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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 04.07.2002
Aktenzeichen: 8 UF 220/01
Rechtsgebiete: GKG, ZPO, BGB


Vorschriften:

GKG § 8
GKG § 17
ZPO § 139
ZPO § 655
ZPO § 708 Nr. 10
BGB § 1612 b
BGB § 1612 c
Erkennt der Schuldner in einer Urkunde eine Unterhaltsleistung an, die nicht dem vom Gläubiger geforderten Betrag entspricht und klagt dieser auf den ihm zustehenden weiteren Betrag, handelt es sich nicht um eine Abänderungs- sondern um eine sogen. Titelergänzungsklage (vgl. BGHZ 94, 145). Der Unterhaltsschuldner trägt nur bei einer Erstklage auf 100 % des Regelbetrages die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er in dieser Höhe nicht leistungsfähig ist.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UF 220/01 OLG Naumburg

verkündet am: 04.07.2002

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Friederici und die Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert und Bisping

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 02. November 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Halberstadt aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten, die nach § 8 GKG nicht erhoben werden - an das Familiengericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Gebührenstreitwert für den Berufungsrechtszug beträgt EUR 2.257,86.

Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die - zulässige - Berufung des beklagten Kindesvaters ist begründet, da das Verfahren des Familiengerichts an Mängeln leidet. Auf die am 17. November 2000 zugestellte Stufenklage (§ 1613 Abs. 1 BGB) durfte der Beklagte nicht ohne weiteres für die Zeit ab Juli 2001 zur Zahlung weiteren Kindesunterhalts an die - von dem Beklagten getrennt lebende - klagende Kindesmutter verurteilt werden, in deren Obhut sich das am 22. Februar 1989 geborene eheliche Kind A. befindet (§ 1629 Abs. 3 BGB).

1. Der - in Niedersachsen wohnende - Beklagte hatte sich in der Urkunde des Kreises Halberstadt vom 10. Juli 2000 verpflichtet, für sein - in Sachsen-Anhalt wohnendes - Kind für die Zeit ab Juli 2000 einen monatlichen Kindesunterhalt von "100 % des jeweiligen Regelbetrages der jeweils gültigen Altersstufe entsprechend § 1 Regelbetragsverordnung unter Anrechnung eines hälftigen Erstkindergeldes" zu zahlen (Bl. 140 II d. A.). Damit wurde dem Begehren der Kindesmutter, die beim Beklagten mit Schreiben vom 06. Juli 2000 die Erteilung einer Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse angemahnt hatte, um den Kindesunterhalt selbst zu berechnen, nicht hinreichend Rechnung getragen. Ihre am 17. November 2000 rechtshängig gewordene Stufenklage auf Auskunft und Zahlung zusätzlichen Kindesunterhalts für die Zeit ab Juli 2001 ist daher als Titelergänzungsklage - und nicht als Klage auf Abänderung (Erhöhung) des in der Kreisjugendamtsurkunde titulierten Kindesunterhalts (§ 323 Abs. 1 ZPO) - zu werten (vgl. BGHZ 94, 145 ff.; BGHZ 34, 110 ff.). Dies hat zur Konsequenz, dass es auf eine Veränderung der bei der Errichtung der Kreisjugendamtsurkunde gegebenen tatsächlichen Verhältnisse nicht ankommt.

2. Der Zulässigkeit des von der klagenden Kindesmutter - in zweiter Stufe (Betragsverfahren) - gestellten Antrags auf Zahlung zusätzlichen, d. h. ergänzenden Kindesunterhalts in Höhe von DM 514,00 monatlich für die Zeit ab Juli 2001 steht entgegen, dass die Kreisjugendamtsurkunde keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

Letzteres ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Urkunde den Betrag des anzurechnenden Kindergeldes nicht konkret bezeichnet. Statt das anzurechnende anteilige Kindergeld mit dem - bei der Errichtung der Urkunde maßgebenden - DM-Betrag anzugeben, wurde die abstrakte Formulierung gewählt, dass eine Anrechnung des "hälftigen Erstkindergeldes" erfolgt. Wäre diese unbestimmte Formulierung ausreichend, um der Urkunde Vollstreckbarkeit zu verleihen, bedürfte es der Bestimmung zu § 655 ZPO nicht, nach der Änderungen konkreter Beträge nach §§ 1612 b und 1612 c BGB, die in einem Unterhaltstitel angerechnet wurden, im vereinfachten Verfahren zulässig sind.

Da die Kreisjugendamtsurkunde keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, hätte die Kindesmutter keine Titelergänzungsklage auf Zahlung zusätzlichen Kindesunterhalts, sondern nur eine Klage auf Ersttitulierung des - ihrer Ansicht nach ingesamt geschuldeten - Kindesunterhalts erheben dürfen. Lediglich für eine solche Klage bestand und besteht ein Rechtsschutzbedürfnis.

Auf eine entsprechende - sachdienliche - Antragstellung hat das Familiengericht nicht hingewirkt (§ 139 ZPO). Infolgedessen ist das Verfahren des Familiengerichts fehlerhaft.

3. Im Übrigen trägt der Unterhaltsschuldner - nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06. Februar 2002 (FamRZ 2002, 536 ff.) - lediglich bei einer Klage des Unterhaltsgläubigers auf Zahlung von bis zu 100 % des Betrages nach § 1 der Regelbetragsverordnung die Darlegungs- und Beweislast für seine - teilweise oder vollständige - Leistungsunfähigkeit (§ 1603 BGB). Klagt der Unterhaltsgläubiger dagegen - wie im vorliegenden Fall - auf höheren Kindesunterhalt, hat er die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners darzulegen und zu beweisen.

Auch in dieser Hinsicht ist die Entscheidung des Familiengerichts fehlerhaft:

a) Einerseits hat das Familiengericht bei der Feststellung des unterhaltsrechtlich relevanten Nettoerwerbseinkommens des Beklagten nicht genügend berücksichtigt, dass Kindesunterhalt erst für die Zeit ab Juli 2001 geltend gemacht worden ist. Infolgedessen waren nicht die durchschnittlichen Gewinne, die der Beklagte in den Wirtschaftsjahren 1997 bis 1999 erzielt hat, sondern seine durchschnittlichen Gewinne der drei letzten Wirtschaftsjahre 1999 bis 2000 maßgebend (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1603 Rdn. 14 m.w.N.); der im Wirtschaftsjahr 2000 erwirtschaftete Gewinn - nach Steuern - durfte also nicht außer Acht gelassen werden (Entscheidungsgründe S. 10).

Außerdem rügt der Beklagte zu Recht, dass das angefochtene Urteil nicht erkennen lässt, warum zusätzlich zu dem unterhaltsrechtlich relevanten Gewinn im Wirtschaftsjahr 1999, den das Familiengericht auf Grund der Gewinn- und Verlustrechnung für 1999 (Bl. 72 I d. A.) - mit DM 99.139,21 - ermittelt, der Gewinn von DM 26.502,00 Berücksichtigung gefunden hat (Bl. 99 II d. A.), den der Beklagte in seiner Einkommenssteuererklärung für 1999 angegeben hat (Bl. 148 II d. A.). Dieser Gewinn beruht ebenfalls auf seiner Gewinn- und Verlustrechnung für 1999 (Bl. 72 I d. A.), die das Familiengericht in seine Berechnung einbezogen hat. Es deutet also alles darauf hin, dass das Familiengericht den Gewinn im Wirtschaftsjahr 1999 doppelt berücksichtigt hat.

b) Andererseits durfte das Familiengericht die vom Beklagten gebuchten Abschreibungen nicht pauschal außer Acht lassen (Entscheidungsgründe S. 8 f.), da Wirtschaftsgüter einer Wertminderung durch Zeitablauf unterliegen, sodass Abstriche nur bei der Höhe vorgenommener Abschreibungen gerechtfertigt sind. Auch Vorsorgeaufwendungen durften nicht ohne nähere Begründung teilweise unberücksichtigt bleiben (Entscheidungsgründe S. 6). Notfalls war ein richterlicher Hinweis angebracht (§ 139 ZPO).

Nach alledem war die Entscheidung des Familiengerichts aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens - zurückzuverweisen; soweit durch das Rechtsmittelverfahren Gerichtskosten entstanden sind, wird von einer Erhebung abgesehen, da diese Kosten bei richtiger Sachbehandlung durch die erste Instanz nicht entstanden wären (§ 8 GKG).

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 708 Nr. 10 ZPO und aus § 17 GKG.

Ende der Entscheidung

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