Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 19.03.2009
Aktenzeichen: 8 UF 24/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
Wird in der Berufung festgestellt, dass erst jetzt die Voraussetzungen für eine Scheidung vorliegen, hat der Antragsteller die Kosten des Rechtsmittels zu tragen, da er verfrüht den Antrag gestellt hat.

Durch die Zustellung eines verfrühten Scheidungsantrages ist zu berücksichtigen, dass sowohl für den Zugewinn als auch den Versorgungsausgleich Stichtage gesetzt werden und damit die Möglichkeit einer Manipulation besteht. Es ist deshalb in diesen Fällen zu prüfen, ob ggf. eine Modifizierung nach § 242 BGB zu erfolgen hat.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UF 24/09 OLG Naumburg

verkündet am: 19. März 2009

In der Familiensache

hat der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Feldmann und die Richter am Oberlandesgericht Bisping und Harms auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 03. Dezember 2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Halberstadt aufgehoben und die Sache an das Familiengericht zurückverwiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt EUR 3.600.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 08. September 2006 geheiratet.

Am 22. Mai 2008 hat der Antragsteller einen Antrag auf einverständliche Scheidung der Ehe nach dem Hilfstatbestand zu § 1566 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 630 BGB anhängig gemacht, und zwar mit der Begründung, die Parteien lebten seit "Mai 2007" - zunächst innerhalb der Ehewohnung; anschließend erfolgte der Auszug der Antragsgegnerin aus der Ehewohnung am 01. Januar 2008 - getrennt und beide lehnten die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ab; Regelungsbedarf in Folgesachen bestehe auf Grund einverständlicher Regelungen der Parteien nicht.

Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 21. August 2008 erwidert, die Trennung sei erst mit ihrem - unstreitigen - Auszug aus der Ehewohnung am 01. Januar 2008 erfolgt (§ 1567 Abs. 1 S. 1 BGB); eine vorherige Trennung innerhalb der Ehewohnung (§ 1567 Abs. 1 S. 2 BGB) habe es nicht gegeben. Sie habe bis "Ende 2007" noch regelmäßig die üblichen Versorgungsleistungen für den Antragsteller, etwa durch Zubereitung des Essens und sonstige Haushaltstätigkeiten, erbracht. Abgesehen davon habe man sich auch nicht über den Aufenthalt und den Umgang mit dem (am 19. April 2006 geb.) gemeinschaftlichen Kind geeinigt, das sie - unstreitig - seit ihrem Auszug allein betreut. Aus all diesen Gründen sei der Scheidungsantrag verfrüht, und die Antragsgegnerin beantragte Antragsabweisung.

Bei der persönlichen Anhörung der Parteien (§ 613 Abs. 1 ZPO) in der mündlichen Verhandlung vom 03. Dezember 2008 vermochte der Antragsteller lediglich anzugeben, dass es im Mai 2007 innerhalb der Ehewohnung einen "heftigen Streit" gegeben habe, woraufhin sich die Antragsgegnerin im Oktober 2007 eine andere Wohnung "gesucht" habe; demgegenüber hat die Antragsgegnerin erklärt, dass ihre "Wohnungssuche" erst im November 2007 begonnen habe und erst dieser Umstand der Anlass dafür gewesen sei, dass sie sich vom Antragsteller immer mehr "zurückgezogen" habe.

Mit Rücksicht darauf wies das Familiengericht den - gleichwohl gestellten - Scheidungsantrag des Antragstellers mit dem angefochtenen Urteil ab.

II.

1. Die zulässige Berufung des Antragstellers ist begründet, weil das erste Trennungsjahr - das nach den Feststellungen des Familiengerichts erst am 01. Januar 2008 begann - inzwischen abgelaufen ist (§ 1565 Abs. 2 Hs. 1 BGB), der Antragsteller nach wie vor die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt (§ 1567 Abs. 1 S. 1 BGB) und sie auch nicht wiederherstellen will, wie sich aus seiner Berufungsbegründungsschrift ersehen lässt. Infolgedessen ist mittlerweile der Scheidungsgrundtatbestand (§ 1565 BGB) erfüllt, so dass die Gründe des angefochtenen Urteils die Abweisung des Scheidungsantrages des Antragstellers nicht mehr tragen und das Urteil - nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Folgesache Versorgungsausgleich, die das Familiengericht von Amts wegen eingeleitet hat (§ 623 Abs. 1 S. 3 ZPO) - aufzuheben und die Sache an das Familiengericht zurückzuverweisen ist (§ 629b Abs. 1 S. 1 ZPO).

2. Obgleich eine Aufhebung und Zurückverweisung erfolgt, hat der Senat auch über die Kosten des Berufungsrechtszuges zu entscheiden, denn der Inhalt der Kostenentscheidung steht fest (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Auflage, § 629b Rn 7 m.w.N.): Der Antragsteller hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen (analog § 97 Abs. 2 ZPO), da seine Berufung gegen die Abweisung seines Scheidungsantrages nur deshalb Erfolg hat, weil im Verlaufe des Berufungsrechtszuges das erste Trennungsjahr abgelaufen ist (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Auflage, § 629b Rn 7 m.w.N.). Den ihm obliegenden Beweis dafür, dass das erste Trennungsjahr bereits bei Schluss der letzten erstinstanzlichen Verhandlung vom 03. Dezember 2008 (dieser Zeitpunkt ist maßgebend; vgl. AnwK-BGB/Bisping, § 1565 Rn 12 m.w.N.) abgelaufen war, hat der Antragsteller weder bei seiner erstinstanzlichen Parteivernehmung (§ 613 Abs. 1 ZPO) noch im Berufungsrechtszug erbracht.

3. Im weiteren Verfahren wird das Familiengericht zu berücksichtigen haben, dass bei verfrühten Scheidungsanträgen eine Manipulation der für Folgesachen maßgeblichen Stichtage (§ 1384, § 1587 Abs. 2 BGB) stattfindet (AnwK-BGB/Bisping, § 1564 Rn 5 f., § 1565 Rn 13 auch zu erbrechtlichen Rechtsfolgen). Infolgedessen ist - in den betreffenden Folgesachen - zu prüfen, ob aus Gründen übergeordneter allgemeiner Rechtsgrundsätze eine Modifizierung der gesetzlichen Stichtage in Betracht zu ziehen ist (Zöller/Philippi a.a.O., § 629b Rn 6 unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 1986, 335 f.). So darf sich ein Ehegatte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf den für den Versorgungsausgleich maßgebenden Stichtag (§ 1587 Abs. 2 BGB) berufen, wenn zwar formal schon ein Scheidungsverfahren geschwebt, die eheliche Lebensgemeinschaft aber noch längere Zeit bestanden hat (BGH a.a.O.).

Lediglich hinsichtlich des Stichtages für den Zugewinnausgleich (§ 1384 BGB) vertritt die höchstrichterliche Rechtsprechung einen restriktiven Standpunkt (BGH, FamRZ 1967, 138 f.).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück