteil der Rechtsprechung und einschlägigen juristischen Literatur auch noch der volljährige, im Haushalt eines Elternteils lebende Unterhaltsgläubiger bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB als in der allgemeinen Schulausbildung befindlich angesehen (so nam. statt vieler, jeweils mit weiteren Nachweisen auch zur Gegenansicht: OLG Celle, OLG Dresden, FamRZ 2004, 301, 302; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., 2008, Rdnr. 179). Das Prozesskostenhilfe-Verfahren kann zumindest in erster Instanz nicht dazu dienen, diese allemal zweifelhafte Rechtsfrage bereits negativ zu Lasten des ökonomisch bedürftigen Unterhaltsgläubigers einer Entscheidung zuzuführen.

2. Auf jeden Fall ab August dieses Jahres - der Besuch der einjährigen Berufsfachschule sollte voraussichtlich am 09. Juli 2008 enden (Bl. 111, 126 d. A.) - befindet sich der Beklagte unzweifelhaft nicht mehr in der allgemeinen Schulausbildung und kann deshalb als nicht mehr privilegierter und darum auch nachrangiger Unterhaltsgläubiger gemäß § 1609 Nr. 4 BGB keinen Unterhalt mehr von dem Kläger verlangen, der seitdem vorrangig anderen Unterhaltsgläubigern verpflichtet ist und nicht mehr ohne Beeinträchtigung des jetzt maßgeblichen angemessenen Eigenbedarfs gemäß § 1603 Abs. 1 BGB zur Leistung an den Beklagten imstande wäre.

II.

Die Gerichtsgebühr hinsichtlich der teilweise erfolgreichen Beschwerde ist um die Hälfte ermäßigt worden, § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verb. mit Kostenverzeichnis Nr. 1812 Satz 2 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.

Außergerichtliche Kosten werden, wie aus § 127 Abs. 4 ZPO erhellt, im Beschwerdeverfahren zur Prozesskostenhilfe generell nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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