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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 07.12.2005
Aktenzeichen: 6 U 73/05
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Ein Beschuldigter muss, wenn er im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen von rechtmäßigen Zwangsmaßnahmen betroffen wird, die ihm dadurch zugefügten Nachteile entschädigungslos hinnehmen. Ausnahmen ergeben sich insoweit nur aus dem StrEG. Der Gesetzgeber hat damit eine Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und den Interessen des Beschuldigten für den Fall getroffen, dass sich bei Beendigung des Verfahrens rechtmäßige Justizakte gegen ihn nachträglich als nicht gerechtfertigt herausstellen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 73/05 OLG Naumburg

verkündet am: 7. Dez. 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Harbou und die Richter am Oberlandesgericht Rüge und Handke auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 9. Mai 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal - Einzelrichter - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Der Kläger hat einen PKW geleast und das Fahrzeug anschließend seinem Sohn zur Verfügung gestellt. Er beansprucht nun Schadensersatz dafür, dass das Fahrzeug im Rahmen einer strafprozessualen Durchsuchung beschädigt worden sei.

Das Landgericht hat den Schadensersatz in vollem Umfang zuerkannt. Der Senat nimmt auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 11. Mai 2005 zugestellte Urteil am 24. Mai 2005 Berufung eingelegt und diese am 15. Juni 2005 begründet.

Er vertritt die Auffassung, dass dem Kläger zu Unrecht ein Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer zuerkannt worden wäre. Das Landgericht sei im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger im Wege der Prozessstandschaft Rechte des Leasinggebers aus enteignendem Eingriff geltend gemacht habe. Da der Leasinggeber jedoch vorsteuerabzugsberechtigt sei, sei die begehrte Mehrwehrsteuerposition kein rechtlich ersatzfähiger Schaden.

Außerdem lägen die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff nicht vor. Hier sei die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren nicht überschritten worden. Der Leasinggeber habe das Fahrzeug dem Leasingnehmer freiwillig überlassen. Für den Eigentümer habe sich ein Risiko verwirklicht, das nicht außergewöhnlich sei. Es entspräche der Billigkeit, dass der Leasinggeber die hier vorliegende Schädigung des Fahrzeuges, die auf eine rechtmäßige hoheitliche Maßnahme zurückzuführen sei, hinzunehmen habe.

Schließlich komme ein Anspruch aus enteignendem Eingriff auch deswegen nicht in Betracht, weil der Leasinggeber vorrangige Schadensersatzansprüche gegen den Kläger und dessen Sohn geltend machen könne.

Das Landgericht habe außerdem zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass weder der Leasinggeber noch der Kläger die Schadensbeseitigungsarbeiten bisher habe durchführen lassen.

Der Beklagte beantragt,

das am 9. Mai 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal - Einzelrichter - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat Erfolg.

Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch aus enteignendem Eingriff angenommen. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf den von ihm geltend gemachten Schadensersatz.

Die Beschädigung des Fahrzeugs im Rahmen der strafrechtlichen Durchsuchungsmaßnahme übersteigt die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren - im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts - nicht.

Das Landgericht hat verkannt, dass der Gesetzgeber durch das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) eine Interessenabwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und des Beschuldigten getroffen hat.

Grundsätzlich muss der Beschuldigte, wenn er im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen von rechtmäßigen Zwangsmaßnahmen betroffen wird, die ihm dadurch zugefügten Nachteile entschädigungslos hinnehmen. Ausnahmen ergeben sich aus dem StrEG. Der Gesetzgeber hat damit eine Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und den Interessen des Beschuldigten für den Fall getroffen, dass sich bei Beendigung des Verfahrens rechtmäßige Justizakte gegen ihn nachträglich als nicht gerechtfertigt herausstellen (Urteil des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 23. August 1989, Az.: StB 29/98, zitiert nach juris Rz. 8 [= BGH St 36, 236 ff.]).

Nach dieser Interessenabwägung hätte der Zeuge B. die entsprechende Beschädigung eines eigenen PKW grundsätzlich entschädigungslos hinnehmen müssen. Jedenfalls sind die Voraussetzungen einer Entschädigung nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz weder vorgetragen noch ersichtlich.

Diese gesetzgeberische Wertung schließt damit einen Entschädigungsanspruch des Leasinggebers bzw. des Klägers gegen die Allgemeinheit aus. Statt dessen ist der Schaden im Verhältnis der Beteiligten untereinander zu regulieren. Der Kläger hat also seinen Sohn wegen Schlechterfüllung des Leihvertrages in Anspruch zu nehmen, während sich der Leasinggeber wegen Verletzung der leasingvertraglichen Pflichten an den Kläger halten kann.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 zweite Variante ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Eine Abwendungsbefugnis des § 711 ZPO war gem. § 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 EGZPO nicht auszusprechen, da die Beschwer der Klägerin 20.000,00 Euro nicht übersteigt.

Ende der Entscheidung

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