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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 08.08.2008
Aktenzeichen: 8 WF 153/08 (PKH)
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 124
Verbessern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse einer - zunächst - kostenarmen Partei nachträglich, so kann das Gericht zwar keine völlige Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe anordnen, denn eine völlige Aufhebung ist nur unter der Bestimmung zu § 124 ZPO vorgesehen. Das Gericht darf aber eine Begleichung sämtlicher auf die betreffende Partei entfallender fälliger Kosten - mithin eine Nachzahlung aller von der Staatskasse zu tragenden fälligen Gerichts- und Anwaltskosten an die Staatskasse - aus dem Vermögen der betreffenden Partei anordnen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 WF 153/08 (PKH) OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Bisping als Einzelrichter am 08. August 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Halle (Saale) vom 24. April 2008 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 22. Juli 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

1. Am 02. April 2003 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Ehescheidung nebst einem Prozesskostenhilfegesuch eingereicht. Mit Beschluss vom 17. Juni 2003 wurde ihr Prozesskostenhilfe mit Raten von EUR 95 monatlich bewilligt. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Familiengericht die Ratenzahlungsanordnung mit Beschluss vom 14. August 2003 aufgehoben.

Anschließend hat die Antragstellerin unter dem 23. Februar 2004 Anträge auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt, Hausratsteilung sowie - stufenweise - auf Auskunft und Zahlung von Zugewinnausgleich nebst entsprechenden Prozesskostenhilfegesuchen eingereicht. Mit Beschluss vom 29. Juli 2007 ist ihr auch für diese Folgesachen ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 28. August 2008 einigten sich die Parteien in den Folgesachen Hausrat und nachehelicher Unterhalt sowie über Trennungsunterhalt durch gerichtlichen Vergleich; unter anderem verpflichtete sich der Antragsgegner, an die Antragstellerin nachehelichen Unterhalt sowie Trennungsunterhalt in Höhe von insgesamt EUR 45.000 zu zahlen.

Das Scheidungsverfahren sowie die Folgesache Versorgungsausgleich wurden mit - rechtskräftigem - Scheidungsverbundurteil vom 28. August 2007 abgeschlossen; in dem Scheidungsverbundurteil ist die Folgesache Zugewinnausgleich abgetrennt worden (§ 628 Nr. 4 ZPO).

Anschließend hat das Familiengericht den Wert des Scheidungsverbundverfahrens mit Beschluss vom 31. August 2007 "vorläufig" folgendermaßen festgesetzt:

 Ehescheidung EUR 9.300
Versorgungsausgleich EUR 640
Hausratsteilung EUR 10.000
Ehegattenunterhalt EUR 10.788
Zugewinnausgleich EUR 46.441
Sa. EUR 77.169

Die abgetrennte Folgesache Zugewinnausgleich schwebt noch in erster Instanz.

2. Mit Verfügung vom 26. März 2008 hat das Familiengericht die Antragstellerin zur Abgabe einer Erklärung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO aufgefordert. Daraufhin hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 14. April 2008 eingeräumt, vom Antragsgegner im September 2007 und Januar 2008 die vereinbarten EUR 45.000 erhalten zu haben; diese Summe habe sie allerdings nicht für ihren Lebensunterhalt verwenden müssen, sondern für folgende Zwecke ausgegeben: Für EUR 5.000 habe sie sich neuen Hausrat beschafft, und für die restlichen EUR 40.000 habe sie "Anteile" an dem von ihr bewohnten Haus erworben; die EUR 40.000 hätten ihre Eltern als "Anzahlung" erhalten.

Daraufhin hat das Familiengericht die Prozesskostenhilfebewilligungsbeschlüsse mit Beschluss vom 24. April 2008 dahingehend geändert (§ 120 Abs. 4 ZPO), dass es angeordnet hat, die Antragstellerin möge "aus ihrem Vermögen" einen Betrag von EUR 5.455,16 an die Staatskasse zahlen. Die angebliche Verwendung der vereinnahmten EUR 45.000 sei in Ansehung der auf sie zukommenden Prozesskosten - und somit unter Missbrauch des Rechtsinstituts der Prozesskostenhilfe - geschehen. Den nach Abzug des Schonvermögens verbleibenden Geldzufluss habe die Antragstellerin daher für die Prozesskosten zu verwenden.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss vom 24. April 2008 (§ 127 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet:

1. Verbessern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse einer - zunächst - kostenarmen Partei nachträglich, so kann das Gericht zwar keine völlige Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe anordnen, denn eine völlige Aufhebung ist nur in der Bestimmung zu § 124 ZPO vorgesehen (BGH, NJW 1994, 3292, 3293 f.). Das Gericht darf aber eine Begleichung sämtlicher auf die betreffende Partei entfallender fälliger Kosten (OLG Dresden, FamRZ 2002, 1415, 1416) - mithin eine Nachzahlung aller von der Staatskasse zu tragenden fälligen Gerichts- und Anwaltskosten an die Staatskasse (OLG Celle, Rpfleger 1990, 263 f.) - "aus dem Vermögen" der betreffenden Partei anordnen (§ 120 Abs. 4 ZPO; allg. M., vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage, § 120 Rn 24 m.w.N.).

2. Das Familiengericht hat auch zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen für eine solche Anordnung vorliegen. Denn die Antragstellerin durfte sich, nachdem sie am 02. April 2003 selbst das Ehescheidungsverfahren anhängig gemacht und vor Abschluss dieses Verfahrens bis Januar 2008 die vereinbarten EUR 45.000 erhalten hatte, nicht durch Luxusausgaben wieder "bedürftig" machen (vgl. Senat, Beschl. v. 02. August 2002 - 8 W 7/02 -). Sie muss sich mithin so behandeln lassen, als würde sie noch über die EUR 45.000 - abzüglich eines Schonvermögens (d.s. EUR 2.600 zzgl. EUR 266; vgl. Zöller/Philippi a.a.O., § 115 Rn 57) - verfügen (vgl. Zöller/Philippi a.a.O., § 120 Rn 25 m.w.N.).

3. Das Scheidungsverbundverfahren ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Denn die Folgesache Zugewinnausgleich ist nicht nach § 623 ZPO, sondern lediglich nach § 628 Nr. 4 ZPO abgetrennt worden. Eine Abtrennung nach § 628 ZPO führt aber nicht zu einer echten Verfahrenstrennung, sondern im - bestehen bleibenden - Scheidungsverbund haben (zeitlich versetzt) noch Teilentscheidungen über die nach § 628 Nr. 4 ZPO "abgetrennten" Folgesachen zu ergehen. Mit Rücksicht darauf darf im vorliegenden Fall ein Abänderungsbeschluss nach § 120 Abs. 4 ZPO noch innerhalb von vier Jahren nach der Rechtskraft der verfahrensabschließenden Teilentscheidung im Zugewinnausgleichsverfahren ergehen (§ 120 Abs. 4 S. 3 ZPO; vgl. OLG Dresden a.a.O.; ferner Zöller/Philippi a.a.O., § 628 Rn 18).

Da das Scheidungsverbundverfahrens aber noch nicht abgeschlossen ist, ist der Gebührenstreitwert dieses Verfahrens vom Familiengericht bislang auch lediglich "vorläufig" festgesetzt worden; der Wert kann also noch geändert werden. Und allein auf Grund der "vorläufigen" Wertfestsetzung sind - bislang - die in der "vorläufigen Schluss-Kostenrechnung" vom 23. April 2008 bezifferten Gerichtskosten von EUR 433,35 berechnet (Vorblatt I) sowie Anwaltskosten in Höhe von EUR 1.652,32 (und nicht, wie das Familiengericht meint, in Höhe von EUR 5.021,80) an die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin erstattet worden (Bl. 28 ff. des PkH-Heftes der Antragstellerin).

Nach alledem durfte das Familiengericht nicht kurzer Hand die Zahlung eines bestimmten Betrages (von EUR 5.455,16, d.s. EUR 433,35 zzgl. EUR 5.021,80) gegen die Antragstellerin anordnen. Denn die Höhe der Prozesskosten kann sich mit der endgültigen Wertfestsetzung - die sich das Familiengericht ausdrücklich vorbehalten hat - noch ändern mit der Folge, dass sich die vom Familiengericht angesetzten Kosten als zu hoch erweisen. Das Familiengericht hätte sich mithin bei seinem Abänderungsbeschluss nach § 120 Abs. 4 ZPO mit der - allgemeinen - Anordnung begnügen müssen, alle von Rechts wegen von der Staatskasse "zu erstattenden" fälligen Gerichts- und Anwaltskosten nachzuzahlen.

4. Eine derartige allgemeine Anordnung darf der Senat nicht treffen. Denn sie könnte - im Ergebnis - nicht nur geringer, sondern auch höher als die vom Familiengericht angesetzten EUR 5.455,16 ausfallen. Und mit einer derartigen "Verschlechterung" gegenüber dem angefochtenen Beschluss darf die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht belastet werden (sog. Verschlechterungsverbot bzw. Verbot der reformatio in peius im Beschwerdeverfahren; vgl. Zöller/Philippi a.a.O., § 127 Rn 37 m.w.N.).

Nach alledem kann nur das Familiengericht erneut entscheiden. Nachdem sein Beschluss aufgehoben ist, darf es entweder die besagte allgemeine Anordnung treffen oder abwarten, bis das Scheidungsverbundverfahren abgeschlossen ist und ein endgültiger Streitwertbeschluss vorliegt; dann kann es den von der Antragstellerin nachzuzahlenden Betrag beziffern und darf eine konkrete Zahlungsanordnung aussprechen (OLG Dresden a.a.O.).

Ende der Entscheidung

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