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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 22.05.2003
Aktenzeichen: 7 U 10/03
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B


Vorschriften:

BGB § 631
BGB § 649
VOB/B § 8 Ziff. 1
VOB/B § 8 Ziff. 1 Abs. 2
VOB/B § 8 Nr. 6
VOB/B § 16 Nr. 3 Abs. 1 S. 3
Der Bauunternehmer kann seinen Vergütungsanspruch trotz einer Schlussrechnung weiterhin aus einer Abschlagsrechnung geltend machen, wenn diese ein unbestrittenes Guthaben ausweist (Revision zugelassen).
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 10/03 OLG Naumburg

verkündet am 22. Mai 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Werklohnforderung aus einem Bauvertrag

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Richters am Oberlandesgericht Corcilius, des Richters am Landgericht Ehm und der Richterin am Amtsgericht Rubner auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. Dezember 2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau , Az.: 4 O 1299/02, teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.309,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % für die Zeit vom 03.04.2002 bis zum 02.05.2002 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.05. 2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 14.527,52 EUR festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten über Werklohnansprüche der Klägerin aus der Ausführung von Erdbauarbeiten.

Die Parteien schlossen am 30. Oktober 2001 einen Bauvertrag. Die Klägerin verpflichtete sich, für das Bauvorhaben der Beklagten in der B. Straße in M. insgesamt vier Baugruben auszuheben. Die Parteien vereinbarten als Auftragssumme einen Betrag von 37.755,20 DM brutto, der sich aus der Summe der im Leistungsverzeichnis vom 25. September 2001 ausgewiesenen Einzelpreise und Mengen errechnete, und die Geltung der VOB/B.

Die Klägerin bezifferte zunächst mit der 1. Abschlagsrechnung vom 07. November 2001 (Bl. 19 f. d.A.) ihre Forderungen. Diese Rechnung wies die Beklagte mit Schreiben vom 23. November 2001 (Bl. 23 f. d. A.) zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass eine abgerechnete Position nicht angefallen und die Mengenberechnung unzutreffend sei, und erstellte gleichzeitig eine ausführliche Berechnung über die berücksichtigungsfähigen Mengen. Daraufhin erstellte die Klägerin unter gleichem Datum die streitgegenständliche 1. Abschlagsrechnung (Bl. 112 f. d. A.) über einen Betrag von 14.527,52 EUR (28.413,35 DM), die ausschließlich auf den Positions- und Mengenangaben der Beklagten beruht. Die in der korrigierten Abschlagsrechnung ausgewiesenen Leistungen für das Ausheben von drei Baugruben erbrachte die Klägerin vollständig.

Mit der am 05. November 2002 beim Landgericht Dessau eingegangenen Anspruchsbe-gründungsschrift hat die Klägerin ihre Werklohnforderung aus der korrigierten 1. Abschlagsrechnung vom 07. November 2001 geltend gemacht. Die Beklagte hat den Werkvertrag mit Schriftsatz vom 27. November 2001 gekündigt und Klageabweisung im wesentlichen mit der Begründung beantragt, die Klägerin sei nunmehr zur Erstellung einer Schlussrechnung verpflichtet.

Der Einzelrichter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau hat der Klage - bis auf einen Teil der Zinsforderung - stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf den vereinbarten Werklohn in Höhe von 14.527,52 EUR. Nach der durch die Beklagte erfolgten Kündigung des Werkvertrages könne die Klägerin den gesamten Werklohn verlangen und müsse sich allein ersparte Aufwendungen entgegen halten lassen, §§ 631, 649 BGB, § 8 Ziff. 1 VOB/B. Die Forderung sei fällig. Nach Ziff. 11.3 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages sei die Fälligkeit 30 Tage nach Vorlage der Versicherungsbestätigung am 03. April 2002 eingetreten. Der Fälligkeit der Forderung stehe die im laufenden Prozess erklärte Vertragskündigung durch die Beklagte nicht entgegen. Zwar sei grundsätzlich davon auszugehen, dass nach einem gekündigten Werkvertrag Schlussrechnung zu legen sei. Die Klägerin sei jedoch nach Treu und Glauben zu einer erneuten Rechnungslegung nicht verpflichtet. Sie habe über die tatsächlich erbrachten Leistungen bereits vollständig und prüfbar durch ihre auf Veranlassung der Beklagten korrigierte Abschlagsrechnung abgerechnet und mache darüber hinausgehende Ansprüche nicht geltend.

Gegen dieses der Beklagten am 07. Januar 2003 zugestellte Urteil hat sie am 30. Januar 2003 das Rechtsmittel der Berufung eingelegt und dieses durch einen am 05. März 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Zur Begründung des weiterhin gestellten Klageabweisungsantrags führt die Beklagte aus, das Landgericht habe verkannt, dass die Klägerin nach der Kündigung des Bauvertrages ihre Forderungen nicht mehr auf eine Abschlagsrechnung, sondern nur noch auf eine Schlussrechnung habe stützen können. Ohne das Vorliegen einer Schlussrechnung gebe es keine Bruttoschlussrechnungssumme, weshalb der Beklagten ihr Recht auf Einbehalt von 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme als Gewährleistungssicherheit ebenso verloren gehe wie der vereinbarte Skontoabzug. Zudem enthalte die streitgegenständliche Abrechnung die üblicherweise erst in der Schlussrechnung enthaltenen Abzüge für Umlagen wie Strom-, Wasser-, Bauschilder-, Versicherungs-, Baureinigungskosten u. ä. nicht.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und stützt ihren Anspruch nunmehr hilfsweise auf eine unter dem 02. Dezember 2002 erstellte Schlussrechnung, die sie der Beklagten mit Schreiben vom 27. März 2003 übersandt hat. Den sich daraus ergebenden Mehrbetrag von 1.023,86 EUR macht die Klägerin nicht geltend.

B.

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO).

In der Sache bleibt sie aber im Wesentlichen ohne Erfolg. Das Landgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben.

II.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Werklohn in Höhe von 14.309,61 EUR aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrag vom 30. Oktober 2001 i. V. m. § 8 Ziff. 1 VOB/B.

Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist fällig, § 8 Nr. 6 VOB/B. In der korrigierten 1. Abschlagsrechnung der Klägerin vom 07. November 2001 liegt zugleich eine prüffähige Schlussrechnung.

1.

Die Klägerin musste nach der während des erstinstanzlichen Rechtszuges von der Beklagten erklärten sog. freien Kündigung keine neue Rechnung erstellen. Die streitgegenständliche korrigierte Abschlagsrechnung vom 07. November 2001 ist eine prüffähige Schlussrechnung i. S. d. § 8 Nr. 6 VOB/B.

Die in der Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob nach beendetem Vertrag ein Anspruch auf Abschlagszahlungen noch besteht (zum gesamten Meinungsstand vgl. nur Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Auflage, Rdn. 1228), stellt sich entgegen der Auffassung der Beklagten jedenfalls dann nicht, wenn die Abschlagsrechnung gleichzeitig den Anforderungen an eine prüffähige Schlussrechnung - wie vorliegend - genügt.

Die Klägerin macht mit der Klage nur Ansprüche auf die tatsächlich erbrachten Leistungen und nicht den vertraglich vereinbarten Gesamtwerklohnanspruch nach § 8 Ziff. 1 Abs. 2 VOB/B abzüglich ihrer ersparten Aufwendungen geltend, wovon das Landgericht in seiner Entscheidung bereits zutreffend ausgegangen ist. Die tatsächlich erbrachten Leistungen hat die Klägerin prüffähig abgerechnet.

Nach der vom Senat geteilten Auffassung des Bundesgerichtshofs ergeben sich die Anforderungen an eine Schlussrechnung aus den Informations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers. Es gibt keine schematischen Regeln zur Erstellung einer prüffähigen Schlussrechnung. Das Erfordernis der Prüffähigkeit soll den Auftraggeber in die Lage versetzen, die Rechnung zu prüfen und die Richtigkeit der einzelnen Ansätze zu beurteilen (BGH BauR 2002, 468, 469 m. w. N.). Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze genügt die von der Klägerin erstellte Abschlagsrechnung den Informations- und Kontrollinteressen der Beklagten. Die von der Klägerin zunächst erstellte Abschlagsrechnung, die ebenso wie die streitgegenständliche dem im Leistungsverzeichnis enthaltenen Positions-, Mengen- und Preisangaben folgt, versetzte die Beklagte in die Lage, die von der Klägerin abgerechneten Leistungen anhand der vereinbarten Einheitspreise einer umfänglichen Prüfung zu unterziehen. Der Geschäftsführer der Beklagten hat diese Rechnung mit Schreiben vom 23. November 2001 als unzutreffend zurückgewiesen. Dabei hat er sich gegen den Ansatz einer bestimmten Position und die zu berücksichtigenden Mengen, die er selbst anhand einer ausführlichen Berechnung ermittelt hat, gewandt. Daraufhin hat die Klägerin ihre 1. Abschlagsrechnung korrigiert und die hier streitgegenständliche Rechnung erstellt, die ausschließlich auf den Positions- und Mengenangaben der Beklagten basiert und von der Beklagten nicht angegriffen wird.

Nachdem die Beklagte während des erstinstanzlichen Rechtsstreit den Bauvertrag gekündigt hat und die Klägerin weiterhin nur ihre tatsächlich erbrachten Leistungen abrechnet, ist diese Abschlagsrechnung eine inhaltsgleiche Schlussrechnung.

Die von der Beklagten erhobenen Einwände, sie werde dadurch um ihr Recht gebracht, 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme als Gewährleistungssicherheit einzubehalten und von dem vereinbarten 2 %-igen Skontoeinzug zu profitieren und Abzüge für die üblichen Umlagekosten geltend zu machen, berühren die Prüffähigkeit der Schlussrechnung nicht. Diese Angriffe betreffen nur die Höhe der geltend gemachten Forderung und damit allein die Richtigkeit der Schlussrechnung.

Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin von der Bruttosumme zum einen den vereinbarten 5 %-iger Gewährleistungseinbehalt in Abzug gebracht und der Beklagten einen Nachlass von 3 % bei Einhaltung eines bestimmten Zahlungsziels eingeräumt hat.

Allerdings hat die Klägerin gegen die Beklagte nur einen Anspruch auf Zahlung von 14.309,61 EUR. Nach Ziff. 9 des zwischen den Parteien vereinbarten Bauvertrages sind von der Nettoauftragssumme (13.182,86 EUR) 1,5 % als Umlagebetrag für die Bauwesenversicherung, Bauwasser und Baustrom, was einem Betrag von 197,74 EUR entspricht, in Abzug zu bringen.

2.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin während des Berufungsrechtszugs der Beklagten mit Schriftsatz vom 27. März 2003 die Schlussrechnung vom 02. Dezember 2002 (Bl. 97 - 99 d. A.) übersandte, die eine offene Forderung von 15.551,38 EUR ausweist. Die Klägerin kann auch weiterhin aus der korrigierten Abschlagsrechnung vorgehen. Sie weist gegenüber der Schlussrechnung ein unbestrittenes Guthaben aus.

Der Bundesgerichtshof hat wiederholt die Frage offen gelassen, ob von dem Grundsatz, dass Abschlagszahlungen bei einem durch Kündigung beendeten Vertrag nicht mehr geltend gemacht werden können, abzuweichen ist, wenn Abschlagsforderungen ein unbestrittenes Guthaben ausweisen (BGH NJW 1985, 1840, 1841; BauR 1987, 453). Einige Oberlandesgerichte und ein Teil der Literatur haben diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Anlass genommen, Klagen auf Abschlagszahlungen nach erteilter Schlussrechnung jedenfalls dann als begründet anzusehen, wenn sie ein unbestrittenes Guthaben ausweisen (OLG Hamm BauR 1997, 175; OLG Karlsruhe IBR 1996, 405 mit der Einschränkung, dass eine Kündigung des Auftragnehmers vorliegen soll; Werner/Pastor, Der Bauprozess, a. a. O., Rdn. 1228; Ingenstau/Korbion, Kommentar zur VOB, 14. Auflage, § 16 VOB/B Rdn. 76). Der Senat folgt dieser Auffassung, die zu Recht auf die Regelung in § 16 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 VOB/B gestützt wird. Danach können Abschlagszahlungen als unbestrittenes Guthaben auch nach Erteilung der Schlussrechnung noch geltend gemacht werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 3 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision gegen das Urteil wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO zugelassen. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu der Frage, ob von dem Grundsatz, dass Abschlagsrechnungen bei einem durch Kündigung beendeten Bauvertrag nicht mehr geltend gemacht werden können, abzuweichen ist, wenn Abschlagsforderungen ein unbestrittenes Guthaben ausweisen, erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bisher ausdrücklich offen gelassen (BGH NJW 1985, 1840; BauR 1987, 453). Diese Entscheidungen haben in der obergerichtlichen Rechtsprechung dazu geführt, dass unbestrittene Guthaben aus Abschlagsrechnungen jedenfalls durchsetzbar sein sollen (so OLG Hamm BauR 1997, 175; OLG Karlsruhe IBR 1996, 405 mit der Einschränkung, dass eine Kündigung des Auftragnehmers vorliegen soll). Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und die darauf hin ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte Hamm und Karlsruhe haben in der Literatur Zustimmung gefunden (so Werner/Pastor, a. a. O., Rdn. 1228; Ingenstau/Korbion, a. a. O., § 16 VOB/B Rdn. 76). Andererseits wird auch in diesen Fällen weiterhin an dem Grundsatz festgehalten, dass nach Beendigung des Vertrages die Forderungen aus Abschlagsrechnungen mit Erteilung der Schlussrechnung erlöschen sollen (OLG Nürnberg OLGR 2000, 253). Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zudem darauf hingewiesen, dass auch das Oberlandesgericht Dresden in einer unveröffentlichten Entscheidung die Auffassung vertreten hat, dass bei Bestehen eines unbestrittenen Guthabens Werklohnforderungen nur aus der Schlussrechnung geltend gemacht werden können.

Ende der Entscheidung

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