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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 19.09.2001
Aktenzeichen: 8 Wx 17/01
Rechtsgebiete: PsychKG LSA, BGB, FGG, ZPO


Vorschriften:

PsychKG LSA § 14 Abs. 1
PsychKG LSA § 14 Abs. 2
BGB § 1897
BGB § 1906 Abs. 2
BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 1
FGG §§ 70 ff.
FGG §§ 65 ff.
FGG § 68 Abs. 1 Satz 1
FGG § 69 g Abs. 5 Satz 2
FGG § 69 g Abs. 5 Satz 3
FGG § 70 b Abs. 1 Satz 1
FGG § 70 e Abs. 1 Satz 2
ZPO § 217
Die Bestellung des Betreuers gleichzeitig zum Verfahrenspfleger ist zwar unvereinbar, jedoch führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Bestellung.

Beantragt der Betreuer die Unterbringung, so ist diese zu genehmigen; wird die Unterbringung "angeordnet", ist dies im Sinne einer Genehmigung auszulegen.

Die Anhörung im Beschwerdeverfahren durch den beauftragten Richter ist zulässig, wenn neue Erkenntnisse nicht erwartet werden können.

Auch im Verfahren des FGG gelten die Vorschriften über die Beweiserhebung für die Einvernahme eines Sachverständigen (§ 15 FGG). Wird nicht die Person, die das schriftliche Gutachten erstattet hat, sondern eine andere Person angehört, stellt dies eine völlig neue Begutachtung dar.

Wird der Verfahrenspfleger erst am Tag vor der Anhörung geladen und wendet er im Hinblick auf die Kurzfristigkeit Verhinderung ein und wird hierauf nicht Rücksicht genommen, stellt dies grundsätzlich eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs dar.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 Wx 17/01 OLG Naumburg

In der Unterbringungssache

Tenor:

Auf die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 30. Juli 2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Beschwerdewert beträgt DM 5.000,--.

Gründe:

I.

1. Mit Beschluss vom 19. September 1994 stellte das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Braunschweig den am 21. März 1954 geborenen Betroffenen - auf seine Anregung - unter Betreuung, nachdem es zuvor ein schriftliches Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie eingeholt hatte, das dem Betroffenen eine neurotische Persönlichkeitsentwicklung sowie Alkoholmissbrauch bescheinigte (§§ 1896 ff. BGB; Bl. 17 I f. d.A.). Mit Beschluss vom 07. Februar 1995 wies das Vormundschaftsgericht den Betroffenen - auf Antrag des Gesundheitsamts - im Wege einer einstweiligen Anordnung in die geschlossene Abteilung eines Krankenhauses ein (§ 12 ndsPsychKG, § 70 h FGG; Bl. 50 I d.A.). Mit Beschluss vom 13. Februar 1995 hob das Vormundschaftsgericht die Bestellung des Betreuers auf (Bl. 52 I d.A.).

Am 21. November 1997 wurde der Betroffene - nachdem ihm wieder ein Betreuer bestellt worden war - wegen eines schweren Schädelhirntraumas in die geschlossene Abteilung einer Klinik eingewiesen. Mit Beschluss vom 22. Dezember 1997 genehmigte das Vormundschaftsgericht - auf Anregung des Betreuers - die Unterbringung bis längstens 05. Mai 1998, nachdem es ein schriftliches Gutachten eines Facharztes für Neurologie eingeholt hatte, das dem Betroffenen ein ausgeprägtes hirnorganisches Psychosyndrom attestierte (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB; Bl. 8 Unterbringungsheft). Mit Beschlüssen vom 02. Juli und 11. August 1999 erteilte das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht Claustal-Zellerfeld weitere Genehmigungen zur Unterbringung für die Zeit bis 01. September 1999 (Bl. 20 II, 43 II d.A.). Anschließend verzog der Betroffene nach Magdeburg.

Mit Beschluss vom 19. Januar 2001 "ordnete" das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Magdeburg auf Anregung des Betreuers R. (Bl. 131 II d.A.) sowie nach Einholung eines schriftlichen psychiatrischen Gutachtens (Bl. 139 II ff. d.A.) - die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen medizinischen Einrichtung bis längstens 15. Februar 2001 "an" (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB; Bl. 154 II d.A.). Die Entscheidung erging nach Anhörung des Betroffenen und der Diplom-Medizinerin St. , die das schriftliche Gutachten nicht verfasst hatte. Im übrigen war der Betreuer R. bei der Anhörung nicht anwesend. Statt dessen erschien als "vorgeschlagener Betreuer" Herr A. vom Paritätischen Betreuungsverein e.V., der nach der Anhörung zum neuen Betreuer - und Verfahrenspfleger - des Betroffenen bestellt wurde (Bl. 147 II ff., 150 II f. d.A.).

Mit Beschluss vom 14. Februar 2001 genehmigte das Vormundschaftsgericht - auf Anregung von Herrn A. (Bl. 161 II d.A.) und nach Einholung eines schriftlichen nervenärztlichen Gutachtens (Bl. 177 II ff. d.A.) - die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 13. Februar 2002 (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB; Bl. 195 II d.A.). Diese Entscheidung erging nach Anhörung des Betroffenen und der Diplom-Medizinerin St. , die das schriftliche Gutachten mitverfasst hatte. Außerdem waren Herr A. sowie der behandelnde Arzt Dr. W. bei der Anhörung anwesend (Bl. 184 II ff. d.A.).

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen bestellte das Landgericht dem Betroffenen mit Beschluss vom 01. März 2001 Rechtsanwalt C. zum neuen Verfahrenspfleger, da der Betreuer A. - wegen kollidierender Interessen - nicht gleichzeitig Verfahrenspfleger sein könne (Bl. 214 II f. d.A.). Zuvor hatte die Kammer die Anhörung des Betroffenen mit Beschluss vom 19. Februar 2001 dem Berichterstatter als beauftragtem Richter übertragen (Bl. 204 II d.A.), der den Betroffenen und die Diplom-Medizinerin St. als "Sachverständige" - in Anwesenheit des Betreuers A. sowie der Ärzte Dr. W. und Dr. L. - am 02. März 2001 anhörte. Der Verfahrenspfleger C. war bei der Anhörung nicht anwesend (Bl. 219 II ff. d.A.), da seine Ladung erst am 01. März 2001 verfügt und bearbeitet worden war (Bl. 215 II d.A.). Nach der Anhörung hob die Kammer die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts mit Beschluss vom 05. März 2001 auf, weil sich der Gesundheitszustand des Betroffenen - wegen verabreichter Medikamente - stabilisiert hatte (Bl. 223 II ff. d.A.).

2. Nachdem der Betroffene bis 17. Juli 2001 erneut in der geschlossenen Abteilung eines Krankenhauses untergebracht worden war (§ 11 PsychKG LSA; Bl. 115 III f. d.A.), "ordnete" das Vormundschaftsgericht - auf Anregung des Betreuers A. (Bl. 67 III f. d.A.) und nach Einholung eines schriftlichen psychiatrischen Gutachtens (Bl. 106 III ff. d.A.) - mit Beschluss vom 17. Juli 2001 die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung - bis längstens 15. Juli 2003 - "an" und verfügte die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB; Bl. 125 III ff. d.A.). Dieser Beschluss erging nach Anhörung des Betroffenen und der Stationsärztin Dr. Z. , die das psychiatrische Gutachten nicht verfasst hatte. Der Betreuer A. und der im Vorverfahren bestellte Verfahrenspfleger C. waren bei der Anhörung vom 16. Juli 2001 anwesend (Bl. 113 III ff. d.A.). Herr C. wurde allerdings für das vorliegende Verfahren erst nach der Anhörung mit Beschluss vom 17. Juli 2001 zum Verfahrenspfleger bestellt (Bl. 125 III ff. d.A.).

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen übertrug die Kammer dessen Anhörung mit Beschluss vom 23. Juli 2001 der Berichterstatterin als beauftragter Richterin (Bl. 133 III d.A.), die den Betroffenen und die Stationsärztin Dr. Z. als "Sachverständige" - in Anwesenheit des Betreuers - am 25. Juli 2001 anhörte. Der Verfahrenspfleger C. war bei der Anhörung nicht anwesend, da er erst einen Tag zuvor geladen worden war. Darauf hatte er das Gericht am 25. Juli 2001 vor der Anhörung fernmündlich hingewiesen (Bl. 134 III ff. d.A.). Nach der Anhörung wies die Kammer die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 30. Juli 2001 als unbegründet zurück (Bl. 139 III ff. d.A.).

Gegen diese, ihm am 01. August 2001 zugestellte Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der am 13. August 2001 eingelegten Beschwerde.

II.

Das als weitere - sofortige - Beschwerde zu wertende Rechtsmittel des Betroffenen ist zulässig (§§ 22, 27 ff. FGG i.V.m. § 70 m FGG) und begründet.

1. Der Betroffene wendet sich gegen die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung seiner Unterbringung nach bürgerlichem Recht (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB, §§ 70 ff. FGG), obgleich der Tenor der vom Landgericht aufrechterhaltenen Entscheidung des Amtsgerichts - Vormundschaftsgerichts - vom 17. Juli 2001 den Anschein erweckt, als werde eine Unterbringung nach öffentlichem Recht (§ 11 PsychKG LSA) angeordnet (§ 14 PsychKG LSA, §§ 70 ff. FGG). Die vom Senat vorgenommene Wertung ergibt sich aus der Auslegung der amtsgerichtlichen Entscheidung (entsprechend § 133 BGB):

a) Vor der Entscheidung vom 17. Juli 2001 hatte das Vormundschaftsgericht - auf Antrag der Verwaltungsbehörde (§ 7, § 14 Abs. 1 PsychKG LSA) - die Unterbringung des Betroffenen nach öffentlichem Recht angeordnet (§ 14 Abs. 1, 2 PsychKG LSA, §§ 70 ff. FGG). Die Unterbringung nach öffentlichem Recht war bis zum 17. Juli 2001 befristet. Eine weitere Freiheitsentziehung unterlag erneut dem Richtervorbehalt (Art. 104 Abs. 2 GG).

b) Die entsprechende richterliche Entscheidung wurde nicht von der Verwaltungsbehörde beantragt, sondern von Herrn A. angeregt, den das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - mit Beschluss vom 19. Januar 2001 zum Betreuer des Betroffenen bestellt hatte (§ 1897 BGB, §§ 65 ff. FGG).

Die Bestellung des Betreuers A. war formell wirksam, obgleich Herr A. in dem Beschluss vom 19. Januar 2001 auch zum Verfahrenspfleger des Betroffenen bestellt worden war. Zwar ist das Amt des Betreuers mit dem des Verfahrenspflegers unvereinbar, da der Verfahrenspfleger - als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen (vgl. OLG Hamm, FamRZ 1996, 1372 f.) - allein dessen Interessen zu vertreten hat und dabei notfalls auch gegen den Betreuer argumentieren, insbesondere dessen Auswahl und Bestellung in Frage stellen muss. Dieser Mangel zieht jedoch keine Unwirksamkeit der Bestellung des Betreuers, sondern nur eine solche des Verfahrenspflegers nach sich (vgl. BayObLG, FamRZ 1994, 780 f.). - Um die darauf beruhende fehlerhafte Verfahrensweise des Amtsgerichts im vorangegangenen Verfahren zu heilen - die Bestellung des Verfahrenspflegers A. war unwirksam, sodass kein Verfahrenspfleger des Betroffenen rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 2 GG) erhielt (vgl. Keidel/Kuntze/ Winkler/Kayser, FGG, 14. Aufl., § 70 b, Rdn. 9 m.w.N.) -, hat die Kammer in jenem, mit dem Kammerbeschluss vom 05. März 2001 abgeschlossenen Verfahren durch Beschluss 01. März 2001 Herrn C. zum neuen Verfahrenspfleger des Betroffenen bestellt. -

Der - wirksam bestellte - Betreuer A. war in seiner amtlichen Funktion für die Unterbringung des Betroffenen nach bürgerlichem Recht zuständig (§ 1906 Abs. 1, 3, 4 BGB). Die vom Betreuer angeregte bürgerlich-rechtliche Unterbringung bedurfte keiner gerichtlichen Anordnung, sondern nur noch einer Genehmigung durch das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - (§ 1906 Abs. 2 Satz 1 BGB).

In diesem Sinne hat das Amtsgericht die Anregung des Betreuers A. auch verstanden, wie aus den Gründen seines Beschlusses vom 17. Juli 2001 hervorgeht, in denen auf die Bestimmungen zu § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BGB verwiesen wird. Die Anordnung der Unterbringung des Betroffenen im Tenor der amtsgerichtlichen Entscheidung vom 17. Juli 2001 ist daher so zu verstehen, dass die bürgerlich-rechtliche Unterbringung des Betroffenen durch den Betreuer genehmigt wird.

2. Das Landgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht verfahrensfehlerfrei ermittelt (§ 12 FGG):

a) Allerdings ist nicht zu beanstanden, dass der Betroffene am 25. Juli 2001 nicht von allen Richtern der Kammer, sondern nur von der beauftragten Richterin angehört worden ist (§ 70 m Abs. 3 i.V.m. § 69 g Abs. 5 Satz 1 und § 68 Abs. 1 Satz 1 FGG). Dadurch wurde das rechtliche Gehör des Betroffenen (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Zwar darf von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen durch alle Richter eines Kollegialgerichts nur abgesehen und die Anhörung einem beauftragten Richter übertragen werden, wenn das Kollegialgericht in der Lage ist, das Ergebnis der Ermittlungen zu würdigen, ohne sich einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen (§ 70 m Abs. 3 i.V.m. § 69 g Abs. 5 Satz 2 FGG). Diese Voraussetzung ist aber gegeben, wenn das Beschwerdegericht - wie im vorliegenden Fall - gänzlich von der Anhörung des Betroffenen absehen darf, weil von einer Wiederholung der - bereits erstinstanzlich durchgeführten - Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 70 m Abs. 3 i.V.m. § 69 g Abs. 5 Satz 3 FGG; vgl. BayObLG, FamRZ 1997, 900, 901):

aa) Aus dem Verfahren erster Instanz - wie aus den übrigen vorangegangenen Verfahren - war der Kammer bekannt, dass der Betroffene an einem schweren hirnorganischen Psychosyndrom sowie unter Alkoholismus litt. Nach den sorgfältig begründeten schriftlichen Sachverständigengutachten, die von Ärzten für Psychiatrie bzw. Ärzten mit Erfahrungen auf diesem und dem verwandten Gebiet der Neurologie (§ 70 e Abs. 1 Satz 2 FGG) erstattet worden waren, waren die Kräfte des Betroffenen erheblich reduziert. Sein Allgemeinzustand war schlecht und seine Urteils- sowie Kritikfähigkeit stark eingeschränkt. Mit Rücksicht darauf wurde schon im Kammerbeschluss vom 05. März 2001 festgestellt, dass die erstinstanzliche Genehmigung der Unterbringung vom 14. Februar 2001 notwendig war, um den Betroffenen vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die erstinstanzliche Entscheidung wurde zwar aufgehoben. Die Aufhebung beruhte aber nicht darauf, dass der Betroffene geheilt war, sondern lediglich darauf, dass sich sein Gesundheitszustand infolge der Medikation stabilisiert hatte und deshalb die weitere Freiheitsentziehung nicht mehr gerechtfertigt war.

bb) Im vorliegenden Verfahren hatte der Betroffene bei seiner Anhörung durch das Amtsgericht eingeräumt, sein Alkoholproblem nicht in den Griff bekommen zu haben (Bl. 135 III d.A.). Die Ärzte Wr. und Dr. D. , die Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie besaßen (§ 70 e Abs. 1 Satz 2 FGG) und ein schriftliches Gutachten erstattet hatten (Bl. 105 III d.A.), hatten eine gravierende Verschlechterung seines Gesundheitszustands festgestellt. Neben dem nach wie vor bestehenden schweren hirnorganischen Psychosyndrom hatten sie eine Zunahme der Symptomatik im Bereich der Alkoholabhängigkeit sowie ein Korsakowsyndrom diagnostiziert. Der Krankheitsverlauf des Betroffenen zeigte eine Verwahrlosungstendenz. Der Betroffene konnte - so die Sachverständigen - die Konsequenzen seines Handelns nicht mehr überblicken und war zu einer selbständigen Lebensführung nicht mehr in der Lage.

cc) Angesichts dieser Feststellungen war nicht zu erwarten, dass sich aus einer erneuten Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht zusätzliche, insbesondere abweichende Erkenntnisse ergaben. Die Prognose bestätigte sich bei der Anhörung des Betroffenen durch die beauftragte Richterin. Der Betroffene bestritt seine Therapiebedürftigkeit nicht. Er hielt lediglich seine weitere Unterbringung nicht für notwendig.

Ergeben sich weder aus der erstinstanzlichen Anhörung des Betroffenen noch aus seiner Anhörung durch einen beauftragten Richter zweiter Instanz zusätzliche Erkenntnisse, die das Ermittlungsergebnis in Frage stellen, besteht kein Grund für eine nochmalige persönliche Anhörung des Betroffenen durch alle Mitglieder des Kollegialgerichts.

b)aa) Indessen hat das Landgericht - wie schon das Amtsgericht - bei der Anhörung des Betroffenen nicht die Ärztin Wr. als Sachverständige angehört, die vom Amtsgericht mit der Erstattung des schriftlichen Sachverständigengutachtens beauftragt worden ist (Bl. 97 III f. d.A.). Gehört wurde vielmehr die Stationsärztin Dr. Z. , die kein schriftliches Gutachten erstattet hat. Infolgedessen wurde der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht verfahrensfehlerfrei aufgeklärt (§ 12 FGG):

(1) Weder vom Landgericht noch vom Amtsgericht wurde ermittelt, ob es sich bei der Stationsärztin Dr. Z. um eine Ärztin für Psychiatrie oder um eine Ärztin mit Erfahrungen auf diesem Gebiet bzw. um eine sonstige fachlich kompetente Person (§ 70 e Abs. 1 Satz 2 FGG) handelt.

(2) Abgesehen davon wurden die im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Beweiserhebung durch Sachverständige nicht beachtet (§ 15 Abs. 1 FGG):

Nach diesen Bestimmungen ist ein schriftliches Sachverständigengutachten von demjenigen Sachverständigen mündlich zu erläutern (§ 411 Abs. 3 ZPO), den das Gericht für die Erstattung des schriftlichen Gutachtens ausgewählt hat (§ 404 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Hält das Gericht nämlich eine mündliche Erläuterung eines schriftlichen Gutachtens für notwendig (§ 411 Abs. 3 ZPO), will es seine Entscheidung ersichtlich nicht nur auf das - seiner Ansicht nach unvollständige - schriftliche Gutachten stützen, sondern hält eine mündliche Ergänzung der Begutachtung für notwendig. Erst diese Ergänzung ergibt die einheitliche - vollständige - sachverständige Begutachtung (BGH, MDR 1978, 829, 830).

Kommt eine mündliche Erläuterung durch den ursprünglich bestellten Sachverständigen nicht in Betracht, ist eine völlig neue Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen erforderlich. Denn durch das unvollständige schriftliche Gutachten ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht umfassend aufgeklärt (BGH, a.a.O.). Die Begutachtung durch einen neuen Sachverständigen erfordert eine entsprechende Ernennung an Stelle des ursprünglich bestellten Sachverständigen (§ 404 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Dazu ist der Erlass eines förmlichen Beweisbeschlusses (§§ 358 ff. ZPO) oder - im FGG-Verfahren - zumindest der Erlass einer gerichtlichen Beweisanordnung erforderlich (Keidel/Kuntze/Winkler/ Schmidt, a.a.O., § 15 Rdn. 8).

Weder die Kammer noch die beauftragte Richterin (§ 405 ZPO) haben von ihrer Befugnis zum Erlass eines entsprechenden Beweisbeschlusses oder einer Beweisanordnung Gebrauch gemacht. Die bloße Bezeichnung der Stationsärztin Dr. Z. als "Sachverständige" im Anhörungsprotokoll des Landgerichts vom 25. Juli 2001 genügt den Anforderungen nicht, die an einen förmlichen Beweisbeschluss (§§ 358 ff. ZPO) oder an eine Beweisanordnung zu stellen sind.

Die mit der Erstattung des schriftlichen Gutachtens beauftragte Sachverständige Wr. war auch nicht befugt, ihren Auftrag auf jemand anderen zu übertragen (§ 407 a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sachverständige durfte sich bei der Begutachtung lediglich einer anderen, namhaft gemachten Person - hier der Ärztin Dr. D. - bedienen (§ 407 a Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Angesichts dessen war die Sache nicht entscheidungsreif. Das Landgericht hatte die Anwesenheit der - nicht zur Sachverständigen bestellten - Stationsärztin Z. im Anhörungstermin vom 25. Juli 2001 zu unterbinden, um die Vertraulichkeit des Verfahrens (§ 68 Abs. 4 Satz 3, § 70 c Satz 5 FGG) zu gewährleisten (Keidel/ Kuntze/Winkler/Kayser, a.a.O., § 68 Rdn. 16).

bb) Im übrigen hat das Landgericht dem Verfahrenspfleger des Betroffenen, dessen Bestellung es mit Beschluss vom 01. März 2001 für notwendig hielt (§ 70 b Abs. 1 Satz 1FGG), bei der Anhörung des Betroffenen vom 25. Juli 2001 kein rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährt (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/ Kayser, a.a.O., § 70 b, Rdn. 9 m.w.N.). Die Ladung des Verfahrenspflegers C. wurde erst am 23. Juli 2001 verfügt und bearbeitet (Bl. 133 III d.A.). Infolgedessen ging die Ladung dem Verfahrenspfleger erst einen Tag vor der Anhörung zu. Nach dem Leitbild des Gesetzes hätte der Zugang wenigstens drei Tage vor dem Anhörungstermin erfolgen müssen (§ 217 ZPO). Spätestens auf die rechtzeitige Rüge des Verfahrenspflegers hätte die beauftragte Richterin vertagen oder die Gewährung rechtlichen Gehörs - im Anschluss an die Anhörung des Betroffenen - vor einer Entscheidung der Kammer nachholen müssen.

Schon das Amtsgericht hatte dem Verfahrenspfleger kein rechtliches Gehör gewährt. Herr C. war zwar bei der Anhörung des Betroffenen vom 16. Juli 2001 zugegen. Er wurde aber erst nach der Anhörung - mit Beschluss vom 17. Juli 2001 - zum Verfahrenspfleger bestellt.

Unter einem entsprechenden Verfahrensmangel leidet auch das vorangegangene, mit dem Kammerbeschluss vom 05. März 2001 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren. In jenem Verfahren war Herr A. bis zur Entscheidung des Amtsgerichts nicht wirksam als Verfahrenspfleger bestellt [vorstehende Ausführungen zu 1. a)]. Auch dieser Mangel - wegen der zu kurzfristigen Ladung des Pflegers - vom Landgericht nicht geheilt.

3. Ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Betroffenen (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB) tatsächlich vorliegen, hat der Senat nicht zu prüfen. Die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen ist ihrem Wesen nach nämlich eine Rechtsbeschwerde (§ 27 FGG), sodass die Beurteilung des Tatrichters nur daraufhin überprüft werden kann, ob der Tatrichter einen unbestimmten Rechtsbegriff verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zu Stande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Acht gelassen oder gegen Denkgesetze verstoßen hat (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, a.a.O., § 27 Rdn. 42).

Ende der Entscheidung

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