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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 15.03.2001
Aktenzeichen: 7 U 46/00
Rechtsgebiete: ZPO, GesO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 926 Abs. 2
ZPO § 936
ZPO § 250
ZPO § 240
ZPO § 295
ZPO § 78
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 3
ZPO § 344
GesO § 8 Abs. 2
Leitsatz:

Der Gesamtvollstreckungsverwalter nimmt einen Rechtsstreit auf, wenn er im Verfahren einen Klageantrag stellt und der Gegner den Verfahrensmangel nicht rügt.

OLG Naumburg, Urt vom 15.03.2001, 7 U 46/00; vorgehend LG Halle, Urt vom 17.04.2000, 8 O 539/98


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 46/00 OLG Naumburg 8 O 539/98 LG Halle

verkündet am: 15.03.2001

gez. Solty, JAnge als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Verfahren, betreffend den Erlaß einer einstweiligen Verfügung

des Rechtsanwaltes ...

handelnd als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der ...

- Verfügungsklägers, Aufhebungsbeklagten und Berufungsklägers - Verfahrensbevollmächtigte: ...

gegen

den ...

-Verfügungsbeklagten, Aufhebungskläger und Berufungsbeklagten- Verfahrensbevollmächtigter

wegen Untersagung der Inanspruchnahme einer Bürgschaft hier: Aufhebungsverfahren

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Zettel, des Richters am Oberlandesgericht Corcilius und der Richterin am Amtsgericht Weitzel

für Recht erkannt

Tenor:

I. Die Berufung des Aufhebungsbeklagten gegen das am 17. April 2000 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichtes Halle wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat der Aufhebungsbeklagte zu tragen.

und beschlossen

III. Die Kostenentscheidung in dem am 17. April 2000 verkündeten Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichtes Halle wird von Amts wegen neu gefaßt:

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens und des Aufhebungsverfahrens hat der Aufhebungsbeklagte zu tragen.

IV. Streitwert für den Berufungsrechtszug: 19.091,65 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung gegen das am 17. April 2000 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichtes Halle ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden ( §§ 511, 511a, 516, 518, 519 ZPO ).

Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

II. Die einstweilige Verfügung der 8. Zivilkammer des Landgerichtes Halle vom 08. Dezember 1998 sowie das diese Verfügung aufrechterhaltende Versäumnisurteil vom 18. Oktober 1999 waren auf den Antrag des Aufhebungsklägers vom 28. Januar 2000 gemäß §§ 926 Abs. 2, 936 ZPO aufzuheben.

1.) Der Aufhebungsbeklagte hat das einstweilige Verfügungsverfahren gemäß § 250 ZPO aufgenommen. Der erkennende Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob eine Aufnahme durch den Verwalter allein dadurch geschehen kann, daß er die Durchsetzung der Gebührenforderung der vor der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens tätigen Rechtsanwälte der Gemeinschuldnerin duldet. Abgesehen davon, daß die Kenntnis der Handlungen von Rechtsanwalt G. nicht naheliegt, weil es Aufgabe des Verwalters ist, die offen stehende Gebührenforderung zur Masse zu ziehen, erscheint die Rechtsauffassung des Aufhebungsklägers auch als eher problematisch. Es kommt darauf aber nicht an, weil der Aufhebungsbeklagte das einstweilige Verfügungsverfahren konkludent durch seine Antragstellung am 18. Oktober 1999 vor dem Landgericht Halle aufgenommen hat.

a) Das einstweilige Verfügungsverfahren ist entgegen der nur unpräzisen Formulierung im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteiles durch die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin am 20. Januar 1999 gemäß § 240 ZPO analog kraft Gesetzes und unabhängig von der Kenntnis der Parteien und des Gerichtes unterbrochen worden ( vergl. BGH ZIP 1999, 75; Zöller - Greger, ZPO, 22. Auflage, § 240 RdNr. 3 ).

b) Der Aufhebungsbeklagte hat aber das danach unterbrochene einstweilige Verfügungsverfahren entgegen seiner Auffassung gemäß § 250 ZPO aufgenommen.

aa) Die Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreites erfolgt gemäß § 250 ZPO durch Einreichung eines Schriftsatzes bei dem Gericht und dessen amtswegiger Zustellung an den Gegner. Die materielle Berechtigung zur Aufnahme ist außerhalb der Zivilprozeßordnung geregelt und fand sich für den Gesamtvollstreckungsverwalter in § 8 Abs. 2 GesO.

bb) Neben der Aufnahme eines Rechtsstreites durch Einreichung und Zustellung eines Schriftsatzes kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung anschließt, auch in Betracht, daß der Prozeßbevollmächtigte des Gesamtvollstreckungsverwalters Anträge zur Sache stellt und verhandelt. Zwar genügt dies allein nicht, weil anderenfalls § 250 ZPO seinen Sinn verlöre, der Verfahrensmangel ist jedoch eine verzichtbare Förmlichkeit, der gemäß § 295 ZPO geheilt wird, wenn der Gegner den Mangel nicht rügt ( RGZ 140, 348 [ 352 ]; BGHZ 23, 172 [ 175 ]; 50, 397 [ 399f ]; BGH ZIP 1999, 75 [ 76 ]; Zöller - Greger, ZPO, 22. Auflage, § 250 RdNr. 4; MüKoZPO - Feiber, 2. Auflage, § 250 RdNr. 9; Kuhn / Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Auflage, § 10 RdNr. 4b ).

Nach diesen Grundsätzen hat der Aufhebungsbeklagte das einstweilige Verfügungsverfahren aufgenommen. In der mündlichen Verhandlung über den Widerspruch vom 19. September 1999 gegen die einstweilige Verfügung vom 08. Dezember 1998 hat Rechtsanwalt D. aus H. als Verfahrensbevollmächtigter des Aufhebungsbeklagten ausweislich des Protokolles den Antrag gestellt, die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten ( "zu bestätigen" [ Bl. I/103 d.A. ] ). Die Antragstellung ist ihm vom Tonträger vorgespielt und von ihm genehmigt worden. Sachgerecht war dieser Antrag nur, wenn er von einer weiteren Unterbrechung des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht mehr ausging, weil der Aufhebungskläger durch Rechtsanwalt B. aus A. vertreten war, der zu diesem Zeitpunkt bei dem Landgericht Halle noch nicht postulationsfähig war. In diesem Termin konnte die verfahrensfehlerhaft erklärte Aufnahme zwar aus den genannten Erwägungen nicht gemäß § 295 ZPO geheilt werden. Die Heilung erfolgte aber im darauffolgenden Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. März 2000, in der der Verfahrensmangel von Rechtsanwalt B. aus A. , der nunmehr durch die Änderung des § 78 ZPO postulationsfähig geworden war, nicht gerügt wurde.

cc) Der Aufhebungsbeklagte vermag der Auffassung des erkennenden Senates auch nicht entgegenzuhalten, daß er neben dem Gemeinschuldner ohne die Wirkung des § 250 ZPO berechtigt ist, Rechtsmittel einzulegen, um eine gegen § 240 ZPO verstoßende Entscheidung aus der Welt zu schaffen bzw. um der Wirkung des § 240 ZPO Geltung zu verschaffen ( RGZ 88, 206 [ 208 ]; 90, 223 [ 225 ]; 141, 306 [ 308 ]; RG JW 1937, 1062; BGH ZIP 1997, 473 mwN; Jaeger/ Henckel, § 10 RdNr. 65; Gottwald ( Hrsg. ) - Gerhardt, Insolvenzrechtshandbuch, 1. Auflage, § 33 RdNr. 13 ). Um dieses Ziel zu erreichen, hätte Rechtsanwalt D. in der mündlichen Verhandlung aber nur darauf hinweisen müssen, daß eine Entscheidung des Landgerichtes Halle nicht ergehen dürfe, wenn er denn der Auffassung gewesen sein sollte, daß dieser rechtliche Gesichtspunkt von dem Landgericht Halle im Rechtsgespräch unzureichend gewürdigt worden sei. Nur aufgrund seines Antrages hatte auf die mündliche Verhandlung ein Versäumnisurteil zu ergehen. Entgegen den Ausführungen im Berufungsrechtszug ist auch nicht erkennbar, daß sich der Widerspruch gegen den Aufhebungsbeklagten persönlich richtete.

2.) Zu Recht hat das Landgericht seine einstweilige Verfügung vom 08. Dezember 1998 und das die Verfügung aufrechterhaltende Versäumnisurteil vom 18. Oktober 1999 gemäß §§ 926 Abs. 2, 936 ZPO aufgehoben.

a) Der Rechtspfleger des Landgerichtes Halle hat dem Aufhebungsbeklagten nach der Aufnahme des einstweiligen Verfügungsverfahrens eine Frist von drei Wochen zur Klageerhebung in der Hauptsache ab Zustellung durch Beschluß vom 16. Dezem- ber 1999 eingeräumt ( Bl. I/115 d.A. ).

b) Der Beschluß ist dem Aufhebungsbeklagten am Montag, den 03. Januar 2000 zugestellt worden ( Bl. I/116 d.A. ). Die Frist zur Klageerhebung lief somit am Montag, den 24. Januar 2000 ab. Der Antrag auf Verlängerung der Frist ist von dem Rechtspfleger des Landgerichtes durch Beschluß vom 25. Januar 2000 zurückgewiesen worden ( Bl. I/123f d.A. ). Bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Aufhebungsbeklagte eine Hauptsacheklage nicht eingereicht. Die einstweilige Verfügung war danach pflichtgemäß aufzuheben.

Danach ist wie erfolgt über die Berufung des Aufhebungsbeklagten zu entscheiden.

III. 1.) Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsrechtszuges beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2.) Das Urteil ist mit der Verkündung rechtskräftig ( § 545 Abs. 2 ZPO ) und daher ohne einen gesonderten Ausspruch vollstreckbar ( § 704 Abs. 1 1. Alt. ZPO ).

3.) Der Streitwert des Aufhebungsverfahrens und des Berufungsverfahrens bestimmt sich gemäß § 3 ZPO und ist hier identisch mit dem Wert des Anordnungsverfahrens ( vergl. grundsätzlich Schneider / Herget, Streitwertkommentar, 11. Auflage, RdNr. 285 ). Nach dem Vortrag des Aufhebungsklägers sind an dem Bauvorhaben "Parkresidenz Z. " Mängel in einem Umfang vorhanden, die ein Zurückgreifen auf die streitgegenständliche Gewährleistungsbürgschaft erforderlich machen. Das Interesse des Aufhebungsklägers geht daher dahin, die Gewährleistungsbürgschaft in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen, woran er bislang nur durch den Beschluß des Landgerichtes Halle vom 08. Dezem- ber 1998 gehindert ist. Der Aufhebungsbeklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, daß es ihm darum gehe, seine ursprüngliche Rechtsposition aus der einstweiligen Verfügung zu wahren und einen Rückgriff der D. Bank AG auf im Rahmen einer Globalzession abgetretenen Forderungen zu verhindern.

4.) Der Senat hat die Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil, die nicht zwischen dem Verfügungsverfahren ( Anordnungsverfahren ) und dem Aufhebungsverfahren unterscheidet, zur Klarstellung neu gefaßt. Da der Aufhebungsbeklagte bei der Aufhebung einer einstweiligen Verfügung unabhängig davon, ob der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zulässig und begründet war, sämtliche Kosten zu tragen hat, waren die Kosten der Säumnis des Aufhebungsklägers im Verfügungsverfahren nicht mehr gemäß § 344 ZPO von den restlichen Kosten zu trennen ( OLG München NJW-RR 1997, 832; KG WRP 1976, 378 [ 379 ]; Thomas / Putzo, ZPO, 22. Auflage, § 926 RdNr. 16; Schuschke / Walker - Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, § 926 RdNr. 24 ).



Ende der Entscheidung

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