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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: 5 W 36/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 116 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 569 Abs. 1
ZPO § 569 Abs. 2
Lässt die beabsichtigte Rechtsverfolgung eine Quotenverbesserung vom 8 v. H. erwarten, kann den Insolvenzgläubigern zuzumuten sein, die dazu erforderlichen Kosten aufzubringen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

5 W 36/03 OLG Naumburg

In der Prozesskostenhilfesache

...

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 16. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Braun als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 28. März 2003 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 und 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Halle vom 28. März 2003 ist unbegründet.

Das Landgericht hat der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht die erbetene Prozesskostenhilfe versagt, denn die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO, unter denen einem Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann, sind nicht erfüllt.

Bei unzureichender liquider Masse obliegt die Bezahlung der Prozesskosten in erster Linie den Insolvenzgläubigern, denen das Prozessergebnis wirtschaftlich zugute kommt, deren Befriedigungsaussichten sich also durch ein Obsiegen des Insolvenzverwalters verbessern würden. Ihnen ist die Kostentragung allerdings nicht in jedem Fall, sondern nur dann zumutbar, wenn Aufwand und Ertrag in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis stehen. Deshalb müssen für die Kostenaufbringung solche Insolvenzgläubiger außer Betracht bleiben, die entweder nur sehr geringe Forderungen geltend machen oder deren Befriedigungsaussichten mit dem Prozesserfolg nur unwesentlich steigen würden (Zöller-Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 116 Rn. 6 f. m. w. Nachw.). Für letzteres kommt es nicht allein auf den Vom-Hundert-Satz der Befriedigungsquote, sondern zumal bei hohen Forderungen auch auf die Höhe des zu erwartenden Betrages an. Indes gibt es keinen Grundsatz, dass die Bezahlung der Kosten für Prozesse mit geringen Streitwerten stets für die Gläubiger unzumutbar ist. Im Vordergrund steht nämlich das Verhältnis der von den Gläubigern zu bevorschussenden Kosten zu der ihnen bei einem Prozesserfolg zufließenden Summe. Ob die Insolvenzgläubiger, denen die Kostenbeteiligung zuzumuten und möglich ist, bereit sind die Kosten aufzubringen, hat für die Frage der Bewilligung der Prozesskostenhilfe keine Bedeutung. Wollen sie den allein in ihrem Interesse zu betreibenden Prozess nicht bezahlen, hat er ggfls. zu unterbleiben (BGH MDR 1998, 737; OLG Köln MDR 2000, 51; Senat OLG Report 2002, 241).

Nicht nur zur Darlegung der Bedürftigkeit der Masse, sondern auch im Hinblick auf die mögliche Kostenbeteiligung der Insolvenzgläubiger muss der Verwalter daher zum einen - wie jede andere Partei, die um Prozesskostenhilfe bittet - eine vollständige Übersicht über das gegenwärtige von ihm verwaltete Vermögen vorlegen. Ferner hat er eine genaue Aufstellung der Masseverbindlichkeiten (§§ 54 f. InsO) sowie der angemeldeten und von ihm anerkannten Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) beizubringen, die das Gericht in die Lage versetzt, die Zumutbarkeit von Kostenvorschussleistungen der wirtschaftlich Beteiligten beurteilen zu können.

Diesen Anforderungen genügt das im wesentlichen in der Bezugnahme auf den Zwischenbericht vom 10. Oktober 2002 bestehende Vorbringen der Antragstellerin in mehrfacher Hinsicht nicht. Zum einen findet sich schon keine nachvollziehbare Berechnung der voraussichtlichen Massekosten (§ 54 InsO). Ferner beschränken sich die Ausführungen zur Höhe der sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) auf die Mitteilung von Beträgen ohne nähere Erläuterung. Insbesondere ist der Posten "Rechtsanwaltskosten" in Höhe von 12.500,-- Euro ebenso unerklärlich wie die mit 2.500,-- Euro zusätzlich zur Verwaltervergütung veranschlagten Verwaltungskosten.

Selbst wenn das Zahlenwerk der Antragstellerin näherer Prüfung standhalten sollte, ist jedenfalls den Insolvenzgläubigern die Bevorschussung der Kosten der beabsichtigten Rechtsverfolgung zuzumuten. Ihren Angaben zufolge beläuft sich die Masse einschließlich der Klageforderung auf 129.985,55 Euro. Hiervon sollen 53.000,-- Euro zur Deckung der Masseverbindlichkeiten (§§ 54 f. InsO) benötigt werden, so dass 76.985,55 Euro für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) verbleiben. Ohne die Klagesumme von 45.727,16 Euro wären dies nur 31.258,39 Euro. Ein Prozesserfolg käme somit in vollem Umfang den Insolvenzgläubigern zugute. Deren Forderungen sind in Höhe von 591.282,82 Euro festgestellt (§ 178 Abs. 1 InsO). Sie haben deshalb im Falle des Obsiegens der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Verzinsung der Klageforderung (§§ 291, 288 Abs. 1 BGB) eine Quotenverbesserung von mehr als 8 v. H. zu erwarten. Verspricht die Prozessführung eine derart hohe Quotenverbesserung, so ist es den Insolvenzgläubigern ohne weiteres zuzumuten, die dazu erforderlichen Kosten aufzubringen. Bei der Berechnung der Befriedigungsaussichten haben die von der Antragsstellerin bestrittenen Insolvenzforderungen außer Betracht zu bleiben. Mangels entgegenstehender Hinweise ist davon auszugehen, dass sie pflichtgemäß nur unberechtigten Forderungen widersprochen hat, die bei der Verteilung nicht zu berücksichtigen sein werden. Zudem erscheint die Kostenbeteiligung der Insolvenzgläubiger unabhängig vom Umfang der Quotenverbesserung schon allein deshalb zumutbar, weil ein Prozesserfolg ausschließlich ihnen zugute käme. Maßgeblich für die Zumutbarkeit ist in erster Linie, ob der Kostenaufwand für die Gläubiger in einem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu dem erwarteten Nutzen steht. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn ihnen der gesamte Prozessertrag zufließen würde. Selbst wenn der Klageanspruch für sich genommen sowie im Verhältnis zum Gesamtbetrag der festgestellten Insolvenzforderungen gering erscheinen sollte, wäre dies für die Zumutbarkeit einer Kostenbeteiligung der Gläubiger ohne Bedeutung, zumal dann auch die zu bevorschussenden Kosten dementsprechend niedrig sind.

Davon abgesehen stellt sich die Frage nach der Zumutbarkeit der Kostenbeteiligung der Insolvenzgläubiger regelmäßig erst dann, wenn der Insolvenzverwalter vergeblich versucht hat, sie zur Übernahme der Kosten zu bewegen (KG InVo 2000, 202). Anders mag es sich nur verhalten, wenn die Bereitschaft der Insolvenzgläubiger zur Bevorschussung der Kosten von vornherein ausgeschlossen erscheint, weil sie wirtschaftlich offensichtlich ganz sinnlos ist, so dass die Anfrage des Verwalters lediglich als Einhaltung einer nutzlosen Förmlichkeit erschiene. Dies ist hier nicht ersichtlich. Die Antragstellerin hat derartige Versuche bislang offenbar nicht unternommen, so dass ihr die erbetene Prozesskostenhilfe auch deshalb zu versagen ist.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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