Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 07.12.2005
Aktenzeichen: 6 U 24/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 123 Abs. 1
BGB § 434
1. Wird ein Auto, dass aus Deutschland fabrikneu in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union exportiert worden war, als gebrauchtes Kfz wieder nach Deutschland importiert, muss der Händler (Verkäufer) dem Käufer diese Tatsache offenbaren.

2. Der Umstand, dass es sich um ein reimportiertes Kfz handelt, ist auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt zurzeit noch ein erheblicher preisbildender Faktor. Verschweigt der Verkäufer diesen Umstand, kann der Käufer den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB anfechten.

3. Aus der Richtlinie 1999/44 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 7. Juli 1999 L 171) oder aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften folgt zwar nicht, dass die Reimporteigenschaft des gebrauchten Kfz als Sachmangel im Sinne des § 434 BGB zu bewerten ist. Aber zugunsten des Verkäufers ist aus der Verbraucherschutzrichtlinie andererseits auch nicht abzuleiten, dass der Gebrauchtwagenhändler (Letztverkäufer) dem Verbraucher (Käufer) die Reimporteigenschaft verschweigen darf.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 24/05 OLG Naumburg

verkündet am: 7. Dez. 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Harbou und die Richter am Oberlandesgericht Rüge und Handke für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. Dezember 2004 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Halle - Einzelrichterin - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 12.062,50 € nebst 5 % Zinsen seit dem 24. Juni 2004 Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW Audi A 2, 1,4, Fahrgestell-Nr. ... , zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des genannten PKW Audi A 2 seit dem 24. Januar 2005 in Annahmeverzug befindet.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Beklagte betreibt einen Gebrauchtwarenhandel. Die Klägerin möchte ein bei ihr gekauftes Kfz Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises zurückgeben, da die Beklagte ihr verschwiegen habe, dass das Fahrzeug aus Spanien reimportiert worden ist.

Das Landgericht hat mit am 21. Dezember 2004 verkündetem Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass keine Pflicht bestanden habe, die Klägerin darüber aufzuklären, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein so genanntes EU-Fahrzeug handele. Das Fahrzeug habe keine Ausstattungsmängel aufgewiesen und hätte sofort zugelassen werden können. Der Senat nimmt auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 27. Januar 2005 zugestellte Urteil am 15. Februar 2005 Berufung eingelegt und diese nach entsprechend gewährter Fristverlängerung am 5. April 2005 begründet.

Sie wiederholt ihre Rechtsauffassung, dass die Beklagte sie über die Reimporteigenschaft des Fahrzeuges hätte aufklären müssen. Dies stelle einen preisbildenden Faktor dar, den der Vertragspartner auch ungefragt hätte offenbaren müssen. Sie räumt ein, dass sie sich die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen müsse. Diese Nutzungen hatte sie mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2004 (Bl. 72 d. A.) bereits mit 437,50 € beziffert.

Die Klägerin beantragt,

das am 21. Dezember 2004 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Halle - Einzelrichterin - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 12.500,00 € nebst 5 % Zinsen seit dem 24. Juni 2004 Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW Audi A 2, 1,4, Fahrgestellnummer ... , zu zahlen,

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rückgabe des genannten PKW Audi A 2 seit dem 14. April 2004 in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass die landgerichtliche Entscheidung insbesondere dem europäischen Kaufrecht gerecht werde. Es sei mit dem angestrebten freien Warenverkehr innerhalb der EU-Mitgliedstaaten nicht zu vereinbaren, dem Verkäufer eine Offenbarungspflicht hinsichtlich der Importeigenschaft aufzuerlegen. Herkunftsangabepflichten seien sowohl wegen der dadurch verursachten Kosten als auch wegen des "potentiellen nachfragemindernden Effekts" nach Art. 28 EGV unzulässig. Sie seien "Maßnahmen gleicher Wirkung" im Sinne dieser Vorschrift. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Beklagte seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Senat hat zur Frage Beweis erhoben, ob das verkaufte Fahrzeug, da es aus Spanien reimportiert worden war, auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen um 10 % geringeren Wert gehabt habe, als ein vergleichbares Fahrzeug mit einer Erstzulassung in Deutschland, und gemäß Beweisbeschluss vom 13. Juli 2005 (Bl. 168 f. d.A.) ein schriftliches Sachverständigengutachtens eingeholt. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. H.-U. Sch. vom 28. Oktober 2005 sowie auf seine mündliche Anhörung im Termin vom 9. November 2005 verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig und ganz überwiegend begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gem. § 812 Abs. 1 Satz 2 erste Variante BGB, da sie den Vertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten hat, §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB (vgl. 1.) Der Rückabwicklungsanspruch ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss gem. §§ 280 Abs. 1, 211 Abs. 2 Nr. 1 in Verb. mit 241 Abs. 2 BGB. Die Beklagte muss sich jedoch gem. § 818 Abs. 1 und 2 die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen (vgl. 2.). Spätestens seitdem sich die Klägerin Nutzungen in unbestrittener Höhe anrechnen lässt, befindet sich die Beklagte in Annahmeverzug (vgl. 3.).

1.

a) Die Beklagte hat den Kaufpreis durch Leistung der Klägerin im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2 erste Variante erlangt.

b) Durch die vollzogene Anfechtung ist der rechtliche Grund für das Behaltendürfen der Zahlung, nämlich der Kaufvertrag, im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2 erste Variante BGB später weggefallen.

Zwar ist nach § 142 Abs. 1 BGB ein angefochtenes Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen. Deshalb wird in den Anfechtungsfällen teilweise auch § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Variante (condictio indebiti) angewandt. Jedoch passt § 812 Abs. 1 Satz 2 erste Variante (condictio ob causam finitam) besser, da der Rechtsgrund für die Leistung tatsächlich bis zur Erklärung der Anfechtung (§ 143 Abs. 1 BGB) bestanden hat (Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 812 Rn. 77 mit Nachweisen zum Meinungsstand.).

Letztlich braucht diese Rechtsfrage hier jedoch nicht entschieden zu werden, da sich die Rechtsfolgen im vorliegenden Fall nicht unterscheiden.

c) Die Klägerin hat die Anfechtung des Kaufvertrages von 21. Februar 2004 innerhalb der Frist des § 124 Abs. 1 und 2 BGB angefochten, da sie die Anfechtung bereits mit Schriftsatz vom 19. März 2004 (vgl. Bl. 15 d. A.) erklärt hatte.

d) Im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichtes liegt der Anfechtungsgrund des § 123 Abs. 1 BGB vor. Die Beklagte oder ihre Angestellten haben die Klägerin durch Verschweigen der Reimporteigenschaft arglistig getäuscht.

aa) Es ist zwar grundsätzlich Sache jeder Partei, ihre eigenen Interessen selbst wahrzunehmen. Daher besteht keine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teils von Bedeutung sein könnten (BGH WM 1983, 1007).

Dagegen müssen Umstände, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind, ungefragt offenbart werden (so schon BGH NJW 1971, 1799).

Eine arglistige Täuschung im Sinne des § 123 BGB setzt damit voraus, dass der Verkäufer einen offenbarungspflichtigen Umstand zumindest bedingt vorsätzlich in dem Bewusstsein verschwiegen und billigend in Kauf genommen hat, dass der Käufer ihn nicht kennen und den Kauf bei entsprechender Kenntnis nicht oder nicht zu den vereinbarten Bedingungen abschließen würde (BGH NJW 1997, 1914, 1916 m.w.N.).

bb) Hier hätte die Beklagte offenbaren müssen, dass der fragliche Audi A 2 aus Spanien reimportiert worden war. Diese Tatsache stellt einen preisbildenden Faktor da.

() Nach der bisherigen Rechtsprechung stellt die Reimporteigenschaft eines Gebrauchtwagens durch einen Gebrauchtwagenhändler einen solchen offenbarungspflichtigen Umstand dar (OLG Saarbrücken, NJW-RR 1999, 278 f.; OLG Hamm NJW-RR 2003, 1360, 1361; LG Düsseldorf DAR 2003, 420 f.).

Denn die Erstzulassung in Deutschland war vor dem Hintergrund, dass - zur Zeit der dort entschiedenen Fälle - für Importfahrzeuge ein deutlich niedrigeres Preisgefüge herrschte, ein erheblicher preisbildender Faktor. Ein potentieller Erwerber war wegen der im Fahrzeugbrief dokumentierten Importeigenschaft gegen ein solches Fahrzeug misstrauisch. Dieses Misstrauen schlug sich im Marktwert nieder. Allerdings sei - wie das OLG Hamm (a.a.O.) betont - in jüngster Zeit eine gewisse Veränderung zu beobachten.

() Der Senat hat zu der Frage, ob die Reimporteigenschaft auch noch im Jahre 2004 zu dem behaupteten um ca. 10 % geringeren Wert des verkauften Fahrzeuges geführt habe, Beweis erhoben.

Wie der Sachverständige Sch. in seinem schriftlichen Gutachten vom 28. Oktober 2005 wie auch in seiner Erläuterung in der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2005 nachvollziehbar und glaubhaft bekundet hat, haben EU-Importfahrzeuge als Neuwagen einen Preisvorteil von 15 bis 20 %. Dieser Preisvorteil wird im Allgemeinen auch im Gebrauchtwagenhandel weiter berücksichtigt. Bereits der Verdacht auf EU-Import ziehe ähnlich wie bei merkantilem Minderwert eine Preisveränderung im Handel nach sich. Die Preisgestaltung sei aber für den jeweiligen Fall individuell zu betrachten, sodass Preisdifferenzen und EU-Import bei Gebrauchtwagen nicht eindeutig zuordenbar seien. Sei seien jedenfalls nicht für alle Fahrzeugklassen mit einem einheitlichen Prozentabschlag bewertbar.

Im vorliegenden Fall sei jedoch die behauptete Wertminderung bereits allein dadurch gerechtfertigt, dass das Fahrzeug nicht mit dem in Deutschland serienmäßig angebotenen elektronischen Stabilitätsprogramm (ESP) ausgestattet sei.

In der Literatur werden weitere Gründe für eine unterschiedliche Bewertung von Wagen mit deutscher Erstzulassung und importierten Gebrauchtfahrzeugen genannt. Der Markt vermute bei einer Benutzung im Ausland eventuell schlechtere Wartung und Pflege. Es sei ggf. mit Laufzeitverkürzungen von Garantien und inhaltlichen Garantiedefiziten zu rechnen. Außerdem klaffe der Produktionszeitpunkt und die Erstzulassung laut Fahrzeugbrief zeitlich weiter auseinander. Der neu ausgestellte inländische Fahrzeugbrief verschleiere die wahre Fahrzeuggeschichte (vgl. Reinking/Eggert, NZV 1999, 7 ff., 14 m.w.N.).

Angesichts dieses Ergebnisses der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages im Februar 2004 noch eine Preisdifferenz für das konkrete Fahrzeug von mindestens 10 % gegenüber einem Fahrzeug mit Erstzulassung in Deutschland bestand.

() Eine Neubewertung der Aufklärungspflicht ist weder aufgrund der Modernisierung des Schuldrechtes noch aus europarechtlichen Gründen geboten.

(1) § 123 BGB ist von der Schuldrechtsmodernisierung nicht betroffen worden. Anders mögen die Dinge für § 476 BGB a.F. liegen. Aufgrund des beim Gebrauchtwagenkauf üblichen vollständigen Gewährleistungsausschlusses unter Geltung des alten Schuldrechtes war die Rechtsprechung geneigt, das Schuld- und Beweismaß hinsichtlich des Vorliegens von Mängeln herabzusetzen.

Die Reimporteigenschaft ist jedoch kein Sachmangel.

Ein Sachmangel im Sinne des § 434 BGB n.F. setzt eine Beschaffenheit der Sache selbst voraus. Die Beschaffenheit ist mit dem tatsächlichen Zustand der Sache gleichzusetzen. Unter Beschaffenheit fällt jede Eigenschaft und jeder der Sache anhaftende tatsächliche oder wirtschaftliche oder rechtliche Umstand. Die Eigenschaft bzw. der Umstand muss in der Beschaffenheit der Kaufsache wurzeln und ihr unmittelbar physisch auf eine gewisse Dauer anhaften (Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. Mai 2003, Az.: 28 U 150/02, zitiert nach juris Rz. 5 [= NJW-RR 2003, 1360 f.]).

Auf die Beschaffenheit des Fahrzeugs wirkt es sich in dem o.g. Sinne nicht unmittelbar aus, ob die erste Auslieferung innerhalb des nationalen Händlernetzes oder über das Ausland erfolgt ist. Der Reimport ist daher keine dem Fahrzeug anhaftende Beschaffenheit, also kein Sachmangel im Sinne des § 434 BGB n.F..

Hier hat sich zwar anlässlich der Beweisaufnahme ein Ausstattungsunterschied im Hinblick auf das Elektronische Stabilitätsprogramm ergeben. Der Ausstattungsunterschied wäre für sich genommen zwar ein Sachmangel. Als solcher ist er aber von keiner Seite in den Rechtsstreit eingeführt worden. Auch die Klägerin hat einen Ausstattungsunterschied nie behauptet. Er gewinnt daher hier nur Bedeutung im Zusammenhang mit der Reimporteigenschaft. Aufgrund des Reimports hatte die Klägerin einen geringeren Wert angenommen. Dieser geringere Wert ist u.a. aufgrund des preislich bedeutsamen Ausstattungsunterschiedes bewiesen.

(2) Auch europarechtliche Gründe gebieten keine Verneinung der Offenbarungspflicht.

Dies folgt weder aus dem EG-Vertrag, noch aus der Verbraucherschutzrichtlinie (Richtlinie 1999/44 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 7. Juli 1999 L 171), oder aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten gebietet Art. 28 EGV es nicht, die Offenbarungspflichten des Gebrauchtwagenverkäufers neu zu bewerten.

Zum einen wendet sich diese Vorschrift unmittelbar nur an die Mitgliedsstaaten. Zum anderen erfasst auch der Zweck dieser Bestimmung den vorliegenden Fall nicht.

Die Bestimmung des Art. 28 EGV bezweckt einen freien Handel zwischen den Mitgliedsstaaten der EG (EU). Hier handelt es sich um das Fahrzeug eines deutschen Herstellers, das nach Deutschland reimportiert wurde. In der Konsequenz der Argumentation des Beklagten sollte dieser deutsche Hersteller in seiner inländischen Preispolitik durch Art. 28 EGV vor Reimporten seiner eigenen Fahrzeuge geschützt werden. Denn das Verschweigen des Reimports zielt gerade darauf, dieses unterschiedliche Preisniveau in der verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten zum eigenen Vorteil auszunutzen und zu stabilisieren. Der freie Handel auf dem Binnenmarkt gebietet aber gerade keine nationale unterschiedliche Preispolitik.

Auch aus der Verbraucherschutzrichtlinie 99/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (vgl. NJW 1999, 24, 21 ff.) ergibt sich keine Neubewertung der Aufklärungspflichten.

Zwar liegt nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie keine Vertragswidrigkeit vor, wenn der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von der Vertragswidrigkeit hatte oder vernünftigerweise nicht in Unkenntnis darüber sein konnte.

Es ist schon fraglich, ob die Klägerin im konkreten Fall selbst danach hätte fragen müssen, ob das Fahrzeug aus einem anderen EU-Land importiert worden sei. Jedenfalls können die Mitgliedsstaaten gem. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie strengere Bestimmungen aufrecht erhalten, um ein höheres Schutzniveau für Verbraucher sicherzustellen. Die in der deutschen Rechtsprechung angenommene Offenbarungspflicht der Reimporteigenschaft würde dann zumindest ein solches höheres Schutzniveau darstellen. Denn auch ein Verbraucher, dem die Preisunterschiede für Reimportfahrzeuge unbekannt sind, wird dann geschützt.

Schließlich ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EUGH) - soweit für den Senat ersichtlich - nichts Gegenteiliges.

cc) Die Beklagte verschwieg die Reimporteigenschaft zumindest bedingt vorsätzlich.

Nach ihrer eigenen Argumentation hat die Reimporteigenschaft einen "potentiell Nachfrage mindernden Effekt". Damit ging und geht sie selbst davon aus, dass die Nachfrage und damit der Preis für Reimportfahrzeuge geringer sei und wollte diesen Effekt vermeiden. Im Übrigen ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch wenig plausibel, wie der Beklagten als Autohändlerin das unterschiedliche Preisniveau für Fahrzeuge mit Erstzulassung in Deutschland und Reimportfahrzeuge verborgen geblieben sein sollte, so dass der Senat von der Kenntnis überzeugt ist.

Aber selbst wenn man - im Gegensatz zur Auffassung des Senats - einen Vorsatz der Beklagten verneinen wollte, so bliebe ein Anspruch der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss.

Die arglistige Täuschung stellt nur ein besonders schwerwiegendes, speziell gesetzlich geregeltes Verschulden bei Vertragsschluss dar. Für die Annahme eines Verschuldens bei Vertragsschluss genügt jedes Verschulden, also auch Fahrlässigkeit. Der Anspruch der Klägerin ließe sich damit, auch wenn keine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt worden wäre, auf Verschulden bei Vertragsschluss gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Nr. 1 in Verb. mit 241 Abs. 2 BGB stützen.

d) Das schuldhafte Unterlassen des Hinweises auf die Reimporteigenschaft ist für den Kaufentschluss zumindest mitursächlich geworden. Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass das Verschweigen eines wertmindernden Umstandes den Kaufentschluss zumindest mitbeeinflusst (BGH NJW 1995, 2361, 2362 m.w.N.).

2. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2004 (Bl. 72 d.A.) Nutzungen in Höhe von 437,50 Euro für eine Fahrleistung von 7.000 km eingeräumt. Die Beklagte ist diesem Betrag nicht entgegen getreten, obwohl es ihr oblegen hätte, einen höheren Umfang gezogener Nutzungen darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Senat legt daher diesen Betrag zugrunde; er ist von der Klageforderung abzuziehen.

3. Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. Das Feststellungsinteresse des § 256 ZPO ergibt sich aus der Erleichterung der Vollstreckung des Urteils nach §§ 756, 765 ZPO.

Die Beklagte befindet sich spätestens seit dem 24. Januar 2005 in Annahmeverzug (§§ 293, 295 BGB). Zu diesem Zeitpunkt war ihm der Schriftsatz der Klägerin, mit dem sie den Nutzungsersatz eingeräumt und beziffert hatte, zugegangen (vgl. Bl. 87 d. A.), sodass sie spätestens zu diesem Zeitpunkt ihre Leistung vollständig angeboten hatte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Eine Abwendungsbefugnis im Sinne des § 711 ZPO war gem. § 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 EGZPO nicht auszusprechen, da die Beschwer des Beklagten 20.000,00 Euro nicht übersteigt.

Ende der Entscheidung

Zurück