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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 23.01.2003
Aktenzeichen: 7 U (Hs) 18/02
Rechtsgebiete: BGB, TKG, EGZPO, EGBGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 94
BGB § 242
BGB § 1004
BGB § 1004 Abs. I
TKG § 3 Nr. 20
TKG § 3 Nr. 6
TKG §§ 50 bis 56
TKG § 57
TKG § 57 Abs. I
TKG § 57 Abs. I Nr. 2
TKG § 57 Abs. II
EGZPO § 26 Nr. 5
EGBGB § 1 Abs. I
ZPO § 3
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
§ 57 Abs. 1 TKG gibt keinen Anspruch auf Errichtung eines Breitbandkabelnetzes in einem Gebäude gegen den Willen des Eigentümers.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U (Hs) 18/02 OLG Naumburg

verkündet am: 23. Jan. 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung sowie Beseitigung und Wiederherstellung

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Zettel, den Richter am Oberlandesgericht Corcilius und den Richter am Amtsgericht Dr. Koch auf die mündliche Verhandlung vom 16. Jan. 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. Febr. 2002 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.800.000,- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auf 1.380.488,10 EUR festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Klägerin ist ein kommunales Wohnungsunternehmen, die Beklagte erbringt Dienstleistungen im Bereich Telekommunikation.

Die Klägerin schloss mit der Fa. L. GmbH unter dem 09. Nov. 1992 / 14. Jan. 1993 einen Gestattungsvertrag über die Erstellung und den Betrieb von Breitbandverteileranlagen in den Objekten G. Straße 13/14/15/16 und W. - Straße 30/31. Der Vertrag wurde gemäß Ziff. 8.1 auf unbestimmte Zeit geschlossen, konnte aber jeweils mit einer Frist von 3 Monaten zum Jahresende schriftlich gekündigt werden; hinsichtlich des Vertragswortlauts im Übrigen wird auf Bl. 13 ff. Bd. I d.A. Bezug genommen. Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 13. Sept. 2000 gegenüber der Beklagten, die mit der Fa. L. GmbH identisch ist, den Gestattungsvertrag zum 31. Dez. 2000; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 18 Bd. I d.A. Bezug genommen.

Die Parteien schlossen für eine Vielzahl von in weiteren im Eigentum der Klägerin stehenden Objekten Gestattungsverträge im wesentlichen gleichen Inhalts. Für den Fall der Vertragsbeendigung ist in Ziff. 9 dieser Verträge folgende Regelung enthalten:

"9.1 Der AN hat bei Vertragsbeendigung dem AG gegenüber keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm getätigten Aufwendungen.

9.2 Wird das Objekt, auf dem sich die Anlage oder Teile derselben befinden, ganz oder teilweise veräußert, so hat der AG dies der AL anzuzeigen. Der AG bemüht sich nach besten Kräften, dass der Erwerber alle Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag übernimmt.

9.3 In Ausnahmefällen kann beim Vertragsende hinsichtlich der Übernahme der Anlage durch den AG verhandelt werden. Es besteht ansonsten die Pflicht des AN zur kostenfreien Demontage der Anlage.

9.4 Für den Fall der Demontage bei Vertragsbeendigung ist der AN verpflichtet, auf seine Kosten den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Der ursprüngliche Zustand ist vor Beginn der Installationsmaßnahmen zwischen AG und AN zu protokollieren. Das Protokoll ist dem Vertrag als Anlage beigefügt."; hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Verträge wird auf Bl. 54 ff. Anlagenband Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 13. Sept. 2000 und 10. Jan. 2001 kündigte die Klägerin die Gestattungsverträge; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 120 ff. Anlagenband verwiesen. Zwischen den Parteien ist vorliegend unstreitig, dass die Verträge als wirksam beendet anzusehen sind.

Die Klägerin hat mit der ursprünglichen Klage zunächst nur einen Antrag auf Verurteilung zur Unterlassung des Betriebs des Breitbandkabelnetzes in den Objekten G. Straße 13/14/15/16 und W. -Straße 30/31 durch die Beklagte gestellt. Insoweit hat sie die Ansicht vertreten, die Gestattungsverträge für diese Objekte seien aufgrund der von ihr fristgerecht ausgesprochenen Kündigung zum 31. Dez. 2000 beendet worden, so dass die Beklagte auch nicht mehr berechtigt sei, das Breitbandkabelnetz in diesen Häusern zu betreiben. Mit Beendigung der Gestattungsverträge liege eine Beeinträchtigung des klägerischen Eigentums vor, so dass ihr auch ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB zustehe. Eine Duldungspflicht bestehe nicht.

Mit Schriftsatz vom 29. Aug. 2001 hat die Klägerin dann die Klage erweitert und von der Beklagten die Beseitigung des Breitbandkabelnetzes in einer Vielzahl von Objekten sowie die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands begehrt (Bl. 143 ff. Bd. I d. A).

Die Klägerin hat hierzu die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zur Ausführung dieser Arbeiten in den aus dem Klageantrag ersichtlichen Objekten verpflichtet. Diese Verpflichtung ergebe sich aus den vertraglichen Vereinbarungen in Form der Gestattungsverträge. Die Beklagte könne sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass in dem Verlangen ein treuwidriges Verhalten zu sehen sei. Auch die Berufung der Beklagten auf eine Duldungspflicht nach § 57 Abs. I Nr. 2 TKG greife nicht, da diese Vorschrift nicht anwendbar sei. Diese gelte für Netze der Ebene 3, während das Breitbandkabelnetz in den Häusern ein Netz der Ebene 4 sei. Selbst wenn aber die Vorschrift anwendbar sei, sei ihr Eigentum durch die Breitbandkabelanlage wesentlich beeinträchtigt.

Mit Schriftsatz vom 14. Dez. 2001 hat die Klägerin sodann die Klage hinsichtlich einzelner Liegenschaften teilweise zurückgenommen (Bl. 29 ff. Bd. II d. A.).

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, das in den Liegenschaften G. straße 13/14/15/16 und W. - Straße 30/31 in M. gelegene und im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Breitbandkabelnetz zu betreiben;

2. die in ihrem Eigentum stehende Breitbandkabelanlage der Netzebene 4, insbesondere bestehend aus Linienkabeln, Linienverstärkern, Hausverteilern, Hausverstärkern, Hausverkabelung und Anschlussdosen, in den im Schriftsatz vom 29. Aug. 2001 aufgeführten Liegenschaften mit Ausnahme der im Schriftsatz vom 14. Dez. 2001 genannten Liegenschaften vollständig zu beseitigen und den vorherigen Zustand wieder herzustellen:

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, zur Unterlassung beziehungsweise zum Rückbau der Anlage nicht verpflichtet zu sein. Ein entsprechender Anspruch der Klägerin ergebe sich weder aus Vertrag noch aus Gesetz, da § 57 Abs. I Nr. 2 TKG vorliegend Anwendung finde. Diese Vorschrift gelte auch für die hier in Rede stehenden Breitbandkabelnetze innerhalb der Gebäude der Klägerin, da der Begriff des Grundstücks auch die auf diesem stehenden Gebäude als wesentliche Grundstücksbestandteile umfasse. Einem vertraglichen Beseitigungsanspruch stehe daher der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, denn die Klägerin sei nach einer Beseitigung aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet, die erneute Einbringung zu dulden. Zugleich begründe die Vorschrift eine Duldungspflicht der Klägerin.

Auch eine gesetzliche Beseitigungspflicht bestehe nach § 57 Abs. I Nr. 2 TKG nicht, da die vorhandenen Anlagen nur eine unwesentliche Beeinträchtigung darstellten. Soweit die Klägerin hier Probleme bei der Sanierung der Gebäude behaupte, seien diese nicht als Beeinträchtigung des Grundstücks anzusehen, die § 57 TKG aber verlange.

Das Landgericht hat der Klage mit dem am 14. Febr. 2002 verkündeten Urteil ganz überwiegend stattgegeben und sie nur hinsichtlich einzelner Liegenschaften abgewiesen.

Der Klägerin stehe ein Beseitigungs- und Wiederherstellungsanspruch aus Ziff. 9.3 und 9.4 der Gestattungsverträge zu.

Soweit der Gestattungsvertrag bezüglich der im Klageantrag zu 1. genannten Objekte eine ausdrückliche Regelung hierzu nicht enthalte, ergebe sich für die Beklagte eine Demontageverpflichtung bei verständiger Auslegung des Vertrages bereits daraus, dass der Vertrag nur eine festgelegte Laufzeit gehabt habe und nichts dafür ersichtlich sei, dass der von der Beklagten geschaffene Zustand nach Ablauf des Vertrages habe fortdauern sollen.

Der Geltendmachung dieses vertraglichen Anspruchs stehe der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegen. Die Klägerin sei weder auf Grund des § 57 Abs. I Nr. 2 TKG noch auf Grund sonstiger Rechtsvorschriften zu einer Duldung der Breitbandkabelanlagen in den streitgegenständlichen Objekten verpflichtet. Die Gestattungsverträge seien befristet geschlossen worden, so dass eine schützenswerte Rechtsposition der Beklagten nicht bestehe.

Hinsichtlich der Liegenschaften L. Straße 107 und B. Straße 11a sei nicht ersichtlich, dass diese Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung der Parteien seien. Gleiches gelte für die Liegenschaften C. Straße 10 bis 14, da nach dem Gestattungsvertrag nur die Liegenschaft C. Straße 10 bis 12 Vertragsgegenstand sei. Insoweit sei die Klage daher abzuweisen.

Gegen diese Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

Zur Begründung trägt sie vor, das landgerichtliche Urteil sei sowohl bezüglich des Unterlassungsbegehrens als auch hinsichtlich des Beseitigungsanspruchs falsch.

So führe das Landgericht zum Unterlassungsanspruch aus, dieser ergebe sich aus Ziff. 9.3. und 9.4 der Gestattungsverträge, was aber bereits insofern unzutreffend sei, als hinsichtlich der Liegenschaften, bezüglich derer eine Unterlassung des Betriebs begehrt werde, nur ein Vertrag vorliege. Dieser sehe auch die vom Landgericht angesprochene Beseitigungspflicht nicht vor; die erwähnten Bestimmungen Ziff. 9.3 und 9.4 seien im Vertragstext überhaupt nicht vorhanden. Soweit schließlich das Landgericht in diesem Zusammenhang auf die verständige Auslegung des Vertragstextes abstelle, nehme es eine Auslegung dann nicht vor.

Auch soweit das Landgericht dem Beseitigungsanspruch ganz überwiegend stattgegeben habe, sei das Urteil unzutreffend, weil es zu Unrecht eine Anwendbarkeit des § 57 Abs. I TKG ablehne. Die Vorschrift sei grundsätzlich anwendbar; bei den Hausverteileranlagen handle es sich um Telekommunikationslinien im Sinne der Legaldefinition des § 3 Nr. 20 TKG, die Grundstücke seien private Grundstücke, die nach dem Vortrag der Klägerin in deren Eigentum stünden.

Der Grundstücksbegriff des § 57 Abs. I TKG umfasse auch fest mit dem Erdreich des Grundstücks verbundene Gebäude. Der in § 3 Nr. 6 TKG definierte Begriff des Grundstücks weiche nur insoweit von der bürgerlichrechtlichen Definition des Grundstücks ab, als er auch solche Immobilien erfasse, die bürgerlichrechtlich als Mehrzahl von Grundstücken behandelt würden, auf Grund ihrer äußeren Erscheinung oder ihrer wirtschaftlichen Verwendung aber eine Einheit bildeten. Im Übrigen gebe es Abweichungen nicht. Somit seien vom Grundstücksbegriff des § 57 Abs. I TKG auch Gebäude erfasst, da nach § 94 BGB zu den wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks und damit zum Grundstück selbst die mit Grund und Boden fest verbundenen Gebäude gehörten. Dies ergebe auch die systematische und teleologische Auslegung der Vorschrift. Eine ausdrückliche Aufnahme der Gebäude in die Regelung des § 57 TKG sei daher entgegen der Annahme des Landgerichts entbehrlich. Die Breitbandkabelanlage stelle zudem keine Beeinträchtigung für die Grundstücke als solche dar. Insoweit komme es nach verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift darauf an, ob der Eigentümer das Grundstück nach Inanspruchnahme des Grundstücks durch eine Telekommunikationslinie weiterhin in der Weise nutzen kann, wie dies vor der Inanspruchnahme des Grundstücks der Fall gewesen sei. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe stelle das Vorhandensein der Hausverteileranlagen eine Beeinträchtigung der Grundstücke nicht dar, da die Leitungen in den Wänden der Gebäude verlegt seien und weder ihre Existenz noch ihr Betrieb bislang als Beeinträchtigung empfunden worden seien. Die Klägerin empfinde die Leitungen nur deshalb als solche Beeinträchtigung, weil sie mit der M. - GmbH neue Verträge geschlossen habe. Auch sonst seien Beeinträchtigungen durch das Kabelnetz nicht gegeben.

Weiter ist die Beklagte der Ansicht, die zum Ausbau verpflichtende Vertragsklausel verstoße unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung gegen § 242 BGB. Gemäß § 57 Abs. I TKG sei die Klägerin nach einem Rückbau nämlich verpflichtet, eine Neuerrichtung des Kabelnetzes durch die Beklagte zu dulden.

Unter diesem Gesichtspunkt könne die Klägerin auch einen Unterlassungsanspruch nicht geltend machen, da ihr ein solcher nicht zustehe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 14. Febr. 2002 verkündete Urteils des Landgerichts Magdeburg, 33 O 198/01, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Ergänzend trägt sie vor, die Nutzung der Kabelnetze stelle eine wesentliche Beeinträchtigung ihres Eigentums dar. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich insoweit aus § 1004 Abs. I BGB.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien sowie das angefochtene Urteil Bezug genommen.

B.

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO). Auf sie finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung in ihrer ab dem 01. Jan. 2002 geltenden Fassung Anwendung, § 26 Nr. 5 EGZPO.

II.

In der Sache bleibt die Berufung aber ohne Erfolg.

Das Landgericht hat - jedenfalls im Ergebnis - zutreffend einen Unterlassungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der Liegenschaften G. Straße 13/14/15/16 sowie W. - Straße 30/31 bejaht. Daneben hat es zu Recht einen vertraglichen Anspruch der Klägerin auf Beseitigung des Kabelnetzes und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch die Beklagte angenommen und ein treuwidriges Verhalten der Klägerin verneint.

1.

Soweit das Landgericht eine Unterlassungsanspruch der Klägerin bejaht hat, ist dies im Ergebnis zutreffend.

Zwar weist die Beklagte mit der Berufung zu Recht darauf hin, dass entgegen der Ausführungen des Landgerichts bezüglich der Liegenschaften G. Straße 13/14/15/16 und W. - Straße 30/31 lediglich ein Gestattungsvertrag existiert, der die in Bezug genommene Rückbauverpflichtung gerade nicht enthält.

Mit der zwischenzeitlich eingetretenen Vertragsbeendigung besteht dennoch der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch.

Dieser ergibt sich aus § 1004 Abs. I BGB, da die Installationen des Breitbandkabelnetzes eine Eigentumsbeeinträchtigung in anderer Weise im Sinne dieser Vorschrift darstellen, die die Klägerin zu dulden nicht verpflichtet ist [vgl. für einen ähnl. Fall BGH in BGHZ 125, 56, 63]. Eine Duldungspflicht ergibt sich dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus § 57 Abs. I TKG.

Die Beklagte beruft sich dabei darauf, dass ihr nach ihrer Rechtsauffassung aus § 57 Abs. I TKG ein Anspruch auf erneute Errichtung eines Breitbandkabelnetzes in den Gebäuden auch gegen den Willen der Klägerin zustehe. Da es ihr danach freistehe, sogar nach einem Rückbau ein gleiches Kabelnetz erneut zu verlegen, sei das Verlangen der Klägerin rechtsmissbräuchlich. Dem ist nicht zu folgen, da die Vorschrift des § 57 Abs. I TKG eine Duldungspflicht des Eigentümers nur hinsichtlich des Grundstücks als solchem, nicht aber hinsichtlich eines darauf errichteten Gebäudes begründet.

Die Beklagte leitet eine Anwendbarkeit des § 57 Abs. I TKG auf das Leitungsnetz in den Gebäuden daraus ab, dass die Gebäude als wesentliche Bestandteile gemäß § 94 BGB zum Grundstück gehörten und damit vom Begriff "Grundstück" im Sinne der Vorschrift erfasst würden. Dies überzeugt letztlich nicht.

Der Beklagten ist insoweit zunächst zuzugeben, dass grundsätzlich Gebäude, soweit sie fest mit Grund und Boden verbunden sind, nach § 94 BGB als wesentliche Bestandteile mit zum Grundstück gehören. Zutreffend ist auch, dass die Vorschriften des TKG eine abweichende Definition des Begriffes Grundstück nur insoweit enthalten, als auch mehrere Grundstücke im bürgerlichrechtlichen Sinn ein Grundstück im Sinne des TKG darstellen können, § 3 Nr. 6 TKG. Dennoch ist im Ergebnis mit dem Landgericht davon auszugehen, dass die Vorschrift des § 57 Abs. I TKG sich nicht auf Gebäude, sondern allein auf Grund und Boden, also das Grundstück im eigentlichen Sinne bezieht.

Für ein solches Verständnis der Vorschrift spricht zunächst die auch vom Landgericht angestellte Erwägung, dass § 57 TKG die Nutzung solcher Grundstücke regelt, die nicht Verkehrsweg im Sinne des § 50 TKG sind. Die §§ 50 bis 56 TKG, die der Regelung des § 57 TKG vorangestellt sind, regeln die Inanspruchnahme von Verkehrswegen, also öffentlicher Straßen und Wegen, zum Zwecke der Errichtung von Telekommunikationsleitungen. § 57 trifft sodann eine Regelung für die Inanspruchnahme von Privatgrundstücken. Betrachtet man diese beiden Regelungskomplexe, so lässt sich der Auffassung der Beklagten hier entgegenhalten, dass die in den §§ 50 bis 56 TKG genannten Flächen regelmäßig unbebaute Verkehrsflächen sind, so dass es nahe liegt, dass auch in § 57 TKG der Begriff des Grundstücks als reiner Grund und Boden ohne Baulichkeiten verwendet wird.

Für dieses - vom Landgericht angenommene - Verständnis der Vorschrift sprechen gerade auch die Gesetzesmaterialien. So ist zunächst im Gesetzentwurf zum TKG [vgl. BT-Drucks. 13/3609] im Rahmen der Begründung zu § 56 des Entwurfs (im Folgenden: TKG-E), der dem jetzigen § 57 TKG entspricht, angeführt, die Regelung erfasse nicht nur Telekommunikationslinien, die durch den Luftraum über Grundstücke führen, sondern auch das Nutzungsrecht unterirdischer Telekommunikationslinien. Streng am Wortlaut orientiert sprich dies schon gegen das Verständnis der Beklagten, da Gebäude regelmäßig oberirdisch errichtet sind.

Ähnliches ergibt sich auch aus der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf [BT-Drucks. 13/4438], wenn es dort zu § 56 TKG-E heißt, die Vorschrift führe ein Recht zur Inanspruchnahme privaten Grundes ein. Auch im weiteren ist von einer unterirdischen Verlegung von Telekommunikationslinien sowie der Verlegung auf dem Boden die Rede [BT-Drucks. 13/4438, S. 18]. Auch hier ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Inanspruchnahme von Gebäuden mit der Vorschrift eröffnen wollte. Auch die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation, in denen zum Gesetzentwurf Stellung genommen wird [BT-Drucks. 13/4864], enthalten keine Anhaltspunkte für die Auffassung der Klägerin.

Gleiches gilt auch für die zur Vorschrift vorhandene Literatur und Rechtsprechung. Auch hier ist an keiner Stelle ein Anhaltspunkt dafür zu finden, dass mit der Vorschrift des § 57 Abs. I TKG eine Inanspruchnahme auch von Gebäuden zur Errichtung einer Telekommunikationslinie gegen oder ohne den Willen des Eigentümers möglich gemacht werden soll [vgl. etwa Schütz, in Beck'scher Kommentar zum TKG, 2.Aufl., § 57, Rn. 1, 3 ff.; ders., NVwZ 1996, 1053, 1057 ff.; BVerfG in NJW 2000, 798, 799; BGH in BGHZ 145, 16, 22]. Insbesondere das Bundesverfassungsgericht geht in seiner Entscheidung offenbar davon aus, dass § 57 TKG allein die unterirdische Nutzung von Grundstücken erfasst, wenn es ausführt, § 57 TKG eröffne erstmals eine Duldungspflicht auch für die Nutzung durch unterirdische Telekommunikationslinien.

Gegen die von der Beklagten geführte Argumentation sprechen zudem zwei weitere Erwägungen.

So ist zum einen zu berücksichtigen, dass ein Gebäude nicht zwingend Bestandteil eines Grundstücks sein muss. Grund- und Gebäudeeigentum können im Beitrittsgebiet mit der Folge auseinanderfallen, dass das Gebäude nicht Bestandteil des Grundstücks ist, Art. 231 § 1 Abs. I EGBGB. Dies hätte - der Argumentation der Beklagten folgend - zur Folge, dass in diesen Fällen ein Duldungsanspruch aus § 57 Abs. I TKG nicht bestehen würde, während er im Regelfalls des einheitlichen Eigentums an Grundstück und Gebäuden gegeben wäre. Eine solche Privilegierung des selbständigen Gebäudeeigentums wäre aber nicht nachvollziehbar, da sie dem von der Beklagten angeführten Gesetzeszweck einer umfassenden Betätigungsfreiheit von Telekommunikationsanbietern zuwider laufen würde. Darüber hinaus wäre - das Gesetzesverständnis der Beklagten unterstellt - die Herausnahme gerade des selbständigen Gebäudeeigentums im Beitrittsgebiet derart unverständlich, dass davon nicht ausgegangen werden kann. Im Gegenteil stellte sich die Notwendigkeit des infrastrukturellen Aufbaus moderner Telekommunikationslinien sogar vorrangig im Beitrittsgebiet. Gleichzeitig war das in den alten Bundesländern - bis auf das Erbbaurecht - unbekannte Rechtsinstitut des selbständigen Gebäudeeigentums etwas, das sowohl Politik als auch Rechtsprechung und Rechtslehre intensiv beschäftigte. Daher ist der Umkehrschluss gerechtfertigt. Wenn man die Regelungen des TKG so verstanden hätte, wie sie die Beklagte verstanden wissen will, hätte man mit Sicherheit die Regelung dahingehend ergänzt, dass man selbständiges Gebäudeeigentum ausdrücklich einbezogen hätte. Dass dies nicht geschah, erklärt sich daraus, dass es bei Annahme des Grundstücksbegriffs wie hier nicht notwendig war.

Zum anderen würde die Auslegung der Vorschrift des § 57 Abs. I TKG durch die Beklagte weitreichende Eingriffe in geschützte Eigentumspositionen ermöglichen, denen ein überwiegendes Interesse nicht mehr gegenübersteht. Dies ist nicht vorstellbar, ohne das der Grundrechtseingriff in den Motiven des Gesetzgebers benannt und gerechtfertigt worden wäre. Auch hier lässt sich aus dem Schweigen der Motive insoweit schließen, dass eben ein solcher Grundrechtseingriff nicht beabsichtigt war.

Soweit nach allseits übereinstimmendem Verständnis § 57 Abs. I TKG die Inanspruchnahme von Grundstücken im Sinne der Inanspruchnahme von Grund und Boden zur Errichtung von Telekommunikationslinien ohne oder sogar gegen den Willen des Eigentümers zulässt, handelt es sich zwar ebenfalls um einen Eingriff in Eigentumsrechte. Dem stehen aber der in der Vorschrift selbst vorgesehen Ausgleich nach § 57 Abs. II TKG sowie die Grenzen des § 57 Abs. I TKG gegenüber. Hinzu kommt, dass an der Linienführung auch gegen den Willen des Eigentümers ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit bestehen kann, hinter dem das Eigentum zurückstehen muss. Ansonsten wären Fallgestaltungen denkbar, in denen ein einzelner Eigentümer die Linienführung etwa für ein Siedlungsgebiet behindern oder gar ausschließen kann. Ein solches überwiegendes Allgemeininteresse auch an der Verlegung eines Netzes in Gebäuden besteht aber nicht. Würde man das Verständnis der Beklagten vom Regelungsgehalt des § 57 Abs. I TKG teilen, so könnte die Beklagte - gestützt auf die Vorschrift - auch dann in Gebäuden eine Telekommunikationslinie errichten, wenn etwa bei einem Einfamilienhaus keinerlei Interesse des Eigentümers an einer solchen Einrichtung besteht.

Außerdem ist de Inanspruchnahme von Grund und Boden für infrastrukturelle Maßnahmen nichts Unbekanntes, wie Leitungsrechte, Überleitungsrechte u. ä. seit jeher zeigen.

Schließlich zeigt sich an der eigenen Argumentation der Beklagten die Schwäche ihrer Auffassung. Denn bei der Frage, ob von § 57 TKG auch Kabelnetze in Gebäuden erfasst sind, will die Beklagte letztlich über § 94 BGB dahin argumentieren, dass Grund und Boden und Gebäude als Einheit zu sehen sind. Bei der Frage, ob die in den Gebäuden befindlichen Kabelnetze eine Beeinträchtigung des Grundstücks im Sinne des § 57 Abs. I Nr. 2 TKG darstellen, will sie aber Gebäude auf der einen und Grundstück auf der anderen Seite begrifflich wieder trennen und argumentiert dahin, dass die im Gebäude verlegten Kabelnetze eine Beeinträchtigung des Grundstücks gar nicht darzustellen vermögen.

Es ist daher davon auszugehen, dass die Vorschrift des § 57 TKG nur Grundstücke im Sinne von Grund und Boden, nicht aber auf einem Grundstück befindliche Gebäude erfasst.

Die Beklagte wäre nach Kündigung des Gestattungsvertrages daher verpflichtet, auch in den Gebäuden G. Straße 13/14/15/16 und W. -Straße 30/31 auf Verlangen der Klägerin das Kabelnetz zu entfernen. Wenn aber eine solche Verpflichtung besteht, hat die Beklagte auch keinen schützenswerten Anspruch auf den Betrieb des Netzes, so dass der Klägerin auch ein Unterlassungsanspruch zur Seite steht.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, sie müsse das Netz vorhalten dürfen für den Fall, dass ein Mieter der Klägerin den Wunsch habe, von ihr, der Beklagten, versorgt zu werden. Es kann dahinstehen, ob die sog. Satellitenempfangsrechtsprechung im Mietrecht [vgl. hierzu die Übersicht von Maaß und Hitpaß, NZM 2000, 945 m. Nachw. der Rspr., und Wetekamp, NZM 2000, 1142 ff.] unter dem Gesichtspunkt der grundrechtlich geschützten Informationsfreiheit, bzw. auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten [hierzu Dörr, WM 2002, 347 ff.] darauf erweitert werden muss, einem Mieter auch ein Recht einzuräumen, gegenüber dem Vermieter die Duldung der Durchleitung von Telekommunikationsleistungen von Drittfirmen verlangen zu können. Dieser Fall ist - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden, möglicherweise, weil sich ein derartiges Durchleiten wegen seiner Entgeltlichkeit und wegen der vorhandenen Alternative einer Satellitenempfangsanlage wirtschaftlich als uninteressant darstellt und es deshalb an entsprechenden Angeboten fehlt [vgl. auch BGH, ZUM 1996, 647 ff. m. Anm. von Menges, - Pay - TV - Durchleitung - ]. Aber selbst wenn man ein solches recht bejahen wollte, wäre daraus allenfalls ein recht auf Durchleitung und Netzzugang zu nicht diskriminierenden Bedingungen ableitbar, keinesfalls aber eines auf die Errichtung oder den Erhalt eines eigenen Netzes.

2.

Auch soweit das Landgericht die Beklagte zur Beseitigung des Kabelnetzes und zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands in den aus dem Tenor des landgerichtlichen Urteils ersichtlichen Liegenschaften verurteilt hat, bleibt die Berufung ohne Erfolg.

Die Beklagte stützt ihre Rechtsverteidigung hier auf ihr Verständnis der Vorschrift des § 57 Abs. I TKG und darauf, dass das Beseitigungsverlangen der Klägerin dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ausgesetzt sei, da die Beklagte bei einer Entfernung der Kabelnetze sogleich berechtigt sei, die Einrichtungen erneut einzubringen.

Dem ist aber aus den oben unter 1. dargelegten Gründen nicht zu folgen. Dem Rückbauverlangen der Klägerin steht damit nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Die Beklagte ist nach der Entfernung der Leitungsnetzes nicht berechtigt, ein solches ohne die Zustimmung der Klägerin wieder einzubauen.

Die Frage, inwieweit das in den Gebäuden der Klägerin verlegte Breitbandkabelnetz eine wesentliche oder unwesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 57 Abs. I Nr. 2 TKG darstellt, kann damit offen bleiben, da sich die Klägerin bereits auf einen vertraglichen Beseitigungs- und Wiederherstellungsanspruch stützen kann.

III.

Die Berufung der Klägerin bleibt damit insgesamt ohne Erfolg.

Die zu treffende Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision gegen das Urteil ist zuzulassen, da es sich bei der Frage, ob § 57 Abs. I TKG auch Telekommunikationslinien in Gebäuden erfasst, um eine grundsätzliche Rechtsfrage handelt, die auch über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist und die bislang vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden ist.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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