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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 04.09.2001
Aktenzeichen: 8 WF 182/01
Rechtsgebiete: KindUG, SGB VIII, ZPO, BGB


Vorschriften:

KindUG § 3
SGB VIII § 55 Abs. 2
ZPO § 656
ZPO § 655
ZPO § 323
BGB § 1612 c
BGB § 1612 b
BGB § 1612 b Abs. 5
Das anzurechnende Kindergeld ist als Betrag auszuweisen. Eine wie auch immer formulierte abstrakte Formulierung ist unzulässig, denn § 655 ZPO - ebenso Art. 5 § 3 KindUG - lassen eine Abänderung nur zu, wenn ein "Betrag" genannt ist.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 WF 182/01 OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 8. Zivil.- und 2. Familiensenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Friederici und die Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert und Bisping am 04.09.2001 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 12.06.2001 wird mit dem zu Grunde liegenden Verfahren aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amt für Kinder, Jugend und Familie der Stadt H. stellte als Beistand für das am 15.03.1985 geborene Kind J. St. am 28.12.2000 beim Amtsgericht Halle-Saalkreis einen Antrag auf Abänderung eines Unterhaltstitels. Begehrt wurde die Abänderung einer Unterhaltsurkunde vom 06. Juli 1999 in der sich der Antragsgegner und Beschwerdeführer zur Zahlung von 105,5 % des jeweiligen Regelbetrages der dritten Altersstufe gem. § 2 der Regelbetragsverordnung abzüglich von 125,00 DM Kindergeld verpflichtet hatte, dergestalt, dass die Anrechnung des Kindergeldanteils ab dem 01.01.2001 entfallen sollte.

Das Amtsgericht hat bei der Einleitung des Verfahrens ungeprüft die unbelegte Behauptung des Amtes für Kinder, Jugend und Familie der Stadt H. übernommen, als Beistand für J. St. auftreten zu dürfen. Hier ist weder der Antrag auf Beistandschaft dem Antrag beigefügt, noch lässt sich dem Antrag entnehmen, ob das Jugendamt gemäß § 55 Abs. 2 SGB VIII einem Beamten oder Angestellten die Ausübung der Beistandschaft übertragen hat. Ob die Mutter bei der Beantragung der Beistandschaft das Kind J. St. ordnungsgemäß vertreten hat, ist unklar. Dem Antrag ist nicht zu entnehmen, ob J. St. ein eheliches oder nicht eheliches Kind ist. Für den Fall, dass Julia ein eheliches Kind ist, hierfür spricht die Namensgleichheit mit dem Antragsgegner, hätte dann auch noch zumindest dargelegt werden müssen, ob die Kindesmutter allein sorgeberechtigt und damit zur Antragstellung berechtigt gewesen ist. Nur dann war eine wirksame Beantragung möglich. Da die Frage der ordnungsgemäßen Vertretung eine von Amts wegen zu prüfende Entscheidungsvoraussetzung ist, hätte das Amtsgericht diesen Umstand prüfen, und bei Unklarheiten darauf hinweisen und deren Beseitigung anregen müssen. Schon aus diesem Grunde waren das Verfahren und der Beschluss aufzuheben und zur erneuten Entscheidung zurück zu verweisen.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Amtsgericht beachten müssen, dass eine abstrakte Kindergeldanrechnung nicht zulässig ist. Die Formulierung des Tenors in dem angefochtenen Beschluss deutet darauf hin, dass das Amtsgericht der Auffassung ist, dass eine abstrakte Kindergeldanrechnung gem. § 1612 b BGB zulässig ist. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Gemäß § 655 ZPO können auf wiederkehrende Unterhaltsleistung gerichtete Schuldtitel; in denen ein Betrag der nach §§ 1612 b, c BGB anzurechnenden Leistungen festgelegt ist, auf Antrag für die Zeit nach Antragstellung dahin abgeändert werden, dass die Anrechnung von kindbezogenen Leistungen im Sinne der §§ 1612 b, c BGB unterbleibt, soweit der Unterhalt 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetragsverordnung nicht übersteigt. Aus der Formulierung muss der Schluss gezogen werden, dass nur die Abänderung eines konkreten Anrechnungsbetrages begehrt werden kann. Es muss sich also aus dem Titel ergeben, mit welchem konkreten Betrag die kindbezogenen Leistungen, bzw. das Kindergeld dort berücksichtigt worden sind. Nur dann ist sicher, dass bei der Neuberechnung des anrechenbaren Teils der kindbezogenen Leistungen, bzw. des Kindergeldanteils, die eigentlich durch den Titel begründete Leistungsverpflichtung des Unterhaltsschuldners nicht berührt wird. Darüber hinaus zeigt die Regelung der §§ 655, 656 ZPO an sich, dass die konkrete Benennung des anrechenbaren Teils des Kindergeldes geboten ist, die Regelung wäre bei einer abstrakten Kindergeldanrechnung nicht notwendig, da eine Anpassung des Titels bei Änderung des staatlichen Kindergeldes oder der Regelbetragsverordnung dann nicht notwendig wäre.

Der Beschwerdegegner sei darauf hingewiesen, dass die von ihm geltend gemachten Einwendungen, dies gilt auch für seine verfassungsrechtlichen Bedenken, ausschließlich die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners betreffen. Diese sind nach der eindeutigen Regelung des § 656 ZPO in einem Klageverfahren geltend zu machen. Gegenstand der sofortigen Beschwerde im vereinfachten Verfahren ist lediglich die Überprüfung des vorangegangenen Verfahrens auf formale Korrektheit. Materiell-rechtliche Einwendungen, die die Leistungsfähigkeit betreffen, können, wie sich aus der eindeutigen Regelung des § 655 i. V. m. § 656 ZPO ergibt, im vereinfachten Verfahren nicht geltend gemacht werden. Insoweit greift auch der Vortrag des Beschwerdeführers, durch die begehrte Nichtanrechnung des Kindergeldes wäre er in seinen Grundrechten eingeschränkt, im vorliegenden Verfahren nicht. Denn dies ist eine materiell-rechtliche Einwendung, die im Klageverfahren gem. § 656 ZPO zu berücksichtigen wäre, nicht aber im Beschwerdeverfahren. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Vortrag des Beschwerdeführers, er könne auch den in dem ursprünglichen Titel genannten Betrag nicht zahlen, dass die behauptete Leistungsunfähigkeit nicht durch den Wegfall der Kindergeldanrechnung, sondern durch eine negative Entwicklung seiner Einkommensverhältnisse bedingt ist, er mithin eine vollständige Neuberechnung der Unterhaltsbetrages verlangt. Dies ist nicht Gegenstand des Verfahrens gemäß § 655 ZPO.

Auch der Vortrag des Beschwerdeführers, das Rechtsmittelverfahren gem. § 656 ZPO gewährleiste im Widerspruch zu Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz nicht die Effektivität des Rechtsschutzes, vermag nicht zu überzeugen. Zwar ermöglicht das Beschwerdeverfahren im Rahmen des vereinfachten Verfahrens gem. § 655 ZPO nicht eine materiell-rechtliche Überprüfung der Entscheidung im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners, aber um dem Unterhaltsschuldner genau diese Überprüfungsmöglichkeit im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes einzuräumen, hat der Gesetzgeber die Regelung des § 656 ZPO geschaffen. Hier wird dem Unterhaltsschuldner die Möglichkeit des Klageweges ausdrücklich zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus besteht durch die Regelung des § 323 ZPO die Gelegenheit der Anpassung eines Titels an veränderte tatsächliche Verhältnisse, der Unterhaltsschuldner hat danach die Möglichkeit durch Erhebung einer Abänderungsklage aktiv eine Anpassung des Titels bei veränderter Leistungsfähigkeit zu begehren.

Da das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 27.03.2001 (FamRZ 2001, 756) im Hinblick auf die Nichterschöpfung des Rechtsweges durch die Beschwerdeführer die Annahme von Verfassungsbeschwerden gegen die Bestimmung des § 1612 b Absatz 5 BGB verweigert hat, besteht kein Anlass, im Hinblick auf weitere anhängige Verfassungsbeschwerden mit dem gleichen Beschwerdegegenstand, das Verfahren bis zu einer erneuten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage auszusetzen.

Ende der Entscheidung

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