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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 01.02.2008
Aktenzeichen: 8 WF 16/08
Rechtsgebiete: ZPO, RegelbetragVO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 568
ZPO § 654
RegelbetragVO § 2
BGB § 1603 Abs. 2
Behauptet ein unterhaltspflichtiger Anwalt, zur Leistung des Kindesunterhalts nicht in der Lage zu sein, muss er als Selbstständiger mindestens einen nachvollziehbaren Nachweis über Einkommen und Vermögen der letzten drei zusammenhängenden Jahre erbringen.

Ist nach dem nachgewiesenen Einkommen keine Unterhaltszahlung möglich, ist der Anwalt ggf. verpflichtet, seine freiberufliche Tätigkeit aufzugeben und im Anstellungsverhältnis zu arbeiten und er muss auch den Nachweis durch Vorlage der Bewerbungsbelege erbringen, dass ihm eine andere oder ergänzende Tätigkeit nicht zur Verfügung steht.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 WF 16/08 OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Amtsgericht Koch als Einzelrichterin gem. § 568 ZPO am 01.02.2008 beschlossen:

Tenor:

1. Die als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde des Klägers vom 07.01.2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Halle (Saale) vom 22.11.2007 (27 F 617/07) in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 11.01.2008 wird zurückgewiesen.

2. Die Gerichtskosten der Beschwerde trägt der Kläger; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Kläger, der Vater des minderjährigen Beklagten, wurde mit Urteil des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 06.07.2007 (Az.: 27 F 400/06) zur Zahlung eines monatlichen Kindesunterhaltes in Höhe des jeweiligen Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 2 der RegelbetragVO verurteilt. Das Urteil wurde am 13.08.2007 rechtskräftig.

Der Kläger, der als selbständiger Rechtsanwalt tätig ist, begehrt die Herabsetzung des Unterhalts auf 60 % des jeweiligen Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 2 der RegelbetragVO, weil er nicht leistungsfähig ist.

Der 60jährige Kläger hat in den Jahren 1966 bis 1971 Rechtswissenschaft an der M. - Universität studiert. Er arbeitet als selbständiger Rechtsanwalt mindestens 10 Stunden werktags und an den Wochenenden jeweils 6 Stunden Sonnabends und Sonntags.

Der Kläger behauptet, er verfüge über ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 985,00 €. Dazu legt er Einnahmen-/Ausgabenrechnungen für den Zeitraum von Januar bis Juni 2007 (Bl. 7 - 12) sowie eine Bescheinigung seines Steuerberatungsbüros über sein verfügbares Einkommen im Jahre 2005 (Bl. 49) sowie eine Prognose über sein verfügbares Einkommen im Jahr 2006 und 2007 (Bl. 50/51 d. A.) vor. Dazu behauptet er weiter, dass ihm aufgrund seines geringen Einkommens die Bezahlung des für ihn tätigen Steuerberatungsbüros seit dem Jahr 2005 nicht mehr möglich sei, sodass weitere Belege über seine Einkünfte von dort nicht hätten erstellt werden können.

Die Aufnahme einer anderen, besser bezahlten Tätigkeit im Angestelltenverhältnis sei ihm nicht möglich, weil auf dem Arbeitsmarkt entsprechende Stellen nicht vorhanden seien. Dazu legt er zwei Internetauszüge der Jobbörse der Arbeitsagentur vom 18.10.2007 (Bl. 72) und vom 07.01.2008 (Bl. 117), insgesamt 13 Bewerbungen bei Rechtsanwaltskanzleien aus dem Zeitraum von November bis Dezember 2007 (Bl. 91 - 116 d. A.) sowie eine Bewerbung beim Bundesumweltamt Dessau als Referatsleiter der Behörde vom 16.10.2007 (Bl. 73/74) vor.

Mit Beschluss vom 22.11.2007 (Bl. 36 ff. Hauptakte), dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 07.01.2008 (Bl. 85 Hauptakte) hat das Amtsgericht Halle-Saale den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da der Kläger nicht substantiiert dargelegt habe, dass er für den dem Beklagten geschuldeten Unterhalt nicht leistungsfähig sei. Dazu fehle es an substantiierten Darlegungen zu seinem gegenwärtigen Einkommen sowie dazu, dass er versucht habe, eine höher dotierte Tätigkeit im Anstellungsverhältnis zu erhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die spätestens am 09.01.2008 (Bl. 35 SH PKH) bei dem Amtsgericht Halle-Saale eingegangene Beschwerde des Klägers vom 07.01.2008.

Mit Beschluss vom 11.01.2008 hat das Amtsgericht Halle-Saale dieser Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Oberlandesgericht Naumburg vorgelegt.

II.

Die als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie fristgemäß eingelegt (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gem. § 114 ZPO vorzunehmenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten liegen die Voraussetzungen für eine Abänderungsklage nach § 654 ZPO nicht vor.

Der gegenüber einem minderjährigen Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger hat gem. § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht.

Der Kläger hat für seine Behauptung, nicht leistungsfähig zu sein, weil seine Einkünfte unter dem im Rahmen des § 1603 Abs. 2 BGB zu berücksichtigenden notwendigen Selbstbehalts liegen, nicht ausreichend vorgetragen. Der Kläger ist selbständig tätig. Für Freiberufler ist in der Regel das Durchschnittseinkommen der letzten drei Jahre zugrunde zu legen (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 67. Aufl., § 1603 Rn. 14). Zum Beleg dieser Einkünfte sind die Bilanzen bzw. Gewinn- und Verlustrechnungen erforderlich. Nicht ausreichend ist die Vorlage von Einnahmen-Überschussrechnungen für ein einzelnes Jahr (vgl. Palandt/Diederichsen, § 1605 Rn. 10 m. Nachw. zur Rechtspr.). Vorliegend hat der Kläger noch nicht mal zu seinem Einkommen von drei Jahren vorgetragen, denn er trägt lediglich vor, im Zeitraum Januar bis Juni 2007 jeweils über Einkommen in Höhe von 985,00 € brutto und in den Jahren 2005 und 2006 über ein Bruttoeinkommen von 15.000,00 bzw. 10.000,00 € verfügt zu haben.

Auch die zum Beweis dieser bestrittenen Behauptung vorgelegten Belege sind nicht ausreichend. Für die Monate Januar bis Juni 2007 liegen lediglich Einnahmen/Ausgabenrechnungen vor. Die Bescheinigungen seines Steuerberatungsbüros für die Jahre 2005 und 2006 umfassen jeweils nur eine Seite und sind gänzlich inhaltsleer.

Selbst wenn es zutreffen sollte, dass der Kläger ein Steuerberatungsbüro nicht mehr bezahlen konnte und deshalb geordnete Unterlagen nicht mehr erstellt werden können, entbindet dieses den Kläger nicht von der Pflicht zur Vorlage aussagefähiger Belege. Er wäre gehalten gewesen, entsprechende Unterlagen und Belege selbst zu fertigen und vorzulegen.

Darüber hinaus hat die Rechtsverfolgung des Klägers auch deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil ihm selbst in dem Fall, dass die von ihm getroffenen geringen Einkünfte zutreffend wären, fiktive Einkünfte anzurechnen wären. Den Unterhaltsverpflichteten trifft die Obliegenheit, im Interesse des Unterhaltsberechtigten seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies nicht, so muss er sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit fiktive Einkünfte anrechnen lassen, die er durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1603 Rn. 35 m. Nachw. z. Rsp.). Dieses bedeutet, dass der Kläger, der als selbständiger Rechtsanwalt tätig ist, in Anbetracht der von ihm behaupteten erzielten geringen Einkünfte gehalten ist, eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis aufzunehmen. Der Kläger als Unterhaltsverpflichteter muss alles unternehmen, um einen entsprechend bezahlten Arbeitsplatz zu finden, und so seine Leistungsfähigkeit herzustellen. Die pauschale Behauptung des Klägers, er habe aufgrund seiner Ausbildung und seines Alters keine reale Chance am Arbeitsmarkt, ist insoweit nicht ausreichend. Nicht ausreichend ist auch der Verweis darauf, dass eine Internetrecherche bei der Jobbörse der Arbeitsagentur nicht erfolgreich gewesen sei. Zum einen stellt das Arbeitsplatzangebot der Arbeitsagenturen nicht den gesamten Arbeitsmarkt dar, zum anderen enthalten diese Internetnachfragen die Vorgabe, dass nur Stellenangebote im Umkreis von 50 km um den Einsatzstandort des Klägers genannt werden sollten.

Auch die von dem Kläger vorgelegten Bewerbungsschreiben sind nicht geeignet, ernstgemeinte Erwerbsbemühungen seinerseits zu dokumentieren, denn sie datieren mit Ausnahme einer Bewerbung aus dem Monat Oktober 2007 allesamt aus den Monaten November und Dezember 2007, sodass eine Reaktion auf diese Bewerbungen bis zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung durch den Kläger nicht zu erwarten war. Darüber hinaus hat der Kläger auch nicht dargelegt, ob diese Bewerbungen als so genannte "Blindbewerbungen" oder auf konkrete Stellenangebote hin erfolgt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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