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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 13.12.2007
Aktenzeichen: 8 UF 148/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1569
BGB § 1573 Abs. 2
BGB § 1577
BGB § 1578 Abs. 1
Die Vorlage eines umfangreichen Anlagekonvuluts zum Beweis dafür, dass kein Einkommen vorhanden ist, reicht für sich alleine nicht aus. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich aus einer Vielzahl von Unterlagen ein Bild von der Einkommenssituation zu machen. Etwas anderes gilt, wenn die Anlagen den Sachvortrag der Partei belegen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UF 148/07 OLG Naumburg

Verkündet am: 13.12.2007

In der Familiensache

hat der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 29.11.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Feldmann, den Richter am Oberlandesgericht Bisping und den Richter am Oberlandesgericht Harms für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.05.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Merseburg (Az.: 19 F 69/06) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungsstreitwert wird auf 24.086,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Gestalt des Aufstockungsunterhalts für die Zeit ab 17.07.2004 in Anspruch. Sie begehrt monatliche Zahlungen in Höhe von 765,00 € vom Beklagten.

Die Ehe der Parteien ist vom Amtsgericht Merseburg durch hinsichtlich der Ehescheidung seit dem 10.03.2004 rechtskräftiges Urteil vom 28.01.2004 geschieden worden.

Aus der Ehe der Parteien sind zwei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen, nämlich N. K. , geb. am 27.11.1986, und T. K. , geb. am 07.04.1989.

Während der Beklagte für N. K. keinen Barunterhalt leistet, zahlte er für T. K. einen monatlichen Kindesunterhalt von 249,00 €. Vom 01.01.2007 bis 07.04.2007 verringerten sich die Unterhaltszahlungen auf monatlich 184,50 € und ab 08.04.2007 auf 46,00 €. T. K. befindet sich mittlerweile in der Berufsausbildung.

Der Beklagte ist zu 1/4 in ungeteilter Erbengemeinschaft Miteigentümer an einem in L. , M. -Siedlung 4, gelegenen Grundstück, in dem er auch wohnt. Des weiteren gehört ihm zu 1/2 das Grundstück K. 8 in O. , in dem die Klägerin wohnt und ihren Gewerbebetrieb als Friseurin unterhält. Dort befand sich bis zum Auszug des Beklagten anlässlich der Trennung der Parteien auch die Ehewohnung.

Der Beklagte ist berufstätig als HSL-Monteur in der Nähe von Pf. und fährt alle zwei Wochen nach L. .

Mit Schreiben vom 14.07.2004 hat die Klägerin den Beklagten in Höhe eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 564,00 € in Verzug gesetzt.

Das Amtsgericht hat mit Versäumnisurteil vom 13.12.2006 die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen das Versäumnisurteil mit Schriftsatz vom 16.01.2007 - beim Amtsgericht eingegangen am 16.01.2007 - form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Hinsichtlich des erstinstanzlich festgestellten Sachverhalts wird im Übrigen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des am 30.05.2007 verkündeten Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Merseburg Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat mit dem vorgenannten Urteil sein klagabweisendes Versäumnisurteil vom 13.12.2006 aufrechterhalten.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe schon die Anspruchsvoraussetzungen für den geltend gemachten nachehelichen Unterhalt nicht substantiiert dargelegt. Die Klägerin stelle keine eigenen Einkünfte in ihre Unterhaltsberechnung ein und behaupte, durch eigene Einkünfte könne sie ihren Bedarf nicht decken. Auf Grund des unzureichenden Sachvortrags der Klägerin könne weder der nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessene Bedarf, noch die Bedürftigkeit der Klägerin festgestellt werden. Der Klägerin habe es oblegen, das beiderseitige Einkommen und einen gegebenenfalls vorhandenen Wohnvorteil unter Berücksichtigung der verbrauchsunabhängigen Kosten des offenbar von den Parteien bewohnten Hauses und der möglichen Kreditverbindlichkeiten darzulegen. Dies habe sie aber trotz wiederholten Hinweises des Gerichts unterlassen. Der Verweis auf die von ihr eingereichten Unterlagen ersetze den notwendigen Sachvortrag nicht. Dies gelte auch für die Darlegung ihrer Bedürftigkeit.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Sie macht geltend, sie habe sowohl zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Parteien zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung, als auch zu den entsprechenden nachehelichen Verhältnissen "in sich geschlossen und systematisch" vorgetragen. Es lägen sämtliche Jahresabschlüsse, Einkommensteuererklärungen und Einkommensteuer-bescheide für die Jahre 2002 bis 2004 vor. Die Angaben der Klägerin seien aus einer ordnungsgemäßen Buchführung heraus entwickelt worden. Entsprechender erheblicher Vortrag des Beklagten liege dagegen nicht vor. Weder das Gericht, noch der Beklagte habe die "Unschlüssigkeit der vorgelegten Unterlagen" beanstandet.

Die Klägerin habe nach Rechtskraft der Ehescheidung, insbesondere mit Hilfe von Zuwendungen ihrer Mutter, die laufenden Grundstückskosten und die Tilgung der gemeinschaftlichen Kredite für das Objekt K. 8 in O. übernommen. Die Verbindlichkeiten überstiegen auch den Wohnwert des Objekts.

Außerdem habe die Klägerin die erforderlichen Angaben zu dem dem Beklagten einkommenserhöhend zuzurechnenden Wohnwert für das Grundstück in L. vorgetragen, ohne dass der Beklagte diese bestritten habe.

Die Klägerin lebe auch nicht in einer gefestigten Lebensgemeinschaft, die einen Unterhaltsanspruch ausschließen könne.

Der Beklagte tritt der Berufung nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 18.10.2007 entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Er macht geltend, die Klägerin habe die Aufwendungen der Parteien für ihren Lebensunterhalt während des ehelichen Zusammenlebens nicht, insbesondere nicht getrennt nach Einzelpositionen dargelegt. Deshalb habe auch der Beklagte nicht substantiiert erwidern können. Die bloße Vorlage von Anlagen ohne "systematischen verbalen Vortrag" genüge den Anforderungen an die Darlegung von Bedarf und Bedürftigkeit nicht. Eigenes Einkommen fließe in die Unterhaltsberechnung der Klägerin nicht ein.

Wenn im Übrigen die Klägerin aus ihrer gewerblichen Tätigkeit keine bedarfsdeckenden Einkünfte erzielen könne, so sei sie auf eine Tätigkeit als Angestellte zu verweisen, aus der sie monatlich ca. 800,00 € bis 900,00 € verdienen könne.

Die Klägerin lasse ferner den ihr anzurechnenden Wohnvorteil und das Zusammenleben mit einem neuen Partner außer Acht. Vielmehr stelle sie allein auf den Wohnvorteil des Beklagten ab.

Auch habe die Klägerin die Kreditverbindlichkeit für das von ihr genutzte Wohnhaus nebst Gewerberaum in O. nicht dargelegt.

Selbst unter der Annahme der Bedürftigkeit der Klägerin bestehe kein Unterhaltsanspruch, weil der Beklagte nicht leistungsfähig sei.

II.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Gestalt des Aufstockungsunterhalts aus §§ 1569, 1573 Abs. 2, 1577, 1578 Abs. 1 BGB.

Sie hat nämlich schon nicht untersetzt zu den Umständen, die die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben (vgl. § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB), vorgetragen. Ausschlaggebend für die Bedarfsbemessung bei nachehelichem Unterhalt sind die ehelichen Lebensverhältnisse, die grundsätzlich durch die Einkommensverhältnisse im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung bestimmt werden (Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl., § 1578 Rn 12; AnwK-BGB/Schürmann, § 1578 Rn 19 mwN; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rn 64).

Den schon insoweit fehlenden Vortrag der Klägerin konnte der Senat zwar durch Beiziehung der Akten des Scheidungsverfahrens ergänzen.

Von entscheidenderer und zur Zurückweisung der Berufung führender Bedeutung ist es allerdings, dass, soweit die Klägerin geltend macht, sie beziehe keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, und sie sich in diesem Zusammenhang allein auf von ihr eingereichte Unterlagen bezieht, dies keinen eigenen Sachvortrag ersetzt. Hierauf hat der Senat die Klägerin mit Verfügung des Berichterstatters vom 15.10.2007 hingewiesen, ohne dass dies der Klägerin darauf mit hinreichend untersetztem Vortrag zu ihren für die Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse maßgeblichen Einkünften reagiert hat. Die Auffassung der Klägerin, es streite für sie, dass weder das Gericht, noch der Beklagte die "Unschlüssigkeit der vorgelegten Unterlagen" gerügt hätten, trifft nicht zu. Dem Amtsgericht war und dem Senat ist es nicht zuzumuten, sich aus den von der Klägerin eingereichten umfangreichen Unterlagen den relevanten Tatsachenstoff selbst herauszusuchen, um zu ermitteln, wie sich die ehelichen Lebensverhältnisse darstellen, und wie sich - daran anknüpfend - die geltend gemachte Forderung der Klägerin errechnet. Es handelt sich bei den von der Klägerin überlassenen Unterlagen nicht lediglich um Belege für ihren schriftsätzlichen Vortrag, sondern nach der - unzutreffenden - Vorstellung der Klägerin soll ihre Unterhaltsforderung mit den Anlagenkonvoluten schlüssig dargelegt sein (vgl. zum Ganzen BVerfG NJW 1994, 2683 f.; OLG Hamm NJW-RR 1996, 593; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 130 Rn 2; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 130 Rn 10).

Darüber hinaus handelt es sich bei den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, mit denen sie das Fehlen eigener Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit belegen möchte, ausschließlich um Einkommensteuererklärungen, Steuerbescheide und Bescheinigungen der von der Klägerin beauftragten Steuerberatungsgesellschaft, die noch dazu Widersprüchlichkeiten aufweisen. So gibt es beispielsweise in der Bescheinigung der Steuerberatungsgesellschaft vom 23.06.2004, dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 und dem Jahresabschluss zum 31.12.2003 unterschiedliche Angaben zu den Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb.

Ferner weist der Jahresabschluss der Klägerin für 2003 Privatentnahmen von insgesamt 11.206,21 € (das entspricht monatlich 933,85 €) aus, zu denen sie ebenfalls nichts vorträgt, die aber die ehelichen Lebensverhältnisse mitgeprägt haben, denn sie standen mangels entgegen stehender Anhaltspunkte für den Familienunterhalt zur Verfügung (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl., § 1361 Rn 32; AnwK-BGB/Schürmann, vor §§ 1577, 1578 Rn 41; KK-FamR/Klein, 2. Aufl., § 1578 Rn 135).

Entsprechendes gilt für das Jahr 2004: Hier sind Privatentnahmen der Klägerin von 7.006,84 € ( entsprechend monatlich 583,90 €) festzustellen.

Dem von der Klägerin aufgestellten Rechenwerk liegt aber die Annahme zu Grunde, die Klägerin erziele überhaupt keine Einkünfte, und das wird im außergerichtlichen Schreiben der Klägerin vom 15.09.2004, auf das in der Einspruchsschrift vom 16.01.2007 ausdrücklich Bezug genommen wird, auch so vorgetragen ("... erzielt negative Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb").

Außerdem lassen insgesamt die von der Klägerin überlassenen steuerlichen Unterlagen lediglich Rückschlüsse auf das steuerrechtlich relevante Einkommen zu, das jedoch auf Grund der weitergehenden Abschreibungsmöglichkeiten im Steuerrecht nicht identisch mit dem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen ist (vgl. nur OLG Hamm FamRZ 1996, 1216 ff.).

Die Klägerin hat im Ergebnis nicht hinreichend substantiiert zu ihren eheprägenden Einkünften vorgetragen, so dass keine Bedarfsberechnung erfolgen kann. Dass sie Nettoeinkünfte aus Gewerbebetrieb von monatlich 532,71 € für 2005 durch Vorlage einer Steuerberaterbescheinigung angibt, hilft vor diesem Hintergrund auch nicht weiter.

Schließlich steht schon der Umstand, dass die Klägerin die von ihr geltend gemachten Unterhaltsansprüche allein auf der Grundlage des Einkommens des Beklagten errechnet, im Widerspruch zu dem von ihr ausdrücklich erklärten Verlangen nach "Aufstockungsunterhalt". Die Wahl des Begriffs "Aufstockungsunterhalt" impliziert nämlich, dass eigene Einkünfte der Klägerin vorhanden sind, die jedoch zur Deckung ihres Bedarfs nicht ausreichen.

Die Kostenentscheidung sowie die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts beruht auf §§ 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1, 47 Abs. 1 S. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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