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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 14.06.2001
Aktenzeichen: 8 UF 242/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 543
ZPO § 539
ZPO § 310 Abs. 2
ZPO § 313
ZPO § 311
ZPO § 310
ZPO § 160 a
Wird ein Urteil in einem gesondert bestimmten Termin verkündet, muss es vollständig vorliegen. Dies ist dann nicht gegeben, wenn im Tenor durch unterschiedliche Klammerangaben auf Seiten in den Akten verwiesen wird und die Leseabschrift von dem in Bezug genommenen Text abweicht. Dies ist jedoch dann unschädlich, wenn die abschließende Fassung von dem erkennenden Richter unterschrieben wird.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UF 242/00 OLG Naumburg F 76/99 AG Merseburg

verkündet am: 14. Juni 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Senat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 10.05.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Friederici und die Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert und Bisping

für Recht erkannt:

Tenor:

Das am 10.10.2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Merseburg, Zweigstelle Querfurt, und das dem zu Grunde liegenden Verfahren werden aufgehoben und zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Von der Abfassung eines Tatbestandes wurde gemäß § 543 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Das Urteil des Amtsgerichts leidet an so wesentlichen Verfahrensmängeln, dass es gemäß § 539 ZPO aufgehoben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückverwiesen werden musste. Für den Senat ist weder erkennbar, welche Entscheidung das Amtsgericht am 10.10.2000 verkündet hat, noch welche Entscheidung verkündet werden sollte, eine eigene Sachentscheidung des Senats kommt deshalb nicht in Betracht.

Hier liegt ein Verstoß gegen §§ 310 Abs. 2, 313 ZPO vor. Denn wird das Urteil nicht in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wurde, verkündet, so muss es bei der Verkündung in vollständiger Form abgefasst sein. Diesen Anforderungen genügt zumindest die Anlage zum Verkündungsprotokoll in der vorliegenden Form nicht. Nach dem Verkündungsprotokoll vom 10.10.2000 wurde das dem Protokoll anliegende Urteil durch Verlesen der Urteilsformel verkündet. Nach der Anlage zum Sitzungsprotokoll wurde folgendes verkündet:

Amtsgericht Merseburg, Dienstgebäude Querfurt -Familiengericht- Postfach 1252, 06262 Querfurt Tel.: 034771/570 Fax: 034771/57141

Az.: F 76/99

Verkündet arn 10.10.2000

Im Namen des Volkes Urteil

In der Familiensache

hat das Amtsgerichts -Familiengericht- Merseburg -Dienstgebäude Querfurt auf die mündliche Verhandlung vom 26.9.2000 durch den Richter am Amtsgericht Lutz für Recht erkannt:

Tenor:

1.Bl.62

2.Bl.62

3.B1.94

4.BI.95

5. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechststreites.

6.Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 DM abwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten

Anschließend folgen auf den nächsten Seiten Tatbestand und Entscheidungsgründe sowie die Unterschrift des Richters. Die Anträge im Tatbestand sind ebenfalls nicht ausformuliert, sondern wie bereits beim Tenor lediglich durch Klammerverweisungen auf Blattzahlen der Akte ersetzt. Danach folgt zunächst eine Verfügung der Geschäftsstelle mit der die Zustellung des Urteils verfügt worden ist und erst dann ist in der Akte eine vollständig abgefasste und ausformulierte Version des Urteils enthalten, die aber nicht vom Richter unterschrieben ist. Diese Version ist den Parteien zugestellt worden.

Gemäß § 313 ZPO muss das Urteil die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und Prozessbevollmächtigten und die Urteilsformel enthalten, sowie einen Tatbestand und die Entscheidungsgründe. Tatbestand und Entscheidungsgründe dürften zum Verkündungstermin vorgelegen haben, aber die Urteilsformel und die Bezeichnung der Parteien sowie ihrer gesetzlichen Vertreter lagen in einer §§ 310, 311 ZPO entsprechenden Form nicht vor. Diese Mängel sind auch nicht nachträglich geheilt worden. Durch das richterliche Verkündungsprotokoll wird Beweis darüber erbracht, dass die Beachtung der zur Verkündung wesentlichen Förmlichkeiten eingehalten wurden, d. h., dass das Urteil auf Grund einer schriftlich abgefassten Urteilsformel verkündet worden ist. Hierbei ist selbst der Mangel eines Verstoßes gegen § 310 ZPO dann heilbar, wenn zum Verkündungszeitpunkt das vollständige Urteil noch nicht vorgelegen hat, die Protokollanlage also nicht mit der schriftlich abgefassten und verkündeten Urteilsformel identisch ist, wenn eindeutig erkennbar ist, welchen Inhalt die Verlautbarung des Gerichts gehabt hat. Insoweit wäre eine Heilung der hier vorliegenden Mängel sogar durch nachträgliche Unterzeichnung der den Parteien zugestellten Urteilsfassung möglich gewesen, aber hier liegt der Sachverhalt gerade so nicht. Es ist nicht einmal durch eine entsprechende Verfügung des Richters erkennbar, dass die Zustellung der "überarbeiteten" Version des verkündeten Urteils seinem Willen entsprach. Hier ist lediglich erkennbar, dass zum Verkündungszeitpunkt eine Verlautbarung des Gerichts erfolgt ist, nicht erkennbar ist hingegen, welchen Inhalts diese Verlautbarung gewesen ist. Eine inhaltliche Überprüfung der Entscheidung ist dem Senat somit nicht möglich.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Tenor im Sinne von § 160 a ZPO in einer gebräuchlichen Kurzschrift, durch verständliche Abkürzungen oder auf einen Ton- oder Datenträger vorläufig aufgezeichnet worden ist. Die Klammerverweisungen im als Anlage zum Sitzungsprotokoll beigefügten Urteil entsprechen keinesfalls einer gebräuchlichen Kurzschrift oder sind verständliche Abkürzungen. Dies ergibt sich allein schon daraus, dass zwischen den Textstellen auf die durch die Klammerverweisungen Bezug genommen wird, und der letztlich den Parteien zugestellten Lang-fassung des Urteils deutliche inhaltliche Divergenzen, bzw. Präzisierungen erfolgten, die auch nicht als bloße Übertragungsfehler interpretiert werden können.

So ist im Antrag auf Bl. 62 Unterhalt begehrt und zwar ab "Rechtshängigkeit". Im letztlich ausformulierten Tenor der Langfassung ist statt Rechtshängigkeit das Datum 15.05.2000 eingesetzt. Der auf Bl. 62 angekündigte Antrag zu Ziff. 2 lautet: "Der Beklagte wird verurteilt, einen rückständigen Kindesunterhaltsbetrag für die Zeit von Mai 1998 bis November 1999 in Höhe von 2.248,00 DM zu zahlen. Ziff. 2 der Langfassung des Urteils lautet: "Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger zu 1. einen rückständigen Kindesunterhaltsbetrag für die Zeit von Mai bis November 1999 in Höhe von 2.248,00 DM zu zahlen." Der Antrag Bl. 94 d. A., auf den die Anlage zum Protokoll verweist, lautet, vorausgesetzt die dort vorgenommenen handschriftlichen Berichtigungen stammen vom Richter, an ihn ab Rechtshängigkeit einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 436,00 DM und zwar monatlich im Voraus bis zum 03. Werktag eines jeden Monats zahlt. Hingegen lautet die Langfassung: "Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2. ab 15.05.2000 einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 436,00 DM und zwar monatlich im Voraus bis zum 03. Werktag eines jeden Monats zu zahlen". Der Antrag auf Bl. 95 lautet: "an ihn einen rückständigen Kindesunterhaltsbetrag für die Zeit von Juni 1998 bis April 2000 in Höhe von 5.101,00 DM zu zahlen". Ziff. 4 der Langfassung des Urteils lautet hingegen: "Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2. einen rückständigen Kindesunterhaltsbetrag für die Zeit von Juni 1998 bis April 2000 in Höhe von 5.100,00 DM zu zahlen". Wer diese Überarbeitung der Parteianträge in tenorierungstaugliche Formulierungen durchgeführt hat, kann der Akte nicht entnommen werden. Da diese Arbeit erst erfolgte, nachdem die Akte in den Bereich der Geschäftsstelle gelangte, bleibt neben der Möglichkeit, dass der Richter tätig geworden ist, auch dass die Geschäftsstelle den Tenor letztlich formuliert hat. Im Ergebnis ist deshalb nicht nachvollziehbar, welchen Inhalt die Entscheidung des Richters hatte oder haben sollte.

Ende der Entscheidung

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