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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 15.07.2008
Aktenzeichen: 8 WF 111/08
Rechtsgebiete: RVG, ZPO


Vorschriften:

RVG § 48 Abs. 1
ZPO § 121 Abs. 3
Ist die Beiordnung ohne den Zusatz "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts" erfolgt, so ist für die Festsetzung der Anwaltsvergütung allein der Inhalt des Beschlusses maßgeblich.

Die anderweitige Auffassung OLG Naumburg FamRZ 99, 1683 und OLGR 2001, 486 kann nach Inkrafttreten des RVG nicht mehr aufrechterhalten werden.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG

BESCHLUSS

8 WF 111/08

In der Familiensache

...

hat der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg am 15. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Feldmann, die Richterin am Amtsgericht Koch und den Richter am Oberlandesgericht Harms beschlossen:

Tenor:

Die befristete Beschwerde der Landeskasse vom 26.05.2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Haldensleben, Zweigstelle Wolmirstedt, vom 02.05.2008 (Az.: 16 F 325/06) wird als unbegründet zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 15.08.2007 hat das Amtsgericht Haldensleben, Zweigstelle Wolmirstedt, der in Wolmirstedt wohnhaften Antragstellerin für das Ehescheidungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin bewilligt, die ihren Kanzleisitz in Magdeburg hat. Eine Einschränkung, die Beiordnung erfolge nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts, enthält der Prozesskostenhilfebeschluss des Amtsgerichts nicht. Auf den Vergütungsfestsetzungsantrag der Beschwerdegegnerin hat die Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht mit Beschluss vom 15.02.2008 die der Antragsgegnerin gegen die Staatskasse zustehende Vergütung auf 693,18 € festgesetzt und hierbei Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld der Beschwerdegegnerin für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung außer Ansatz gelassen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Antragstellerin sei am Ort des Prozessgerichts wohnhaft, sodass mit der Beauftragung der Beschwerdegegnerin Mehrkosten verbunden gewesen seien, deren Erstattung aus der Landeskasse nicht in Betracht komme. Der Beiordnungsantrag der nicht bei dem Amtsgericht Haldensleben zugelassenen Beschwerdegegnerin enthalte ein konkludentes Einverständnis mit der Beiordnung zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts. Auf die Erinnerung der Beschwerdegegnerin hat der Abteilungsrichter eine weitere von der Beschwerdegegnerin aus der Staatskasse zu beanspruchende Vergütung, nämlich Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld, festgesetzt. Hiergegen richtet sich die vom Amtsgericht zugelassene befristete Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Magdeburg.

II.

Die gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 S. 2 und 3 RVG zulässige befristete Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Magdeburg ist unbegründet.

Zu Recht hat das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin einen weiteren Vergütungsanspruch in Gestalt von Fahrtkostenerstattung und Abwesenheitsgeld zugesprochen.

Entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, mithin der Beschwerdegegnerin, durch Prozesskostenhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 15.08.2007 ohne ausdrückliche Beschränkung nach § 121 Abs. 3 ZPO erfolgt ist. Ist nämlich die Aufnahme des Zusatzes "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" im Rahmen der Beiordnung unter Verstoß gegen das Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO unterblieben, so ist für die Festsetzung der Vergütung nach § 48 Abs. 1 RVG allein der Inhalt des Prozesskostenhilfebewilligungsbeschlusses maßgeblich, und es sind auch Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld zu Gunsten des nicht am Ort des Prozessgerichts zugelassenen Rechtsanwalts festzusetzen (OLG Celle FamRZ 2008, 162 unter Berufung auf die h. M.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 01.04.2008 - 6 W 203/07 - zitiert nach "juris"). Soweit der erkennende Senat in seinem Beschluss vom 14.04.1999 (OLG Naumburg FamRZ 1999, 1683) und der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg im Beschluss vom 16.05.2001 (OLGR Naumburg 2001, 486) davon ausgehen, durch Beiordnung eines auswärtigen und vor allen Familiengerichten postulationsfähigen Rechtsanwalts entstehende Mehrkosten seien unabhängig von der Aufnahme eines einschränkenden Zusatzes gemäß § 121 Abs. 3 ZPO in den Prozesskostenhilfebewilligungs- und Beiordnungsbeschluss nicht vergütungsfähig, kann daran nach Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes nicht festgehalten werden, auch wenn der Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur das Verhältnis zwischen der Partei und der Staatskasse, nicht aber das Rechtsverhältnis zwischen dem beigeordneten Rechtsanwalt und der Staatskasse betrifft (vgl. Beschluss des Einzelrichters vom 21.02.2002 - 8 WF 125/02), denn eine dem § 126 Abs. 1 S. 2 BRAGO, dem man entnehmen konnte, dass die Einschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" nur deklaratorische Bedeutung hatte, entsprechende Vorschrift enthält das RVG nicht. Es gilt vielmehr § 46 Abs. 1 RVG, dem zufolge dem beigeordneten Rechtsanwalt Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder zu vergüten sind, die zur sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der von ihm vertretenen Partei erforderlich waren.

Für die von der Bezirksrevisorin vertretene Rechtsansicht streitet auch nicht der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10.10.2006 (BGH FamRZ 2007, 37). Nach dieser Entscheidung enthält der Beiordnungsantrag eines auswärtigen Rechtsanwalts regelmäßig ein konkludentes Einverständnis mit einer dem Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO entsprechenden Einschränkung der Beiordnung nur zu den Bedingungen eines am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts. Aus der Entscheidung des BGH ist somit zu entnehmen, wie der Antrag eines auswärtigen Rechtsanwalts auf Beiordnung auszulegen ist; für die Auslegung der richterlichen Entscheidung in Gestalt eines Beiordnungsbeschlusses ergibt sich aus ihr nichts. Der Grundsatz der Klarheit von Kostenentscheidungen gebietet es daher, vom Wortlaut des Beiordnungsbeschlusses und damit einer einschränkungslosen Beiordnung des auswärtigen Anwalts auszugehen, soweit ein einschränkender Zusatz gemäß § 121 Abs. 3 ZPO fehlt (OLG Celle aaO; OLG Brandenburg aaO).

Dass die Reisekosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zur sachgerechten Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich gewesen wären, kann nicht angenommen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.



Ende der Entscheidung

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